Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2018 - 10 ZB 18.1906

bei uns veröffentlicht am30.11.2018

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Feststellung des Fortbestehens seiner Niederlassungserlaubnis weiterverfolgt, ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die - ohne ausdrückliche Bezeichnung dieses Zulassungsgrundes - in der Sache geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 2.), noch ist die Berufung wegen eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; 1.), zuzulassen.

1. Die Berufung ist nicht wegen der vom Kläger gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO).

Hierzu bringt er vor, das Verwaltungsgericht habe in der angefochtenen Entscheidung bezüglich seiner Niederlassungserlaubnis neben § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG auch den Erlöschenstatbestand gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG geprüft und als erfüllt angesehen, obwohl ausweislich des Akteninhalts von der Beklagten nur auf § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG abgestellt worden sei. Nachdem diesbezüglich auch kein richterlicher Hinweis in der mündlichen Verhandlung erfolgt sei, liege eine Überraschungsentscheidung vor.

Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 1.8.2017 - 2 BvR 3068/14 - juris Rn. 51; BVerwG, B.v. 7.6.2017 - 5 C 5.17 D - juris Rn. 8 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.11.2018 - 10 ZB 18.32976 - Rn. 9). Von einer unzulässigen Überraschungsentscheidung kann aber nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligen entspricht oder von ihm für unrichtig gehalten wird. Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche oder rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze greift die Rüge einer Überraschungsentscheidung nicht durch. Zum einen wurde der Kläger ausweislich des darüber gefertigten Vermerks vom 6. April 2017 (Bl. 7 der VG-Akte M 12 K 17.1760) bereits bei einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde der Beklagten darüber belehrt, dass in seinem Fall der Sechs-Monats-Zeitraum (s. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) durch die verspätete Wiedereinreise am 16. Juli 2011 überschritten sei. Zum anderen hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 8. Mai 2017 ausdrücklich auf das Vorliegen auch dieses Erlöschenstatbestands unter Angabe des Ausreise- und Wiedereinreisezeitpunkts hingewiesen (Bl. 16/17 der VG-Akte). Bereits damit war diese Rechtsfrage im erstinstanzlichen Verfahren hinreichend thematisiert. Im Übrigen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ein Attest des Universitätskrankenhauses in Port Harcourt vom 3. Juli 2011 übergeben, das gerade belegen soll, dass der Kläger krankheitsbedingt an einer rechtzeitigen Wiedereinreise in die Bundesrepublik gehindert war.

2. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit seiner Gehörsrüge (hilfsweise) geltend macht, er hätte aufgrund eines durch Attest belegten Krankenhausaufenthalts in Nigeria nicht rechtzeitig innerhalb von sechs Monaten nach Deutschland zurückkehren und vom Krankenhaus aus auch keine Verlängerung der Wiedereinreisefrist durch die Ausländerbehörde bzw. über die deutsche Botschaft in Lagos erreichen können, wird kein zur Zulassung der Berufung führender Grund dargelegt.

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien insbesondere das Recht, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 = NJW 1982, 1636). Das Verwaltungsgericht hat diesem Anspruch genügt und sich mit diesem Vorbringen des Klägers eingehend auseinandergesetzt. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass er auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Erkrankung nicht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen an einer fristgerechten Rückkehr oder an der Stellung eines fristgerechten Antrags auf Verlängerung der Wiedereinreisefrist gehindert gewesen sei. Es sei nicht erkennbar, warum er nicht in der Lage gewesen sein sollte, erforderlichenfalls auch über eine Vertrauensperson Kontakt mit der Ausländerbehörde oder wenigstens mit der deutschen Auslandsvertretung in Nigeria aufzunehmen und einen Verlängerungsantrag zu stellen.

Wenn der Kläger diesbezüglich rügt, das Verwaltungsgericht habe sich bei seiner Einschätzung nicht genügend mit den Verhältnissen in nigerianischen Krankenhäusern auseinandergesetzt und sei demgemäß zu einer unrichtigen Bewertung gelangt, macht er letztlich Richtigkeitszweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts geltend.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden jedoch nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546). Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn der Kläger ist den vom Verwaltungsgericht in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise dargelegten Möglichkeiten, zumindest über eine Vertrauensperson rechtzeitig Kontakt mit der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde aufzunehmen und auf eine krankheitsbedingte Verlängerung der Wiedereinreisefrist (s. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) hinzuwirken (zu den Voraussetzungen und möglichen Ausnahmen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben in außergewöhnlichen Situationen vgl. Tanneberger in BecKOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.5.2018, § 51 Rn. 12 m.w.N.), lediglich mit der unsubstantiierten Behauptung entgegengetreten, das Gericht gehe von falschen tatsächlichen Verhältnissen in nigerianischen Krankenhäusern aus.

3. Greifen demnach die auf den Erlöschenstatbestand gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG bezogenen Rügen des Klägers nicht durch, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die bezüglich des vom Erstgericht daneben angenommenen Erlöschenstatbestands gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG geltend gemachten Zulassungsgründe - Gehörsrüge, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit sowie Abweichung von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 25.7.2011 - 19 B 10.2547 - juris) - für sich betrachtet vorliegen würden. Denn ist wie vorliegend das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts auf mehrere selbständig (kumulativ) tragende Gründe gestützt, so sind Zulassungsgründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes darzulegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 61 mit Rsprnachweisen).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2018 - 10 ZB 18.1906

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2018 - 10 ZB 18.1906

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2018 - 10 ZB 18.1906 zitiert 11 §§.

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen


(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen: 1. Ablauf seiner Geltungsdauer,2. Eintritt einer auflösenden Bedingung,3. Rücknahme des Aufenthaltstitels,4. Widerruf des Aufenthaltstitels,5. Ausweisung des Ausländers,5a. Bekanntgabe einer Absc

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2018 - 10 ZB 18.1906 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt. Gründe

Referenzen

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

Tenor

1. Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Oktober 2014 - 5 U 732/14 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Damit wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. November 2014 - 5 U 732/14 - gegenstandslos. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen.

2. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Arzthaftungsprozess. Der Beschwerdeführer (Augenarzt und Beklagter im Ausgangsverfahren) wendet sich gegen die abweichende Würdigung seiner in erster Instanz erfolgten Parteianhörung durch das Berufungsgericht ohne erneute Anhörung.

I.

2

1. Der Kläger im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Koblenz (1 O 53/14) litt unter Kurzsichtigkeit. Zu deren Korrektur ließ er am 12. September 2007 durch den Beschwerdeführer beidseitig eine LASIK-Operation (Laser-in-situ-Kerato-mileusis) durchführen, wobei es sich um eine Methode innerhalb der refraktiven Chirurgie handelt.

