Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Sept. 2019 - 3 StR 226/19
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2019 beschlossen :
Der Antrag des Verurteilten auf Nachholung rechtlichen Gehörs gegen den Beschluss des Senats vom 11. Juli 2019 wird zurückgewiesen. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu tragen.
Gründe:
- 1
- 1. Der damalige Angeklagte ist durch Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 15. Januar 2019 wegen Betruges unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 12. Juli 2016 verhängten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Hiergegen hat er Revision eingelegt. Diese ist auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt und durch Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten vom 22. März 2019 ausführlich begründet worden. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. Mai 2019 umfassend Stellung genommen und beantragt, die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Dieser Antrag ist dem Verteidiger am 12. Juni 2019 zugestellt worden.
- 2
- Der Senat hat - nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO am 26. Juni 2019 - die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 11. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Der Verwerfungsbeschluss ist von der Geschäftsstelle des Senats am 1. August 2019 abgeschickt worden, sowohl an den Verteidiger als auch den nunmehr Verurteilten.
- 3
- Nach Beschlussfassung ist am 15. Juli 2019 ein weiterer Schriftsatz des Verteidigers vom selben Tag eingegangen. Darin hat dieser zu dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts Stellung genommen. Wegen der Nichtberücksichtigung seines Vorbringens vom 15. Juli 2019 hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. August 2019 - eingegangen beim Bundesgerichtshof am 13. August 2019 - beantragt, "die Gegenerklärung zur Kenntnis zu nehmen und erneut Beschluss zu fassen".
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- 2. Der Antrag des Verurteilten vom 7. August 2019 ist als Anhörungsrüge nach § 356a StPO auszulegen.
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- a) Diese erweist sich bereits als unzulässig. Denn dem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, wann der Verurteilte von der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat. In Fällen, in denen sich - wie hier - die Einhaltung der Frist des § 356a Satz 2 StPO nicht schon aus dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensgang ergibt, gehört die Mitteilung des nach § 356a Satz 2 StPO für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts der Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die Gehörsverletzung ergeben soll, und dessen Glaubhaftmachung (§ 356a Satz 3 StPO) indes zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2016 - 1 StR 579/15, juris Rn. 2 mwN).
- 6
- b) Die Anhörungsrüge hat auch in der Sache keinen Erfolg. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt. Der Verteidiger hat die Revision ausführlich begründet. Dies hat der Senat bei seiner Entscheidung bedacht. Dem steht nicht entgegen, dass die Gegenerklärung zu dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts erst nach Beschlussfassung beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, mithin der Entscheidung vom 11. Juli 2019 nicht zugrunde gelegt werden konnte. Denn ein Anspruch auf Berücksichtigung von Ausführungen besteht regelmäßig nur, wenn sie vor der Entscheidung des Revisionsgerichts - nach Ablauf der nicht verlängerbaren Zwei-Wochen-Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO - bei diesem eingehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2012 - 1 StR 131/12, NStZ-RR 2012, 319 f.; vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 246/11, juris Rn. 3 jew. mwN).
Hoch Anstötz
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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Sept. 2019 - 3 StR 226/19 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der damalige Angeklagte wurde vom Landgericht Ansbach mit Urteil vom 26. Oktober 2011 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen legte er Revision ein. Diese wurde durch Schriftsätze der Verteidiger vom 29. Dezember 2011 und 9. Januar 2012 - jeweils individuell - ausführlich begründet. Gerügt wurden die Verletzung materiellen Rechts sowie einige Verfahrensverstöße. Hierzu nahm der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 30. März 2012 umfassend Stellung und beantragte, die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Hierauf erwiderten die Verteidiger mit umfangreichen Schriftsätzen vom 24., 26. und 27. April 2012. Der Angeklagte gab selbst noch eine Stellungnahme ab mit einem Schreiben vom 1. Mai 2012.
- 2
- Der Senat verwarf - nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO am 30. April 2012 - die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 9. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat berücksichtigte dabei alle Schreiben , die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen, auch die privatschriftlichen Ausführungen des Angeklagten vom 1. Mai 2012, wenn auch die maßgebliche Revisionsbegründung seitens eines Angeklagten gemäß § 345 Abs. 2 StPO nur mittels einer vom Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder vom Angeklagten selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden kann. Der Verwerfungsbeschluss wurde von der Geschäftsstelle des Senats am 14. Mai 2012 abgeschickt, sowohl an die Verteidiger, als auch an den nunmehr Verurteilten über den Vorstand der Vollzugsanstalt.
- 3
- Nach Beschlussfassung gingen am 10. Mai 2012 ein weiterer Schriftsatz eines Verteidigers vom selben Tag sowie zwei vom Verurteilten selbst verfasste Schreiben vom 13. Mai 2012 - Eingang beim Bundesgerichtshof am 15. Mai 2012 - und vom 14. Mai 2012 - Eingang am 19. Mai 2012 - ein. Dem Verurteilten wurde von der Rechtspflegerin mit Schreiben vom 16. Mai 2012 unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 13. Mai 2012 mitgeteilt, dass der Bundesgerichtshof in dieser Sache nicht mehr tätig werden könne, da das Verfahren durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2012 rechtskräftig abgeschlossen ist.
- 4
- Wegen der Nichtberücksichtigung seines Vorbringens vom 13. und 14. Mai 2012 hat der Verurteilte mit zwei Schreiben vom 21. Mai 2012 - Eingang beim Bundesgerichtshof am 22. Mai 2012 - Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO erhoben und beantragt, das Verfahren in die Lage zurückzuversetzen , in der es vor Erlass der Entscheidung des Senats vom 9. Mai 2012 bestand. Die Abfassung seiner Schreiben habe sich verzögert, da ihm von der Vollzugsanstalt eine Kontaktaufnahme mit seinen Verteidigern per Mobiltelefon - anders seien sie seinerzeit nicht erreichbar gewesen - verwehrt wurde.
- 5
- Die Anhörungsrüge ist zulässig. Der Verurteilte hat sich zwar entgegen § 356a Satz 3 StPO nicht dazu geäußert, wann er vom Beschluss des Senats vom 9. Mai 2012 Kenntnis erlangt hat. Unter Berücksichtigung der Postlaufzei- ten ist jedoch zwingend davon auszugehen, dass die Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO gewahrt ist.
- 6
- Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt. Die Verteidiger des Verurteilten haben die Revision ausführlich begründet und zum Antrag des Generalbundesanwalts Stellung genommen. All dies hat der Senat bei seiner Entscheidung bedacht. Ein Anspruch auf Berücksichtigung von - insbesondere ergänzenden - Ausführungen besteht aber regelmäßig nur, wenn diese vor der Entscheidung des Revisionsgerichts - nach Ablauf der nicht verlängerbaren Zweiwochenfrist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO - bei diesem eingehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. November 2011 - 1 StR 528/11 - und vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 246/11).
- 7
- Im Übrigen enthalten die Schreiben des Verurteilten vom 13., 14. und 21. Mai 2012 keine tragenden Gesichtspunkte, die nicht schon von den Verteidigern in den Revisionsbegründungen vorgebracht wurden. Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf