Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2018 - 3 StR 530/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Während der Schuldspruch und die Einziehungsentscheidungen keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler erkennen lassen, kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Die Gesamtstrafenbildung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Wegen des Verbots der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) führt dies auch zur Aufhebung der - für sich gesehen ohne durchgreifenden Rechtsfehler bemessenen - Einzelstrafen.
- 3
- 1. Hinsichtlich der Gesamtstrafenbildung leiden die Urteilsgründe an einem Darstellungsmangel, weil sie sich nicht zum Vollstreckungsstand einer Vorverurteilung des Angeklagten verhalten.
- 4
- Nach den Feststellungen beging der Angeklagte fünf der abgeurteilten Taten zu nicht näher bestimmten Zeiten zwischen Frühjahr 2014 und Frühjahr 2015, die weiteren drei von Frühjahr 2015 bis zum 8. März 2016. In dem erstgenannten Zeitraum verurteilte ihn das Amtsgericht Düsseldorf mit mittlerweile rechtskräftigem Strafbefehl vom 1. Juli 2014 wegen Verstoßes gegen das Markengesetz zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 €. Damit kommt in Betracht, dass diese Geldstrafe und die in dem angefochtenen Urteil für die ersten fünf Taten festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nachträglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückzuführen sind; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insoweit die Tatbeendigung noch vor dem Erlass des Strafbefehls am 1. Juli 2014 eintrat. Das hätte zur Folge, dass dieser Vorverurteilung Zäsurwirkung zukäme und neben der nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitstrafe eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe zu verhängen wäre, auf welche die für die danach begangenen Taten festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen zurückzuführen wären.
- 5
- 2. Durch die möglicherweise rechtsfehlerhaft gebildete Gesamtstrafe ist der Angeklagte beschwert. Sollte die Geldstrafe aus der Vorverurteilung nicht erledigt sein, wäre nicht auszuschließen, dass die mit der Vorstrafe gebildete nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe betreffend die zeitlich ersten der abgeurteil- ten Taten in einer Höhe ausgesprochen worden wäre, die eine Strafaussetzung zur Bewährung noch erlaubt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 295/13, juris Rn. 5; ferner Sander, NStZ 2016, 656, 662 f. mwN). Zwar hätte die Vollstreckung der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe für die nachfolgenden Taten nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil schon allein die Freiheitsstrafe für die Tat 8 - als Einsatzstrafe - auf zwei Jahre und acht Monate festgesetzt worden ist. Dies würde indes einer günstigen Kriminalprognose nicht von vornherein entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 480/07, juris Rn. 2), zumal der Angeklagte "nicht nennenswert und insbesondere nicht einschlägig vorbestraft" ist (UA S. 41).
- 6
- 3. Die Einzelstrafen sind ebenfalls aufzuheben, weil anderenfalls für den Fall, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden wären, deren Summe - auf Grund der Höhe der Einzelstrafen (Freiheitsstrafen von einem Jahr [zweimal], einem Jahr und vier Monaten [viermal], einem Jahr und sechs Monaten sowie zwei Jahren und acht Monaten) - die vormals verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zwingend übersteigen würde. Die Aufrechterhaltung der Einzelstrafen liefe damit dem Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zuwider, wonach dem Angeklagten ein durch fehlerhafte Gesamtstrafenbildung erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276).
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- 4. Daher ist nochmals über den gesamten Strafausspruch zu befinden. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Darstellungsmangel nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie den bislang getroffenen nicht wider- sprechen, und zum Vollstreckungsstand des gegen den Angeklagten ergangenen früheren Strafbefehls geboten. Soweit es darauf ankommen sollte, kann die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer für die ersten fünf Taten - soweit möglich - auch die Tatzeiten näher eingrenzen.
- 8
- Bei der neuerlichen Gesamtstrafenbildung wird die Strafkammer zu beachten haben, dass hinsichtlich der Vorverurteilung der Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (1. Juni 2017) maßgebend ist (s. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 10. Januar 2017 - 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169; vom 17. Oktober 2017 - 3 StR 423/17, juris Rn. 16) und eine Zäsurwirkung des Strafbefehls durch eine mögliche Entscheidung nach § 53 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht entfiele (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 55 Rn. 9a). RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Becker Spaniol Berg Leplow
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.