Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2002 - 1 StR 553/01

published on 16/05/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2002 - 1 StR 553/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 553/01
vom
16. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2002 gemäß § 206a
Abs. 1 StPO beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Es wird jedoch davon abgesehen, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Sie ist auch nicht verpflichtet, erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in sieben tateinheitlichen Fällen – er erschoß im Jahre 1945 als 27-jähriger Offizier der Waffen -SS sieben Häftlinge des Gestapo-Gefängnisses bei Theresienstadt – zu der Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Hiergegen richteten sich die Revision des Angeklagten und die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Der Termin für die am 19. Februar 2002 vorgesehene Revisionshauptverhandlung wurde im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Angeklagten aufgehoben. Der Angeklagte ist am 24. Februar 2002 verstorben. Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne daß es einer Aufhebung bedarf (BGHSt 45, 108; BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2; BGH, Beschlüsse vom
13. Januar 2000 ± 5 StR 604/99; vom 18. April 2000 ± 5 StR 659/99 und vom 10. Juli 2001 ± 1 StR 235/01). Bei der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO) und über die Entschädigung des Angeklagten für die durchgeführten Strafverfolgungsmaûnahmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG) übt der Senat das ihm vom Gesetz eingeräumte Ermessen dahin aus, daû davon abgesehen wird, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen; sie ist auch nicht verpflichtet, erlittene Strafverfolgungsmaûnahmen zu entschädigen. Das Verfahren wurde in erster Instanz bis zur Schuldspruchreife durchgeführt (vgl. BVerfG NJW 1987, 2427; NJW 1990, 2741; NStZ-RR 1996, 45; Beschluû vom 5. Mai 2001 ± 2 BvR 413/00 ±) und dem Senat lagen die Revisionsbegründungen nebst Erwiderungen sowie die Stellungnahme des Generalbundesanwalts vor. Im Hinblick auf die vorgesehene Revisionshauptverhandlung hat der Senat allerdings berücksichtigt, daû dort noch zusätzliche rechtliche Gesichtspunkte zur Sprache kommen konnten. Darauf durfte insbesondere die Verteidigung bei ihrem schriftlichen Vortrag vertrauen. Da die Revisionshauptverhandlung nicht mehr durchgeführt werden konnte, hat der Senat deshalb den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben, im Hinblick auf die nunmehr zu treffende Entscheidung zu den Erfolgsaussichten der Revisionen Stellung zu nehmen. Nachdem diese Stellungnahmen vorlagen, konnte der Senat die für die revisionsgerichtliche Prüfung maûgeblichen rechtlichen Argumente umfassend prüfen. Die Prüfung ergibt, daû die Revision des Angeklagten keine Aussicht auf Erfolg und die Revision der Staatsanwaltschaft Aussicht auf Erfolg hatte. 1. Die Revision des Angeklagten wäre unbegründet gewesen.

a) Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wurde, der Zeuge L. sei entgegen § 60 Nr. 2 StPO vereidigt worden, hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Ob ± was nicht fern liegt (vgl. BGHSt 1, 391; 2, 20; 2, 234; 4, 113) ± die Vereidigung des Zeugen gegen § 60 Nr. 2 StPO verstoûen hat oder ob das Landgericht die Aussage als unbeeidigt hätte werten und einen entsprechenden Hinweis hätte erteilen müssen, kann offen bleiben, weil der Senat ausschlieûen kann, daû das Urteil auf einem etwa gegebenen Verstoû beruht. Die neuere und inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHSt 45, 164) stellt bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeuge subjektiv die Wahrheit sagt, weniger auf dessen (allgemeine) Glaubwürdigkeit , sondern entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage ab. Das geeignete Instrumentarium dafür, ob der Zeuge subjektiv die Wahrheit sagt, ist insbesondere die Aussageanalyse. Hat der Tatrichter die Zuverlässigkeit der Aussage nach diesen Maûstäben überprüft und hält er sie danach ± ohne der Tatsache der Vereidigung Gewicht beizumessen ± für glaubhaft , so kann das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf der zu Unrecht vorgenommenen Vereidigung ausschlieûen (vgl. BGH NStZ 2000, 546; NStZRR 2001, 18; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Vereidigung 5; BGH, Beschlüsse vom 22. November 2000 ± 1 StR 375/00 ± und vom 26. November 2001 ± 5 StR 54/01 ±). So liegt es hier. Das Landgericht hat an keiner Stelle des Urteils die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen L. mit der Tatsache der Vereidigung begründet. Es hat vielmehr allein den Aussageinhalt gewürdigt, einen Irrtum und eine Beeinflussung durch ein Falschbelastungsmotiv ausgeschlossen und zudem auf die Verflechtung der Aussage mit anderen Tatsachen ab-
gestellt. Es spricht folglich nichts dafür, daû die Nichtvereidigung des Zeugen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
b) Die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsbegründung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Das Landgericht hat insbesondere seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen L. nicht nur rechtsfehlerfrei, sondern sorgfältig, kompetent und überzeugend dargelegt. 2. Die Strafmaûrevision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe richtete, hatte Aussicht auf Erfolg. Dazu verweist der Senat auf sein Urteil vom 21. Februar 2002 (1 StR 538/01). 3. Im Hinblick auf die so zu beurteilenden Erfolgsaussichten der Revisionen hält es der Senat für billig, davon abzusehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen; sie ist auch nicht verpflichtet , erlittene Strafverfolgungsmaûnahmen zu entschädigen. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz
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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Von der Vereidigung ist abzusehen 1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinde
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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Von der Vereidigung ist abzusehen 1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinde
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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte

1.
die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat oder weil ein Verfahrenshindernis bestand.

(2) Die Entschädigung für eine Freiheitsentziehung kann ferner ganz oder teilweise versagt werden, wenn das Gericht die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften anwendet und hierbei eine erlittene Freiheitsentziehung berücksichtigt.

Von der Vereidigung ist abzusehen

1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben;
2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.