3

Der Kläger hatte sich zum Zwecke dieser Behandlung erstmals am 14. August 2007 in der augenärztlichen Praxis des Beschwerdeführers vorgestellt. Bei diesem Termin wurden erste Untersuchungen und eine Anamnese durchgeführt. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Ausgangsprozess sei der anstehende Eingriff hier bereits ausführlich erörtert und dabei auch angesprochen worden, dass das Risiko einer nicht mehr behebbaren Sehverschlechterung und im Extremfall der Erblindung bestehe. Der Beschwerdeführer trug weiter vor, dass dem Kläger an diesem Tag zudem ein umfangreicher schriftlicher Aufklärungsbogen ausgehändigt worden sei, in welchem dieses Risiko ebenfalls aufgeführt sei.

4

Am 12. September 2007 befand sich der Kläger zur Durchführung der Operation in der Praxis des Beschwerdeführers. Unter dem 12. September 2007 unterzeichnete der Kläger auch ein Formular zur Dokumentation eines Aufklärungsgesprächs, in welchem unter anderem angekreuzt ist, dass der Kläger einen Aufklärungsbogen gelesen und verstanden habe. Der Beklagte fügte - ergänzend zu einem vorgedruckten Vermerk, dass mögliche Komplikationen und risikoerhöhende Besonderheiten des Eingriffs erörtert worden seien - handschriftlich hinzu, dass "Entzündungs-Zeichen, Relasik-Möglichkeiten" besprochen worden seien und "keine Garantie für Sehleistungen ohne Brille" gegeben werde.

5

Der Kläger hat im Verlauf des Prozesses zwar eingeräumt, dass sich auf diesem Formular seine Unterschrift befinde, aber durchgängig bestritten, dass er den Aufklärungsbogen erhalten habe.

6

Alsbald nach der LASIK-Operation kam es bei dem Kläger zu einer inneren Hornhautentzündung und in deren Folge zu einer Verminderung der Sehkraft auf etwa 50 %. In einem Ende 2008 durchgeführten Schlichtungsverfahren kam der beauftragte Gutachter zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden könne.

7

2. Der Kläger nahm den Beschwerdeführer mit Feststellungsklage vom 28. November 2013 vor dem Landgericht dem Grunde nach auf Schadensersatz für alle Schäden in Anspruch, welche durch die Operation verursacht wurden, insbesondere für die Verschlechterung der Sehkraft. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer für diese Folgen einzustehen habe, weil die gebotene Risikoaufklärung unterblieben sei. Nach seinem Vortrag hätte er sich - jedenfalls nicht ohne die Einholung zusätzlicher Expertisen - nicht operieren lassen, wenn die Risikoaufklärung ordnungsgemäß erfolgt wäre. Seine Einwilligung in die Operation sei daher unwirksam, und der Beschwerdeführer habe ihm Schadensersatz wegen rechtswidriger Behandlung zu leisten.

8

Der Kläger führte in seiner Klagebegründung aus, dass er vor der Operation von dem Beschwerdeführer mit keinem Wort darüber aufgeklärt worden sei, dass der geplante LASIK-Eingriff auch zu einer Verschlechterung der Sehfähigkeit führen könne. Die Aufklärung habe während der vom Beschwerdeführer durchgeführten Untersuchung stattgefunden. Das Risiko des Misslingens oder einer Verschlechterung der Sehkraft habe der Beschwerdeführer nicht einmal andeutungsweise erwähnt. Dieser habe im Gegenteil geäußert, dass man durch die LASIK-Operation "jedenfalls 100 % rausholen könne", womit er im Gesprächszusammenhang zweifelsfrei habe zum Ausdruck bringen wollen, dass der Eingriff mit Gewissheit eine hundertprozentige Sehfähigkeit bewirken werde. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer ihn während der Voruntersuchung auch nicht ordnungsgemäß aufklären können. Denn es sei eine Pupillenerweiterung durchgeführt worden, die dazu führe, dass die Pupille unbeeinflussbar vergrößert und die Netzhaut überaus unangenehmen Lichtblendungen ausgesetzt werde. Unter diesen Umständen habe ein Aufklärungsgespräch nicht stattfinden dürfen.

9

3. Der Beschwerdeführer hat Klageabweisung beantragt und in seiner Klageerwiderung vorgetragen, dass er den Kläger besonders ausführlich mündlich über Chancen und Risiken aufgeklärt habe, da dieser im Anamnesebogen die Frage, ob er schon einmal über Chancen und Risiken einer refraktiven Chirurgie beraten worden sei, mit "Nein" beantwortet habe. Dabei habe er auch darauf hingewiesen, dass es selbst bei einem lege artis ausgeführten Eingriff zu einer Verschlechterung der Sehfähigkeit kommen könne. Sämtliche in dem Informationsblatt über die Laserbehandlung dargestellten Risiken und mögliche Komplikationen seien im mündlichen Aufklärungsgespräch zwischen den Parteien erörtert worden. Der Kläger habe Gelegenheit gehabt, alle noch offenen Fragen mit ihm zu erörtern. Er habe dem Kläger zudem einen Aufklärungsbogen ausgehändigt, aus dem das Risiko einer Verminderung der Sehkraft hervorgegangen sei. Zum Beweis für die vorgetragenen Tatsachen bot der Beschwerdeführer seine Parteivernehmung an.

10

4. Das Landgericht hat in Kammerbesetzung am 3. April 2014 in mündlicher Verhandlung zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei. Dabei äußerte sich der Beschwerdeführer wie folgt:

Ich kann mich sehr genau an den Fall des Klägers erinnern. Dies deshalb, weil Komplikationen aufgetreten sind. Es ist so, dass wir vor einem derartigen Eingriff vier Wochen zuvor eine ausführliche Voruntersuchung durchführen. Im Anschluss an diese Voruntersuchung wird dem Patienten ein Aufklärungsbogen überreicht. Diese Untersuchung dauert etwa zwei Stunden. Während dieser Zeit sehe ich den Patienten mehrfach, nämlich insgesamt drei Mal und weise ihn dabei darauf hin, ob eine Indikation zur Durchführung der LASIK-Operation besteht. Den Aufklärungsbogen hat der Kläger natürlich erhalten. Überreicht wurde der Aufklärungsbogen, der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereicht worden ist.

