Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2014 - IX ZB 77/13

published on 18/12/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2014 - IX ZB 77/13
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Landgericht Kleve, 2 O 116/12, 19/09/2012
Oberlandesgericht Düsseldorf, 14 U 76/13, 12/09/2013

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB77/13
vom
18. Dezember 2014
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann
und den Richter Dr. Fischer
am 18. Dezember 2014

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. September 2013 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 95.795 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin erhob gegen den Beklagten "in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter" eine auf die Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage. Auf die mit Klageerwiderung erhobene Rüge des Beklagten und den entsprechenden Antrag der Klägerin wurde das Verfahren an das gemäß § 19a ZPO zuständige Landgericht verwiesen. In den nachfolgenden Schriftsätzen bezog sich die Klägerin (auch) auf eine mögliche persönliche Haftung des Beklagten. Eine ausdrückliche Erklärung, gegen welche Partei sich die Klage richten sollte, erfolgte seitens der Klägerin trotz diesbezüglicher Ausführungen des Beklagten und eines im Termin zur mündlichen Verhandlung erteilten Hinweises nicht.

2
Das Landgericht hat die Klage als ausschließlich gegen den Beklagten als Partei kraft Amtes gerichtet ausgelegt und abgewiesen. Die auf eine Verurteilung des Beklagten persönlich gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der von ihr erhobenen Rechtsbeschwerde.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
4
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die ausschließlich gegen den Beklagten persönlich gerichtete Berufung sei mangels Beschwer unzulässig, weil sie allein auf eine Änderung der im ersten Rechtszug erhobenen Klage abziele. Die Auslegung der Klageschrift ergebe, dass die Klägerin den Beklagten erstinstanzlich in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter in Anspruch genommen und auch keine Parteierweiterung oder einen Parteiwechsel verfolgt habe.
5
2. Gründe, die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung als zulässig anzusehen, zeigt die Beschwerde nicht auf.

6
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass ein als Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandelnder Parteiwechsel eine zulässige Berufung voraussetzt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt und bedarf keiner weiteren Klärung, dass sich der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer richten muss, weshalb nicht lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt werden darf, sondern auch der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, WM 2001, 45, 46 f mwN; vgl. MünchKommZPO /Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 263 Rn. 44; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., vor § 511 Rn. 10 a, § 533 Rn. 4).
7
Das Landgericht hat durch Abweisung der erstinstanzlichen Klage entschieden , dass der Klägerin bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ein Anspruch gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes nicht zustand. Mit der ausschließlich gegen den Beklagten persönlich gerichteten Berufung greift die Klägerin diese in der erstinstanzlichen Entscheidung enthaltene Beschwer nicht an, sondern macht erstmals einen von der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Masse zu unterscheidenden Streitgegenstand geltend, auf den sich die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils nicht erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - IX ZR 115/01, WM 2006, 148, 149; Schmidt/Thole, InsO, 18. Aufl., § 60 Rn. 53).
8
b) Die geltend gemachte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu neh- men und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 300). Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen lässt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BGH, aaO mwN).
9
Das Vorbringen der Klägerin, wonach sie ausdrücklich Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Pflichtverletzung geltend gemacht und die Klage zunächst vor dem für den Beklagten persönlich zuständigen Gericht erhoben habe, ist ausweislich der vom Berufungsgericht gewählten Begründung erkennbar in der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Soweit die Klägerin jedoch lediglich das Ergebnis der durch das Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung beanstandet, ist Art. 103 Abs. 1 GG nicht berührt. Das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist regelmäßig nicht verletzt, wenn die Würdigung des Berufungsgerichts angegriffen und durch die anderslautende Wertung der Klägerseite ersetzt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 214/10, WM 2011, 1087 Rn. 13). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine Verpflichtung der Gerichte, der von einer Verfahrenspartei vorgetragenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfGE 87, 1, 33; BGH, Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZR 215/09, Rn. 3 nv; vom 21. Februar 2008 - IX ZR 62/07, DStRE 2009, 328 Rn. 5).

10
Soweit die Klägerin beanstandet, das Landgericht habe auf die beabsichtigte Auslegung der Parteistellung erst in der mündlichen Verhandlung hingewiesen , beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht auf dieser behaupteten Gehörsverletzung des erstinstanzlichen Gerichts. Nach Kenntnisnahme des Hinweises, spätestens jedoch nach Zugang des erstinstanzlichen Urteils hätte die Klägerin die ihr zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Abwendung der behaupteten Grundrechtsverletzung ergreifen können, wovon sie jedoch abgesehen hat.
11
c) Die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach sich die Klage erstinstanzlich allein gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter richte, verstößt nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende Recht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren. Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit dem Parteivortrag auseinandergesetzt. Seine Ansicht ist nicht schlechthin unvertretbar, und es drängt sich deshalb nicht der Schluss auf, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl.
BVerfGE 89, 1, 14; BGH, Beschluss vom 25. November 1999 - IX ZB 95/99, NJW 2000, 590; vom 20. Oktober 2011 - IX ZR 20/10, Rn. 3 nv).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Kleve, Entscheidung vom 19.09.2012 - 2 O 116/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.09.2013 - I-14 U 76/13 -
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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
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Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 20.05.2014 (7 O 351/13) wie folgt abgeändert: Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, a) an d
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Annotations

Der allgemeine Gerichtsstand eines Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, wird durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.