Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2024 - I ZR 1/24
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Amtliche Leitsätze
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Gewerblicher Endabnehmer
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Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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Ist es mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, dass eine nationale Regelung Hersteller, Importeure oder Händler, die Speichermedien an gewerbliche Endabnehmer (juristische Personen oder natürliche Personen, die - für den Hersteller, Importeur oder Händler erkennbar - als Endnutzer für kommerzielle Zwecke bestellen) verkaufen, zur Zahlung einer Vergütung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht in Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch verpflichtet, sofern sie nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nicht nachweisen, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden?
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I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
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II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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Ist es mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, dass eine nationale Regelung Hersteller, Importeure oder Händler, die Speichermedien an gewerbliche Endabnehmer (juristische Personen oder natürliche Personen, die - für den Hersteller, Importeur oder Händler erkennbar - als Endnutzer für kommerzielle Zwecke bestellen) verkaufen, zur Zahlung einer Vergütung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht in Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch verpflichtet, sofern sie nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nicht nachweisen, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden?
Gründe
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A. Die Klägerin, die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Die Beklagte ist Herstellerin, Importeurin und Händlerin von PCs, Notebooks und Workstations mit eingebauter Festplatte.
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Die Klägerin macht gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens solcher Geräte vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Auskunftserteilung, Feststellung der Zahlungspflicht und Zahlung einer Vergütung geltend. Die Klägerin stützt sich dabei auf Vergütungssätze eines Gesamtvertrags, den sie gemeinsam mit der VG Wort und der VG Bild-Kunst auf der einen sowie dem Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) auf der anderen Seite im Januar 2014 geschlossen und mit Wirkung ab dem 15. März 2016 geändert hat. Sie stützt sich außerdem auf die Vergütungssätze eines gleichlautenden Gesamtvertrags, den sie mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 mit dem Verband zur Rücknahme und Verwertung von Elektro- und Elektronikartikeln e.V. (VERE) geschlossen hat. Nach den Gesamtverträgen schulden Importeure, Händler und Hersteller, die dem Gesamtvertrag beigetreten sind, für jedes in Verkehr gebrachte Gerät folgende Vergütungssätze:
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1. Verbraucher-PC: 13,1875 €
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2. Business-PC: 4 €
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3. Kleine mobile PCs: 10,625 €
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4. Professionelle Workstations: 4 €
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Die Beklagte ist kein Mitglied dieser Gesamtverträge. Die Klägerin ist der Ansicht, die Vergütungssätze der Gesamtverträge seien dennoch maßgeblich, weil ihnen eine indizielle Wirkung für die Bemessung eines gerechten Ausgleichs im Streitfall zukomme.
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Das Oberlandesgericht hat auf die vorliegende Stufenklage mit Teilurteil vom 1. Dezember 2023 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Art (Marke, Typenbezeichnung) und Stückzahl der von ihr in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 veräußerten oder in Verkehr gebrachten Personal Computer (PCs), kleinen mobilen PCs und professionellen Workstations zu erteilen, es sei denn, die jeweiligen Geräte wurden von der Beklagten als Händlerin in der Bundesrepublik Deutschland bezogen. Es hat zudem festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für jeden laut Auskunft von ihr im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 in der Bundesrepublik Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten PC den einfachen Vergütungssatz an die Klägerin zu zahlen, und zwar wie folgt:
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• für jeden Verbraucher-PC EUR 13,1875 je Stück,
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• für jeden Business-PC EUR 4,00 je Stück,
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• für jeden kleinen mobilen PC EUR 10,625 je Stück, und
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• für jede professionelle Workstation EUR 4,00 je Stück,
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es sei denn,
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• diese Geräte wurden von der Beklagten als Händlerin in der Bundesrepublik Deutschland bezogen oder
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• die Beklagte weist Erfüllung nach oder
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• die Beklagte weist nach, dass die Geräte von einem Dritten exportiert wurden, ohne vorher an einen deutschen Endkunden veräußert oder anderweitig überlassen worden zu sein oder
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• die Beklagte weist nach, dass diese Geräte eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF bzw. § 53 Abs. 1 und 2, §§ 60a - 60f UrhG vorbehalten sind und dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich solche Vervielfältigungen angefertigt worden sind und nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden.
