Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2018 - IX ZR 170/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterin Möhring und den Richter Meyberg
am 22. Februar 2018
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis zu 6.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die in A. ansässige Klägerin belieferte im Juni und Juli des Jahres 2012 die S. GmbH mit Sitz in D. (fortan "Schuldnerin") mit Waren auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in Nr. 11 Abs. 1 folgende Klausel enthielten: "Erfüllungsort und Gerichtsstand für alle Ansprüche und Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis ist, soweit der Kunde Kaufmann, juristische Person des öffentlichen Rechts oder öffentlich -rechtliches Sondervermögen ist, der Verwaltungssitz des Unterneh- mens. Dieses ist jedoch berechtigt, den Kunden auch an seinem Sitz zu verklagen".
- 2
- Der Beklagte ist Verwalter in dem über das Vermögen der Schuldnerin am 1. Oktober 2012 eröffneten Insolvenzverfahren. Mit ihrer vor dem Landgericht Ansbach erhobenen Stufenklage macht die Klägerin wegen noch nicht bezahlter Lieferungen Auskunfts- und Zahlungsansprüche aus Absonderungsrechten , Ersatzaus- und -absonderungsrechten geltend. Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit und meint, er sei an die von den Vertragsparteien getroffene Gerichtsstandsvereinbarung nicht gebunden. Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil das Landgericht zutreffend seine Unzuständigkeit angenommen habe. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
II.
- 3
- Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichtete Revision ist zwar statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Jedoch liegt weder ein Grund für die Zulassung der Revision vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) noch hat die Revision Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
- 4
- 1. Die Frage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ist für das Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn gemäß § 545 Abs. 2 ZPO ist die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht seine örtliche Zuständigkeit zu Recht angenommen oder verneint hat, der Nachprü- fung durch das Revisionsgericht jedenfalls dann entzogen, wenn das Berufungsgericht - wie hier - die Zuständigkeitsfrage genauso beurteilt wie das erstinstanzliche Gericht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2007 - II ZR 133/06, NJW-RR 2007, 1437 Rn. 2 mwN). Entgegen der Revision ist § 545 Abs. 2 ZPO im Streitfall nicht deshalb einschränkend auszulegen, weil sich die Vorinstanzen allein mit der Frage der örtlichen Zuständigkeit befasst und diese verneint haben. Der Gesetzgeber wollte zur Verfahrensbeschleunigung und Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermeiden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 106 und - für den gleich lautenden § 576 Abs. 2 ZPO - S. 118). Die Regelung des § 545 Abs. 2 ZPO schließt deshalb die Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges durch das Revisionsgericht schlechthin aus (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03, WM 2003, 2251; vom 7. März 2006 - VI ZR 42/05, NJW-RR 2006, 930 Rn. 11; vom 16. März 2010 - VIII ZR 341/09, NJW-RR 2011, 72 Rn. 1; vom 19. Oktober 2016 - I ZR 93/15, nv Rn. 15; jeweils mwN). Das gilt auch, wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2010, aaO Rn. 2; Urteil vom 23. November 2016 - IV ZR 50/16, VersR 2017, 118 Rn. 9) oder sich die örtliche Zuständigkeit aus einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des § 38 ZPO ergeben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2000 - III ZR 300/99, NJW 2000, 2822, 2823 unter 2.).
- 5
- 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Ob die Annahme des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist, der Beklagte sei als Insolvenzverwalter an die gemäß Nr. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vereinbarte Gerichtsstandsvereinbarung nicht gebunden, kann vom Senat gemäß § 545 Abs. 2 ZPO nicht nachgeprüft werden. Dieser hat vielmehr die vom Berufungsgericht angenommene Unzuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts ungeprüft zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2016, aaO Rn. 17 mwN).
- 6
- 3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Möhring Meyberg
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Ansbach, Entscheidung vom 23.09.2016 - 5 HKO 720/15 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 14.06.2017 - 12 U 2116/16 -
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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.
(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist.
(3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich
- 1.
nach dem Entstehen der Streitigkeit oder - 2.
für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.