Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2015 - V ZB 82/14

published on 15/10/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2015 - V ZB 82/14
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Amtsgericht Braunschweig, 33a XIV 1/14 B, 13/01/2014
Landgericht Braunschweig, 8 T 60/14, 24/04/2014

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 82/14
vom
15. Oktober 2015
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 24. April 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene reiste am 4. August 2009 in das Bundesgebiet ein und beantragte wenig später Asyl. Sein Asylantrag wurde durch das zuständige Bundesamt abschlägig beschieden, und zwar zunächst durch einen Bescheid vom 8. Februar 2010 als unzulässig und sodann unter Aufhebung des vorgenannten Bescheides mit einem weiteren Bescheid vom 20. Dezember 2011 als unbegründet. Die für den 6. September 2012 vorgesehene Abschiebung scheiterte daran, dass sich der Betroffene zu dem angekündigten Termin nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft befand. Als er sich am 13. Januar 2014 zur Auf- nahme bei der zuständigen Dienststelle der beteiligten Behörde meldete, wurde er festgenommen.
2
Die beteiligte Behörde hat am gleichen Tag beantragt, gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Russland bis zum 12. Februar 2014 anzuordnen. Diesem Antrag hat das Amtsgericht noch am 13. Januar 2014 entsprochen. Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens ist der Betroffene aus der Haft entlassen worden, weil nicht absehbar war, wann die russischen Behörden für ihn Passersatzpapiere ausstellen würden. Die - seitdem auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete - Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht als unbegründet zurückgewiesen.

II.

3
Das Landgericht meint, die Haftanordnung des Amtsgerichts sei nicht zu beanstanden. Insbesondere fehle es nicht an einem zulässigen Haftantrag. Die beteiligte Behörde habe in ihrem Antrag die nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlichen Angaben gemacht. Sie habe die im Fall des Betroffenen erforderlichen Schritte zur Durchführung seiner Abschiebung nach Russland im Einzelnen dargelegt.

III.