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Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
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B. Der Erfolg der Revision der Beklagten hängt von der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ab. Die richtige Auslegung des Unionsrechts ist mit Blick auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich vom 21. Februar 2017 (4 Ob 62/16w, MMR 2017, 388 Rn. 50 bis 53, 59) und unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2022 (1 BvR 2342/17, GRUR 2022, 1060 [juris Rn. 15 f.] = WRP 2022, 1239) nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f., 39 bis 41, 48 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Ein nationales Gericht darf nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage nur verneinen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 16] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.). Vor einer Entscheidung über die Revision ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof zu stellen.
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I. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Beklagte sei nach § 54f UrhG auskunftspflichtig. Maßgeblich für den im Streitfall maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 seien die Bestimmungen gemäß §§ 54 und 54b UrhG in der Fassung des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 (UrhG aF). Danach könne der Urheber von dem zur Zahlung Verpflichteten Auskunft über Art und Stückzahl der im Geltungsbereich dieses Gesetzes veräußerten oder in Verkehr gebrachten Geräte und Speichermedien verlangen. Die von der Beklagten in Verkehr gebrachten Geräte und Speichermedien seien nach §§ 54, 54b UrhG aF vergütungspflichtig. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die weit überwiegende Anzahl der Geräte werde nicht an private Endnutzer veräußert und daher nicht in relevantem Maße zur Anfertigung von Privatkopien verwendet. Die streitgegenständlichen Geräte seien ihrem Typ nach technisch geeignet und erkennbar bestimmt, die hier streitgegenständlichen urheberrechtlich geschützten Werke - Audiowerke und audiovisuelle Werke samt stehendem Text und Bild - im Rahmen von Privatkopien gemäß § 53 UrhG aF zu vervielfältigen. Es bestehe bei der Abgabe von Geräten und Speichermedien für den Fall, dass diese nicht eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten seien, eine Vermutung, dass mit den Geräten und Speichermedien zulässige und vergütungspflichtige Kopien urheberrechtlich geschützter Werke erstellt würden. Diese Vermutung gelte zum einen, wenn die Geräte und Medien natürlichen Personen überlassen würden. Soweit Speichermedien zum anderen an einen gewerblichen Abnehmer beziehungsweise an eine juristische Person abgegeben worden seien, bestehe eine widerlegliche Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung. Diese Vermutung könne nur durch den Nachweis entkräftet werden, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF angefertigt worden seien oder nach dem normalen Lauf der Dinge angefertigt würden. Die Beklagte habe indes keine Umstände vorgetragen, mit denen die Vermutung widerlegt werde, dass vergütungspflichtige Kopien hergestellt würden. Vorliegend sei - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch hinsichtlich der Geräte, die an gewerbliche Endabnehmer veräußert worden seien, zu erwarten, dass mit diesen Geräten zulässige Privatkopien hergestellt würden.
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II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG ab. Es stellt sich die Frage, ob es mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, dass eine nationale Regelung Hersteller, Importeure oder Händler, die Speichermedien an gewerbliche Endabnehmer (juristische Personen oder natürliche Personen, die - für den Hersteller, Importeur oder Händler erkennbar - als Endnutzer für kommerzielle Zwecke bestellen) verkaufen, zur Zahlung einer Vergütung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht in Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch verpflichtet, sofern sie nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nicht nachweisen, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden.
