Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2010 - II ZR 219/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 21. Juni 2010 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Beklagten vom 30. September 2010, die keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte enthält, gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
- 2
- 1. Grundsatzbedeutung ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb zu bejahen, weil in der Literatur unterschiedliche Auffassungen dazu bestünden, ob den Vereinsmitgliedern über das Recht auf Einsicht in die Mitgliederliste hinaus auch ein Anspruch auf deren Überlassung zustehe. Dies ist jedenfalls deshalb nicht der Fall, weil der Senat (BGH, Beschluss vom 21. September 2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Rn. 9) nach Erlass des Berufungsurteils für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgesprochen hat, dass der Gesellschafter die Übermittlung der Informationen, die ihm durch Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft zugänglich sind, auch in elektronischer Form verlangen kann, sofern sie in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert sind. Für den Verein gilt insoweit ersichtlich nichts anderes.
- 3
- Ob das vom Berufungsgericht im konkreten Fall gewählte Treuhandmodell den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes entspricht, ist keine entscheidungserhebliche , klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Ebenso hängt die Beantwortung der weiteren Frage, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschaltung eines Treuhänders i.S. von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG erforderlich ist, von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine abstrakt generelle Klärung scheidet auch insoweit aus.
- 4
- 2. Wie im Hinweisbeschluss des Senats ausgeführt, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ein berechtigtes Interesse der Kläger an der Übermittlung der Mitgliederliste an einen Treuhänder bejaht. Abgesehen davon, dass jedenfalls das Internetforum und die Mitgliederzeitung der Kontrolle des Vorstands unterliegen, gegen dessen geänderte Vereinspolitik die Kläger eine Opposition zu organisieren suchen, bieten die den Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehenden vereinsinternen Foren einschließlich des Beirats nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine - einer Kontaktaufnahme mit den übrigen Vereinsmitgliedern über einen Treuhänder gleichwertige - Möglichkeit, in Ausübung ihres Mitgliedschaftsrechts eine repräsentative Anzahl der Mitglieder des Beklagten für die Teilnahme an der Mitgliederversammlung zu gewinnen oder das für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erforderliche Quorum zu beschaffen und auf diese Weise Erfolg verspre- chend auf die vereinsrechtliche Willensbildung Einfluss zu nehmen. Die von den Klägern verfolgte aktive Teilnahme am Vereinsleben bedarf keiner satzungsrechtlichen Rechtfertigung; sie findet ihre Rechtsgrundlage unmittelbar in dem Mitgliedschaftsrecht der Kläger.
- 5
- Überwiegende, einem Anspruch der Kläger deshalb entgegenstehende Interessen des Beklagten und seiner Mitglieder sind nicht ersichtlich. Den berechtigten Interessen des Vorstands und der Mitglieder des Beklagten wird gerade durch die Einschaltung eines neutralen Treuhänders Rechnung getragen. Die dennoch nicht gänzlich auszuschließende, aber eher hypothetische Möglichkeit eines Missbrauchs der übermittelten Informationen genügt nicht, um den Klägern die zur Wahrnehmung ihres vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts und zur aktiven Teilnahme an der Vereinspolitik benötigten Informationen zu verweigern. Für das von dem Vorstand des Beklagten beanspruchte Recht, die von den Klägern zur Versendung vorgesehenen Mitteilungen vorab zu überprüfen und ihrer Versendung gegebenenfalls zu widersprechen, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Dem Beklagten und seinem Vorstand bleibt es überlassen, gegenüber den Vereinsmitgliedern zu den von den Klägern verfassten Mitteilungen nach deren Versendung Stellung zu beziehen und eine Mehrheit der Mitglieder für eine Fortführung ihrer Politik zu gewinnen.
