Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2018 - 4 StR 599/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Juni 2018 gemäß § 154a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) das Verfahren gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt;
b) das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Juli 2017 dahin geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 98.914 € angeordnet ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten Ak. wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Ein- ziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 123.914 € angeordnet. Die dagegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen lassen.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils planten der Mitangeklagte A. und der gesondert verfolgte J. , in der Nähe von E. eine Marihuanaplantage zu errichten. Der Angeklagte Ak. beteiligte sich an dem Vorhaben durch die Hingabe von 15.000 €. Der Reinerlös sollte zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Beim ersten Anbau in der in H. eingerichteten Plantage im Mai 2014 wurden die Cannabispflanzen von Schädlingen befallen, die gesamte Ernte wurde für 15.000 € verkauft. Das Geld erhielt der Angeklagte Ak. als Rückzahlung auf seine Investition. In der Folgezeit kam es nach An- schluss eines „Fachmanns“ an die Bande zu elf weiteren Ernten, bei denen ins- gesamt 47,7 kg Marihuana mit 8.641,4 g Wirkstoffgehalt gewonnen wurden. Der Angeklagte Ak. erhielt von dem Verkaufserlös ein Viertel, insgesamt 66.780 €. Eine weitere Plantage wurde Anfang 2015 in W. eingerichtet, an der sich zusätzlich noch ein Bekannter des J. beteiligte. Der Angeklagte Ak. partizipierte zu einem Fünftel an den Verkaufserlösen aus dieser Plantage , obwohl er die Einrichtung und den Betrieb durch keine weiteren Handlungen förderte. Er erhielt aus neun Ernten von jeweils 4,275 kg Marihuana mit 778 g Wirkstoffgehalt einen Anteil am Verkaufserlös von insgesamt 42.134 €.
II.
- 3
- 1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Jedoch hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Tatbeiträge des Angeklagten unzutreffend beurteilt und ist rechtsfehlerhaft von 21 tatmehrheitlichen Fällen des Handeltreibens ausgegangen.
- 4
- Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Leistet ein Mittäter für bestimmte Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es hingegen an einer solchen individuellen Tatförderung und erbringt der Täter im Vorfeld oder während des Laufes der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich zuzurechnen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2009 – 3 StR 367/09, wistra 2010, 217 und vom 31. August 2016 – 4 StR 160/16 mwN).
- 5
- Nach diesen Maßstäben hat sich der Angeklagte des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. Denn er hat zu den insgesamt 21 Anbauvorgängen keine individuellen, jeweils nur einen Anbauvorgang fördernden Tatbeiträge erbracht. Sein Tatbeitrag – die Anschubfinanzierung der ersten Plantage mit 15.000 € – hat sich vielmehr auf alle Anbauvorgänge gleichermaßen fördernd ausgewirkt, so dass diese ihm als tateinheitlich begangen zuzurechnen sind.
- 6
- 2. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung auf den Vorwurf des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 tateinheitlichen Fällen beschränkt. Das Landgericht hat keinerlei Feststellungen zur Erntemenge und zum Wirkstoffgehalt bei der ersten Ernte der Plantage in H. getroffen. Der Senat hat diesen Fall deshalb aus verfahrensökonomischen Gründen von der Strafverfolgung ausgenommen. Die Beschränkung und die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung führen zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
- 7
- 3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO kann die im Übrigen ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten gebildete Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben. Die Verfahrensbeschränkung und die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung lassen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 4 StR 220/07).
- 8
- 4. Die über den Betrag von 98.914 € hinausgehende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen hat keinen Bestand. Durch die Verfahrensbeschränkung vermindert sich der Betrag des vom Angeklagten Ak. Erlangten um 15.000 €. Zudem hat die Strafkammer bei der Addition der Erlöse entgegen ihren Ausführungen auf UA S. 50 offenbar versehentlich den Gesamtbetrag um die 10.000 € zu hoch angesetzt, deren Einziehung zu Lasten der TS U. angeordnet worden ist. Die Neufestsetzung des Einziehungsbetrags kann der Senat auf der Grundlage der in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Berechnungsweise der Strafkammer in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen.
Bender Feilcke
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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.