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1. Gemäß § 54f Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Urheber von dem nach § 54 oder § 54b UrhG aF zur Zahlung der Vergütung Verpflichteten Auskunft über Art und Stückzahl der im Geltungsbereich dieses Gesetzes veräußerten oder in Verkehr gebrachten Geräte und Speichermedien verlangen. Nach § 54 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 UrhG aF hat der Urheber des Werkes gegen den Hersteller sowie den Importeur und den Händler von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme von Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung, wenn nach der Art des Werkes zu erwarten ist, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF vervielfältigt wird. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Nach § 54a Abs. 1 UrhG aF ist für die Vergütungshöhe maßgebend, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF genutzt werden.
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Die in § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF vorgesehenen Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts und der in § 54 Abs. 1 UrhG aF zum Ausgleich geregelte Anspruch auf angemessene Vergütung beruhen auf Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG und sind daher unionsrechtskonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für das Vervielfältigungsrecht Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung vorsehen, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Art. 6 der Richtlinie auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen, dass die unterschiedslose Anwendung der Vergütung für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung, die nicht privaten Nutzern überlassen werden und eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, mit der Richtlinie unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-467/08, Slg. 2010, I-10055 = GRUR 2011, 50 [juris Rn. 52 und 53] - Padawan; Urteil vom 11. Juli 2013 - C-521/11, GRUR 2013, 1025 [juris Rn. 28] = WRP 2013, 1169 - Amazon.com International Sales u.a.; Urteil vom 5. März 2015 - C-463/12, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 47 und 50] = WRP 2015, 706 - Copydan Båndkopi; Urteil vom 9. Juni 2016 - C-470/14, GRUR 2016, 687 [juris Rn. 31] - EGEDA u.a.).
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2. Für die Anwendung dieser Grundsätze durch die Rechtspraxis ist zu berücksichtigten, dass die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vorgenommene Anknüpfung der Schrankenbestimmung zum einen an die natürliche Person und zum anderen an den privaten Gebrauch zu praktischen Schwierigkeiten führt. Diese liegen zum einen darin begründet, dass Geräte wie beispielsweise PCs mit Speichern, die technisch zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG geeignet sind, nicht nur von natürlichen Person zum privaten Gebrauch, sondern sowohl von diesen als auch von juristischen Personen beziehungsweise deren Mitarbeitern zu kommerziellen Zwecken genutzt werden können. Zum anderen kann es nicht nur bei Lieferungen von PCs mit Speichern an natürliche Personen zu Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch kommen, sondern auch bei einer Lieferung an juristische Personen. Ist die juristische Person etwa ein gewerblicher Zwischenhändler, der Teil der zu natürlichen Personen als Endabnehmern führenden Vertriebskette ist, schließt dies nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht aus, dass mit dem Gerät letztlich vergütungspflichtige Vervielfältigungen von einer natürlichen Person zum privaten Gebrauch vorgenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 - I ZR 266/15, GRUR-RR 2017, 486 [juris Rn. 20] - USB-Stick, mwN). Eine tatsächlich nicht ins Gewicht fallende Nutzung zur Anfertigung von Privatkopien kann überdies nicht allein deshalb angenommen werden, weil PCs mit Speichern an Behörden, juristische Personen oder solche natürlichen Personen als Endabnehmer geliefert werden, die als Freiberufler oder Gewerbetreibende zu kommerziellen Zwecken tätig sind. Allein der Umstand, dass ein PC mit eingebautem Speicher, der seinem Typ nach für Bild- und Tonaufzeichnungen genutzt werden kann, einem gewerblichen Endabnehmer überlassen wird, steht seiner Nutzung zu privaten Zwecken nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht entgegen. Vielmehr ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht ausgeschlossen, dass solche Geräte auch im Arbeitsumfeld zur Anfertigung von Privatkopien genutzt werden (BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 42/15, GRUR 2017, 716 [juris Rn. 75] = WRP 2017, 978 - PC mit Festplatte II, mwN; Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 118/20, GRUR 2021, 1516 [juris Rn. 30] = WRP 2022, 62 - Eigennutzung; vgl. auch BVerfG, GRUR 2011, 223 [juris Rn. 25]) oder nach Ablauf der steuerlichen Abschreibungsfristen ausgetauscht werden und auf dem Markt für Gebrauchtgeräte private Abnehmer finden (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 39/15, GRUR 2017, 702 [juris Rn. 76] = WRP 2017, 962 - PC mit Festplatte I).
