Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2000 - 1 StR 375/00

published on 22/11/2000 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2000 - 1 StR 375/00
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 375/00
vom
22. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2000 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 9. Februar 2000 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Die Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten war vom Landgericht
im Wege des Freibeweises zu prüfen (BGH StV 1992, 553; vgl. auch
BGH NStZ 1996, 242); die Vorschrift des § 244 Abs. 4 StPO gilt für den Freibeweis
nicht (Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 12). Die – gleichfalls freibeweisliche
(BGH NStZ 1993, 141) – revisionsgerichtliche Überprüfung ergibt,
daß der Angeklagte verhandlungsfähig war.
2. Bezüglich des Zeugen Z. bestand kein Vereidigungsverbot. Der
dem Tatrichter zuzugestehende Ermessensspielraum bei der Beurteilung des
Teilnahmeverdachts (BGHSt 39, 199; BGH NStZ 1998, 583) ist nicht überschritten.
Im übrigen hat Z. die Angaben des Angeklagten, denen das
Landgericht ohnehin gefolgt ist, lediglich bestätigt (UA S. 103).
3. Ob bei dem Zeugen S. ein Teilnahmeverdacht bestand, kann
offen bleiben. Immerhin wurde der Zeuge nach § 55 StPO belehrt, so daß die
Annahme fern liegt, das Landgericht habe § 60 Nr. 2 StPO übersehen. Das
Urteil beruht jedenfalls nicht auf einem eventuellen Verfahrensverstoß. Der Senat
kann ausschließen, daß das Landgericht zu einer anderen Überzeugung
gelangt wäre, wenn es S. nicht vereidigt hätte. Zwar hat es seine Überzeugung
, der Angeklagte habe P. eine Beteiligung an der Firma K.
zugesagt, auch auf die Angaben des S. gestützt. Es hat aber bedacht
, daß S. im “Lager des Angeklagten” stand, und es hat seine Feststellungen
zu diesem Punkt auch auf weitere Beweismittel (Memo des Angeklagten
vom 8. November 1997, seinen Angaben im Ermittlungsverfahren und
den Zeugen H. , J. , So. und Z. ) gestützt.
4. Der Senat kann offen lassen, ob die den Mangel enthaltenden Tatsachen
vollständig angegeben sind, soweit gerügt wurde, das Landgericht hätte
beim Angeklagten beschlagnahmte Dateien – für den früheren Verteidiger bestimmte
und offenbar auch abgesandte Schreiben – als Verteidigungsunterlagen
nicht verwerten dürfen. Die Revision hat nämlich nicht vorgetragen, daß
bei dem früheren Verteidiger wegen des Verdachts der Beihilfe (§ 97 Abs. 2
Satz 3 StPO) zu der hier abgeurteilten (noch nicht beendeten) Untreue Handakten
beschlagnahmt worden waren, die auch Beweismittel im vorliegenden
Verfahren waren (vgl. BGHSt 37, 245, 248). Die Revision teilt auch nicht mit,
ob der – gewichtige (BGH NJW 1973, 2035) – Beteiligungsverdacht gegen den
früheren Verteidiger erst nach der Beschlagnahme beim Angeklagten entstanden
ist (vgl. dazu einerseits BGHSt 18, 227, 228, 229; 25, 168, 169; BGH NStZ
1983, 85 und andererseits Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 97
Rdn. 20). Mithin kommt in Betracht, daß die beim Angeklagten beschlagnahm-
ten Dateien – oder auch beim früheren Verteidiger beschlagnahmte Schreiben
– verwertbar waren.
Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Zwar ist die im Beschluß des Landgerichts
vom 7. Oktober 1999 geäußerte Rechtsauffassung unrichtig, beim Angeklagten
verbliebene Dateien von an seinen Verteidiger übersandten schriftlichen
Mitteilungen seien keine beschlagnahmefreien Verteidigungsunterlagen
und unterlägen deshalb keinem Verwertungsverbot (vgl. BGHSt 44, 46). Auf
diesen Schriftstücken beruht das Urteil aber nicht.

a) Das verlesene Schreiben des Angeklagten vom 4. Februar 1998 wird
nur im Zusammenhang mit der Frage gewürdigt, ob die Übertragung der Anteile
an der österreichischen Gesellschaft grundsätzlich vereinbart worden war.
Das aber hat der Angeklagte unabhängig davon glaubhaft gestanden und auch
in weiteren Schreiben bestätigt (UA S. 97, 108).

b) Durch den Inhalt des “erörterten” Memos vom 14. Februar 1998, der
den Untreuevorwurf allenfalls am Rande betrifft, wird die ohnehin für glaubhaft
gehaltene Einlassung des Angeklagten lediglich bestätigt.

c) Daß das Schreiben des Angeklagten vom 13. April 1998 bei dem Urteil
Berücksichtigung fand, ist nicht ersichtlich.

d) Es ist nicht bewiesen, daß die Feststellungen auf UA S. 70 zu dem
am 16. Februar 1998 erfolgten Einigungsversuch maßgeblich auf das verlesene
Memo des Angeklagten von diesem Tag gestützt sind. Immerhin handelte
es sich bei der in dem Memo festgehaltenen Einigungsgrundlage um einen bei
dem Treffen gemachten Vorschlag des GesprächsteilnehmersH. . Dieser
wurde in der Hauptverhandlung gehört, so daß es naheliegend erscheint,
daß die Feststellungen auf dessen zeugenschaftlichen Bekundungen beruhen.
Zwar ist bei der Beweiswürdigung (UA S. 106) ausgeführt, daß die Diskussionspunkte
des Gesprächs durch das “erörterte Memo ... im einzelnen belegt”
worden seien. Aber auch das muß nicht bedeuten, daß das Landgericht seine
Überzeugung vom genauen Inhalt der Einigungsgrundlage auf die verlesene
Urkunde gestützt hat, denn auch andere Teilnehmer des Treffens wurden als
Zeugen gehört und haben den dort gemachten Vorschlag H. s bestätigt.
5. Die mit der Sachrüge angegriffene Schadensberechnung weist keinen
Rechtsfehler auf. Darauf, ob nach Handelsrecht eine Rückstellung für Schadensersatzforderungen
der DeTe Medien erfolgen mußte, kommt es bei dem
für die Untreue maßgeblichen wirtschaftlichen Schadensbegriff schon deshalb
nicht an, weil sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt hat, daß
der Angeklagte mit der Gründung der ausländischen Gesellschaft gerade bezweckte
, den Schadensersatzanspruch zu vereiteln. Auch sonst hat das Landgericht
den Vermögensnachteil rechtsfehlerfrei bewertet; immerhin bezifferte
der Angeklagte selbst den Wert der Gesellschaft wesentlich höher als vom
Landgericht angenommen (ca. 4 Millionen DM); für seinen eigenen Anteil (von
einem Viertel) verlangte er noch am 6. November 1997 4 Millionen DM.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

Von der Vereidigung ist abzusehen

1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben;
2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.