Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2019 - 2 StR 342/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 16. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten des Betruges in 17 Fällen schuldig gesprochen. Es hat ihn wegen der Taten eins bis neun der Urteilsgründe unter Auflösung der mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 2019 gebildeten Gesamtstrafe und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Siegen vom 19. Dezember 2017, aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 7. Februar 2018 und aus dem Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 18. April 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt und wegen der Taten zehn bis 17 der Urteilsgründe zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Die Gesamtstrafenaussprüche (einschließlich der aufrecht erhaltenen Maßregel- und Einziehungsentscheidung aus einbezogenen Vorverurteilungen) halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand und bedürfen insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
- 3
- a) Hinsichtlich der Gesamtstrafe von drei Jahren und fünf Monaten hat das Landgericht, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, nicht bedacht, dass der Einbeziehung der im Urteilstenor genannten Entscheidungen entgegensteht, dass die den dortigen Verurteilungen zugrunde liegenden Taten ganz oder zumindest teilweise vor früheren Verurteilungen des Angeklagten begangen und beendet worden waren. Von diesen früheren Vorverurteilungen des Angeklagten entfaltet – in Abhängigkeit von dem in den Urteilsgründen nicht mitgeteilten Vollstreckungsständen – wenigstens eine Zäsurwirkung (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2016 – 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, und vom 15. Oktober 2013 – 3 StR 295/13; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1244 f.). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Gesamtstrafenbildung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.
- 4
- b) Darüber hinaus lässt sich die vom Landgericht zeitlich zwischen den am 18. Dezember 2017 und am 21. Dezember 2017 begangenen Taten neun und zehn der Urteilsgründe verortete Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Siegen vom 19. Dezember 2017 nicht nachvollziehen. Für die Frage, ob und wann früher eine Gesamtstrafenbildung möglich gewesen wäre, ist die letzte tatrichterliche Sachentscheidung zur Schuld- oder Straffrage maßgeblich (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 2 StR 558/13, NStZ-RR 2014, 242, 243; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO Rn. 1233). Dieser Zeitpunkt lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Wegen des sehr engen zeitlichen Abstands zwischen den hier abzuurteilenden Taten kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer auf einen falschen Zeitpunkt abgestellt hat und sich dies hier zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
- 5
- 2. Der Senat sieht davon ab, die Sache gemäß § 354 Abs. 1b StPO ins Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen. Der neue Tatrichter wird zu den für sich genommenen rechtsfehlerfreien Feststellungen, welche deswegen Bestand haben, ergänzende Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten treffen können, insbesondere zu deren Rechtskraft und den Vollstreckungsständen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 3 StR 295/13) sowie im erforderlichen Umfang zu den Strafzumessungserwä- gungen der Vorverurteilungen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 – 4 StR 130/09, NStZ-RR 2009, 277). Er wird gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, einen sich bei der Bildung mehrerer Gesamtstrafen möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2009 – 5 StR 243/09, NStZ-RR 2009, 367).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.