Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2018 - 4 StR 224/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 26. September 2018 gemäß § 44, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass aa) der Angeklagte M. der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in acht Fällen und der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen, der Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen und der Beihilfe zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl; bb) und der Angeklagte S. der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in acht Fällen und der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen, sowie der Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen und der Beihilfe zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl sowie des Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen schuldig ist.
b) im Strafausspruch aufgehoben, soweit diese Angeklagten im Fall II. 2. Ziffer 5 (Fallakte 24) jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden sind. Diese Strafen entfallen. 3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten M. und S. und die Revision des Angeklagten Si. werden verworfen. 4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten Si. wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in acht Fällen, Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen und Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten, den Angeklagten M. wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in acht Fällen, Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen, Beihilfe zum Woh- nungseinbruchsdiebstahl in vier Fällen und Beihilfe zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und den Angeklagten S. wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in acht Fällen, Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen, Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in vier Fällen, Beihilfe zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl und Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten Si. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die nach der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung zulässige Revision des Angeklagten M. und die Revision des Angeklagten S. führen zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung und zum Wegfall jeweils einer Einzelstrafe; im Übrigen sind sie ebenfalls unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Dem Angeklagten M. war nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
- 3
- Der Angeklagte hat in seinem Wiedereinsetzungsantrag hinreichend dargelegt , dass er ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Revision gehindert war (§ 44 Satz 1 StPO). Dass sich der Antrag nicht dazu verhält, wann dem Angeklagten die Versäumung der Frist und damit der Wegfall des Hindernisses bekannt geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2016 – 4 StR 448/15, Rn. 3 mwN), steht dem Erfolg seines Begehrens hier nicht entgegen, weil sich aus den Akten und dem Zeitablauf ohne weiteres ergibt, dass die Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gewahrt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 – 1 StR 671/16, Rn. 4). Da sich das Gesuch ausschließlich auf ein Verhalten der die Antragsschrift unterzeichnenden Verteidigerin stützt, bedurfte es keiner ausdrücklichen Glaubhaftmachung mehr (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161, 162).
- 4
- Mit der Wiedereinsetzung ist der Beschluss des Landgerichts vom 17. April 2018, durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos. Eines gesonderten Antrags bedurfte es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2013 – 1 StR 245/13, Rn. 3 mwN).
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- 2. Der Schuldspruch war bei den Angeklagten M. und S. abzuändern , weil die konkurrenzrechtliche Beurteilung der jeweils als Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl bewerteten Taten beider Angeklagten in den Fällen II. 2. Ziffer 5 (Fallakte 24) und 6 (Fallakte 25) revisionsrechtlicher Überprüfung nicht standhält.
- 6
- a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter , Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und nach dem Umfang seines Tatbeitrages zu entscheiden. Erbringt der Täter oder Teilnehmer im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2017 – 1 StR 648/16, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 39; Beschluss vom 11. April 2017 – 4 StR 615/16, Rn. 4; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f., st. Rspr.).
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- b) Danach war in Bezug auf die Fälle II. 2. Ziffer 5 (Fallakte 24) und 6 (Fallakte 25) bei beiden Angeklagten von einer tateinheitlichen Begehung auszugehen. Nach den Feststellungen handelte es sich bei den beiden von den Angeklagten und einem weiteren Mittäter am 31. Dezember 2016 zwischen 20.26 und 20.48 Uhr angegangenen Tatobjekten um nebeneinander liegende Doppelhaushälften. Da die Strafkammer in Bezug auf die Angeklagten nicht auszuschließen vermochte, dass jeweils der andere Angeklagte und/oder der Mittäter in die einzelnen Doppelhaushälften einbrach, während sie dessen Tat nur von außen mit Gehilfenvorsatz durch ein Absichern oder durch Fahrdienste förderten, ist mit Rücksicht auf die räumliche Nähe der Tatorte und den kurzen Tatzeitraum nur ein auf beide Wohnungseinbrüche bezogener einheitlicher Tatbeitrag belegt.
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- c) Da ergänzende tatrichterliche Feststellungen, welche eine andere Beurteilung der Konkurrenzfrage rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2017 – 4 StR 82/17, Rn. 7). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
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- 3. Die Schuldspruchänderung führt bei beiden Angeklagten zum Wegfall der für den Fall II. 2. Ziffer 5 (Fallakte 24) verhängten Einzelstrafe von jeweils einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe. Die im Fall II. 2. Ziffer 6 (Fallakte 25) gegen beide Angeklagte festgesetzte Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe bleibt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils als alleinige Einzelstrafe für die beiden in Tateinheit zusammengefassten Taten bestehen.
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- Die Gesamtstrafe hat bei beiden Angeklagten Bestand. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2014 – 4 StR 191/14, NStZ 2014, 702 mwN). Der Senat schließt deshalb aus, dass die Strafkammer angesichts der bei dem AngeklagtenM. verbleibenden 15 und der bei dem Angeklagten S. verbleibenden 16 Einzelstrafen (darunter jeweils zweimal drei Jahre Freiheitsstrafe, zweimal zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe, dreimal zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe und zweimal zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe) bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses bei einem der Angeklagten auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
- 11
- 4. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
RiBGH Dr. Feilcke ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Quentin Sost-Scheible
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.
(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.
(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.