11

Anschließend hörte das Landgericht den Beschwerdeführer lediglich weiter als Partei an, und ausweislich des Protokolls führte dieser noch aus:

Im Rahmen des Aufklärungsgespräches bei der Voruntersuchung werden auch die Risiken des beabsichtigten Eingriffs mit dem Patienten besprochen. Es werden insbesondere die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über-Unterkorrektur und Narbenbildung, besprochen. Im Rahmen dieser Voruntersuchung erhält der Patient die schriftlichen Aufklärungsunterlagen auch bereits ausgehändigt, damit er sich zwischen den Treffen mit mir bereits damit befassen kann. Diese nimmt er auch mit nach Hause. Vor der Verabschiedung des Patienten erkundige ich mich ausdrücklich noch nach Unsicherheiten. Wenn ein Patient dann noch unsicher ist, dann wird ein weiterer Termin vereinbart.

An das Aufklärungsgespräch mit dem Kläger kann ich mich im Einzelnen nicht mehr erinnern. Weil ich in dem Anamnesebogen auf Seite 2 bei der Frage, ob bereits über Chancen beziehungsweise Risiken einer refraktiven Chirurgie beraten wurde, ein Nein unterstrichen habe, bin ich mir aber sicher, dass ich mir bei der Aufklärung besondere Mühe gegeben habe.

Den Dokumentationsbogen erhalte ich am Tag der Operation zurück. Ohne diesen zurückbekommen zu haben, operiere ich nie einen Patienten. In diesem Zusammenhang wird dann noch einmal nachgefragt, ob noch Fragen, Unsicherheiten oder Probleme sind. Die von mir angebrachten Ergänzungen auf der Dokumentation habe ich am Tag der Operation auf dieser angebracht. Dabei war der Kläger anwesend. Im Rahmen der Voruntersuchung wird die Sehschärfe bestimmt, die Refraktion, das Dunkelsehen wird bestimmt, ebenso das Pupillenspiel. Außerdem wird die Hornhauttopographie untersucht. Außerdem wird der Augapfel mit Ultraschall untersucht sowie die Netzhaut nach Pupillenerweiterung.

12

5. Das Landgericht wies sodann mit Urteil vom 22. Mai 2014 die Klage als unbegründet ab. Es kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer vor der LASIK-Operation keine ihm obliegenden Aufklärungspflichten verletzt habe, vielmehr den ihn treffenden entsprechenden Entlastungsbeweis habe führen können. Es sei berücksichtigt worden, dass den behandelnden Arzt die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung treffe, gleichzeitig aber keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen an diesen Nachweis gestellt werden dürften.

13

Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer den Kläger über alle maßgeblichen Risiken des Eingriffs einschließlich einer Verschlechterung der Sehkraft in Kenntnis gesetzt habe. Zunächst spreche die vom Beschwerdeführer vorgelegte und vom Kläger unterzeichnete Dokumentation für ein mündliches Aufklärungsgespräch, da auf ein solches Bezug genommen werde und der Beschwerdeführer in den Bogen handschriftliche Eintragungen vorgenommen habe und so die von ihm angesprochenen Punkte dokumentieren wollte. Im Einklang damit habe der Beschwerdeführer in seiner Anhörung erläutert, dass er im Rahmen des Aufklärungsgespräches auch die Risiken des beabsichtigten Eingriffs mit dem Kläger besprochen habe. Er habe dabei insbesondere die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung besprochen.

14

Aus der schriftlichen Dokumentation sowie den Angaben des Beschwerdeführers, die er im Rahmen seiner Anhörung gemacht habe und die die Kammer im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO verwerten könne, folge, dass der Beschwerdeführer den Kläger umfangreich und intensiv über den bevorstehenden Eingriff aufgeklärt habe und dem Kläger damit bewusst gewesen sei, dass der Eingriff mit Risiken behaftet gewesen sei.

15

Dem sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Denn er habe in seiner Anhörung durchaus glaubhaft geschildert, dass er sich nicht daran erinnern könne, ob von Risiken die Rede gewesen sei und er dies auch verdrängt habe. Er habe auch die Frage aufgeworfen, weshalb er sich angesichts der optimistischen Prognose des Beschwerdeführers zum Erfolg des Eingriffs noch über Risiken habe Gedanken machen sollen. Diese Angaben stünden einer ordnungsgemäßen und umfangreichen Aufklärung somit nicht entgegen, weil sie nicht ausschließen würden, dass der Beschwerdeführer die geschuldete Risikoaufklärung erbracht habe.

16

Auch verfange der weitere Einwand des Klägers nicht, dass der Beschwerdeführer ihn im Rahmen der Voruntersuchung nicht ordnungsgemäß habe aufklären können, weil eine Pupillenerweiterung vorgenommen worden sei, die ihn in seiner Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt habe. Die Kammer gehe davon aus, dass es trotz der bei dieser Untersuchung entstehenden vorübergehenden Beeinträchtigungen für das Sehvermögen dem Kläger möglich gewesen sei, den Schilderungen eines Arztes im Hinblick auf den geplanten Eingriff zu folgen und die in einem Gespräch geschilderten Informationen zu verstehen.

17

Die Umstände sprächen daher dafür, dass der Beschwerdeführer den Kläger umfassend und wirksam aufgeklärt habe. Dies gelte auch für das Risiko der bedauerlicherweise eingetretenen Verminderung der Sehkraft. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Anhörung dieses Risiko nicht explizit genannt habe. Denn die im Rahmen seiner Anhörung angeführten Risiken habe er ersichtlich nur exemplarisch und nicht abschließend aufgezählt. Wenn der Beschwerdeführer aber - wie von ihm ausgeführt - den Kläger auch allgemein über Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt und sich dabei - wie von ihm nachvollziehbar angegeben - auch besondere Mühe gegeben habe, weil der Kläger bisher noch nicht über die Chancen und Risiken einer refraktiven Chirurgie beraten worden sei, dann spreche dies dafür, dass der Beschwerdeführer den Kläger auch über das Risiko einer Verminderung der Sehkraft aufgeklärt habe, weil nicht ersichtlich sei, weshalb er dieses Risiko hätte außen vor lassen sollen. Selbst wenn man jedoch davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer den Kläger über dieses Risiko nicht mündlich aufgeklärt habe, weil er es im Rahmen seiner Anhörung nicht explizit aufgeführt habe, es nicht in der Dokumentation zum Aufklärungsgespräch ausdrücklich handschriftlich vermerkt sei und der Kläger angegeben habe, dass er bei Kenntnis dieses Risikos den Eingriff nicht hätte vornehmen lassen, folge daraus kein anderes Ergebnis. Denn die Kammer sei auch davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer dem Kläger einen Aufklärungsbogen zu der geplanten Operation übergeben habe, in dem dieses Risiko aufgeführt gewesen sei. Dies sei vorliegend schon allein ausreichend, um von einer ordnungsgemäßen Aufklärung durch den Arzt auszugehen.

