Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Dez. 2010 - IX ZB 60/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 22.339,88 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die nach § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 2
- Die geltend gemachten Verletzungen des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) liegen nicht vor.
- 3
- 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die am 11. Januar 2010 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt wurde. Dem an diesem Tag per Telefax eingegangenen Schriftsatz mangelt es an der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten.
- 4
- a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen (BGHZ 37, 156, 157; 92, 251, 255 f; BGH, Urt. v. 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086, 2087; Beschl. v. 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 9). Die Unterschrift ist grundsätzlich Wirksamkeitserfordernis. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BGHZ 37, 156, 157; 75, 340, 349; 97, 283, 285; BGH, Urt. v. 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, aaO). Das letztgenannte Erfordernis soll sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (BGHZ 75, 340, 349; 144, 160, 162; BGH, Urt. v. 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, aaO).
- 5
- Von diesem Grundsatz sind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur dann Ausnahmen zulässig, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen. So kann der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben werden, auf der der Beglaubigungsvermerk von dem Prozessbevollmächtigten handschriftlich vollzogen worden ist (BGHZ 24, 179, 180; BGH, Urt.
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- b) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass vorliegend besondere Umstände der vorgenannten Art fehlen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde bezieht sich das verwendete Kürzel hz-schn auf dem Berufungsschriftsatz nicht zweifelsfrei auf den Inhaber der Einzelkanzlei, den Beklagten. Die beiden Anfangsbuchstaben können gleichermaßen nicht nur für die Person des Kanzleiinhabers stehen, sondern für die Kanzlei als solche, was um so näher liegt, als das Kürzel noch den von der Rechtsbeschwerde nicht näher erläuterten Zusatz "schn" aufweist und damit auf einen sonstigen Kanzleimitarbeiter oder -bediensteten hinzuweisen geeignet erscheint. Die Möglichkeit, dass der bei Gericht eingegangene Schriftsatz aus einem nicht weiter autorisierten Entwurf herrührt, lässt sich aufgrund der vom Berufungsgericht zutreffend gewürdigten Umstände des Einzelfalls nicht zweifelsfrei ausschließen. Die von der Rechtsbeschwerde angeführte Erwägung, es sei eine völlig fern liegende abstrakte Möglichkeit, dass die Berufungsschrift ohne den Willen des Beklagten dem Gericht zugegangen ist, wird, worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung ebenfalls mit Recht hinweist, den vorstehend angeführten Rechtsgrundsätzen nicht gerecht.
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- 2. Dem Beklagten ist die hilfsweise begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu Recht versagt worden , weil schon nach seinem eigenen Vortrag ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
- 8
- a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist (BGH, Beschl. v. 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778; v. 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412; v. 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, aaO Rn. 11).
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- b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Beklagten hat dieser nicht dargetan. Auf den konkreten Hinweis des Berufungsgerichts vom 22. Januar 2010, es sei bislang nicht ersichtlich, ob und gegebenenfalls auf welche Weise in der Kanzlei überprüft werde, ob fristwahrende Telefaxsendungen vollständig abgesandt wurden und ordnungsgemäß zum Empfänger gelangten, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Februar 2010 lediglich vorgetragen, er habe seine Kanzleikraft auch angewiesen, in Terminsachen ein Sendeprotokoll auszudrucken. Diese Anweisung genügt den vorstehend wiedergegebenen Anforderungen nicht, weil die Kontrolle der vollständigen Übermittlung hierdurch nicht erfasst wird. Die fehlende Anweisung des Beklagten , die Vollständigkeit der Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes anhand des zuvor ausgedruckten Sendeprotokolls in jedem Fall zu prüfen und die Frist erst danach zu löschen, war jedenfalls mitursächlich dafür, dass die Kanzleikraft den Ausdruck als nicht wichtig und letztlich verzichtbar eingeschätzt hat. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Berufungs- gericht nicht verpflichtet, dem Beklagten nach Eingang des Schriftsatzes vom 8. Februar 2010 einen zusätzlichen Hinweis zu erteilen. Seinen Verpflichtungen nach § 139 Abs. 1 ZPO war das Berufungsgericht bereits im ausreichenden Umfang durch den Hinweis vom 22. Januar 2010 nachgekommen.
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 09.12.2009 - 11 O 2452/08 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 16.02.2010 - 5 U 8/10 -
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Annotations
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.