Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2017 - 2 StR 345/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2017:110417B2STR345.16.1
published on 11/04/2017 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2017 - 2 StR 345/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 345/16
vom
11. April 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: unterlassener Hilfeleistung
zu 2. und 3.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:110417B2STR345.16.1

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 3. auf dessen Antrag - und der Beschwerdeführerinnen am 11. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 30. Mai 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit es die Angeklagte W. betrifft und sie verurteilt worden ist,
b) soweit der Angeklagten C. die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist,
c) soweit gegen die Angeklagte P. -U. aa) im Fall II. 8. der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden ist, bb) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten C. und P. -U. werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte W. unter Freisprechung im Übrigen wegen unterlassener Hilfeleistung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10 €, die Angeklagte C. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat und die Angeklagte P. -U. unter Freisprechung im Übrigen wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel der Angeklagten W. hat vollen Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten C. und P. -U. haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Revision der Angeklagten W.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts schlugen die Mitangeklagten Wi. und R. am 10. April 2015 in der Wohnung der Angeklagten W. abwechselnd mit Händen und Fäusten auf den Geschädigten P. ein; der Mitangeklagte Wi. , der Springerstiefel trug, trat wiederholt den Geschädigten gegen die Schienbeine. Zwischendurch kam es immer wieder zu einer Pause, in der der Geschädigte nicht geschlagen wurde und die Mitangeklagten R. und Wi. Bier tranken. Im weiteren Verlauf schlugen auch die Angeklagte C. und eine weitere in der Wohnung anwesende Person auf den Geschädigten ein.
4
„Die Angeklagte W. hatte die Misshandlungen des Zeugen P. mitbekommen; sie war während der Misshandlungen […] anwesend. Sie schritt aber hiergegen weder ein, noch forderte sie die Angeklagten Wi. und R. auf, die Misshandlung des Zeugen P. zu beenden, obwohl sie als Mieterin hierzu in der Lage war und dies ihr insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr möglich war und zumutbar war und ein entsprechendes Einschreiten auch erforderlich war […]“ (UA S. 64).
5
Am 13. April 2015 fingen die Mitangeklagten Wi. , T. und P. - U. - einem zuvor gefassten Tatplan entsprechend - den Geschädigten M. auf der Treppe eines Mehrfamilienhauses ab, zogen ihn in die Wohnung der Angeklagten W. und schlugen in der weiteren Folge mit Händen und Fäusten mehrfach auf ihn ein.
6
„Die Angeklagte W. war,als der Zeuge M. in dem Wohnzimmer ih- rer Wohnung geschlagen wurde, […] anwesend und hat die Misshandlungen des Zeugen M. von ihrem Platz auf der Couch wahrgenommen. Obwohl es erforderlich, ihr möglich und ihr zumutbar gewesen wäre, dem Zeugen M. zu helfen, unternahm die Angeklagte W. diesbezüglich nichts. […] Der Angeklagten W. war […] auch bewusst, dass sie als Wohnungsinhaberin die Möglichkeit gehabt hätte, die Angeklagten T. , Wi. und P. -U. von weiteren Misshandlungen des Zeugen M. abzuhalten und diese zu be- enden“ (UA S. 69).
7
Sämtliche Angeklagte waren zwar aufgrund zuvor genossenen Alkohols enthemmt; eine erhebliche Einschränkung oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit der Angeklagten hat das sachverständig beratene Landgericht jeweils verneint.
8
b) Der Schuldspruch wegen unterlassener Hilfeleistung in zwei Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass auch eine Straftat für das Opfer ein Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB sein kann, sofern das Risiko erheblicher Verletzung besteht (Senat, Urteil vom 12. August 2015 - 2 StR 115/15, NStZ-RR 2015, 375; BGH, Urteil vom 12. Januar 1993 - 1 StR 792/92, BGHR StGB § 323c Unglücksfall 3). Nach den Feststellungen sind der Angeklagten, die jeweils die Übergriffe auf die Geschädigten wahrgenommen hatte, damit auch die Umstände bekannt gewesen, aus denen sich das Vorliegen eines solchen Unglücksfalls ergibt.
