Sozialgericht Nürnberg Urteil, 08. Aug. 2018 - S 13 SB 44/18

published on 08/08/2018 00:00
Sozialgericht Nürnberg Urteil, 08. Aug. 2018 - S 13 SB 44/18
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Im Streit steht die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“.

Bei der 1962 geborenen Klägerin waren durch Bescheid vom 09.01.2006 ein GdB von 80 für folgende Behinderung:

1. seelische Störung Somatisierungsstörung Chronisches Schmerzsyndrom als GdB 50;

2. verminderte Belastbarkeit der Hüftgelenke nach verifizierter Intertrochantärer Femoroszyotomie beiderseits, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits, Funktionsstörung durch Zehenfehlform beidseits Einzel-GdB 40;

3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule degenerative Veränderung, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelsäulenverformung, Kopfschmerzsyndrom Einzel-GdB 30;

4. Funktionsbehinderung beider Schultergelenke Einzel-GdB 20, anerkannt worden.

Am 18.01.2014 beantragte sie die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“. Zur Begründung legte ein Attest des Arztes für Nervenheilkunde und Neurologie vom 08.10.2014 vor. Darin ist bescheinigt, dass die Klägerin an einer ausgeprägten depressiven Störung und Angststörung leide, diese Symptome seien derart ausgeprägt, dass Frau A. nicht in der Lage sei, das Haus zu verlassen. Ein erheblicher sozialer Rückzug bestehe, insbesondere sei es ihr unmöglich, öffentliche Veranstaltungen wie beispielsweise zur Entspannung oder Information zu besuchen. Dort würde sie in erhebliche Panik geraten, dadurch sei bei dem aktuell gewährten GdB von 80 aus fachärztlicher Sicht die Zusatzkennung „RF“ zu begründen.

Mit Bescheid vom 10.12.2014 wurde die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ abgelehnt. Mit dem hiergegen am 20.12.2014 eingelegte Widerspruch vom 20.12.2014 beantragte sie zudem das Merkzeichen „G“, welches daraufhin durch Widerspruchbescheid vom 18.02.2015 zuerkannt wurde. Hinsichtlich des Merkzeichens „RF“ verblieb es bei der Ablehnung. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 22.08.2017 beantragte die Klägerin erneut die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“. In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu führte der Allgemeinarzt Dr. B. aus, die aktuellen ärztlichen Befunde würden keine Verschlimmerung der bisher bereits anerkannten Behinderungen belegen. Der Besuch der öffentlichen Veranstaltung sei bei der bestehenden psychischen Erkrankung möglich, sodass das Merkzeichen „RF“ nicht zuerkannt werden könne. Daraufhin wurde mit Bescheid vom 04.12.2017 die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 11.12.2017 Widerspruch ein und legte erneut das ärztliches Attest vom 18.10.2014 vor.

Mit Bescheid vom 05.01.2018 wurde daraufhin der Widerspruch zurückgewiesen.

Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid wandte sich die Klägerin mit der am 22.01.2018 erhobenen Klage. Auf die Bitte, ihre behandelnden Ärzte zu benennen, teilte die Klägerin mit, dass alle anerkannten Behinderungen vorlägen und deshalb das Merkzeichen „RF“ ohne weitere Arztberichte anzuerkennen wäre. Zu der vom Gericht vorgesehenen Untersuchung bei Dr. C. erschien die Klägerin nicht.

Zur mündlichen Verhandlung vom 08.08.2018 ist für die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung und Hinweis, dass im Falle des Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann, niemand erschienen.

Das Gericht hat daher entsprechend dem Antrag der Beklagten beschlossen nach Lage der Akten zu entscheiden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere der Fragestellung an den Gutachter und des Gutachtens von Dr. C. vom 26.04.2018, wird, wie wegen der weiteren Einzelheiten, auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Zurecht hat der Beklagte mit Bescheid vom 04.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.01.2018 die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ abgelehnt. Nach § 4 Abs. 2 Rundfunksbeitragsstaatsvertrag erhalten folgende behinderte Menschen eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags (RF):

- Blinde,

- nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderte mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung,

- Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist,

- Behinderte die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen grundsätzlich nicht teilnehmen können, außerdem muss der GdB mindestens 80 betragen, Voraussetzung ist zusätzlich dass auch mit Hilfe von Begleitpersonen und technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl, Inkontinenzartikeln) eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht möglich ist.

Unstreitig ist die Klägerin nicht blind, auch nicht sehbehindert mit einem GdB von wenigstens 60, darüber hinaus ist sie nicht gehörlos bzw. ist eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch ohne Hörhilfen möglich.

Die Klägerin macht geltend, an öffentlichen Veranstaltungen grundsätzlich nicht teilnehmen zu können und begründet dies mit ihrer seelischen Erkrankung und Schmerzstörung. Des Weiteren hat Dr. S. bescheinigt, dass die Klägerin an einer Angststörung leide und daher nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne. Diese ärztliche Bescheinigung datiert aber aus dem Jahre 2014 und lag der Beklagten bereits vor Erlass des Bescheides vom 10.12.2014, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2015, mit dem das Merkzeichen bereits bestandskräftig abgelehnt worden war, vor.

Nachdem die Klägerin keine neuen Atteste vorgelegt hat und auch ihre behandelnden Ärzte nicht nachgewiesen hat, ist nicht erkennbar, dass seit Erlass des Bescheides vom 18.02.2015 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen gem. § 48 SGB X eingetreten wäre, die eine Neufeststellung und nunmehr die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ rechtfertigen würde.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Bescheid vom 10.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2015 zum Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen wäre und das Merkzeichen „RF“ aufgrund des Attestes von Dr. S. bereits 2014 hätte zuerkannt werden müssen. Insoweit folgt das Gericht dem überzeugenden und in sich schlüssigen Gutachten des Gerichtsgutachters Dr. C. vom 26.04.2018, der wie auch zuvor die versorgungsärztlichen Gutachter davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ nicht vorlagen. Die Klägerin leidet weder an einer schweren Bewegungsstörung oder Herzleistungsschwäche und Lungenfunktionsstörung, sie benötigt nicht eine Begleitperson oder einen Rollstuhl, es handelt sich nicht um einen behinderten Menschen, der auf die Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirkt, sie hat keine Organtransplantation mit einer immunsuppressiven Therapie erhalten, sie ist auch keine geistig oder seelischen Behinderte die Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen und aggressives Verhalten stört. Die bei ihr vorliegende Angststörung mit chronischem Schmerzsyndrom machen nach den überzeugenden ärztlichen Feststellungen die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht unzumutbar.

Das Merkzeichen „RF“ würde voraussetzen, dass die Klägerin grundsätzlich an Besuch von Veranstaltungen gehindert wäre. Zwar ist eine Rückzugstendenz mit der seelischen Störung verbunden, aber nicht eine objektiv zu begründende Unmöglichkeit, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Es reicht nicht aus, wenn bestimmte Veranstaltungen, die dazu angetan sind, bei empfänglichen Personen Panik auszulösen nicht aufgesucht werden können.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Annotations

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.