Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2005 - 1 StR 187/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Kammer hat die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen; das Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG hat sie verneint. Das Landgericht erörtert jedoch nicht, ob die Voraussetzungen des "vertypten" Strafmilderungsgrundes des § 31 BtMG vorliegen, obwohl - worauf auch der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nach den Ausführungenim Urteil eine solche Prüfung zumindest nicht fernlag (s. UA S. 9) und die Strafkammer selbst die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei festgestellt hat (UA S. 13). Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und der gesondert verfolgte B. Anfang 2004 bei dem ebenfalls anderweit verfolgten Ö. 3.000 Ecstasy-Tabletten zum Preis von 1,75 Euro pro Stück bestellt und von ihm geliefert erhalten. Davon verkauften sie mehrere Hundert Tabletten zum Preis von 3,50 Euro je Stück an den gesondert verfolgten P. Nachdem . P. in der Folgezeit festgenommen worden war, erklärte er sich zu einem Scheingeschäft bereit, bei welchen dann der Angeklagte festgenommen werden konnte. Nunmehr erklärte sich auch der Angeklagte bereit, ein von der Staatsanwaltschaft genehmigtes Scheingeschäft durchzuführen. Dadurch konnte er vonB. die restlichen 1601 Ecstasy-Tabletten aus der gemeinsamen Bestellung übernehmen, welche B. nach der Verhaftung des Angeklagten aus dem ursprünglichen Versteck entfernt und an anderer Stelle deponiert hatte. Dieses neue Versteck war weder dem Angeklagten noch der Polizei bekannt. Durch die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei konnten somit diese 1.601 Tabletten sichergestellt und zugleich verhindert werden, daß sie weiterveräußert wurden. Das Landgericht hat bei seinen Erwägungen zur Strafzumessung zwar ausdrücklich festgestellt, daß der Angeklagte durch seine Zusammenarbeit mit der Polizei zur Sicherstellung von 1.601 Ecstasy-Tabletten beigetragen hat (UA S. 13). Nach den Feststellungen bleibt jedoch unklar, ob und wie weit durch die Angaben der Angeklagten ein wesentlicher Aufklärungserfolg i.S.v. § 31 BtMG nicht nur durch die Sicherstellung der versteckten Ecstasy-Tabletten sondern
möglicherweise auch durch die Festnahme des anderweit verfolgten B. eingetreten ist. Jedoch lassen die Formulierungen in den Urteilsgründen es zumindest als naheliegend erscheinen, daß die Voraussetzungen des § 31 BtMG gegeben sind. Daher war eine ausdrückliche Erörterung dieser Frage hier geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die Vo raussetzungen des § 31 BtMG auch bei einem Angeklagten erfüllt sein, der über seinen eigenen – bereits bekannten - Tatbeitrag hinaus Tataufklärung betreibt (BGH NStZ-RR 2002, 251; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 29).
Vorliegend war zwar der Tatbeitrag des Angeklagten de n Ermittlungsbehörden bereits bekannt und auch das Rauschgift teilweise sichergestellt worden , mehr als die Hälfte der Gesamtlieferung der Ecstasy-Tabletten befand sich jedoch nach der Festnahme des Angeklagten an einem sowohl dem Angeklagten als auch der Polizei unbekannten Ort und hätte daher auch in den freien Verkehr gelangen können. Diese Tabletten konnten ersichtlich erst aufgrund der Bereitschaft des Angeklagten zu einem Scheingeschäft sichergestellt werden.
Allerdings verlangt § 31 Nr. 1 BtMG nicht notwendig e inen Fahndungserfolg (BGH StV 1994, 544 m.w.Nachw.). Umgekehrt genügt aber die Ermöglichung eines Fahndungserfolgs, auch wenn das Verhalten des Tatbeteiligten den Ermittlungsbehörden bereits bekannt ist: Die Auslegung von § 31 BtMG hat sich an der Zielsetzung dieser Bestimmung zu orientieren (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 29). § 31 Nr. 1 BtMG soll die Möglichkeit der Verfolgung begangener Straftaten verbessern (BGHSt 31, 163, 167; 33, 80, 81; BGH StV 1994, 543, 544). Diese Voraussetzungen können aber auch vorliegen, wenn es
durch die Mitwirkung eines Angeklagten gelingt, weitere – den Ermittlungsbehörden bislang nicht bekannte oder an unbekanntem Ort versteckte - Betäubungsmittel sicherzustellen. In solchen Fällen kann sowohl eine im Ergebnis besonders wirksame Form der Aufklärungshilfe entsprechend § 31 Nr. 1 BtMG (vgl. auch BGHR aaO) wie auch eine besonders wirksame Form der Verhinderung geplanter Straftaten im Sinne des § 31 Nr. 2 BtMG gegeben sein.
Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch auch. Zwar hat das Landgericht bei seinen Erwägungen zur Strafzumessung die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei berücksichtigt. Dennoch kann nicht sicher ausgeschlossen werden, daß die Einzelstrafen milder ausgefallen wären, wenn die Kammer die Voraussetzungen des § 31 BtMG geprüft hätte. Die Aufhebung dieser Strafen führt zugleich zur Aufhebung der Gesamtstrafe einschließlich der dazu getroffenen Feststellungen.
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Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.