4
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung lassen sich die Aufrechterhaltung der Haft und die Zurückweisung des Feststellungsantrags des Betroffenen durch das Beschwerdegericht nicht rechtfertigen.
5
1. Die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung ergibt sich entgegen der Ansicht des Betroffenen nicht schon daraus, dass ihr ein zulässiger Haftantrag nicht zugrunde gelegen hätte.
6
a) Die Angaben der beteiligten Behörde zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zur erforderlichen Dauer der anzuordnenden Haft waren allerdings in der Sache unrichtig. Sie beruhen auf der unzutreffenden Annahme, für die Abschiebung des Betroffenen nach Russland sei das in der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26) festgelegte Verfahren einzuhalten. Das Verfahren nach dieser Richtlinie ist nur einzuhalten, wenn die Rückführung eines Betroffenen in sein Heimatland auf dem Luftweg erfolgen soll, aber nicht mit einem Direktflug erfolgen kann, sondern eine Zwischenlandung auf einem Flughafen in einem anderen Mitgliedsstaat der europäischen Union erfordert (Art. 1, Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie). Die Richtlinie regelt auch nicht die Verpflichtungen des Heimatlandes des Betroffenen zur Rücknahme, sondern ausschließlich die Unterstützungsverpflichtungen des Mitgliedstaats der Europäischen Union, auf dessen Flughafen die Zwischenlandung erfolgen soll. Für die hier vorgesehene Abschiebung des Betroffenen mit einem Direktflug nach Russland ist nicht nach der genannten Richtlinie, sondern nach dem Abkommen zwischen der europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme vom 25. Mai 2006 (genehmigt durch den Beschluss des Rates vom 19. April 2007, ABl. EU Nr. L 129 S. 38) zu verfahren, das insbesondere andere Nachweise und Fristen vorsieht.
7
b) Dieser Fehler der beteiligten Behörde ändert aber an der Zulässigkeit des von ihr gestellten Haftantrages nichts. Die beteiligte Behörde musste in dem Antrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG darlegen, auf welcher Grundlage die Abschiebung erfolgen sollte, welche Schritte hierfür erforderlich waren und welchen Zeitraum sie jeweils in Anspruch nahmen (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 16). Dem hat die beteiligte Behörde entsprochen. Sie hat dargelegt, dass sie die Abschiebung auf der Grundlage der Richtlinie 2003/110/EG durchführen wollte. Sie hat das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Verfahren zutreffend beschrieben. Das trifft entgegen der Auffassung des Betroffenen auch für die Darlegung der beteiligten Behörde zu, zuerst den Flugschein beschaffen und erst dann das Ersuchen stellen zu wollen. Denn diese Vorgehensweise wird in den nach der Richtlinie zu verwendenden Formularen vorausgesetzt. Ob die der Beschreibung der beteiligten Behörde zugrundeliegende Annahme zutrifft, die Rückführung des Betroffenen habe nach der Richtlinie zu erfolgen, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine Frage der Begründetheit des Haftantrags (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZB 214/12, juris Rn. 9).
8
2. Es lässt sich dennoch nicht ausschließen, dass die Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Bislang ist nämlich entgegen § 26 FamFG nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, auf welcher Tatsachengrundlage bei Erlass der Haftanordnung die Prognose gerechtfertigt war, die beabsichtigte Abschiebung des Betroffenen werde bei dem gebotenen Vorgehen nach dem genannten Abkommen vom 25. Mai 2006 in dem beantragten Zeitraum gelingen.
9
a) Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nach § 62 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 4 AufenthG nur angeordnet werden, wenn eine Prognose ergibt, dass die Abschiebung innerhalb des beantragten Haftzeitraums gelingen kann. Das gilt nicht nur, wenn eine Sicherungshaft von drei Monaten verhängt werden soll, die § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG ausdrücklich anspricht. Diese Prognose ist auch bei der Anordnung einer kürzeren Haftdauer vorzunehmen , um die es hier ging (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Mai 2011 - V ZB 265/10, FGPrax 2011, 201 Rn. 9). Sie erfordert eine Feststellung der rechtli- chen und tatsächlichen Grundlagen der zu sichernden Abschiebung und ist nach § 26 FamFG von dem Richter von Amts wegen vorzunehmen (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2011 - V ZB 265/10 aaO Rn. 8 f.).
10
b) Diesen Anforderungen ist das Amtsgericht nicht gerecht geworden. Es hat die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen der Abschiebung nicht (ordnungsgemäß ) festgestellt. In seinem Beschluss hat es sich darauf beschränkt, die Ausführungen der beteiligten Behörde zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur erforderlichen Dauer der Haft aus dem Haftantrag wörtlich wiederzugeben und hinzuzusetzen, es schließe sich dem an. Das war unzureichend. Die nach § 26 FamFG gebotene Überprüfung der Angaben der beteiligten Behörde hätte ergeben, dass schon die genannte Rechtsgrundlage der beabsichtigten Abschiebung aus den dargelegten Gründen nicht einschlägig war und infolgedessen deren übrige Angaben nicht als Grundlage der anzustellenden Prognose taugten.
11
c) Die Prognose hat das Beschwerdegericht nicht nachgeholt. Es hat sich zwar mit der Frage befasst, ob die gegen den Betroffenen angeordnete Haft zu lang gewesen sein könnte, und diese Frage verneint. Es hat sich aber nicht mit der Frage befasst, ob und aus welchen Gründen die Erwartung gerechtfertigt war, die Abschiebung des Betroffenen könne in dem beantragten Zeitraum gelingen. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist deshalb zu unterstellen , dass eine ausreichende Tatsachengrundlage hierfür fehlte. Sollte sich das bestätigen, hätte das Beschwerdegericht die angeordnete Haft nicht mit Einschränkungen aufrechterhalten dürfen, sondern feststellen müssen, dass sie den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

IV.

12
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die erforderlichen Feststellungen zu der gebotenen Prognose fehlen. Diese können nachgeholt werden. Dem anwaltlich vertretenen Betroffenen kann rechtliches Gehör zu dem Ergebnis der weiteren Sachaufklärung gewährt werden. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zur anderweiten Behandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
13
Das Beschwerdegericht wird unter Berücksichtigung der Dauer der Vorbereitung der früheren Abschiebung des Betroffenen im Jahr 2012 aufzuklären haben, ob und auf welchen Tatsachengrundlage bei Anordnung der Haft die Aussicht bestanden hat, den Betroffenen bis zum Ende der beantragten Haft nach Russland abzuschieben. Dabei wird auch zu klären sein, ob sich die beteiligte Behörde bei den russischen Behörden vor dem Haftantrag nach dem voraussichtlichen Zeitaufwand für die Beschaffung der Ersatzpapiere insbesondere nach den Möglichkeiten einer Abkürzung des Verfahrens mit Blick auf die frühere Abschiebung erkundigt hat und was eine solche Erkundigung ergeben hat oder, wenn sie nicht erfolgt sein sollte, ergeben hätte.
Stresemann Schmidt-Räntsch Czub
Kazele Göbel
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 13.01.2014 - 33a XIV 1/14 B -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 24.04.2014 - 8 T 60/14 -
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

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Annotations

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.