Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2012 - 4 StR 205/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in drei Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, und wegen Sachbeschädigung in weiteren drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Maßregelanordnung Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den Feststellungen beging der nicht vorbestrafte Angeklagte in der Zeit von Juli 2010 bis zum 12. Februar 2011 folgende Straftaten: Am 28. Juli 2010 legte er in seiner Wohnung Feuer, das sich auf die gesamte Wohnung und den Dachboden des Mehrfamilienhauses ausbreitete. Am 7. November 2010 und am 17. Dezember 2010 entfachte er jeweils im Keller des von ihm neu bezogenen Wohnhauses ein Feuer, das auf angrenzende Kellerräume übergriff und im gesamten Haus zu erheblicher Rauchentwicklung führte. Außerdem zündete er in drei weiteren Fällen den Inhalt von Papier- bzw. Müllcontainern an.
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- Das Landgericht hat angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund einer dissozialen Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit einer Lernbehinderung – und damit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB – erheblich vermindert gewesen sei. Der Angeklagte sei infolge seines Zustands für die Allgemeinheit gefährlich (§ 63 StGB). Aufgrund der bestehenden Störung habe er Pseudohalluzinationen gehabt , bei denen er geglaubt habe, seinen leiblichen Vater zu sehen. Er habe sich von ihm bedroht gefühlt. Diese Bilder hätten erhebliche Wutgefühle verursacht , die der Angeklagte nicht adäquat habe steuern können. Als Ventil habe er dann zu den Brandstiftungen gegriffen. Der psychische Zustand des Angeklagten sei medikamentös nicht zu behandeln, da es sich um keinen psychotischen Zustand handele, auch wenn die Auswirkungen mit Verfolgungsgefühlen ähnlich hervortreten würden. Besonders problematisch sei, dass es sich um einen Dauerzustand handeln könne.
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- 2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie setzt zunächst die positive Feststellung eines Defektes voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 – 4 StR 424/03, NStZ 2004, 197 mwN). Dieser Zustand muss, da er anders als die Schuldfähigkeit nicht an den Tatzeitpunkt, sondern an die Prognose anknüpft, ein länger andauernder, nicht nur vorübergehender sein (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 63 Rn. 6 mwN). Die Maßregelanordnung bedarf einer sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwer wiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Angeklagten eingreifende Maßnahme darstellt.
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- Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat nicht ausreichend dargelegt, dass die dissoziale Persönlichkeitsstörung bei dem Angeklagten in Verbindung mit der Lernbehinderung einen dauerhaften Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begründet. Dies folgt bereits daraus, dass sich die Strafkammer zur Begründung der Maßregelanordnung auf das Gutachten der Sachverständigen bezieht, die hierzu lediglich ausgeführt hat, "dass es sich um einen Dauerzustand handeln könne" (UA 38). Dass es sich um eine länger bestehende und nicht vorübergehende Störung handelt, ergibt sich auch nicht sonst aus den Gründen des Urteils. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte nach den Feststellungen bis zu Beginn der Tatserie sozial unauffällig gelebt hatte und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war.
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- Darüber hinaus fehlt es bislang an ausreichenden Darlegungen zu der von der Sachverständigen diagnostizierten Störung. Schließt sich wie hier das Landgericht dem Gutachten ohne weitere eigene Erwägungen an, muss es die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und die Ausführungen der Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Hierzu reichen die sehr knappen tatsächlichen Angaben in den Urteilsgründen nicht aus. So wird nicht deutlich, aus welchen Umständen die Strafkammer folgert, dass der die Schuldfähigkeit überdauernd beeinträchtigende Zustand das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen – auch sozialen – Folgen stört, belastet oder einengt wie bei einer krankhaften seelischen Störung (siehe dazu BGH, Beschluss vom 21. September 2006 – 4 StR 309/06, NStZ-RR 2007, 6; Beschluss vom 30. Januar 2007 – 1 StR 603/06). Dem Revisionsgericht ist es damit nicht möglich, nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen des § 63 StGB rechtsfehlerfrei angenommen wurden.
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- 3. Die Sache bedarf daher im Hinblick auf die Maßregelanordnung erneuter Verhandlung und Entscheidung.
Schmitt Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.