Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2007 - 3 StR 368/07

published on 11/10/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2007 - 3 StR 368/07
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 368/07
vom
11. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2007 beschlossen
:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. Juni 2007 wirksam zurückgenommen
ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den unter Betreuung stehenden, derzeit im Landeskrankenhaus W. einstweilen untergebrachten Angeklagten mit Urteil vom 7. Juni 2007 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Sein Verteidiger hat hiergegen mit Schriftsatz vom 8. Juni 2007 Revision eingelegt. Dieses Rechtsmittel hat der Angeklagte mit Schreiben vom 12. Juni 2007 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. Juni 2007 zurückgenommen und zugleich beantragt, das Landeskrankenhaus umgehend von der Rechtskraft des Urteils vom 7. Juni 2007 in Kenntnis zu setzen, damit "die Maßnahmen der U-Haftbedingungen (§ 126a StPO) aufgehoben werden" könnten.
2
Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2007 hat sein Verteidiger namens und im Auftrage des Angeklagten dessen Revisionsrücknahme vom 12. Juni 2007 an- gefochten. Es solle bei der eingelegten Revision und bei der Durchführung dieses Verfahrens bleiben. Der Angeklagte verstehe nicht, warum er die Revisionsrücknahmeerklärung vom 12. Juni 2007, die nicht von ihm selbst angefertigt worden sei, unterzeichnet habe. Diesem Schriftsatz des Verteidigers vom 22. Juni 2007 war eine eidesstattliche Versicherung des Bruders des Angeklagten beigefügt, nach deren Inhalt ihm der Angeklagte folgendes mitgeteilt habe: Das Schreiben vom 12. Juni 2007 habe er nicht selbst verfasst. Er sei in der Haft von einem Dritten, wohl einem inhaftierten Anwalt, angesprochen worden und habe gutgläubig das entsprechende Schreiben unterschrieben, ohne jedoch von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen. Die Revision solle durchgeführt werden.
3
Auf Rückfrage des Vorsitzenden der Strafkammer bei der den Angeklagten im Landeskrankenhaus behandelnden Stationsärztin, wie es zu der Rücknahme der Revision mit Schreiben vom 12. Juni 2007 gekommen sei, hat diese mitgeteilt, der Angeklagte habe ihr folgenden Sachverhalt berichtet: Er sei von seiner Ehefrau davon unterrichtet worden, dass seine Brüder durch die Weiterführung der Strafsache mit der eingelegten Revision finanziell sehr belastet seien. Er sei nicht nur dadurch gekränkt gewesen, sondern auch deshalb, weil seine Brüder ihm dies nicht persönlich gesagt hätten. Aus diesem Grund habe er die Rücknahmeerklärung aufsetzen lassen und unterschrieben.

II.


4
Der Angeklagte hat die Revision mit seinem Schreiben vom 12. Juni 2007 wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Da er und sein Verteidiger dies bestreiten, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss förmlich fest (s. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 302 Rdn. 11 a m. w. N.). Für die Wirksamkeit der Rücknahme durch den Angeklagten ist es ohne Belang, dass das Rechtsmittel von seinem Verteidiger eingelegt worden war, da der Wille des Angeklagten vorgeht (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7 m. w. N.). Die Rücknahmeerklärung des Angeklagten vom 12. Juni 2007 wahrt auch die für die Zurücknahme des Rechtsmittels erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 7 m. w. N.), sie ist eindeutig und zweifelsfrei.
5
Auch die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten unterliegt keinen Zweifeln , so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung bestehen. Dies stellt der Senat im Wege des Freibeweises auf Grundlage des Akteninhalts fest (vgl. BGH NStZ 1983, 280; NStZ-RR 2007, 210 f.).
6
Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten zwar eine Persönlichkeitsstörung festgestellt und die Voraussetzungen des § 21 StGB für gegeben erachtet, weil die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert gewesen sei. Für die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung ist die Verminderung der Steuerungsfähigkeit jedoch ohne Bedeutung. Eine Beeinträchtigung der Geschäfts- oder Schuldfähigkeit eines Erklärenden hat nicht zwangsläufig dessen prozessuale Handlungsunfähigkeit zur Folge (BGH, Beschl. vom 28. Juli 2004 - 2 StR 199/04; Meyer-Goßner aaO Rdn. 8 a m. w. N.). Hiervon ist erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Beteiligter nicht in der Lage ist, die Bedeutung von ihm abgegebener Erklärungen zu erkennen, wobei Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit zu seinen Lasten gehen (vgl. BGH NStZ 1984, 181 und 329).
7
Hier ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Bruders des Angeklagten , dieser habe gutgläubig und irrtümlich die "wohl von einem inhaftierten Anwalt" aufgesetzte Revisionsrücknahme unterzeichnet, noch aus der Erklärung des Angeklagten gegenüber der Stationsärztin, er habe die Rücknahmeerklärung aus Ärger über seine Brüder aufsetzen lassen und unterschrieben, dass er in seiner Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung (vgl. MeyerGoßner aaO Rdn. 8 a i. V. m. Einl. Rdn. 97) beeinträchtigt war oder es ihm sonst an der prozessualen Handlungsfähigkeit gefehlt haben könnte. Auch im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Angeklagte Inhalt und Reichweite seiner Rücknahmeerklärung verkannt hat. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Fassung seines Schreibens vom 12. Juni 2007, insbesondere seinem ausdrücklichen Antrag, das Landeskrankenhaus umgehend von der Rechtskraft des Urteils in Kenntnis zu setzen, dass er die Bedeutung der Rechtsmittelrücknahme kannte.
8
Nach alledem hat der Senat keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme. Diese ist unwiderruflich und unanfechtbar (BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 2; NStZ-RR 2007, 210 f.).
9
Nach wirksamer Rücknahme der Revision hat der Angeklagte die Kosten des Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer
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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges
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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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Annotations

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.