Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2014 - IV ZB 32/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gegenstandswert: 31.786 €
Gründe:
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- I. Die Beklagte erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Nach rechtzeitiger Einlegung ihrer Berufung wurde der Antrag der Beklagten auf Verlängerung der bis Montag, dem 29. Juli 2013, laufenden Berufungsbegründungsfrist nicht an das Berufungsgericht, sondern das in erster Instanz zuständige Landgericht adressiert. Dort ging er per Fax am Freitag , dem 26. Juli 2013 ein, wurde mit Schreiben vom 29. Juli 2013 an das Berufungsgericht weitergeleitet und lag dort erst am Folgetag vor.
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- Zur Begründung ihres zusammen mit einem erneuten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 9. August 2013 per Fax beim Berufungsgericht eingegangenen Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte vorgetragen:
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- Die Fristversäumung beruhe auf dem Versehen einer Sekretärin im Büro ihres in zweiter Instanz beauftragten Prozessbevollmächtigten (im Folgenden: Prozessbevollmächtigter). Diese habe entgegen einer ihr erteilten Weisung den Fristverlängerungsantrag vom 26. Juli 2013 nicht in der angelegten Berufungsakte, sondern der für die erste Instanz angelegten Akte verfasst und an das Gericht erster Instanz adressiert. Der Antrag sei sodann dem Prozessbevollmächtigten zusammen mit einer Vielzahl weiterer Schriftstücke zur Unterzeichnung vorgelegt und von diesem unterzeichnet worden, wobei dem Schriftstück weder die Berufungsakte beigefügt noch der Prozessbevollmächtigte mündlich auf den Fristverlängerungsantrag hingewiesen worden sei. In dessen Büro bestehe allerdings die Weisung an die Sekretariate, die Gewährung beantragter Fristverlängerungen bei der aus der jeweiligen Berufungsakte ersichtlichen Geschäftsstelle des Berufungsgerichts telefonisch abzufragen und auf dem betreffenden Fristverlängerungsantrag zu notieren, dass die Fristverlängerung gewährt und mit wem gesprochen worden sei. Erst danach dürfe eine entsprechende Korrektur des Fristendes im Fristenkalender erfolgen. Dagegen habe die genannte Sekretärin verstoßen und die Frist ohne telefonische Rückfrage beim Oberlandesgericht umgetragen.
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- Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zugleich die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die fristgemäß eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Beklagten.
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- II. Das nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist nicht zulässig. Es fehlt an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Insbesondere hat das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Beklagten nicht verletzt und erfordert auch im Übrigen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt.
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- Das Berufungsgericht hat der Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt. Nach §§ 233, 85 Abs. 2 ZPOhätte ihr Wiedereinsetzung nur gewährt werden können, wenn ihren Prozessbevollmächtigten kein auch nur mitursächliches Verschulden an der Fristversäumung träfe. Das ist hier nicht der Fall.
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- 1. Der Prozessbevollmächtigte trägt die Verantwortung dafür, dass eine fristwahrende Prozesshandlung vor dem zuständigen Gericht vorgenommen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Mai 2011 - IV ZB 2/11, AnwBl. 2011, 865 Rn. 8 m.w.N. und ständig). Das umfasst die Pflicht, einen Fristverlängerungsantrag darauf zu überprüfen, ob er an das zuständige Gericht adressiert ist, und eventuell fehlerhafte Angaben zu berichtigen. Insbesondere muss dem Rechtsanwalt auffallen, wenn ein für ihn vorbereiteter Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist an das Gericht gerichtet ist, dessen Entscheidung angefochten werden soll (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Mai 2011 aaO m.w.N.).
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- Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat diese Pflichten schuldhaft verletzt, als er den Verlängerungsantrag ungeprüft unterschrieben in den weiteren Geschäftsgang gegeben hat. Das nimmt auch die Rechtsbeschwerde hin.
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- 2. Ohne Erfolg zieht sie allerdings in Zweifel, dass diese schuldhafte Pflichtverletzung für die Fristversäumung kausal geworden ist, weil den Mitarbeitern im Büro des Prozessbevollmächtigten die unmissverständliche Weisung erteilt worden sei, nach Absendung eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist anhand der im Rechtsanwaltsbüro geführten Berufungsakte das Berufungsgericht zu ermitteln und dort telefonisch nachzufragen, ob die beantragte Fristverlängerung gewährt sei.
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- Durch die Missachtung dieser Anweisung ist der - in der Unterzeichnung des Fristverlängerungsantrags ohne inhaltliche Prüfung liegende - Verschuldensbeitrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten für das Fristversäumnis nicht vollständig entfallen. Das hinzutretende Fehlverhalten der Sekretärin konnte die Pflichtverletzung des Prozessbevollmächtigten und seinen jedenfalls mitursächlichen Beitrag für die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht nach den Grundsätzen der sogenannten überholenden Kausalität beseitigen.
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- a) Die Anfertigung von zur Fristwahrung bestimmten Schriftsätzen gehört einschließlich der Angabe des zuständigen Gerichts zu den Geschäften , die ein Rechtsanwalt nicht seinem Büropersonal überlassen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Die Angabe des Berufungsgerichts ist mithin ein nicht de- legierbarer Kernbestandteil des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und muss vom unterzeichnenden Rechtsanwalt grundsätzlich selbst kontrolliert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Mai 2011 aaO Rn. 11 m.w.N. und ständig). Auch das erkennt die Rechtsbeschwerde im Grundsatz an.
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- b) Anders als die Beschwerdeführerin meint, ändert daran die den Bürokräften erteilte Weisung, den Eingang der Schriftsätze bei Gericht zu kontrollieren, nichts.
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- Die Verantwortung eines Rechtsanwalts für den verspäteten Eingang eines infolge mangelnder Überprüfung falsch adressierten Schriftsatzes wird nicht dadurch beseitigt, dass nichtanwaltliche Büromitarbeiter nachfolgend durch weisungswidriges Verhalten ihrerseits Kontrollpflichten verletzen und so zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels mit beitragen. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden, wenn neben den vom Prozessbevollmächtigten verschuldeten Umständen andere von ihm nicht verschuldete mitgewirkt haben (Senatsbeschluss vom 11. Mai 2011 aaO Rn. 14 m.w.N.). Für die Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Fristversäumung, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt, genügt Mitursächlichkeit (Senatsbeschluss vom 11. Mai 2011 aaO Rn. 14 m.w.N.).
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- c) Auf eine "überholende" Kausalität des nachfolgenden Fehlverhaltens der Sekretärin ihres Prozessbevollmächtigten kann sich die Beschwerdeführerin nicht berufen.
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- Sie verweist auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, denen zugrunde lag, dass anwaltliche Schriftsätze ohne Unterschrift des Ver- fassers an das jeweilige Gericht versandt worden waren. Für einen solchen Fall hat etwa der IVb-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 12. Dezember 1984 (IVb ZB 103/84, NJW 1985, 1226 unter II 2) ein rechtlich zurechenbares Verschulden des Rechtsanwalts verneint , weil er durch eine allgemeine Anweisung an seine Angestellten, sämtliche ausgehenden Schriftsätze darauf zu kontrollieren, ob sie ordnungsgemäß unterschrieben seien, ausreichende Vorsorge dafür getroffen habe, dass bei normalem Verlauf der Dinge die - in jenem Fall versäumte - Berufungsbegründungsfrist trotz versehentlicher Nichtunterzeichnung der Berufungsbegründung "mit Sicherheit" gewahrt worden wäre (vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95, NJW 1996, 998 unter II 2 b; Beschlüsse vom 15. Februar 2006 - XII ZB 215/05, NJW 2006, 1205 Rn. 9; vom 1. Juni 2006 - III ZB 134/05, NJW 2006, 2414 Rn. 5, jeweils m.w.N.).
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- Ob dem zu folgen ist (zweifelnd schon BGH, Beschluss vom 18. April 2000 - XI ZB 1/00, NJW 2000, 2511 unter II 2 b, bb), kann offen bleiben. Jedenfalls lassen sich - wie bereits der IVb-Zivilsenat in der vorgenannten Entscheidung vom 12. Dezember 1984 (aaO) dargelegthat - die für eine fehlende Anwaltsunterschrift aufgestellten Grundsätze nicht auf Fälle wie den vorliegenden übertragen, in welchen der Anwalt die allein ihm obliegende inhaltliche Schriftsatzkontrolle vernachlässigt. Diesbezüglich kann er sich nicht durch büroorganisatorische Maßnahmen vollständig entlasten, weil es nicht um eine "rein äußerliche technische Überprüfung" (BGH, Beschluss vom 18. April 2000 aaO) geht.
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- Aus diesem Grunde kommt es hier auch nicht darauf an, mit welchem Grad von Sicherheit die Versäumung der Berufungsbegründungs- frist vermieden worden wäre, wenn die Sekretärin des Prozessbevollmächtigten der Beklagten die ihr erteilte Anweisung beachtet hätte.
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 23.05.2013- 8 O 80/11 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.09.2013- 3 U 54/13 -
Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
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dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.