Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Aug. 2016 - 4 StR 160/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. August 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, sowie wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in sieben Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Annahme real konkurrierender Taten in den Fällen II.3.m und II.3.n sowie II.3.p und II.3.r der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- a) Nach den Feststellungen war der Angeklagte die „treibende Kraft" einer Gruppierung, die sich zum Zweck der Begehung von Wohnungseinbruchsdiebstählen zusammengeschlossen hatte. Der Angeklagte war bei den Einbrüchen nie vor Ort, sondern kümmerte sich im Hintergrund um verschiedene organisatorische Angelegenheiten, stellte Tatfahrzeuge zur Verfügung und übergab den vor Ort agierenden Tätern Zettel mit für die Taten in Betracht kommenden Wohngebieten, die er zuvor recherchiert hatte.
- 4
- In den Fällen II.3.m und II.3.n brachen die gesondert Verfolgten L. und R. sowie der Mitangeklagte P. in Absprache mit dem Angeklagten, der einen Pkw Renault Clio als Tatfahrzeug angemietet und L. die Fahrzeugschlüssel übergeben sowie einen Zettel mit einer Zieladresse zur Verfügung gestellt hatte, zunächst am 4. März 2014 in zwei Wohnungen in W. ein und entwendeten dort Geld und Schmuck (Fall II.3.m). Am nächsten Tag kam es unter Benutzung des schon vor der Tat II.3.m übergebenen Renault Clio zu einem weiteren Einbruch in C. , bei welchem die Gruppierungsmitglieder L. , N. und P. vor Ort agierten (Fall II.3.n). Insoweit ist ein erneuter Tatbeitrag des Angeklagten – wie etwa die Übergabe eines weiteren Zettels mit Zieladressen – nicht festgestellt.
- 5
- In den Fällen II.3.p und II.3.r brachen die gesondert Verfolgten L. und R. sowie der Mitangeklagte P. in Absprache mit dem Angeklagten, der wiederum zuvor einen Zettel mit Zieladressen in G. und M. zur Verfügung gestellt hatte, zunächst am 8. März 2014 in drei Wohnungen in G. und M. ein und entwendeten dort Geld und Schmuck (Fall II.3.p). Am 16. März 2014 verübten sie weitere Einbrüche in G. (Fall II.3.r), wobei sie denselben Zettel mit Anschriften benutzten. Es ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte in Bezug auf die Fortsetzung der Einbruchsserie in G. einen erneuten Tatbeitrag geleistet hat.
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- b) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Leistet ein Mittäter für bestimmte Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es hingegen an einer solchen individuellen Tatförderung und erbringt der Täter im Vorfeld oder während des Laufes der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich zuzurechnen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 19. November 2014 – 4 StR 284/14 mwN).
- 7
- Da das Landgericht keine allein die Fälle II.3.n und II.3.r betreffenden Tatbeiträge des Angeklagten festgestellt hat, ist nach dem Zweifelssatz zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass sich seine Tatbeiträge – insbesondere das Bereitstellen des Tatfahrzeugs und die Übergabe von Zetteln mit möglichen Einbruchszielen – jeweils sowohl zugleich auf die Fälle II.3.m und II.3.n als auch zugleich auf die Fälle II.3.p und II.3.r bezogen. Damit ist insoweit (gleichartige ) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen (vgl. Senat aaO). Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen könnte, die in den Fällen II.3.m und II.3.n sowie II.3.p und II.3.r der Urteilsgründe eine Verurteilung wegen materiell-rechtlich selbständiger Tat tragen könnten.
- 8
- 2. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, denn der Angeklagte hätte sich nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
- 9
- 3. Durch die Schuldspruchänderung kommen die in den Fällen II.3.n und II.3.p der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen in Wegfall. Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der Anzahl und Höhe der verbleibenden elf Einzelstrafen zwischen drei Jahren und neun Monaten und einem Jahr und sechs Monaten auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2015 – 3 StR 490/14).
- 10
- 4. Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten. Sost-Scheible Roggenbuck Franke RiBGH Dr. Mutzbauer ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.