- 6
- 3. Ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz liegt nicht vor. Soweit die Revision, gestützt auf eine schriftliche Äußerung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz S. - die Zuständigkeit dieser Behörde als Aufsichtsbehörde für den im Vereinsregister der Stadt H. eingetragenen Beklagten mit Sitz in H. (§ 1 Abs. 2 der Satzung) ist freilich nicht ersichtlich (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl., § 38 Rn. 29) - die Hinzuziehung eines Treuhänders für nicht erforderlich i.S. von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2a BDSG und deshalb für rechtswidrig erachtet, weil die Mitteilungen auch über den Beklagten selbst versandt werden könnten, beruht diese Sichtweise auf einer unzutreffenden zivilrechtlichen Beurteilung des vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts der Kläger. Abgesehen davon sind der Beklagte und seine Mitglieder durch die Einschaltung eines Treuhänders in datenschutzrechtlicher Hinsicht nicht beschwert. Denn es ist den Klägern als Mitgliedern eines Vereins grundsätzlich nicht verwehrt, auch selbst Einsicht in die Mitgliederliste zu nehmen bzw. die Übermittlung der dort enthaltenen Informationen in elektronischer Form an sich selbst zu verlangen (OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677 f.; OLG München, Urteil vom 15. November 1990 - 19 U 3483/90, juris Rn. 6 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 21. September 2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 für die BGB-Gesellschaft), sofern sie - wie hier - ein berechtigtes Interesse darlegen und ihrem Interesse nicht überwiegende Interessen des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegen stehen.
Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 03.01.2008 - 319 O 135/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.08.2009 - 6 U 38/08 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Abweichend von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 zulässig, wenn sie für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke erforderlich ist. Der Verantwortliche sieht angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person gemäß § 22 Absatz 2 Satz 2 vor.
(2) Das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht nicht, wenn das Archivgut nicht durch den Namen der Person erschlossen ist oder keine Angaben gemacht werden, die das Auffinden des betreffenden Archivguts mit vertretbarem Verwaltungsaufwand ermöglichen.
(3) Das Recht auf Berichtigung der betroffenen Person gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU)
(4) Die in Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a, b und d, den Artikeln 20 und 21 der Verordnung (EU)
(1) Der oder dem Datenschutzbeauftragten obliegen neben den in der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Aufgaben zumindest folgende Aufgaben:
- 1.
Unterrichtung und Beratung der öffentlichen Stelle und der Beschäftigten, die Verarbeitungen durchführen, hinsichtlich ihrer Pflichten nach diesem Gesetz und sonstigen Vorschriften über den Datenschutz, einschließlich der zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 erlassenen Rechtsvorschriften; - 2.
Überwachung der Einhaltung dieses Gesetzes und sonstiger Vorschriften über den Datenschutz, einschließlich der zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 erlassenen Rechtsvorschriften, sowie der Strategien der öffentlichen Stelle für den Schutz personenbezogener Daten, einschließlich der Zuweisung von Zuständigkeiten, der Sensibilisierung und der Schulung der an den Verarbeitungsvorgängen beteiligten Beschäftigten und der diesbezüglichen Überprüfungen; - 3.
Beratung im Zusammenhang mit der Datenschutz-Folgenabschätzung und Überwachung ihrer Durchführung gemäß § 67 dieses Gesetzes; - 4.
Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde; - 5.
Tätigkeit als Anlaufstelle für die Aufsichtsbehörde in mit der Verarbeitung zusammenhängenden Fragen, einschließlich der vorherigen Konsultation gemäß § 69 dieses Gesetzes, und gegebenenfalls Beratung zu allen sonstigen Fragen.
(2) Die oder der Datenschutzbeauftragte kann andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Die öffentliche Stelle stellt sicher, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu einem Interessenkonflikt führen.
(3) Die oder der Datenschutzbeauftragte trägt bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben dem mit den Verarbeitungsvorgängen verbundenen Risiko gebührend Rechnung, wobei sie oder er die Art, den Umfang, die Umstände und die Zwecke der Verarbeitung berücksichtigt.