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3. Diese praktischen Schwierigkeiten sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Auslegung der Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG in mehrerlei Hinsicht zu berücksichtigen.
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So ist den praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des für einen gerechten Ausgleich erforderlichen Bezugs zu dem Schaden, der dem Rechtsinhaber durch die Herstellung der Kopien entstanden ist, bei der Auslegung des Unionsrechts zum einen dadurch Rechnung zu tragen, dass nicht für jedes einzelne Gerät konkrete Feststellungen zu dessen Nutzung getroffen werden müssen. Maßgeblich für den erforderlichen Zusammenhang zwischen der Anwendung der zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs bestimmten Abgabe auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung und der tatsächlichen Verwendung ist vielmehr der "mutmaßliche" Gebrauch dieser Anlagen zum Zweck der privaten Vervielfältigungen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 50 [juris Rn. 59] - Padawan), wobei vermutet wird, dass die natürlichen Personen sämtliche mit den Anlagen, Geräten und Medien verbundenen Funktionen einschließlich der Vervielfältigungsfunktion nutzen (EuGH, GRUR 2011, 50 [juris Rn. 55] - Padawan; GRUR 2013, 1025 [juris Rn. 41] - Amazon.com International Sales u.a.; GRUR 2015, 478 [juris Rn. 24] - Copydan Båndkopi).
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Zum anderen sind bei der Anwendung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG die praktischen Schwierigkeiten zu berücksichtigten, die bei der Ermittlung des privaten Zwecks und der Identifizierung des Endnutzers bestehen. Es steht deshalb mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG in Einklang, für den Fall, dass diese Geräte oder Trägermaterialien nicht eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, eine Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung aufzustellen. Diese kann widerlegt werden, wenn der Hersteller oder der Importeur nachweist, dass er sie an andere als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch geliefert hat (EuGH, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 50] - Copydan Båndkopi). Dies gilt auch, wenn diese Geräte und Medien natürlichen Personen überlassen werden (vgl. EuGH, GRUR 2011, 50 [juris Rn. 54 und 55] - Padawan; GRUR 2013, 1025 [juris Rn. 41 bis 43] - Amazon.com International Sales u.a.; GRUR 2015, 478 [juris Rn. 24] - Copydan Båndkopi; GRUR 2016, 687 [juris Rn. 28] - EGEDA u.a.). Mit Blick auf die Unmöglichkeit, die Endnutzer zu identifizieren, oder den mit dieser Identifizierung verbundenen praktischen Schwierigkeiten sowie anderen vergleichbaren Schwierigkeiten ist das Eingreifen einer widerlegbaren Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung von Geräten, die zur Anfertigung von Privatkopien geeignet und bestimmt sind, zudem gerechtfertigt, wenn sie einen gewerblichen Abnehmer betrifft (vgl. EuGH, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 44 bis 46] - Copydan Båndkopi; EuGH, Urteil vom 22. September 2016 - C-110/15, GRUR 2017, 155 [juris Rn. 32] = WRP 2016, 1482 - Microsoft Mobile Sales International u.a.).
