Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - IX ZB 124/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 372.100 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagte hat gegen ihre Verurteilung zur anfechtungsrechtlichen Rückgewähr am 28. Dezember 2009 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel am 4. Februar 2010, am Tag nach Ablauf der Frist, begründet. Nach Hinweis auf die Verspätung hat die Beklagte am 13. Februar 2010 den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gestellt und unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der betreffenden Kanzleikraft vorgetragen:
- 2
- Die Berufungsbegründungsfrist sei zunächst unter dem Zustellungstag des erstinstanzlichen Urteils in dem Fristenkalender des Jahres 2009 vermerkt und später in den Fristenkalender des Jahres 2010 übertragen worden. Bei diesem Vorgang sei die richtig berechnete Frist fehlerhaft auf den 4. Februar 2010 notiert worden, dem gleichen Wochentag wie dem Zustellungstag. Die nach dem Fristvermerk auf der Handakte am 3. Februar 2010 unterzeichnete Berufungsbegründung sei dann trotz persönlicher Überprüfung des Fristenkalenders durch den Prozessbevollmächtigten am Abend des 3. Februar 2010 nicht mehr am selben Tage herausgegangen.
- 3
- Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde.
II.
- 4
- Die kraft Gesetzes statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig. Die Rechtsbeschwerde legt keine entscheidungserhebliche Abweichung des Berufungsgerichts von Rechtsgrundsätzen des Bundesgerichtshofs oder eines Berufungsgerichts dar. Die Möglichkeit, dass Verfahrensgrundrechte der Rechtsbeschwerdeführerin (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519 Rn. 7; vom 20. Mai 2010 - IX ZB 292/08, Rn. 2) verletzt sein könnten, ist nicht ersichtlich.
- 5
- 1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass ein Rechtsanwalt den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich zu prüfen hat, wenn ihm die Handakten kurz vor Fristablauf zur Anfertigung dieses bestimmenden Schriftsatzes vorgelegt werden (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2007 - VI ZB 41/06, NJW 2007, 1599 Rn. 6; vom 3. Mai 2011 - VI ZB 4/11, Rn. 6 mwN). Der Rechtsanwalt darf sich dabei nicht darauf beschränken, die Frist der Handakte zu entnehmen. Die Handakte muss auch erkennen lassen , dass die Berufungsbegründungsfrist zur Gegenkontrolle im Fristenkalender eingetragen worden ist. Dem hat der Rechtsanwalt eigenverantwortlich nachzugehen , wobei er sich im Regelfall darauf beschränken kann, die Vollständigkeit der Handaktenvermerke festzustellen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670 Rn. 6; vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08, NJW 2009, 1083 Rn. 11; vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, MDR 2010, 533 f; vom 22. September 2011 - III ZB 25/11 Rn. 8).
- 6
- 2. Hier ist schon nicht glaubhaft gemacht worden, dass die zur Bearbeitung vorgelegte Handakte einen Vermerk über die Eintragung der dort richtig notierten Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender enthielt. War dieser Vermerk unterblieben, musste der Prozessbevollmächtigte persönlich die Eintragung der Frist im Fristenkalender überprüfen, um sicher zu gehen, dass der am selben Tag drohende Fristablauf für den Schriftsatz nicht bei abendlicher Kontrolle des Kalenders übersehen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2007 - VI ZB 5/06, NJW 2007, 1597 Rn. 12) und der Schriftsatz infolgedessen bis zum nächsten Tag liegen blieb.
- 7
- So will der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. März 2010 auch verfahren sein. Unerklärlich ist aber dann, wieso ihm trotz vorheriger Unterzeichnung der Berufungsbegründung und Vorlage der Handakte mit der richtig berechneten Begründungsfrist die im Kalender am richtigen Tag fehlende Notierung entgangen ist und er keine Richtigstellung veranlasst hat. Zusätzlich hätte er die unmissverständliche Weisung erteilen müssen, den Schriftsatz noch heute in den Gerichtsbriefkas- ten einzuwerfen, weil die ursprüngliche Fristnotierung im Kalender nicht stimme. Eine solche - rechtlich gebotene - Vorgehensweise hat das Berufungsgericht für nicht glaubhaft gemacht erachtet. Daran ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. Die behauptete Einzelweisung würde sich tatsächlich auch nicht mit dem vorgetragenen Geschehen des nächsten Tages in Einklang bringen lassen , auf das es ansonsten nicht mehr ankommt. So gesehen hat das Berufungsgericht mit Recht ein persönliches Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten bejaht, welches sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss und die Wiedereinsetzung in die versäumte Notfrist hindert.
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 02.12.2009 - 5 O 1240/09 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 13.04.2010 - 3 U 140/09 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.