18

6. Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt und die Beweiswürdigung des Landgerichts gerügt. Die von ihm als wenig glaubhaft eingestuften Bekundungen des Beschwerdeführers, aufgrund derer das Landgericht eine Aufklärung bejaht habe, seien in diesem Punkt unergiebig gewesen. Dasselbe gelte für dessen Eintragungen auf dem Formblatt zur Aufklärung. Unabhängig davon habe das Landgericht seine Kritik, für eine Aufklärung nicht aufnahmefähig gewesen zu sein, zu Unrecht abgetan. Schriftliche Informationen, über deren Inhalt das Landgericht letztlich nur spekuliert habe, seien ihm nicht überlassen worden. Seine abweichende Angabe auf dem Formblatt zur Aufklärung beruhe auf einem Versehen. Außerdem könne eine schriftliche Unterrichtung das gebotene Aufklärungsgespräch nicht ersetzen.

19

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufungserwiderung die erstinstanzliche Entscheidung verteidigt. Der Kläger sei aufgrund des einschlägigen Aufklärungsbogens, dessen Aushändigung hinlänglich belegt sei, und der ihm mündlich erteilten Informationen genügend über das Risiko einer irreversiblen Verschlechterung der Sehfähigkeit informiert gewesen. Er habe dem Aufklärungsgespräch auch uneingeschränkt folgen können. Andernfalls müsse ihm vorgeworfen werden, keine Anzeige gemacht zu haben.

20

7. Mit Beschluss vom 25. September 2014 regte das Oberlandesgericht gegenüber den Parteien an, im Hinblick auf den bevorstehenden Eintritt des Senatsvorsitzenden in den Ruhestand und einer sich deshalb schwierig gestaltenden Terminslage, den Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (§ 128 Abs. 2 ZPO). Für den Fall beiderseitigen Einverständnisses wurde eine Schriftsatzfrist bis 17. Oktober 2014 gewährt und Verkündungstermin auf den 29. Oktober 2014 anberaumt.

21

8. Nachdem beide Parteien der Fortführung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren zugestimmt hatten, verkündete das Oberlandesgericht am 29. Oktober 2014 sein angegriffenes Berufungsurteil, mit dem auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts vom 22. Mai 2014 aufgehoben und festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für die Durchführung der LASIK-Operationen beider Augen sowie für alle Schäden, welche durch diese Operationen verursacht oder mitverursacht wurden, insbesondere für die Verschlechterung der Sehkraft. Der Streitwert wurde auf 10.000 € festgesetzt; die Revision gegen das Berufungsurteil wurde nicht zugelassen.

22

a) Das Oberlandesgericht stützt die Verurteilung des Beschwerdeführers sowohl auf die vertragliche Schadensersatzregelung des § 280 Abs. 1 BGB als auch auf die deliktische Rechtsgrundlage in § 823 Abs. 1 BGB. Der Beklagte habe durch die LASIK-Operation unter Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts des Klägers einen körperlichen Eingriff vorgenommen, der nicht von der erforderlichen Patienteneinwilligung getragen worden sei. Zwar sei die Operation mit der Zustimmung des Klägers erfolgt. Aber es sei nicht zu erkennen, dass diese Zustimmung auf der Grundlage einer genügenden Aufklärung erteilt worden sei, damit sei sie rechtlich unverbindlich.

23

Die durchgeführte LASIK-Operation sei von vornherein mit dem Risiko behaftet gewesen, dass sie eine bleibende Verschlechterung des Visus bis hin zu einem Sehverlust nach sich ziehen konnte. Diese Gefahr sei in dem einschlägigen Aufklärungsbogen, den der Beschwerdeführer in zwei Versionen (Stand Oktober 2005 und Stand November 2008) vorgelegt habe, ausdrücklich erwähnt und von keiner der Parteien in Abrede gestellt worden. Da der insoweit drohende Schaden - auch wenn er sich nur selten realisierte - fundamental gewesen sei, hätte darüber aufgeklärt werden müssen.

24

b) Das Oberlandesgericht stellt zunächst - richtigerweise - klar, dass eine schriftliche Aufklärung - entgegen der hilfsweisen Erwägungen des Landgerichts - vorliegend nicht ausreichend gewesen sei. Es sei anerkannt, dass die Risiken eines medizinischen Eingriffs in einem Gespräch mit dem Patienten erörtert werden müssten. Etwas anderes gelte allenfalls bei Routinemaßnahmen mit Massencharakter, wie etwa bei Impfungen.

25

c) Weiter führt das Oberlandesgericht aus, dass aber eine ausreichende mündliche Aufklärung nicht erfolgt sei. Dies ergebe sich in Würdigung der erstinstanzlichen Bekundungen der Parteien. Dabei bestehe keine Veranlassung, deren Glaubwürdigkeit oder die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben anders als das Landgericht zu beurteilen. Insofern sei eine Wiederholung der durchgeführten Beweisaufnahme nicht erforderlich (unter Hinweis auf BGH NJW 1998, S. 384).

26

Eine mündliche Unterrichtung, auf die es entscheidend ankomme, habe der Kläger geleugnet und im Gegenteil geäußert, dass der Beschwerdeführer die Dinge lediglich positiv dargestellt habe. Demgegenüber habe dieser im Rahmen seiner Vernehmung mitgeteilt, Risiken zur Sprache gebracht zu haben. Das beruhe zwar nicht auf einer konkreten Erinnerung, habe aber an eine allgemeine Praxis anknüpfen können, die eine erhebliche indizielle Bedeutung habe (unter Hinweis auf BGH NJW 1994, S. 3009; BGH VersR 2014, S. 588).

27

Indessen gehe die Aussage des Beschwerdeführers dabei lediglich dahin, dass er regelmäßig "die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung" bespreche. Das erlaube keinen - zumal verlässlichen - Schluss auf einen Hinweis auf die Gefahr einer gravierenden und unumkehrbaren Beeinträchtigung der Sehstärke. Die Einschätzung des Landgerichts, der Beschwerdeführer sei im Hinblick auf den - a priori geringen - Informationsstand des Klägers sorgfältig verfahren, möge zwar zutreffen. Aber damit stehe noch nicht fest, dass er das Risiko verdeutlichte, es könne zu wesentlichen und anhaltenden Einbußen im Visus kommen. Zweifel daran seien auch deshalb angebracht, weil davon in dem Dokumentationsblatt über die Aufklärung keine Rede sei. Die - durchaus detaillierte - Aufzählung von Gesprächspunkten, die es enthalte, lasse die Möglichkeit einer erheblichen Schwächung der Sehkraft unerwähnt.