10
Die Feststellungen des Landgerichts lassen indes die Prüfung nicht zu, welche Hilfeleistung für die Angeklagte möglich und zumutbar gewesen wäre. Die Urteilsgründe belegen insbesondere nicht, dass und wie die Angeklagte in beiden Fällen die Mitangeklagten erfolgreich dazu hätte bewegen können, die Misshandlungen zu unterlassen bzw. zu beenden. Angesichts dessen, dass die - zudem ebenfalls - alkoholisierte Angeklagte in beiden Fällen einer Mehrzahl von - zudem überwiegend einschlägig vorbestraften - Mitangeklagten gegenüberstand und insbesondere der in seiner Wesensart dominante Mitangeklagte T. „Widerworte“ nicht duldete, versteht sich die Annahme zumutbaren Eingreifens nicht von selbst. Allein der Umstand, dass die Angeklagte Mieterin der Wohnung gewesen ist, in der die Misshandlungen jeweils stattgefunden haben, besagt für sich genommen noch nichts (vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1982 - 3 StR 34/82, BGHSt 30, 391, 396 f.).
11
2. Revision der Angeklagten C.
12
Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Dagegen kann die Versagung der Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat zur Bewährung keinen Bestand haben. Die Straf- kammer hat bei ihrer Sozialprognose entscheidend zu Lasten der Angeklagten gewertet, sie sei "Bewährungsversagerin" (UA S. 153). Wenn damit - wie üblich - gemeint sein sollte, sie habe die Tat während einer laufenden Bewährungsfrist begangen, so wird dies von den getroffenen Feststellungen nicht getragen (UA S. 11, 12). Dass die Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 15. November 2000 widerrufen worden ist und insoweit ein Bewährungsversagen gegeben ist, rechtfertigt ohne nähere Darlegung, zu welchem Zeitpunkt die Bewährung widerrufen worden ist und worauf dies gestützt worden war, nicht die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 - 4 StR 509/91, insoweit in NStZ 1992, 233 nicht abgedruckt).
13
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird eine die konkreten Gegebenheiten des Falles berücksichtigende Gesamtwürdigung (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB) vorzunehmen haben.
14
3. Revision der Angeklagten P. -U.
15
Die Überprüfung des Schuldspruchs und der Strafaussprüche in den Fällen II. 7. und II. 9. der Urteilsgründe hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben.
16
Das Rechtsmittel führt zur Urteilsaufhebung hinsichtlich der im Fall II. 8. der Urteilsgründe angeführten Einzelstrafe von sechs Monaten, weil ein entsprechender Schuldspruch weder verkündet wurde noch im Tenor der Urteilsurkunde enthalten ist. Somit fehlt eine Grundlage für die verhängte Einzelstrafe (vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2014 - 2 StR 215/14).
17
Ein offensichtliches Verkündungs- bzw. Fassungsversehen, wonach eine - vom Generalbundesanwalt beantragte - ausnahmsweise Ergänzung der Ur- teilsformel zulässig wäre, liegt hier nicht vor. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind "offensichtlich" nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss - auch ohne Berichtigung - eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht (vgl. Senat, Urteil vom 14. Januar 2015 - 2 StR 290/14, BGHR StPO § 267 Urteilsberichtigung 1 mwN).
18
Zwar wird ein - der Angeklagten insoweit auch mit Anklage zur Last gelegtes - Geschehen einer (vorsätzlichen) Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Z. am 14. April 2015 in den Urteilsgründen unter II. 8. im Rahmen des festgestellten Sachverhaltes (UA S. 69 f.), bei der Beweiswürdigung (UA S. 141 f.) und bei den Erwägungen zur Strafzumessung (UA S. 158) wiedergegeben , doch weder in der verkündeten Urteilsformel, die auch dem schriftlichen Urteilstenor entspricht, noch bei der rechtlichen Würdigung erwähnt oder in der Liste der angewendeten Vorschriften berücksichtigt. Angesichts dieser Unzulänglichkeiten und Auslassungen im Urteil ist nicht mehr eindeutig erkennbar , was das Gericht insoweit tatsächlich gewollt und entschieden hat, der Ur- teilstenor mithin nicht mehr „offensichtlich“ unrichtig.
19
Da der nicht abgeurteilte Fall II. 8. der Urteilsgründe beim Revisionsgericht nicht anhängig geworden ist, unterliegt er noch der Kognition des Landgerichts (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Juni 1993 - 3 StR 304/93, BGHR StPO § 260 Urteilsspruch 1; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 260 Rdn. 27, 36; Ott in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 260 Rdn. 18; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 260 Rdn. 10), das insoweit neue Feststellungen zu treffen haben wird.
20
Mit der Aufhebung der im Fall II. 8. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe entfällt auch die Gesamtstrafe, die aus den verbleibenden für die Fälle II. 7. und II. 9. der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei erkannten Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten sowie von vier Monaten nicht gebildet werden kann (vgl. § 54 Abs. 2 StGB). Krehl Eschelbach Zeng Bartel Wimmer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.