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4. Ausgehend von diesen Grundsätzen des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass ungeachtet des Umstands, dass der Hersteller, Importeur oder Händler von Geräten und Speichermedien, die zur Vornahme von Privatkopien geeignet und bestimmt sind und für die daher grundsätzlich eine Privatkopievergütung zu entrichten ist, regelmäßig keine Kenntnis davon haben wird, ob es sich bei den Endabnehmern um gewerbliche oder private Kunden handelt und wie der einzelne Endabnehmer das von ihm erworbene Gerät nutzt, dem Vergütungsschuldner der Nachweis abverlangt werden kann, dass die in Verkehr gebrachten Geräte und Speichermedien nicht zur Vervielfältigung zum Privatgebrauch verwendet worden sind. Nichts anderes gilt für den Nachweis, dass ein an einen gewerblichen Abnehmer geliefertes Gerät eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten ist (BGH, GRUR 2017, 702 [juris Rn. 60] - PC mit Festplatte I; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - I ZR 54/15, ZUM 2018, 364 [juris Rn. 37]). Mithin besteht auch bei einer Überlassung eines zur Anfertigung von Privatkopien geeigneten und bestimmten Geräts an gewerbliche Abnehmer die Vermutung für eine vergütungspflichtige, nicht eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Kopien zum Privatgebrauch vorbehaltene Nutzung. Diese Vermutung kann allerdings durch den Nachweis entkräftet werden, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG aF angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden (BGH, GRUR 2017, 702 [juris Rn. 58] - PC mit Festplatte I; BGH, ZUM 2018, 364 [juris Rn. 34], mwN).
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Dabei wird den Vergütungsschuldnern im Regelfall, in dem zum Zeitpunkt der Klärung der Vergütungspflicht eine Nutzung der Geräte noch bevorsteht, lediglich der Nachweis auferlegt, dass nach dem normalen Gang der Dinge eine Verwendung der in Rede stehenden Geräte und Speichermedien für die Erstellung vergütungspflichtiger Vervielfältigungen ausgeschlossen erscheint oder jedenfalls über einen geringen Umfang hinaus unwahrscheinlich ist. Zum Beleg hierfür kann der Hersteller, Importeur oder Händler beispielsweise eine schriftliche Bestätigung des gewerblichen Abnehmers beibringen, dass dieser das von ihm erworbene Gerät zum eigenen Gebrauch im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit verwendet oder verwenden wird. Erbringt der auf Zahlung einer Gerätevergütung in Anspruch Genommene einen solchen Nachweis, kann er auch dann nicht auf Zahlung einer Gerätevergütung in Anspruch genommen werden, wenn ein Gerät im Einzelfall gleichwohl im Wege der Zweitverwertung an Privatpersonen zur privaten Nutzung weiterveräußert wird (BGH, GRUR 2017, 702 [juris Rn. 61] - PC mit Festplatte I, mwN).
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5. Demgegenüber geht der Oberste Gerichtshof möglicherweise von einer Auslegung des Unionsrechts aus, die hiervon zumindest teilweise abweicht.
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a) Übereinstimmend mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nimmt der Oberste Gerichtshof allerdings an, dass die Lieferung von zur Anfertigung von Privatkopien geeignetem Trägermaterial (CD- und DVD-Rohlinge, Speicherkarten und MP3-Player) an private Endnutzer eine Vergütungspflicht des Herstellers ebenso begründet wie die Lieferung an Zwischenhändler, bei der der Endnutzer der Natur der Sache nach zum Zeitpunkt der Lieferung noch unbekannt ist (vgl. OGH, MMR 2017, 388 Rn. 46 f.).
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b) Divergierende Grundsätze bestehen aber möglicherweise im Hinblick auf die Vergütungspflicht von Herstellern, Importeuren oder Händlern, die Speichermedien an gewerbliche Endabnehmer verkaufen.
aa) Der Bundesgerichtshof geht auch in diesen Fällen von einer Pflicht zur Zahlung einer Vergütung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht in Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch aus, sofern die Hersteller, Importeure oder Händler nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nicht nachweisen, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebige Träger angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden.
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bb) Demgegenüber nimmt der Oberste Gerichtshof an, dass keine Zahlungspflicht besteht, wenn der Händler an einen Endnutzer liefert, der offenkundig nicht zur Leistung eines gerechten Ausgleichs verpflichtet ist (OGH, MMR 2017, 388 Rn. 50). Dies treffe jedenfalls zu, soweit die Lieferung an juristische Personen erfolge, weil die freie Werknutzung durch Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG ausdrücklich auf natürliche Personen beschränkt sei (OGH, MMR 2017, 388 Rn. 51). Gleiches gelte, wenn eine natürliche Person - für den Händler erkennbar - als Endnutzer für kommerzielle Zwecke bestelle, was schon dann anzunehmen sei, wenn die Bestellung unter der Anschrift eines Unternehmens erfolge, insbesondere unter Angabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (OGH, MMR 2017, 388 Rn. 51).
