Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2015 - 2 StR 364/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis: Das Landgericht hat seine Kompensationsentscheidung nicht tragfähig begründet. In den Urteilsgründen ist lediglich ausgeführt, dass „es bereits im Ermittlungsverfahren, aber auch nach Anklageerhebung zu vermeidbaren Ver- zögerungen gekommen“ sei, weshalb als Kompensation fürdie hierin liegende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zwei Jahre und sechs Monate der als tat- und schuldangemessen angesehenen Freiheitsstrafe von sechs Jahren für vollstreckt zu erklären seien. Dies genügt den insoweit bestehenden Darlegungsanforderungen nicht. Der Tatrichter ist verpflichtet, Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen (Senat, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21). Das Revisionsgericht muss anhand der Ausführungen in den Urteilsgründen jedenfalls im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachvollziehen können, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK tragen, und ob sich die Kompensationsentscheidung innerhalb des dem Tatrichter insoweit eröffneten Bewertungsspielraums hält (Senat , a.a.O.). Der Senat vermag anhand der Urteilsgründe bereits nicht nachzuvollziehen , von welchem konkreten Ausmaß der Verfahrensverzögerung der Tatrichter ausgegangen ist. Zwar liegt die Annahme einer Verfahrensverzögerung nahe, nachdem Anklage wegen der am 3. Dezember 2009 begangenen Tat erst am 14. April 2013 erhoben worden ist und deren Zulassung wegen vordringlicher Haftsachen erst am 4. März 2015 erfolgt ist. Der konkrete Umfang der Verfahrensverzögerung bleibt jedoch offen, zumal der Tatrichter immerhin auch er- wähnt, dass sich die Ermittlungen „nicht einfach“ gestalteten. Darüber hinaus erschließt sich nicht, aufgrund welcher Umstände der Tatrichter es für angemessen erachtet hat, das Maß der Kompensation auf zwei Jahre und sechs Monate zu bemessen. Die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ist nicht mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen, sondern hat nach den Umständen des Einzelfalls grundsätzlich einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu betragen (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 – 4 StR 391/14, wistra 2015, 241).
Der Senat schließt hier jedoch aus, dass der Angeklagte durch einen möglichen Rechtsfehler beschwert sein könnte. Appl Krehl Eschelbach Ott Bartel
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.