Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2008 - III ZB 74/07

published on 21/02/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2008 - III ZB 74/07
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Amtsgericht Baden-Baden, 1 C 149/06, 18/05/2007
Landgericht Baden-Baden, 1 S 26/07, 20/08/2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 74/07
vom
21. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dörr, Dr. Herrmann und
Wöstmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden vom 20. August 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung über die Berufung und die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Durch Urteil des Amtsgerichts vom 18. Mai 2007 wurde die zunächst von der D. GmbH erhobene und später im Wege des Parteiwechsels nach einer Rückabtretung von den Klägern fortgeführte Klage auf Zahlung des von ihnen geltend gemachten Zahnarzthonorars von 4.950,65 € nebst Zinsen abgewiesen. Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Kläger (und zuvor auch der D. GmbH) am 24. Mai 2007 zugestellte Urteil legten diese am 25. Juni 2007 - einem Montag - in Sachen D. GmbH (Klägerin/Berufungsklägerin) gegen S. (Beklagte /Berufungsbeklagte) namens der Klägerin unter Beifügung des ange- fochtenen Urteils Berufung ein. Mit einem am 10. Juli 2007 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz begründeten sie für die Kläger, die jetzt zutreffend im Kurzrubrum des Schriftsatzes aufgeführt waren, die eingelegte Berufung. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 16. Juli 2007, dass die Berufung der Kläger verspätet eingelegt und diejenige der D. GmbH mangels Beschwer unzulässig sei, verwarf das Landgericht die Berufung der Kläger durch Beschluss vom 20. August 2007 als unzulässig. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Berufungsschrift vom 25. Juni 2007 sei ausdrücklich für die D. GmbH eingelegt worden. Innerhalb der Berufungsfrist habe sich nicht durch Auslegung des angefochtenen Urteils ergeben, dass es sich bei der Aufnahme der D. GmbH als Klägerin um eine offensichtlich fehlerhafte Bezeichnung gehandelt habe. Dies habe sich erst aus der nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangenen Berufungsbegründung ergeben.
2
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.


3
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), und begründet, weil der angefochtene Beschluss den Zugang der Kläger zur Berufungsinstanz in nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
4
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach § 519 Abs. 2 ZPO das Urteil zu bezeichnen ist, gegen das die Berufung gerichtet wird, und dass hierzu insbesondere die vollständige und eindeutige Bezeichnung des Berufungsführers gehört. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hierzu anerkannt, dass an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen sind. Der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO (früher § 518 Abs. 2 ZPO) ist nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 2005 - XI ZB 43/04 - NJW-RR 2006, 284; vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - NJW-RR 2007, 413, 414 Rn. 8). Daran fehlt es, wenn in der Berufungsschrift anstelle des wirklichen Berufungsklägers ein anderer, mit ihm nicht identischer Beteiligter bezeichnet wird (BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98 - VersR 1998, 1529, 1530; vom 20. Januar 2004 - VI ZB 68/03 - NJW-RR 2004, 862 f). Das bedeutet aber nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. Vielmehr kann sie - nicht zuletzt unter Beachtung des Grundsatzes , dass der Zugang zu den Instanzen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unzumutbar erschwert werden darf - auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorhandenen Unterlagen gewonnen werden (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2004 - III ZR 20/03 - NJW-RR 2004, 851, 852 m.w.N.). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Person des Rechtsmittelführers bis zum Ablauf der Berufungsfrist für das Berufungsgericht und den Gegner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar wird (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 aaO).
5
3. Gemessen hieran bestanden bei verständiger Würdigung keine Zweifel, dass die Kläger - und nicht die D. GmbH - Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt hatten.
6
a) Dabei kann allerdings nicht - wie die Rechtsbeschwerde meint - bereits darauf abgestellt werden, dass die Geschäftsstelle des Landgerichts die Berufung unter dem zutreffenden Kurzrubrum K. gegen P.-S. zugestellt hat. Mehr als eine - eher gering zu veranschlagende - Indizwirkung kann dem nicht zukommen. Denn die Geschäftsstelle hatte hier keine nähere Prüfung vorzunehmen , und die zutreffende Angabe der Klägerseite im Kurzrubrum konnte auch auf der Übernahme aus dem angefochtenen Urteil beruhen.
7
b) Aus der der Berufungsschrift beigefügten Abschrift des angegriffenen Urteils ergab sich indes, dass die Kläger ihre Honorarforderungen an die D. GmbH abgetreten hatten, die diese zunächst klageweise geltend machte, und dass diese Ansprüche während des streitigen Verfahrens an die Kläger zurückabgetreten wurden, worauf diese anstelle der D. GmbH in den Rechtsstreit eintraten. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird dieser Vorgang als sachdienliche und daher zulässige Parteiänderung bezeichnet.
8
Danach konnte für die Beklagte von vornherein nicht zweifelhaft sein, dass die Kläger Rechtsmittelführer waren. Denn der Parteiwechsel beruhte entscheidend auf dem Umstand, dass die Beklagte die Aktivlegitimation der D. GmbH und die Wirksamkeit der Abtretung der Honoraransprüche bestritten hatte.
9
Aber auch aus der Sicht des Berufungsgerichts, dem bis zur Übersendung der Prozessakten außerhalb der Berufungsfrist die genaue Vorgeschichte für den Parteiwechsel verborgen war, waren bei einer verständigen Würdigung nur die Kläger als Rechtsmittelführer in Betracht zu ziehen. Denn aus dem angefochtenen Urteil ergab sich der mögliche Hintergrund für die versehentliche Bezeichnung der D. GmbH als Rechtsmittelführerin und zugleich mit hinreichender Gewissheit, dass als von der angefochtenen Entscheidung beschwerte Parteien nur die Kläger in Betracht kamen, die anstelle der D. GmbH in den Rechtsstreit eingetreten waren. Das Berufungsgericht will zwar nicht die Deutung ausschließen, dass die D. GmbH sich mit der Berufung gegen die vom Amtsgericht angenommene Zulässigkeit des Parteiwechsels und die Klageabweisung richten wollte und sich insofern als beschwert ansah. Das liegt aber angesichts der aus dem angefochtenen Urteil zu entnehmenden Prozessgeschichte , der das materiell-rechtliche Rechtsgeschäft der Rückabtretung der Ansprüche zugrunde lag, und des Umstands, dass der von denselben Prozessbevollmächtigten begleitete Parteiwechsel offensichtlich einvernehmlich vorgenommen wurde, so fern, dass man die D. GmbH schwerlich als durch das angefochtene Urteil beschwert ansehen kann. Hiervon ist auch der Vorsitzende der Berufungskammer in seiner Verfügung vom 16. Juli 2007 noch ausgegangen. Dann sprachen aber schon bei Einlegung der Berufung keine vernünftigen Gründe für die Annahme, dass die D. GmbH das Urteil des Amtsgerichts anfechten wollte.
Schlick Wurm Dörr
Herrmann Wöstmann
Vorinstanzen:
AG Baden-Baden, Entscheidung vom 18.05.2007 - 1 C 149/06 -
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 20.08.2007 - 1 S 26/07 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.