Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2019 - V ZB 145/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf
beschlossen:
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Landshut den Betroffenen für die Zeit vom 7. bis 30. März 2016 in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Dem Betroffenen, einem tunesischen Staatsangehörigen, wurde nach einem erfolglosen Asylverfahren im Jahr 2015 die Abschiebung angedroht. Bei seiner erneuten Einreise am 7. Januar 2016 wurde er festgenommen. Ihm wur- de erneut die Abschiebung angedroht. Nachdem er sich zunächst in Abschiebungshaft befunden hatte, verbüßte er vom 21. Januar bis 7. März 2016 eine Ersatzfreiheitsstrafe. Am 1. März 2016 bestätigten die tunesischen Behörden die Staatsangehörigkeit und erklärten sich bereit, ein Passersatzpapier auszustellen.
- 2
- Am 7. März 2016 hat das Amtsgericht Abschiebungshaft im Anschluss an die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe bis spätestens 7. April 2016 angeordnet. Ein Abschiebungsversuch am 18. März 2016 scheiterte am Widerstand des Betroffenen. Nach der am 7. April 2016 erfolgten Abschiebung nach Tunesien hat das Landgericht die nunmehr auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtete Beschwerde am 22. September 2016 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene weiterhin die Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung feststellen lassen. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 4
- 1. Der Vollzug der Haft bis zum 30. März 2017 hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
- 5
- a) Allerdings ist der Haftantrag - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - zulässig. Ausführungen dazu, ob das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliegt, muss der Haftantrag nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann enthalten, wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 145/17, juris Rn. 15). Daran gemessen ist der Haftantrag nicht zu beanstanden. Wie die Rechtsbeschwerde selbst erkennt, geht weder aus dem Haftantrag noch aus den beigefügten Unterlagen hervor, dass Ermittlungsverfahren anhängig waren.
- 6
- b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Würzburg und Düsseldorf habe das Einvernehmen gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gefehlt.
- 7
- aa) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - von den Ausnahmen gemäß § 72 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 AufenthG abgesehen - nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlt dieses Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus. Dabei ist es für die - im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigende - Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, aus welchen Gründen das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft fehlt. Da es eine Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an. Sind mehrere Ermittlungsverfahren anhängig, müssen alle beteiligten Staatsanwaltschaften zustimmen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juli 2018 - V ZB 179/15, InfAuslR 2018, 415 Rn. 7 mwN).
- 8
- bb) Daran gemessen kann das Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte die Haftanordnung vom 7. März 2016 nicht rechtswidrig werden lassen; denn es bezieht sich auf den zeitlich späteren erfolglosen Abschiebungsversuch am 18. März 2016. Auch im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen Körperverletzung bedurfte es des Einvernehmens nicht. Dieses Verfahren ist nämlich vor Erlass der Haftanordnung durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 29. Oktober 2015 abgeschlossen worden; nach rechtskräftigem Abschluss eines Strafverfahrens bedarf es des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht mehr (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 197/14, FGPrax 2015, 181).
- 9
- c) Erfolg hat jedoch die Rüge der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf das von dem Amtsgericht Borna geführte Strafverfahren wegen Diebstahls habe das Einvernehmen bei Erlass der Haftanordnung noch nicht vorgelegen. Insoweit stellt das Beschwerdegericht fest, dass die Staatsanwaltschaft Leipzig, Zweigstelle Grimma, der Abschiebung erst am 30. März 2016 zugestimmt hat. Dieser Verfahrensfehler ist hierdurch - allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft - geheilt worden. Dasselbe gilt für die Anklage der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 17. November 2015 wegen zweier Diebstähle. Das am 30. März 2016 erteilte Einvernehmen erfasst auch dieses Verfahren, weil die Anklage von der Staatsanwältin verfasst worden ist, die das Einvernehmen mit der Abschiebung erklärt hat. Insoweit ist dem Betroffenen über seinen Verfahrensbevollmächtigten rechtliches Gehör gewährt worden; einer persönlichen Anhörung bedurfte es nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 231/17, FGPrax 2019, 41 Rn. 6 mwN).
- 10
- 2. Für die Zeit ab dem 31. März 2016 kann die angefochtene Entscheidung deshalb keinen Bestand haben, weil der Haftrichter und das Beschwerdegericht in der Sache nicht - wie nach § 26 FamFG geboten - anhand der Ausländerakte geprüft haben, ob § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG einer Abschiebung des Betroffenen deshalb entgegenstand, weil noch weitere Ermittlungsverfah- ren anhängig waren (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 231/17, FGPrax 2019, 41 Rn. 5 mwN). Diese Prüfung hätte - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - ergeben, dass am 23. August 2015 ein weiterer Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (60 Js 5328/15, vgl. Ausländerakte Bl. 162) wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gestellt worden war. Bislang ist nicht geprüft worden, ob insoweit das (ggf. generelle) Einvernehmen vorlag bzw. ob das Strafverfahren bei der Haftanordnung bereits abgeschlossen war.
- 11
- 3. Im Übrigen ist der Beschluss aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
III.
- 12
- Für die Zeit bis zum 30. März 2016 kann der Senat selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Im Übrigen ist der angefochtene Beschluss aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist insoweit an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Dieses wird aufzuklären haben , ob das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit der Abschiebung des Betroffenen im Hinblick auf das Verfahren 60 Js 5328/15 vorlag. Die gebotene Gewährung des rechtlichen Gehörs zu den von dem Beschwerdegericht zu treffenden Feststellungen kann dadurch erfolgen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird (Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 231/17, FGPrax 2019, 41 Rn. 6 mwN).
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 07.03.2016 - ERi XIV 6/16 (B) -
LG Landshut, Entscheidung vom 22.09.2016 - 64 T 695/16 -
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(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.
(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.
(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.
(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.
(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.
(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.
(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.
Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.
(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.
(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.
(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.
(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.
(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.
(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.