Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2017 - 1 StR 648/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, des Wohnungseinbruchdiebstahls sowie der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) aufgehoben aa) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen I.1. bis I.12. der Urteilsgründe und bb) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es ein sichergestelltes Päckchen Kokain eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht in der gebotenen Form ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
- 3
- 2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Teilaufhebung im Strafausspruch. Im Übrigen weist das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
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- a) Die Urteilsfeststellungen werden von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen tragen sie auch die Verurteilung des Angeklagten wegen in Mittäterschaft begangenen (versuchten) schweren Bandendiebstahls in den Fällen I.1. bis I.9. der Urteilsgründe und mittäterschaftlich begangenen (versuchten ) Wohnungseinbruchdiebstahls in den Fällen I.10. bis I.12. der Urteilsgründe.
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- b) Der Schuldspruch kann allerdings in konkurrenzrechtlicher Hinsicht nicht unverändert bestehen bleiben, weil die Annahme jeweils selbständiger, real konkurrierender Diebstahlstaten rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
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- aa) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden , sind ihm die gleichzeitig geförderten Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11. April 2017 – 4 StR 615/16, Rn. 4; vom 2. Juli 2014 – 4 StR 176/14, wistra 2014, 437 und vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.).
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- bb) In den Fällen I.1. bis I.6., I.7. bis I.9. sowie I.10. bis I.12. der Urteilsgründe hat das Landgericht eine individuelle, nur jeweils diese Taten fördernde Mitwirkung des Angeklagten nicht festgestellt. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt: Der Tatbeitrag des Angeklagten „erschöpfte sich nach der Sach- verhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil ... jeweils darin, seine (n) Tatgenossen an den verschiedenen Tattagen mit dem Pkw in zur Begehung von Einbruchstaten geeignet erscheinende Wohngebiete zu fahren, sie (ihn) dort abzusetzen und nach Beendigung von mehreren Einbrüchen in Wohnungen in Tatortnähe wieder abzuholen. Die Fälle I.1 bis I.6, I.7 bis I.9 sowie I.10 bis I.12 der Urteilsgründe, in denen die vom Angeklagten in Tatortnähe abgesetzten und später wieder abgeholten Tatgenossen jeweils mehrere Wohnungseinbrüche begingen, sind daher für den Angeklagten konkurrenzrechtlich jeweils zu einheitlichen Taten des schweren Bandendiebstahls oder des Wohnungseinbruchdiebstahls zusammenzufassen.“
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- cc) Da ergänzende Feststellungen, welche eine andere Beurteilung der Konkurrenzfrage rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2017 – 4 StR 615/16, Rn. 6 und vom 28. März 2017 – 4 StR 82/17, Rn. 7, mwN). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte, der seine Tatbeteiligung bestritten hat, gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
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- dd) Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Einzelstrafen I.1. bis I.12. der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafe zur Folge. Demgegenüber haben die den aufgehobenen Einzelstrafaussprüchen und der Gesamtstrafe zugrundeliegenden Feststellungen, die von dem Rechtsfehler in der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten nicht betroffen sind, Bestand. Der neue Tatrichter kann ergänzende, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
Bär Hohoff
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.