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cc) Diese Ausführungen könnten dahin interpretiert werden, dass der Oberste Gerichtshof bei einer Lieferung an gewerbliche Endabnehmer nicht - wie der Bundesgerichtshof - von einer widerleglichen Vermutung für die Anfertigung von Privatkopien ausgeht, sondern annimmt, dass von vornherein keine Zahlungspflicht begründet sei, weil per se eine Lieferung zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien vorliege. Auf die vom Bundesgerichtshof für maßgeblich erachtete Frage, ob dem Hersteller, Importeur oder Händler der Nachweis gelingt, dass mit Hilfe des Speichermediums allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden, käme es danach nicht an. Diese Divergenz könnte auf einer unterschiedlichen Auslegung des Unionsrechts beruhen (vgl. BVerfG, GRUR 2022, 1060 [juris Rn. 15 f.]), so dass die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderlich ist.
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6. Der Senat neigt dazu, bei einer Lieferung von Speichermedien an gewerbliche Endabnehmer die Pflicht des Herstellers, Importeurs und Händlers zur Leistung eines gerechten Ausgleichs nicht von vornherein zu verneinen, sondern von einer Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung auszugehen, die widerlegt werden kann, wenn der Hersteller, Importeur oder Händler nachweist, dass er sie an andere als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch geliefert hat.
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a) Die Bedeutung und Tragweite eines unionsrechtlichen Rechtsbegriffs, der im einschlägigen Unionsrecht nicht definiert ist, ist entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang er verwendet wird, welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört (vgl. EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C-201/13, GRUR 2014, 972 [juris Rn. 19] = WRP 2014, 1181 - Deckmyn und Vrijheidsfonds; Urteil vom 7. April 2022 - C-668/20, ZfZ 2022, 184 [juris Rn. 67] - Y GmbH [Vanille-Oleoresin]) und gegebenenfalls welche Entstehungsgeschichte sie hat (EuGH, Urteil vom 23. November 2023 - C-260/22, GRUR 2024, 51 [juris Rn. 22] = WRP 2024, 49 - Seven One Entertainment Group).
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b) Dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG lässt sich nicht entnehmen, dass eine Lieferung an juristische Personen oder an natürliche Personen, die ein Speichermedium zu gewerblichen Zwecken bestellt haben, per se von der Pflicht zur Leistung eines gerechten Ausgleichs freigestellt ist.
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aa) Zwar bestimmt Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG das Erfordernis eines gerechten Ausgleichs im Hinblick auf die Vervielfältigung durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch. Daher ist grundsätzlich diese Person auch verpflichtet, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen, indem sie den Ausgleich finanziert, der dem Rechtsinhaber gezahlt wird (EuGH, Urteil vom 10. April 2014 - C-435/12, GRUR 2014, 546 [juris Rn. 51] = WRP 2014, 682 - ACI Adam u.a.). Das Unionsrecht gebietet es aber nicht, die Nutzer von Vervielfältigungsgeräten oder Trägermaterialien unmittelbar mit der Vergütung zu belasten. Es ist vielmehr zulässig, diese Vergütung von den Personen zu fordern, die den Nutzern die Vervielfältigungsgeräte oder das Trägermaterial zur Verfügung stellen oder eine Vervielfältigungsdienstleistung erbringen, da sie die Möglichkeit haben, diese Belastung auf die Nutzer abzuwälzen (EuGH, GRUR 2011, 50 [juris Rn. 50] - Padawan; EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - C-462/09, Slg. 2011, I-5331 = GRUR 2011, 909 [juris Rn. 23 bis 28] - Stichting de Thuiskopie; EuGH, GRUR 2014, 546 [juris Rn. 52] - ACI Adam u.a.). Zu diesen Personen zählen auch juristische Personen oder natürliche Personen, die ein Speichermedium zu gewerblichen Zwecken bestellt haben. Wie bereits dargelegt wurde, kann es nicht nur bei Lieferungen von PCs mit Speichern an natürliche Personen zu Vervielfältigungen durch natürliche Personen zum privaten Gebrauch kommen, sondern auch bei einer Lieferung an juristische Personen oder an solche natürlichen Personen, die als Freiberufler oder Gewerbetreibende zu kommerziellen Zwecken tätig sind. Denn es ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht ausgeschlossen, dass solche Geräte auch im Arbeitsumfeld von Mitarbeitern zur Anfertigung von Privatkopien genutzt werden (BGH, GRUR 2017, 716 [juris Rn. 75] - PC mit Festplatte II, mwN; GRUR 2021, 1516 [juris Rn. 30] - Eigennutzung; BVerfG, GRUR 2011, 223 [juris Rn. 25]) oder nach Ablauf der steuerlichen Abschreibungsfristen auf dem Markt für Gebrauchtgeräte Abnehmer unter natürlichen Personen finden, die sie zu privaten Zwecken für Vervielfältigungen nutzen (vgl. BGH, GRUR 2017, 702 [juris Rn. 76] - PC mit Festplatte I).
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Dementsprechend steht es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit der Richtlinie 2001/29/EG in Einklang, für den Fall, dass die in Rede stehenden Geräte oder Trägermaterialien nicht eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, auch dann eine widerlegbare Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung aufzustellen, wenn sie einem gewerblichen Abnehmer überlassen werden (vgl. EuGH, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 44 bis 46] - Copydan Båndkopi; GRUR 2017, 155 [juris Rn. 32] - Microsoft Mobile Sales International u.a.). An diesen Grundsätzen hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung in der Rechtssache "Microsoft Mobile Sales International u.a." zur Vereinbarkeit von Vorschriften einzelner Mitgliedstaaten über die Erhebung einer Privatkopieabgabe mit den Vorschriften der Richtlinie 2001/29/EG festgehalten (vgl. EuGH, GRUR 2017, 155 [juris Rn. 52]). Soweit den Ausführungen des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache zu entnehmen ist, dass nach seiner Ansicht bereits eine Lieferung von zur Anfertigung von Privatkopien geeigneten Geräten und Speichermedien an "Geschäftskunden und staatliche Stellen" oder der Erwerb solcher Speichermedien "zur beruflichen Nutzung" dazu führen muss, dass die Anwendung der Vorschriften über eine Vergütung für Privatkopien ausgeschlossen ist (Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-110/15 vom 4. Mai 2016 Rn. 33, 45 und 46) hat der Gerichtshof der Europäischen Union diese Erwägungen in seiner Entscheidung nicht aufgegriffen (vgl. BGH, GRUR 2017, 702 [juris Rn. 57] - PC mit Festplatte I).
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bb) Anders als der Oberste Gerichtshof hält es der Senat auch nicht für maßgeblich, ob eine für den Händler "erkennbare" Bestellung "als Endnutzer für kommerzielle Zwecke" vorliegt (vgl. OGH, MMR 2017, 388 Rn. 51). Ein solche Voraussetzung einer Vergütungspflicht des Händlers lässt sich dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG nicht entnehmen.
c) Der Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG dürfte ebenfalls dagegen sprechen, bei einer Lieferung an gewerbliche Endabnehmer eine Zahlungspflicht von vornherein zu verneinen.
