Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2020 - V ZR 170/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin ist Eigentümerin von 24 Appartements in einem Gebäude, das bei der Errichtung als sog. Boardinghouse konzipiert und als solches von einer Gesellschaft auf der Grundlage von Mietverträgen mit den Sondereigentümern der Appartements betrieben wurde. Im Jahre 1999 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Betreibergesellschaft eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten wurde dieser rechtskräftig zur Räumung und Herausgabe der Appartements an die Klägerin verurteilt. Im Juli bzw. August 2015 verweigerte er von der Klägerin bevollmächtigten Personen den Zutritt zu dem Gebäudekomplex und stellte der Klägerin gegenüber Beschränkungen für das Betreten der in ihrem Eigentum stehenden Appartements auf.
- 2
- Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, es zu dulden, dass von der Klägerin weisungsabhängig bevollmächtigte Personen das Boardinghouse betreten , um zu den im Eigentum der Klägerin stehenden Appartements zu gelangen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
II.
- 3
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
- 4
- 1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO aF (jetzt § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (Senat, Beschluss vom 19. Januar 2017 - V ZR 100/16, WuM 2017, 174 Rn. 5; Beschluss vom 21. März 2019 - V ZR 127/18, WuM 2019, 349 Rn. 4 jeweils mwN).
- 5
- 2. Der Beschwerdebegründung lässt sich eine 20.000 € überschreitende Beschwer des Beklagten nicht entnehmen.
- 6
- a) Der Beklagte meint, seine Beschwer entspreche dem von dem Beru- fungsgericht für das Berufungsverfahren festgesetzten Streitwert von 65.000 €. Dies trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat den Streitwert nach dem Interesse der Klägerin an dem Zugang zu ihren Appartements bemessen und hierfür die prognostizierten Mieteinnahmen der Klägerin für dreieinhalb Jahre mit einem Abschlag für bestehende Ungewissheiten zu Grunde gelegt. Die sich aus der Verurteilung ergebende Beschwer des Beklagten besteht hingegen in seinem Interesse daran, den Zugang der Klägerin zu ihren Appartements zu unterbinden bzw. zu beschränken. Den wirtschaftlichen Wert dieses Interesses hat die Beschwerde nicht dargelegt.
- 7
- b) Der Senat verkennt nicht, dass es dem Beklagten der Sache nach darum geht zu verhindern, dass die Klägerin ihre Appartements eigenständig und direkt, ohne Zwischenschaltung des Beklagten, vermietet mit der Folge, dass der Beklagte die laufenden Kosten aus dem Betrieb des Boardinghouses (Restaurant , Rezeption usw.) zu tragen hat, ohne an den Einnahmen aus der Vermietung der einzelnen Appartements beteiligt zu werden. Ein sich hieraus ergebendes wirtschaftliches Interesse, das der Senat möglicherweise schätzen könnte, ist indes für die Rechtsmittelbeschwer des Beklagten nicht von Belang. Diese richtet sich allein nach dem unmittelbaren Interesse an der Beseitigung der Verurteilung, nicht nach etwaigen mittelbaren wirtschaftlichen Folgen des angefochtenen Urteils (vgl. Senat, Beschluss vom 26. September 2019 - V ZR 224/18, NZM 2019, 881 Rn. 3). Unmittelbare Folge der Verurteilung des Beklagten ist indessen nur, dass er der Klägerin ungehinderten Zugang zu ihren Appartements gewähren muss. Dass die damit verbundene Beschwer des Beklagten 20.000 € übersteigt, ist nicht erkennbar.
III.
- 8
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Mangels geeigneter Anhaltspunkte hat der Senat den Streitwert für das Verfahren der Nichtzulas- sungsbeschwerde auf 5.000 € geschätzt (§ 3 ZPO).
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 11.09.2018 - 5 O 131/16 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 20.06.2019 - 8 U 104/18 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.