28

Nach alledem sei der dem Beschwerdeführer obliegende Beweis einer hinreichenden Aufklärung des Klägers und damit einer wirksamen Patienteneinwilligung in die LASIK-Operation nicht geführt. Eine hypothetische Einwilligung sei nicht ersichtlich. Das nicht näher substantiierte und überdies bestrittene Vorbringen des Beschwerdeführers, der Eingriff sei medizinisch indiziert gewesen, sei insoweit unbehelflich. Im Übrigen habe der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er sich bei einer genügenden Aufklärung der Operation nicht in gleicher Weise unterzogen hätte.

29

9. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2014 Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO erhoben.

30

Er rügt, dass sich die Entscheidung für den Beschwerdeführer als Überraschungsentscheidung darstelle. Ein Berufungsgericht müsse eine von der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichende Rechtsmeinung der betroffenen Partei mitteilen und ihr anschließend Gelegenheit geben, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung dieses Hinweises zu ergänzen. Eines solchen Hinweises hätte es hier besonders deswegen bedurft, weil die Parteien auf die Empfehlung des Senats hin einer Entscheidung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren zugestimmt hätten. Damit sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen worden, deutlich zu machen, dass er bereits in der Klageerwiderung in Bezug auf seine mündliche Aufklärung vorgetragen hatte, dass er den Kläger darauf hingewiesen habe, dass es selbst bei einem lege artis ausgeführten Eingriff zu einer Verschlechterung der Sehfähigkeit kommen könne. Hierfür sei Beweis angeboten worden durch Parteivernehmung des Beschwerdeführers oder dessen Anhörung durch das Gericht.

31

Der Beschwerdeführer sei vom Landgericht nicht danach gefragt worden, ob er den Kläger auch darüber aufgeklärt habe, dass der Eingriff zu einer Sehkraftminderung führen könne. Deswegen habe es dazu kommen können, dass der Beschwerdeführer bei seiner Anhörung insoweit nur beispielhaft geantwortet habe, dass im Rahmen des Aufklärungsgespräches bei der Voruntersuchung auch die Risiken des beabsichtigten Eingriffs mit dem Patienten, insbesondere die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung besprochen werden. Da der Senat seine von dem Urteil des Landgerichts abweichende Entscheidung damit begründet habe, der Beschwerdeführer habe nicht deutlich gemacht, dass er auch auf das Risiko einer Sehkraftverminderung hingewiesen habe, hätte der Senat dem angeführten Beweisangebot nachgehen müssen. Zu der Absicht, ohne ergänzende Beweisaufnahme zu entscheiden, hätte der Beschwerdeführer gehört werden müssen.

32

10. Das Oberlandesgericht hat mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 21. November 2014 die Gehörsrüge des Beschwerdeführers als unbegründet zurückgewiesen.

33

Der Beschwerdeführer beanstande, dass der Senat ohne vorherigen Hinweis von der Fallbeurteilung durch das Landgericht abgewichen sei und ihm zuvor hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Sachvortrag zu ergänzen und entsprechend Beweis durch die Anhörung seiner Person anzubieten. Das betreffe die Rechtsverteidigung, der Kläger sei vor der LASIK-Operation vom 10. Dezember 2007 im Rahmen eines mündlichen Aufklärungsgesprächs auf das eingriffsimmanente Risiko einer irreversiblen Sehverschlechterung aufmerksam gemacht worden.

34

Eine entsprechende Behauptung des Beschwerdeführers habe der Senat indessen seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Im Tatbestand des Urteils vom 29. Oktober 2014 sei sie für beide Instanzen vermerkt; ein weiter gehendes Vorbringen stehe auch jetzt nicht im Raum.

35

Die mündliche Aufklärung des Klägers durch den Beschwerdeführer sei ebenfalls Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen. Insofern sei es einerseits zu einer Anhörung des Klägers und andererseits zu einer Parteivernehmung des Beschwerdeführers durch das Landgericht gekommen, der im Berufungsurteil Rechnung getragen worden sei. Für eine nochmalige, zweitinstanzliche Befragung des Beschwerdeführers habe die Rechtsgrundlage gefehlt. Einer dahingehenden Anregung durch gleich welche Seite wäre gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu folgen gewesen. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es den Parteien verwehrt worden wäre, den Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung sachdienlich über die von ihnen angesprochenen Streitpunkte zu befragen.

II.

36

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer ausschließlich eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

37

Ein Berufungsgericht müsse eine von der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichende Rechtsmeinung der betroffenen Partei mitteilen und ihr anschließend Gelegenheit geben, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung dieses Hinweises zu ergänzen. Eines solchen Hinweises hätte es vorliegend bedurft. Hätte nämlich der Beschwerdeführer von dem Senat den Hinweis erhalten, dass dieser beabsichtige, das Urteil erster Instanz wegen nicht hinreichender mündlicher Aufklärung des Klägers aufzuheben, hätte der Beschwerdeführer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im schriftlichen Verfahren innerhalb der von dem Senat gesetzten Schriftsatzfrist zu der mündlichen Aufklärung insoweit ergänzend, vertiefend und auch wiederholend vorzutragen. Wiederholend deswegen, weil bereits in erster Instanz unter Beweisanerbieten vorgetragen worden sei, dass der Beschwerdeführer den Kläger mündlich darüber aufgeklärt habe, dass es auch bei einer lege artis ausgeführten Operation zu einer Sehkraftverminderung kommen könne.

38

Es wäre auch für den Beschwerdeführer unterstrichen worden, dass für diesen Teil der mündlichen Aufklärung Beweis angeboten worden sei durch Vernehmung des Beschwerdeführers, dass dieser allerdings hierzu vom Landgericht nicht befragt worden sei. Der Beschwerdeführer hätte innerhalb der Schriftsatzfrist in zweiter Instanz dargelegt, dass und warum er erneut unter Berücksichtigung der abweichenden Rechtsauffassung des Senats anzuhören gewesen wäre.

39

Die Auffassung des Senats im Beschluss vom 21. November 2014, dass es für eine nochmalige, zweitinstanzliche Befragung keine Grundlage gegeben habe, werde nicht geteilt. Grundlage einer Vernehmung des Beschwerdeführers sei sein Vorbringen in erster Instanz, für das es ein noch nicht erledigtes Beweisangebot gegeben habe. Soweit der Senat dem Beschwerdeführer vorhalte, sich in seiner Vernehmung nicht ausreichend erklärt zu haben, werde übersehen, dass die Parteien zwar den Prozessstoff beizubringen und Beweise anzubieten hätten, dass es aber zum Pflichtenkreis des Gerichts gehöre, die in vorbereitenden Schriftsätzen angebotenen Beweise zu erheben. Das sei hier nicht geschehen. Zwar sei der Beschwerdeführer zu einer Reihe von anderen streitigen Tatsachen gehört worden. Die streitige Tatsache, ob er über die Möglichkeit einer durch den Eingriff bedingten Sehkraftverminderung aufgeklärt habe, sei aber nicht Gegenstand der Beweisaufnahme geworden. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil das Berufungsurteil des Senats die angeblich fehlende Aufklärung insoweit zur einzigen und zentralen Begründung gemacht habe.

40

Hätten das Landgericht oder das Oberlandesgericht in Verfolgung des Vortrags des Beschwerdeführers und des entsprechenden Beweisangebotes ihn zu dieser streitigen Frage vernommen, hätte er darlegen können, dass er in dem konkreten Einzelfall als auch üblicherweise mündlich darüber aufgeklärt habe, dass der Eingriff auch zu einer Sehkraftverminderung führen könne. So sei schließlich das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers in unzulässiger Weise grundrechtswidrig verkürzt worden.

III.

41

Das Ministerium für Justiz und für Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz und der Kläger des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Ministerium hat davon keinen Gebrauch gemacht. Der angehörte Kläger, der durch das Berufungsurteil begünstigt ist, hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet. Für eine Entscheidung des Rechtsstreits habe es einer erneuten Anhörung/Vernehmung des Beschwerdeführers nicht bedurft. Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.

IV.

42

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen.

43

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig; insbesondere genügt sie trotz ihrer Knappheit den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG. Diese Regelungen erfordern eine hinreichend deutliche und damit substantiierte und schlüssige Darlegung der behaupteten Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts innerhalb der Frist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 6, 132 <134>; 8, 1 <9>; 11, 192 <198>; 89, 155 <171>; 108, 370 <386 f.>; stRspr). Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es daher in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit den konkreten Entscheidungen und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt (vgl. BVerfGE 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; 84, 366 <369>; 99, 84 <87>; 113, 29 <44>) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 <19 f.>; 65, 227 <232 f.>; 67, 90 <94>; 89, 155 <171>; BVerfGK 9, 174 <184 f.>).

44

Die Verfassungsbeschwerde führt zwar fehlerhaft aus, dass das Unterliegen des Beschwerdeführers in der Berufungsinstanz auf eine von der Rechtsauffassung des Gerichts erster Instanz abweichende Rechtsmeinung des Berufungsgerichts zurückzuführen sei. Dies trifft nicht den Kern der Angelegenheit, denn das Oberlandesgericht hat in Ansehung des landgerichtlichen Urteils keine andere Rechtsmeinung vertreten, sondern eine andere - Tatsachen betreffende - Beweiswürdigung vorgenommen. Gleichwohl ist die Verfassungsbeschwerde hinreichend begründet, denn der Beschwerdeführer legt seiner Argumentation im Ergebnis dennoch die richtigen, von Art. 103 Abs. 1 GG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung von Hinweispflichten und Obliegenheiten im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Durchführung einer neuerlichen Beweisaufnahme/Parteianhörung zugrunde und setzt sich zudem adäquat mit beiden gerichtlichen Entscheidungen auseinander. Auch die Frage, ob das Urteil auf dem geltend gemachten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beruht, wird ausreichend thematisiert.

45

Ohnehin sind, wenn die Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts und der Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und deren Begründung - wie vorliegend - auf der Hand liegt, im Hinblick auf die Darlegung des Verfassungsverstoßes geringere Anforderungen zu stellen, sodass die Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts nicht im Einzelnen anhand der einschlägigen Maßstäbe dargelegt werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Dezember 2007 - 1 BvR 2697/07 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, juris, Rn. 3; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1083/09 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2016 - 2 BvR 1997/15 -, juris, Rn. 13).

46

2. Das angegriffene Urteil verletzt Art. 103 Abs. 1 GG.

47

a) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und der Justizgewährungspflicht des Staates (vgl. BVerfGE 81, 123 <129>). Der "Mehrwert" dieser Verbürgung besteht darin, einen angemessenen Ablauf des Verfahrens zu sichern (vgl. BVerfGE 119, 292 <296>). Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144  ff.>). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt allen an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem in Rede stehenden Sachverhalt sowie zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 19, 32 <36>; 49, 325 <328>; 55, 1 <6>; 60, 175 <210>; 64, 135 <143 f.>) sowie Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen (vgl. BVerfGE 6, 19 <20>; 15, 303 <307>; 36, 85 <87>). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 60, 1 <5>; 65, 227 <234>; 84, 188 <190>; 86, 133 <144 ff.>).

48

Insbesondere gebietet das Recht auf rechtliches Gehör in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt daher gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32 <35 f.>; 60, 247 <249>; 69, 141 <143 f.>; 105, 279 <311>).

49

b) Das Äußerungsrecht ist zudem eng verknüpft mit dem Recht auf Information. Die genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Den Gerichten obliegt in diesem Zusammenhang die Pflicht, von sich aus den Beteiligten alles für das Verfahren Wesentliche mitzuteilen (BVerfGE 36, 85 <88>; 72, 84 <88>); es bedarf keines Antrags, und es besteht in der Regel keine Erkundigungspflicht des Grundrechtsträgers (BVerfGE 17, 194 <197>; 50, 381 <385>; 67, 154 <155>).

50

Art. 103 Abs. 1 GG normiert andererseits aber auch keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts, insbesondere nicht im Blick auf dessen Rechtsansichten (BVerfGE 67, 90<96>; 74, 1 <5>; 86, 133 <145>). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen bleiben muss (BVerfGE 60, 1 <5>; 67, 208 <211>) und nicht schon jeder Verstoß gegen die einfach-gesetzlichen Hinweispflichten (z.B. § 139 ZPO) eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darstellt (vgl. z.B. BVerfGK 1, 211 <213>). Verfassungsfest ist an den Hinweispflichten der Verfahrensordnungen vielmehr nur ein engerer Kern. Nur sofern gegen ihn verstoßen wird, liegt eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG vor (vgl. BVerfGE 36, 85 <88>; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 76. EL Dezember 2015, Art. 103 Rn. 77).

51

c) Ein solcher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt bei einer verbotenen Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht einen Sachverhalt oder ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem vorherigen Verfahrensverlauf nicht rechnen konnte (BVerfGE 84, 188<190>; 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>; BVerfGK 19, 377 <381>). Dann verstößt das Zivilgericht elementar gegen seine aus § 139 Abs. 1 ZPO folgende Pflicht, darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen können.

52

Aus diesem Grund darf konkret ein Berufungsbeklagter grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihm das Berufungsgericht, wenn es in der Beweiswürdigung dem Erstrichter nicht folgen will, einen Hinweis gemäß § 139 ZPO erteilt, und zwar so rechtzeitig, dass darauf noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung oder auch - wie vorliegend - vor dem Ablauf einer Schriftsatzfrist im schriftlichen Verfahren reagiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Januar 1991 - 1 BvR 1635/89 -, juris, Rn. 11 mit weiteren Nachweisen; BVerfGK 1, 211 <213>; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - VII ZR 202/07 -, juris, Rn. 8, Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 2. Aufl. 2014, Rn. 862).

53

Bereits gegen diese verfassungsrechtlich fundierte Hinweispflicht hat das Oberlandesgericht vorliegend verstoßen, indem es nach Zustimmung der Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren lediglich eine Schriftsatzfrist bestimmt und einen Verkündungstermin anberaumt hat. Ein Hinweis des Oberlandesgerichts, dass es beabsichtige, von der Beweiswürdigung des Landgerichts abzuweichen, ist den beigezogenen Akten in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen.

54

d) Die angegriffene Entscheidung genügt aber auch im Übrigen den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG (s. oben a) nicht. Indem das Oberlandesgericht auf die beantragte nochmalige Vernehmung/Anhörung des Beschwerdeführers verzichtet hat, hat es die Bedeutung des Äußerungsrechts im Zivilprozess und insbesondere die berufungsrechtlichen Vorschriften zur Tatsachenfeststellung grundlegend verkannt.

55

aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss das Berufungsgericht seiner Entscheidung grundsätzlich die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen zugrunde legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Soweit die Wiederholung einer erstinstanzlich bereits durchgeführten Beweisaufnahme im Ermessen des Berufungsgerichts steht, ist dieses im Rahmen der Fehlerbehebung in der Regel auf Null reduziert (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2015 - XI ZR 326/14 -, juris, Rn. 11; Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 529 Rn. 16). Im Fall des Zeugenbeweises setzt eine neue Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht zumindest in aller Regel eine erneute Vernehmung voraus. Insbesondere muss es einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen, wenn es dessen Aussage "anders würdigen" beziehungsweise "anders verstehen oder werten" will als die Vorinstanz (BVerfGK 18, 58 <61 f.>; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05 -, juris, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09 -, juris, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09 -, juris, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09 -, juris, Rn. 6; BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZR 18/11 -, juris, Rn. 6; BGH, Urteil vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13 -, juris, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 5. Mai 2015 - XI ZR 326/14 -, juris, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZR 217/14 -, juris, Rn. 9; vgl. bei abweichender Glaubwürdigkeitsbeurteilung auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 -, juris, Rn. 11 mit weiteren Nachweisen, sowie BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 -, juris, Rn. 13).

56

Eine von der erstinstanzlichen abweichende Würdigung eines Zeugenbeweises ohne vorherige Wiederholung der Vernehmung ist dem Berufungsgericht regelmäßig verwehrt, gerade auch weil in die Beweiswürdigung Umstände eingeflossen sein können, die sich aus der Vernehmungsniederschrift nicht ergeben (Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 529 Rn. 16, mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Wulf, in: BeckOK-ZPO, 22. Edition 2016, § 529 Rn. 12; sowie Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 529 Rn. 4 ff.). Welchen Sinn die Aussage eines Zeugen hat, kann verlässlich nur der Richter beurteilen, der den Zeugen gehört hat und daher die Möglichkeit hatte, durch Vorhalte und Rückfragen Unklarheiten und Zweifel zu beheben. Seine Würdigung kann gerade auf solchen Rückfragen und so weiter beruhen, die indes erfahrungsgemäß nicht immer in die Niederschrift aufgenommen worden sind (so schon BGH, Urteil vom 13. März 1968 - VIII ZR 217/65 -, NJW 1968, S. 1138 <1139>). Deckt aus der Sicht des Berufungsgerichts die Zeugenaussage die Urteilsgründe nicht, ergeben sich Zweifel an der Vollständigkeit der Tatsachengrundlage, die zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme - jedenfalls hinsichtlich der wichtigen Aussageinhalte - verpflichten (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 529 Rn. 7).

57

Eine erneute Vernehmung kann allenfalls dann unterbleiben, wenn das Berufungsgericht seine abweichende Würdigung auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BVerfGK 18, 58 <61 f.>; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05 -, juris, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09 -, juris, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09 -, juris, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - XI ZR 394/12 -, juris, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen; BGH, Beschluss vom 5. Mai 2015 - XI ZR 326/14 -, juris, Rn. 12; BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZR 217/14 -, juris, Rn. 9).

58

Diese Grundsätze sind nach § 451 ZPO für die Parteivernehmung entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - XI ZR 394/12 -, juris, Rn. 10; Wulf, in: BeckOK-ZPO, 22. Edition 2016, § 529 Rn. 12), und auch für die (formlose) Parteianhörung kann nichts anderes gelten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) eine Überzeugung des Gerichts auch (allein) auf die Würdigung von Parteierklärungen gestützt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 -, juris, Rn. 21; BGH, Beschluss vom 25. September 2003 - III ZR 384/02 -, juris, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09 -, juris, Rn. 10; BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13 -, juris, Rn. 13; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 286 Rn. 14; Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 286 Rn. 2). Das Gericht kann oder muss gegebenenfalls zwecks (informeller) Anhörung einer Partei auch das persönliche Erscheinen der Partei anordnen (§ 141 ZPO, § 137 Abs. 4 ZPO), wenn eine Partei einen von ihr zu führenden Beweis oder Gegenbeweis nur mit ihrer eigenen Aussage - wie zum Beispiel hinsichtlich eines Vier-Augen-Gesprächs - erbringen könnte, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Parteivernehmung (u.a. § 448 ZPO) aber nicht vorliegen (vgl. BVerfGK 13, 348 <351>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 -, juris, Rn. 11 ff.; BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 -, juris, Rn. 21; vgl. zudem Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 141 Rn. 3a). Auch von der Würdigung der Aussage einer Partei darf das Rechtsmittelgericht daher nicht abweichen, ohne die Partei erneut vernommen oder zumindest angehört zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - XI ZR 394/12 -, juris, Rn. 10, mit weiteren Nachweisen; BGH, Urteil vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13 -, juris, Rn. 21 ff.).

59

bb) Gerade gegen diese Pflicht zur neuerlichen Anhörung/Vernehmung der Partei hat das Oberlandesgericht hier verstoßen. Denn es misst der Aussage des Beschwerdeführers vor dem Landgericht in prozessual unzulässiger Weise einen anderen Sinngehalt bei als die erste Instanz.

60

(1) Das Landgericht hat explizit ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die im Rahmen der Anhörung angeführten Risiken lediglich exemplarisch und nicht abschließend aufgezählt habe. Unter Berücksichtigung der weiteren Angaben des Beschwerdeführers kam es dann zu dem Ergebnis, dass dieser den Nachweis der pflichtgemäßen Aufklärung erbracht habe. Lediglich hilfsweise führt das Landgericht - allerdings rechtlich fehlerhaft - aus, dass bereits auch allein die - nach seiner Überzeugung ebenfalls erfolgte - Aushändigung des Aufklärungsbogens für eine ordnungsgemäße Aufklärung genügt habe.

61

Demgegenüber geht das Oberlandesgericht in seiner auf das Protokoll des Landgerichts gestützten Beweiswürdigung davon aus, dass aus den Angaben des Beschwerdeführers nicht der Schluss auf einen Hinweis auf die Gefahr einer gravierenden und unumkehrbaren Beeinträchtigung der Sehstärke möglich sei, gerade weil dieses Risiko vom Beschwerdeführer in seiner Anhörung nicht ausdrücklich genannt worden sei. Diese Folgerung des Berufungsgerichts ist aber unter Ansehung der Ausführungen des Landgerichts nicht ohne nochmalige Anhörung des Beschwerdeführers möglich. Denn insoweit kann sicher allenfalls von einer Unvollständigkeit der Angaben des Beschwerdeführers oder einer unvollständigen Protokollierung ausgegangen werden.

62

Wenn das Landgericht ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass der Beschwerdeführer die im Protokoll genannten Risiken lediglich exemplarisch aufgezählt habe, und das Berufungsgericht in der Würdigung der Angaben davon abweichen will, bedarf es einer Nachfrage durch das Berufungsgericht bei dem Beschwerdeführer, ob seine Angaben abschließend oder exemplarisch zu verstehen waren. Diesem durfte nicht die Möglichkeit genommen werden, seine Angaben in einer Berufungsverhandlung oder schriftlich zu präzisieren, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass er bereits in seiner Klageerwiderung unmissverständlich vorgetragen hatte, konkret über das Risiko der Verminderung der Sehkraft aufgeklärt zu haben. Auch erscheint es möglich, dass der Beschwerdeführer davon ausging, dass seine Angaben zum Hinweis auf das Risiko von "Entzündungen" - gerade dieses hat sich beim Kläger realisiert - vom Gericht so verstanden werden, dass damit der Hinweis auf die daraus möglicherweise resultierende Folge - Verminderung der Sehkraft - umfasst war.

63

Auch hinsichtlich der Bewertung des vom Beschwerdeführer erstellten Dokumentationsblatts zur mündlichen Aufklärung verkürzt das Oberlandesgericht zu Lasten des Beschwerdeführers dessen Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es diesbezüglich einen fehlenden Hinweis auf die Gefahr der Sehkraftverminderung beanstandet. Diesbezüglich hätte das Berufungsgericht auch den Inhalt des - zur Überzeugung des Landgerichts ausgehändigten - Aufklärungsbogens in seine Überlegungen mit einbeziehen und den Beschwerdeführer gegebenenfalls dazu befragen müssen, wie seine weitere (handschriftliche) Dokumentation dazu im Verhältnis steht.

64

(2) Die Bezugnahme des Oberlandesgerichts auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. September 1997 - II ZR 55/96 - (NJW 1998, S. 384 f.), den es zur Rechtfertigung der unterlassenen Wiederholung der Parteianhörung anführt, geht fehl. Denn im dortigen Fall ging es um die Auslegung einer - von einem Zeugen bekundeten - Willenserklärung (konkret: Aufsichtsratsbeschluss) nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB). Bei dieser Auslegung, bei der es sich um einen Akt rechtlicher Würdigung handelt, ist das Berufungsgericht grundsätzlich nicht an die Ansicht des Erstrichters gebunden, jedenfalls solange es bei der der Auslegung vorausgehenden Feststellung des Erklärungstatbestandes von demselben Beweisergebnis wie der Erstrichter ausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1997 - II ZR 55/96 -, juris, Rn. 7). Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall, in welchem es originär um die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung geht, aber nicht übertragbar.

65

(3) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. November 2014 ist auch hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes für die Notwendigkeit einer neuerlichen Beweisaufnahme/Parteianhörung evident rechtsfehlerhaft.

66

Das Oberlandesgericht führt dort aus, dass für eine nochmalige, zweitinstanzliche Befragung des Beschwerdeführers die Grundlage fehle und einer dahingehenden Anregung durch gleich welche Seite gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu folgen gewesen wäre. Dabei verkennt das Oberlandesgericht jedoch, dass dem Vortrag und Beweiserbieten des Beschwerdeführers kein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zugrunde lag.

67

"Neu" im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel (z.B. tatsächliche und rechtliche Behauptungen, Einwendungen, Bestreiten, Einreden und Beweisanträge) nur dann, wenn sie nicht schon in erster Instanz vorgebracht wurden, sondern erstmals in zweiter Instanz geltend gemacht werden (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 531 Rn. 21; zum systematischen Zusammenhang zwischen § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 531 Abs. 2 ZPO vgl. Rimmelspacher, NJW 2002, S. 1897 <1903 ff.> und Schellhammer, Zivilprozess, 15. Aufl. 2016, Rn. 1040 f.).

68

Vorliegend hatte der Beschwerdeführer schon in seiner Klageerwiderung vorgetragen, dass er explizit mündlich über das Risiko einer Verschlechterung der Sehfähigkeit aufgeklärt habe und sich zum Beweis auf seine Parteivernehmung oder seine Parteianhörung berufen (Seite 2 der Klageerwiderung). Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Oberlandesgerichts, dass es den Parteien nicht verwehrt worden sei, den Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung sachdienlich über die von ihnen angesprochenen Streitpunkte zu befragen. Zu Recht beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass den Parteien allein die Darlegungs- und Beweislast obliegt, allerdings das Gericht den für entscheidungserheblich gehaltenen und unter Beweis gestellten streitigen Tatsachenvortrag mit den angebotenen Beweismitteln, möglicherweise einer Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO, und gegebenenfalls - wenn die Voraussetzungen für eine förmliche Parteivernehmung nicht vorliegen - auch mit einer Anordnung des persönlichen Erscheinens zwecks formloser Parteianhörung aufklären muss (§ 137 Abs. 4, § 141 ZPO; vgl. dazu Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 141 Rn. 3a). Sofern das Gericht im Rahmen einer Vernehmung/Anhörung einen für die Aufklärung streitiger Tatsachen relevanten Aussageinhalt vermisst, muss es seinerseits nachfragen.

69

3. Das angefochtene Urteil beruht auf dem Gehörsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn es ihn erneut angehört hätte.

70

4. Die angegriffene Entscheidung wird nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.