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Allein der Umstand, dass ein PC mit eingebautem Speicher, der seinem Typ nach für Bild- und Tonaufzeichnungen genutzt werden kann, einem gewerblichen Abnehmer überlassen wird, steht seiner Nutzung zu privaten Zwecken nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht entgegen. Vielmehr ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht ausgeschlossen, dass solche Geräte auch im Arbeitsumfeld oder im Rahmen von Gewerbebetrieben in erheblichem Umfang zur Anfertigung von Privatkopien genutzt werden oder nach der kommerziellen Nutzung an private Nutzer abgegeben werden (vgl. oben Rn. 11 und 26). Durch eine Auslegung dahingehend, dass in diesen Fällen dennoch per se eine Vergütungspflicht des Herstellers, Importeurs oder Händlers ausgeschlossen ist, wäre nicht gewährleistet, dass die Rechtsinhaber in diesen Fällen einen gerechten Ausgleich für den ihnen entstandenen Schaden erhalten. Dies widerspräche der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach der Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in sein nationales Recht einführt, eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss (EuGH, GRUR 2011, 909 [juris Rn. 34] - Stichting de Thuiskopie). Demgegenüber können in einem System, das den gerechten Ausgleich nach Maßgabe einer widerleglichen Vermutung bestimmt, sowohl die Interessen des Urhebers als auch die des Zahlungspflichtigen berücksichtigt werden. Zudem kann mit dem Erfordernis einer widerleglichen Vermutung den praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks und der Identifizierung des Endnutzers in sachgerechter Weise Rechnung getragen werden (vgl. EuGH, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 45 bis 47 und 50] - Copydan Båndkopi; GRUR 2017, 155 [juris Rn. 31] - Microsoft Mobile Sales International u.a.), was ebenfalls zur Gewährleistung der wirksamen Erhebung des gerechten Ausgleichs beiträgt.
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d) Der Regelungszusammenhang des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG spricht nach Auffassung des Senats ebenfalls gegen die Annahme eines strikten Ausschlusses der Zahlungspflicht bei Lieferungen an gewerbliche Endabnehmer und für eine Vermutungsregelung, die die maßgeblichen Umstände in den Blick nimmt und die Interessen sowohl der Rechtsinhaber als auch der Zahlungspflichtigen sowie die praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Privatkopien angemessen berücksichtigt.
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verfügen die Mitgliedstaaten bei ihrer Festlegung über ein weites Ermessen bei der Bestimmung, welche Personen den Ausgleich zu zahlen haben und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest. Dabei sollten die Mitgliedstaaten die besonderen Umstände eines jeden Falls und insbesondere den sich aus den betreffenden Handlungen für die Rechtsinhaber ergebenden etwaigen Schaden berücksichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2024, 51 [juris Rn. 35 f.] - Seven One Entertainment Group, mwN). Ebenfalls in den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten fällt die Festlegung eines Schwellenwerts, unterhalb dessen der Nachteil als geringfügig im Sinne des Erwägungsgrunds 35 der Richtlinie 2001/29/EG eingestuft werden kann (EuGH, GRUR 2014, 51 [juris Rn. 39] - Seven One Entertainment Group). Überdies ist es Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jeder nationalen Regelung und der durch die Richtlinie 2001/29/EG vorgegebenen Grenzen zu prüfen, ob praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung des fraglichen Trägermaterials die Aufstellung einer Vermutung rechtfertigen und ob jedenfalls die vorgesehene Vermutung nicht dazu führt, dass die Abgabe für Privatkopien in Fällen auferlegt wird, in denen der Endnutzer des Trägermaterials offenkundig nicht von dem in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG geregelten Fall erfasst wird (EuGH, GRUR 2013, 1025 [juris Rn. 44] - Amazon.com International Sales u.a.). Vor dem Hintergrund dieser nationalen Gestaltungsspielräume kommt in Betracht, dass sowohl die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als auch die Rechtsprechung des Senats mit den Vorgaben des Unionsrechts in Übereinstimmung stehen.
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7. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Der Erfolg der Revision der Beklagten hängt von der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ab. Die von der Revision gegen das Berufungsurteil darüber hinaus erhobenen Rügen greifen nicht durch.
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