Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2009 - V ZB 115/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Anlässlich der Bebauung des Grundstücks der Beklagten wurde dieses mit Erde aufgeschüttet ; zur Abstützung an der Grenze zum Grundstück der Kläger wurden L-Betonsteine verlegt. Diese stehen nach Darstellung der Kläger zwischen 10 und 30 cm auf ihrem Grundstück, so dass sich der Grenzabstand zwischen der Wand ihres Hauses und der durch die Steine gebildeten faktischen Grenze teilweise von 3,20 m auf 2,90 m verringere und die Nutzung des Bauwichs für die Errichtung einer Zisterne und eines Fahrzeugstellplatzes eingeschränkt werde.
- 2
- Auf dem Grundstück der Beklagten steht weiter eine Kirschlorbeerhecke, deren Blätter teilweise auf das Grundstück der Kläger fallen. Auf der Terrasse am Haus der Beklagten befindet sich eine Außenleuchte, durch deren Lichteinwirkung sich die Kläger gestört fühlen.
- 3
- Die Kläger haben von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, dass ihr Grundstück durch das Laub der Kirschlorbeerhecke wesentlich belastet werde, die L-Profil-Steine von ihrem Grundstück zu entfernen, die Absicherung gegen das Herabfallen von Erde auf ihr Grundstück zu vervollständigen und es zu unterlassen , durch die Lichteinwirkung von der Außenbeleuchtung der Terrasse die Nutzung ihres Wohn- und Schlafzimmers zu beeinträchtigen.
- 4
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Wert der Beschwer den Betrag von 600 € nicht erreiche. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
- 5
- Das Berufungsgericht meint, dass die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zulässig sei, weil der Wert der Beschwer der Kläger durch die Zurückweisung ihrer Anträge sich auf nicht mehr als 530 € belaufen.
- 6
- Die Anträge im Einzelnen hat es wie folgt bewertet: Beseitigung des Laubbefalls 130 €, Unterlassen der Lichteinwirkung von der Terrassenbeleuchtung 150 €, Verhinderung des Herabfallens von Erdreich 100 € und Versetzen der L-Profil-Steine 150 €. Den letztgenannten Betrag hat es nach den dabei entstehenden Kosten bestimmt.
III.
- 7
- Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 8
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und form- und fristgerecht eingelegt (§ 575 ZPO).
- 9
- Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert hier eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil das Berufungsgericht bei seiner Festsetzung des für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Werts der Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) die rechtlichen Grundlagen für die Ausübung des ihm grundsätzlich zustehenden Ermessens gem. §§ 2, 3 ZPO (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20. Oktober 1997, II ZR 334/96, NJW-RR 1998, 573) verkannt hat.
- 10
- Der Wert der Beschwer eines Klägers, der mit seiner Klage auf Beseitigung einer die Grenze überschreitenden baulichen Anlage abgewiesen worden ist, bestimmt sich nach dem Wertverlust, den sein Grundstück dadurch erlitten hat (Senat, Beschl. v. 23. Januar 1986, V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737; Beschl. v. 16. November 2006, V ZR 97/06, juris; OLGR Hamm 1995, 267; OLGR München 1997, 140), und nicht nach den von dem Berufungsgericht mit einem Betrag von 150 € in Ansatz gebrachten Kosten für das Versetzen der Betonstützen. Diese wären allein für die Beschwer der Beklagten maßgebend, wenn sie dem Antrag gemäß verurteilt worden wäre (Senat, BGHZ 124, 313, 317; Beschl. v. 16. November 2006, V ZR 97/06, juris).
- 11
- 2. Beruht die Schätzung des Werts der Beschwer durch das Berufungsgericht auf einem Rechtsfehler, muss das Rechtsbeschwerdegericht diese selbst vornehmen. Die Rechtsbeschwerde ist danach begründet, weil der Wert der Beschwer der Kläger den Betrag von 600 € übersteigt.
- 12
- a) Der Wertverlust des Grundstücks durch eine die Grenze überschreitende bauliche Anlage des Nachbarn bestimmt sich nach dem Wert der überbauten Fläche und den dadurch bewirkten Beeinträchtigungen bei der Nutzung des nicht überbauten Grundstücksteils (Senat, Beschl. v. 16. Nov. 2006, V ZR 97/06, juris; OLGR München 1997, 140).
- 13
- b) Für deren Schätzung kann hier von den Angaben in dem von den Klägern nunmehr vorgelegten notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 über den Kauf ihres Grundstücks ausgegangen werden. Der Wert der überbauten Fläche von 3,15 m2 beträgt bei einem nach dem Kaufpreis bestimmten Wert von 56,24 € pro m2 177,16 € (gerundet: 180 €). Hinzu tritt die Wertminderung durch die Reduzierung des Bauwichs unter den gesetzlichen Mindestabstand von 3 m, die bei vernünftiger Betrachtung weder mit Null (so das Berufungsgericht) noch mit mehreren tausend Euro (so die Rechtsbeschwerde) festgesetzt werden kann. Für die Schätzung des Werts der Beschwer der Kläger ist vielmehr davon auszugehen, dass die Abweisung einer Klage auf Beseitigung eines Überbaus wie eine durch ihre Gestattung abgesicherte Mitbenutzung wirkt. Deren Wert kann auch angesichts der geringen Beanspruchung des Grundstücks der Kläger auf ca. 2 % des Werts ihres 660 m2 großen Grundstücks geschätzt werden, wobei der Grundstückswert mit dem 2001 vereinbarten Kaufpreis von 76.000 DM (= 38.858 €) in Ansatz gebracht werden kann. Die Beschwer durch die eingeschränkte Nutzbarkeit des Bauwichs ergibt so rechnerisch einen Betrag von 777,16 € (abgerundet: 750 €), was bereits allein die für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt.
- 14
- 3. Für das weitere Verfahren weist der Senat zu dem auf § 921 BGB gestützten Einwand der Beklagten, die L-Betonsteine seien eine Grenzeinrichtung, auf das dafür erforderliche Einverständnis des Nachbarn hin (Senat, BGHZ 143, 1, 5). Zu dem Anspruch der Kläger zur Beseitigung des Laubüberfalls verweist der Senat in Bezug auf die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen eines solchen Anspruchs auf seine Entscheidung vom 14. November 2003 (BGHZ 157, 33, 40). Krüger Klein Stresemann Roth Czub
AG Haldensleben, Entscheidung vom 27.08.2008 - 17 C 453/07 -
LG Magdeburg, Entscheidung vom 26.05.2009 - 2 S 399/08 (286) -
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Annotations
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und - 2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), - 2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2, - 3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.
(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Werden zwei Grundstücke durch einen Zwischenraum, Rain, Winkel, einen Graben, eine Mauer, Hecke, Planke oder eine andere Einrichtung, die zum Vorteil beider Grundstücke dient, voneinander geschieden, so wird vermutet, dass die Eigentümer der Grundstücke zur Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt seien, sofern nicht äußere Merkmale darauf hinweisen, dass die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört.