Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Nov. 2018 - L 18 SB 139/18

published on 14/11/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Nov. 2018 - L 18 SB 139/18
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Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. August 2018 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Nürnberg zurückverwiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen des Merkzeichens RF (Ermäßigung der Rundfunkgebühren).

Mit Bescheid vom 09.01.2006 stellte der Beklagte bei der am 09.02.1962 geborenen Klägerin aufgrund der näher bezeichneten Behinderungen „seelische Störung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und verminderte Belastbarkeit der Hüftgelenke“ einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 fest. Der Bescheid wies für die seelische Störung einen Einzel-GdB von 50 aus. Nachfolgende Anträge der Klägerin auf Feststellung eines höheren Gesamt-GdB blieben ohne Erfolg (Bescheide vom 19.04.2007, 04.02.2008, 06.02.2013), wobei sich an der Einschätzung des Einzel-GdB für die seelische Störung nichts änderte.

Am 18.01.2014 beantragte die Klägerin die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“. Zur Begründung legte sie Atteste des Arztes für Neurologie und Nervenheilkunde Dr. Sch. (Sch) vom 08.10.2014 und der Allgemeinärztin Dr. G. (G) vom 01.10.2014 vor.

Mit Bescheid „nach § 48 SGB X“ vom 10.12.2014 (Widerspruchbescheid vom 18.02.2015, berichtigt durch Bescheid vom 08.04.2015) lehnte der Beklagte die Zuerkennung des Merkzeichens RF ab. Diese Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 21.08.2017, beim Beklagten eingegangen am 22.08.2017, beantragte die Klägerin erneut die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“.

Mit Bescheid „nach § 48 SGB X“ vom 04.12.2017 lehnte der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme eine Änderung des Bescheides vom 18.02.2015 und die Zuerkennung des Merkzeichens RF ab. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 69 Sozialgesetzbuch - SGB - IX vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintrete, sei gemäß § 48 SGB X der Bescheid aufzuheben und eine neue Feststellung zu treffen. Die Prüfung des Antrags der Klägerin habe ergeben, dass in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Behinderung, des Grades der Behinderung und des Anspruchs auf Merkzeichen maßgebend waren, keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Nach Art und Ausmaß der Behinderung erfülle die Klägerin nicht die geforderten gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit dem Ziel, die Zuerkennung des Merkzeichens RF zu erreichen (Schreiben vom 09.12.2017). Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2018 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Auf Aufforderung des SG, die behandelnden Ärzte zu benennen, hat die Klägerin mitgeteilt, ab Antragstellung hätten keine Arztbesuche mehr stattgefunden. Alle vom Amt anerkannten Behinderungen lägen dem Gericht vor, auch die drei fachärztlichen Atteste bezüglich Merkzeichen RF.

Mit Beweisanordnung vom 27.03.2018 hat das SG den Facharzt für Chirurgie Dr. S. (S) zum medizinischen Sachverständigen ernannt und die Klägerin mit ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde am 29.03.2018 zugestelltem Schreiben vom 27.03.2018 zur Untersuchung am 26.04.2018 geladen. Mit Schreiben vom 30.03.2018 hat die Klägerin mitgeteilt, es seien eindeutig zahlreiche Verschlechterungen sowohl psychisch als auch physisch nachgewiesen und es bedürfe keiner demütigenden und schmerzhaften Untersuchung mehr. Zu der Untersuchung bei S ist die Klägerin nicht erschienen. S hat das Gutachten vom 26.04.2018 daraufhin nach Aktenlage erstellt. Die Klägerin hat eine Abschrift des Gutachtens zur Kenntnis erhalten und mit Schreiben vom 06.05.2018 dazu Stellung genommen.

Mit Urteil nach Lage der Akten vom 08.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Protokoll der Niederschrift vom selben Tag enthält den Vermerk: „Die Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung“. Im Urteil hat das SG zur Begründung ausgeführt, zu Recht habe der Beklagte die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ abgelehnt. Die Klägerin mache geltend, an öffentlichen Veranstaltungen grundsätzlich nicht teilnehmen zu können und begründe dies mit ihrer seelischen Erkrankung und Schmerzstörung. Des Weiteren habe Sch bescheinigt, dass die Klägerin an einer Angststörung leide und daher nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne. Diese ärztliche Bescheinigung datiere aber aus dem Jahre 2014 und habe dem Beklagten bereits vor Erlass des Bescheides vom 10.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2015 vorgelegen, mit dem das Merkzeichen bereits bestandskräftig abgelehnt worden sei. Nachdem die Klägerin keine neuen Atteste vorgelegt und auch ihre behandelnden Ärzte nicht nachgewiesen habe, sei nicht erkennbar, dass seit Erlass des Bescheides vom 18.02.2015 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen gem. § 48 SGB X eingetreten wäre, die eine Neufeststellung und nunmehr die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ rechtfertigen würde. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Bescheid vom 10.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2015 zum Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen wäre und das Merkzeichen „RF“ aufgrund des Attestes des Sch bereits 2014 hätte zuerkannt werden müssen. Insoweit folge das Gericht dem überzeugenden und in sich schlüssigen Gutachten des Gerichtsgutachters S vom 26.04.2018, der wie auch zuvor die versorgungsärztlichen Gutachter davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ nicht vorlägen. Die Klägerin leide weder an einer schweren Bewegungsstörung oder Herzleistungsschwäche und Lungenfunktionsstörung, sie benötige nicht eine Begleitperson oder einen Rollstuhl, es handele sich nicht um einen behinderten Menschen, der auf die Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirke, sie habe keine Organtransplantation mit einer immunsuppressiven Therapie erhalten, sie sei auch keine geistig oder seelischen Behinderte, die Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen und aggressives Verhalten störe. Die bei ihr vorliegende Angststörung mit chronischem Schmerzsyndrom würde nach den überzeugenden ärztlichen Feststellungen die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht unzumutbar machen. Das Merkzeichen „RF“ würde voraussetzen, dass die Klägerin grundsätzlich am Besuch von Veranstaltungen gehindert wäre. Zwar sei eine Rückzugstendenz mit der seelischen Störung verbunden, aber nicht eine objektiv zu begründende Unmöglichkeit, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Es reiche nicht aus, wenn bestimmte Veranstaltungen, die dazu angetan seien, bei empfänglichen Personen Panik auszulösen, nicht aufgesucht werden könnten.

Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und insbesondere nochmals auf die vorgelegten Atteste verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.08.2018 aufzuheben, den Bescheid vom 04.12.2017 und den Widerspruchsbescheid vom 05.01.2018 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin das Merkzeichen „RF“ zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Beklagtenakte Bezug genommen.

Gründe

Der Senat konnte nach Ausübung seines Ermessens trotz Nichterscheinens der Klägerin zum Termin vom 14.11.2018 aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung (zum Begriff Keller in Meyer-Ladewig, Keller / Leitherer / Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 126 Rn 4; Aussprung in Roos / Wahrendorf, SGG, § 126 Rn 26) entscheiden. Die Klägerin war ordnungsgemäß zu diesem Termin geladen und in der Ladung auf die Möglichkeit einer Entscheidung im Falle ihres Ausbleibens hingewiesen worden.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Das Begehren der Klägerin ist im Sinne des oben genannten Antrags der Klägerin auszulegen (§ 123 SGG). Streitgegenstand ist mit Blick auf das Schreiben der Klägerin vom 21.08.2017 und das im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren eindeutig formulierte Rechtsschutzziel nur die Zuerkennung des Merkzeichens RF.

Die mit diesem Ziel geführte Berufung ist im Sinne einer Aufhebung des angegriffenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das SG auch begründet. Verfahrensgegenständlich sind die Bescheide vom 04.12.2017 und vom 05.01.2018 (Widerspruchsbescheid), mit denen der Beklagte die Zuerkennung des Merkzeichens RF abgelehnt hat.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung, das Urteil des SG aufzuheben und zurückzuverweisen, ist § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (dazu unter 1.) und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (dazu unter 2.).

1. Das Verfahren vor dem SG leidet an einem wesentlichen Mangel, denn das SG hat § 126 SGG und - mit Blick auf die Zurückverweisung vor allem - § 103 S. 1 1. Halbsatz SGG verletzt.

Das SG konnte nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung nicht mehr verfahrensfehlerfrei nach Lage der Akten (§ 126 SGG) entscheiden. Gemäß § 126 SGG kann das Gericht, sofern in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienenen Beteiligten es beantragen. Zur mündlichen Verhandlung vom 08.08.2018 ist zwar für die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen. Die Ladung enthielt auch den Hinweis, dass im Falle des Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann. Der Übergang in das schriftliche Verfahren ist als Ausnahme vom Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs. 1 SGG) aber nur möglich, solange die mündliche Verhandlung noch nicht eröffnet wurde (Keller, a.a.O., § 126 Rn 3 m.w.N.). Das Protokoll enthält aber den Vermerk: „Die Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung“. Der Übergang in das schriftliche Verfahren gemäß § 126 SGG war mithin wegen der erfolgten Eröffnung der mündlichen Verhandlung unzulässig.

Vor allem hat das SG aber auch § 103 S. 1 1. Halbsatz SGG verletzt. Nach dieser Vorschrift erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Eine ausreichende Aufklärung des medizinischen Sachverhalts ist durch das SG nicht erfolgt. Das SG hätte sich vor dem Hintergrund der für die Zuerkennung des Merkzeichens RF geltenden Maßgaben (dazu unter a.) gedrängt fühlen müssen, ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet, gegebenenfalls nach Hausbesuch oder nach Aktenlage, einzuholen (dazu unter b.). Das Gutachten des S stellt kein geeignetes Beweismittel dar (dazu unter c.).

a. Anspruchsgrundlage für die Zuerkennung des Merkzeichens RF ist § 152 Abs. 1, 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der Fassung vom 23.12.2016, gültig ab 01.01.2018 (der im Wesentlichen der Vorgängerregelung des § 69 Abs. 1, 4 SGB IX entspricht) i.V.m. den Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RdFunkBeitrStVtr) in der Fassung der Bekanntmachung des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 07.06.2011 (Bayer. GVBl. S. 258). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Rundfunkgebührenpflicht aus gesundheitlichen Gründen auf ein Drittel sind gemäß § 4 Abs. 2 RdFunkBeitrStVtr erfüllt bei blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 RdFunkBeitrStVtr), hörgeschädigten Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 RdFunkBeitrStVtr), und bei behinderten Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 RdFunkBeitrStVtr).

In Betracht kommt vorliegend nur die dritte, letztgenannte Alternative. Um dem Zweck der Ermäßigung der Rundfunkgebühren zu genügen, ist eine enge Auslegung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 RdFunkBeitrStVtr geboten (BSG vom 12.02.1997, 9 RVs 2/96 juris Rn 11 m.w.N.). § 4 Abs. 2 Nr. 3 RdFunkBeitrStVtr setzt daher - neben einem GdB von mindestens 80 - voraus, dass der Behinderte wegen seiner Leiden ständig, dh allgemein und umfassend, vom Besuch von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen ist. Es genügt nicht, dass er nur an einzelnen Veranstaltungen, etwa Massenveranstaltungen, nicht teilnehmen kann; vielmehr muss er praktisch an das Haus bzw. an die Wohnung gebunden sein (vgl. BSG vom 12.02.1997, 9 RVs 2/96 m.w.N.; LSG Bayern vom 11.10.2016, L 15 SB 207/15 juris Rn 46). Maßgeblich ist dabei allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Hilfsmitteln, z.B. einem Rollstuhl, und / oder mit Hilfe einer Begleitperson (vgl. BSG vom 03.06.1987, 9a RVs 27/85; vom 11.09.1991, 9a/9 RVs 15/89). Ein Ausschluss aus anderen als behinderungsbedingten Gründen begründet das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF nicht (vgl. BSG vom 03.06.1987, 9a RVs 27/85; LSG Bayern, a.a.O.).

b. Ob die Klägerin ein behinderter Mensch ist, der wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann, d.h. ob ein behinderungsbedingter ständiger, allgemeiner und umfassender Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen gegeben ist, lässt sich aufgrund des nicht aufgeklärten medizinischen Sachverhalts nicht beurteilen. Aufgrund der im Bescheid vom 09.01.2006 genannten Behinderung „seelische Störung“ und der vorliegenden Atteste hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen, ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet, gegebenenfalls nach Hausbesuch oder nach Aktenlage, einzuholen. Im Bescheid vom 09.01.2006 war für die seelische Störung ein Einzel-GdB von 50 ausgewiesen, der auch in nachfolgenden Bescheiden bzw. versorgungsärztlichen Stellungnahmen immer wieder bestätigt worden ist. Die Atteste des Arztes für Neurologie und Nervenheilkunde Sch vom 08.10.2014 und der Allgemeinärztin G vom 01.10.2014 nennen Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet, die eine Zuerkennung des Merkzeichens RF als möglich erscheinen lassen. Sch führt aus, die Klägerin leide an einer ausgeprägten depressiven Störung und Angststörung. Diese Symptome seien derart stark ausgeprägt, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, das Haus zu verlassen. Ein erheblicher sozialer Rückzug bestehe. Insbesondere sei es ihr unmöglich, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Dort würde sie in erhebliche Panik geraten. G beschreibt eine soziale Phobie, die Klägerin könne nicht unter Menschen gehen, weil ihr Menschenansammlungen Angst machen würden. Sie sei deshalb viel alleine zu Hause, könne an den üblichen kulturellen Veranstaltungen nicht teilnehmen.

c. Das Gutachten des Chirurgen S stellt kein geeignetes Beweismittel dar. Mit Blick auf die vorgenannten Arztberichte hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen, ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet, gegebenenfalls nach Hausbesuch oder nach Aktenlage, einzuholen. Im Gutachten des S sind im Übrigen keine Ausführungen zum medizinischen Sachverhalt zu finden, auf die eine rechtliche Bewertung in Bezug auf das Merkzeichen RF gestützt werden könnte. Das Gutachten beschränkt sich auf die Darstellung der vorliegenden Befundberichte und die Wiedergabe der gesetzlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF. Eine substantiierte Darstellung - und gegebenenfalls Würdigung - des konkreten medizinischen Sachverhalts, insbesondere unter Einbeziehung der festgestellten Behinderung „seelische Störung“ sowie der Atteste des Sch und der G und unter Berücksichtigung der für die Zuerkennung des Merkzeichens RF zu beachtenden Maßgaben, enthält das Gutachten nicht. Zur Sache stellt es lediglich die nicht weiter begründeten Behauptungen auf, die „Bedingungen (für das Merkzeichen RF) sind nicht erfüllt“ und „Derartige Behinderungen liegen auf Dauer nicht vor“. Bei der Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes - insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet - wird das SG insbesondere zu fragen haben, ob - auch unter Berücksichtigung der Atteste des Sch und der G und des Ausmaßes der seelischen Störung - eine Verhinderung der Klägerin an der Teilnahme von Veranstaltungen wie z.B. Kinobesuchen sowie Theater- und Opernaufführungen gegeben ist, ob also Gesundheitsstörungen vorliegen, die eine Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung im Sinne der oben dargestellten Maßgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zulassen.

Bei seiner Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll zwar in der Regel vermieden werden (Keller a.a.O. Rn. 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits hält es der Senat jedoch vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Berufung der Klägerin erst seit 03.09.2018 und somit seit relativ kurzer Zeit in der Berufungsinstanz anhängig ist. Der Klägerin entsteht durch die Zurückverweisung somit kein wesentlicher zeitlicher Nachteil. Auch ist der Rechtsstreit aus den genannten Gründen nicht entscheidungsreif. Vielmehr ist zunächst der medizinische Sachverhalt von Amts wegen umfassend aufzuklären, um abschließend prüfen zu können, ob (nunmehr) die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens RF vorliegen. Hinzu kommt, dass das SG - wie offensichtlich auch der Beklagte - in rechtsirriger Weise davon ausgehen, dass die im hier verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 04.12.2017 erfolgte Entscheidung über die Zuerkennung des Merkzeichens RF nach Maßgabe des § 48 SGB X erfolgen musste. Diese Vorschrift setzt jedoch voraus, dass in den Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei der mit dem genannten Bescheid erfolgten Ablehnung des Merkzeichens RF handelt es sich jedoch nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 10.12.2014 eine - der materiellen Bestandskraft fähige - Feststellung nur insoweit getroffen, als er den mit Antrag vom Januar 2014 geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung des Merkzeichens RF auf der Grundlage des § 69 SGB IX SchwbG in Verbindung mit den Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nach dem maßgeblichen Sach- und Rechtsstand vom 21.02.2015 (Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2015 und Ende dieses Verwaltungsverfahrens) beurteilt und abgelehnt hat. Eine solche Ablehnung schließt (wie die Ablehnung eines Antrags auf eine Sozialleistung) das Verwaltungsverfahren ab, entfaltet jedoch keine Wirkung für die Zukunft, hat also keine Dauerwirkung (vgl. BSG vom 20.10.1999, B 9 SB 4/98 R juris Rn 19 f; Schütze in von Wulffen, SGB X 7. Aufl. 2010 § 48 Rn 3, § 45 Rn 65). Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 04.12.2017, in dem der mit Antrag vom August 2017 geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens RF abgelehnt worden ist, hat daher - entgegen der im Urteil des SG vom 08.08.2018 anklingenden Ansicht - ohne Bindung an die Bescheide vom 10.12.2014 und 18.02.2015 zu erfolgen. Für die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte zu Recht den neuen, auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF gerichteten Antrag vom August 2017 zurückweisen durfte, musste das SG daher nicht nur tatsächliche Feststellungen zum aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin treffen, sondern auch eine neue inhaltliche Prüfung anstellen, ob die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nunmehr vorlagen. Der neue, im August 2017 gestellte Antrag war für die Zeit nach Abschluss des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens (Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2015) sowohl vom Beklagten als auch vom SG unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu prüfen. Selbstverständlich war das SG nicht gehindert, die tatsächliche Feststellung zu treffen, dass sich die Sachlage seit Erlass des Bescheides vom 18.02.2015 nicht geändert habe. Den damit festgestellten Sachverhalt hatte es aber ohne rechtliche Bindung an den Inhalt dieses Bescheides rechtlich neu zu beurteilen (vgl. zum Ganzen BSG vom 20.10.1999, B 9 SB 4/98 R juris Rn 19 f; vom 10.05.1994, 9 BV 140/93; vom 30.01.1985, 1 RJ 2/84). Ob dies geschehen ist, lässt sich den Gründen des Urteils des SG nicht eindeutig entnehmen. Das SG spricht zwar auch von einer Neufeststellung. Die oben zitierte Wendung des SG-Urteils, es sei keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen gem. § 48 SGB X eingetreten, spricht allerdings dafür, dass das SG von einer Bindung an den Inhalt der früheren Bescheide ausgegangen ist, zumal das SG zur Begründung auf den Umstand verweist, dass die ärztliche Bescheinigung des Sch aus dem Jahre 2014 datiere und dem Beklagten bereits vor Erlass des Bescheides vom 10.12.2014 vorgelegen habe, mit dem das Merkzeichen bereits bestandskräftig abgelehnt worden sei.

Insgesamt fällt für den Senat der Umstand, dass der Klägerin durch eine Zurückverweisung an das SG eine Instanz zurückgegeben wird, wesentlich stärker ins Gewicht als die durch die Zurückverweisung eintretende kurze zeitliche Verzögerung im gerichtlichen Verfahren.

2. Es ist beim gegenwärtigen Sachstand auch davon auszugehen, dass aufgrund der Verletzung des § 103 SGG eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich ist. Denn die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens RF hat, kann nicht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entschieden werden. Das SG wird durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nach § 103, 106 SGG, gegebenenfalls nach Einholung aktueller Befunde behandelnder Ärzte, weiteren Beweis zu erheben haben. Dabei stellt schon allein die Einholung eines weiteren Gutachtens eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme dar, da sie einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erfordert (vgl. u.a. Senatsurteil vom 10.08.017, L 17 U 400/16 juris Rn 32; LSG Berlin-Brandenburg v. 09.03.2017 - L 13 SB 273/16, juris Rn. 21, u. v. 14.01.2016 - L 27 R 824/15, juris Rn. 14; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern v. 27.08.2014 - L 5 U 6/14, juris Rn. 82; a.A. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 159 Rn3a).

Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG), sind nicht gegeben.

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
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Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. September 2015 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zug
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Annotations

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Das Gericht kann, sofern in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienenen Beteiligten es beantragen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Das Gericht kann, sofern in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienenen Beteiligten es beantragen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.