Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2017 - IX ZR 81/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Prof. Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 7. Dezember 2017
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 49.093,39 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagten sind durch Versäumnisurteil vom 20. Juli 2016 in der Hauptsache zur Zahlung von 49.093,39 € verurteilt worden. Auf ihren Einspruch ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 4. Oktober 2016 bestimmt worden. Nachdem ihrem Antrag auf Terminsverlegung nicht entsprochen worden ist, haben sie den zuständigen Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Den Termin vom 4. Oktober 2016 hat der geschäftsplanmäßige Vertreter des Einzelrichters wahrgenommen. Da die Beklagten nicht erschienen sind, ist gegen sie ein zweites Versäumnisurteil ergangen.
- 2
- Die dagegen eingelegte Berufung ist zurückgewiesen worden. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgen sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
II.
- 3
- Die angefochtene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
- 4
- 1. Das Säumnisverfahren ist Folge des Mündlichkeitsprinzips und der Verhandlungsmaxime. Eine Partei könnte den Fortgang des Verfahrens blockieren , wenn sie nicht zum Termin erscheint oder nicht zur Sache verhandelt. Die Zivilprozessordnung knüpft daher nachteilige Rechtsfolgen an die Säumnis. Ein erstes Versäumnisurteil kann noch im Wege des Einspruchs aus der Welt geschafft werden. Um zu verhindern, dass der Einspruch "ein bequemes Mittel zur Verschleppung der Prozesse" wird, hat der historische Gesetzgeber seine wiederholte Zulassung jedoch beschränkt. Erscheint die Partei nach rechtzeitigem Einspruch gegen das (erste) Versäumnisurteil erneut nicht zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch oder erscheint sie zwar, ist sie aber nicht ordnungsgemäß vertreten oder verhandelt sie nicht, hat das Gericht nur noch die Voraussetzungen der wiederholten Säumnis, insbesondere die ordnungsgemäße Ladung zum Termin, zu prüfen, bevor es den Einspruch durch (zweites) Versäumnisurteil verwirft (§ 345 ZPO). Ein weiterer Einspruch findet nicht statt (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - IX ZB 149/11, FamRZ 2012, 27 Rn. 9; vom 26. November 2015 - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75 Rn. 12). Die Berufung gegen ein (zweites) Versäumnisurteil kann nur darauf gestützt werden, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
- 5
- 2. Die Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil kann folglich nicht darauf gestützt werden, Ablehnungsgesuche der säumigen Partei seien fehlerhaft behandelt worden.
- 6
- a) Die Regelungen der § 514 Abs. 2 Satz 1, § 565 Satz 1 ZPO dienen nicht allgemein der Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern. Sie stellen eng auszulegende Ausnahmevorschriften dar, die lediglich die Überprüfung ermöglichen sollen, ob eine schuldhafte Säumnis tatsächlich vorgelegen hat, mithin die Sanktion des endgültigen Prozessverlustes gerechtfertigt ist. Ansonsten sollen sie einer Verschleppung des Rechtsstreits vorbeugen. Eine Anwendung der Vorschriften auch auf den Fall, dass die schuldhaft säumige Partei in der Revision die unrichtige Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche durch das Berufungsgericht rügt, steht diesem Ziel entgegen (BGH, Beschluss vom 26. November 2015, aaO Rn. 16).
- 7
- b) Die Vorschrift des § 514 Abs. 2 ZPO entspringt nicht der grundsätzlichen Wertung, dass ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör oder gegen andere Verfahrensgrundrechte bereits für sich allein die Berufung oder die Revision ermöglichen soll. Vielmehr geht es lediglich um die Regelung des Sonderfalls der (unverschuldeten) Säumnis (BGH, aaO Rn. 18).
- 8
- c) Die ordnungsgemäße Ladung der Beklagten zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch wird von der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Unter Beachtung der maßgeblichen Rechtslage mussten die Beklagten , um ein zweites Versäumnisurteil zu vermeiden, zu diesem Termin erscheinen und zur Sache verhandeln. Da dies nicht geschehen ist, scheidet - zumal der Vorsitzende den auf dem Gang anwesenden Verfahrensbevoll- mächtigten nochmals ausdrücklich über den Termin unterrichtete - eine unverschuldete Säumnis aus.
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 04.10.2016 - 2 O 5434/15 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 28.03.2017 - 3 U 2083/16 -
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Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäumnisurteil, durch das der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Einspruch nicht zu.
(1) Ein Versäumnisurteil kann von der Partei, gegen die es erlassen ist, mit der Berufung oder Anschlussberufung nicht angefochten werden.
(2) Ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung oder Anschlussberufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. § 511 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(1) Ein Versäumnisurteil kann von der Partei, gegen die es erlassen ist, mit der Berufung oder Anschlussberufung nicht angefochten werden.
(2) Ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung oder Anschlussberufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. § 511 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.