Der Kläger begehrt Versorgung nach dem Impfschadensrecht gemäß §§ 60 ff. Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Der nach weitgehend unauffälliger Schwangerschaft in der 39. Schwangerschaftswoche nach verlängertem Geburtsverlauf von 36 Stunden per Kaiserschnitt aus Schädellage entbundene Kläger mit den Apgar-Werten 9/10/10 erhielt 2001 von den damals behandelnden Kinderärzten Dres. B/S. eine 6-fach-Impfung gegen Tetanus, Diphterie, Pertussis, Hib, Hepatitis B und Polio mit dem heute nicht mehr im Handel befindlichen azellulären Impfstoff Hexavac mit der Chargennummer T0242-I.
Bei der am gleichen Tag durchgeführten Vorsorgeuntersuchung U4 fiel eine kaum mögliche Aufrichtung in Bauchlage auf, weshalb eine motorische Entwicklungsverzögerung diagnostiziert wurde, dabei aber auch festgestellt wurde, dass die Untersuchung keinen Anhalt für eine die Entwicklung gefährdende Gesundheitsstörung ergeben habe. Die Mutter gab im Rahmen dieser Untersuchung an, dass sie den Kläger nie auf den Bauch gelegt habe, da sie Angst vor dem plötzlichen Kindstod gehabt habe, so dass der Kläger nie die Möglichkeit gehabt habe, dies zu trainieren. In der Folgezeit trainierte die Mutter des Klägers - nach entsprechender Anleitung des untersuchenden Arztes - mit diesem das Aufrichten in Bauchlage, so dass bei der U5 ein insoweit normabweichender Befund nicht mehr erhoben wurde.
Ab dem Folgetag der Impfung (08.03.2001) fiel der Kläger dessen Mutter durch für diesen untypisches Quengeln, Weinen und durchgehende Unruhe auf.
Am 10.03.2001 kam es beim Kläger zum ersten cerebralen Krampfanfall von 10 Minuten Dauer, ohne Fieber, mit einer plötzlichen Bewusstseinstrübung, kurzer Bewusstlosigkeit, tonisch-klonischen Muskelzuckungen und einem anschließend auffällig schlaffen rechten Arm. Eine Lumbalpunktion vom 10.03.2001 ergab keinen Nachweis entzündlicher Veränderungen. Im EEG fanden sich keine pathologischen Auffälligkeiten. Vom 10.03.2001 bis 12.03.2001 befand sich der Kläger stationär im Klinikum für Kinder und Jugendliche B-Stadt.
Am 21.04.2001 trat beim Kläger ein zweiter cerebraler Krampfanfall von 10 Minuten Dauer mit myoklonischen Zuckungen und fehlender Ansprechbarkeit auf, wobei vor allem das rechte Bein betroffen war und der zur erneuten stationären Aufnahme im Klinikum B-Stadt vom 21.04.2001 bis 26.04.2001 führte.
Am 26.04.2001 wurde beim Kläger eine cranielle MRT-Diagnostik (Kernspintomographie) durchgeführt, wobei eine Volumenminderung des linken Temporalpols und ein geringes Myelinisierungsdefizit im Marklager des linken Temporalpols festgestellt wurde. Im EEG fanden sich keine Auffälligkeiten.
Bei der Kontrolle der Kernspintomographie am 29.01.2002 wurde weiterhin eine leichtgradige Atrophie des linken Temporallappens, im Verlauf diskret rückläufig, nun aber ohne Zeichen einer Myelinisierungsstörung festgestellt.
Es folgten weitere Krampfanfälle am:
* 28.05.2001 (um 19 Uhr, am ganzen Körper, sehr intensiver Anfall, 15 Minuten Dauer, Kläger ansprechbar)
* 13.06.2001 (um 7.30 Uhr, am ganzen Körper, 5 Minuten Dauer, Kläger ansprechbar)
* 12.07.2001 (um 22.30 Uhr, am ganzen Körper - vorwiegend linke Seite, 30 Minuten Dauer)
* 22.07.2001 (um 18.47 Uhr, vorwiegend rechte Seite, 38 Minuten Dauer)
* 14.08.2001 (um 16.45 Uhr, am ganzen Körper mit blauen Lippen und starkem Speichelfluss, 15 Minuten Dauer)
* 11.10.2001 (um 18.10 Uhr, am ganzen Körper mit blauen Lippen und starkem Speichelfluss, 5 Minuten Dauer)
* 26.11.2001 (um 19.03 Uhr, 4 Minuten Dauer, aufgeschrien, Kläger nicht ansprechbar)
* 15.12.2001 (um 17.20 Uhr, 4 Minuten Dauer, aufgeschrien, Kläger nicht ansprechbar)
* 25.12.2001 (um 20.30 Uhr, 10 Minuten Absencen, Kläger nicht ansprechbar)
* 28.12.2001 (um 13 Uhr, 5 Minuten Absencen, Kläger nicht ansprechbar)
* 16.01.2002 (um 18 Uhr)
* 28.01.2002 (um 15.30 Uhr)
* 05.02.2002 (um 14 Uhr, 10 Minuten Dauer)
* 08.02.2002 (um 13.45 Uhr, am ganzen Körper, 6 Minuten Dauer)
* 15.02.2002 (um 14 Uhr, 5 Minuten Dauer)
* 19.02.2002 (um 15 Uhr, 2 Minuten Dauer)
* 21.02.2002 (um 15 Uhr, 3 Minuten Dauer)
* 24.02.2002 (um 14.30 Uhr, 3 Minuten Dauer)
* 26.02.2002 (um 14.30 Uhr, 3 Minuten Dauer)
* 02.03.2002 (um 15.39 Uhr, 2 Minuten Dauer)
* 02.03.2002 (um 19.30 Uhr, 4 Minuten Dauer)
* 08.03.2002 (um 16 Uhr, 4 Minuten Dauer)
* 12.03.2002 (um 18 Uhr, 3 Minuten Dauer)
* 15.03.2002 (um 16.30 Uhr, 3 Minuten Dauer)
* 16.03.2002 (um 14.15 Uhr, 3 Minuten Dauer)
* 19.03.2002 (um 14 Uhr, 2 Minuten Dauer)
* 23.03.2002 (um 20 Uhr, 2 Minuten Dauer)
* 24.03.2002 (um 11.14 Uhr, 1 Minute Dauer)
* 25.03.2002 (um 14 Uhr, klonisch, stark blau angelaufen, 3 Minuten Dauer)
* 28.03.2002 (um 16 Uhr, 1 Minute Dauer)
* 29.03.2002 (um 18 Uhr, 1 Minute Dauer)
* 05.04.2002 (um 20.30 Uhr, 1 Minute Dauer)
* 06.04.2002 (um 15 Uhr, 1 Minute Dauer)
* 11.04.2002 (um 19.40 Uhr, 1 Minute Dauer)
* 13.04.2002 (um 16 Uhr, 2 Minuten Dauer, hohes Fieber)
* 14.04.2002 (8 nächtliche kurze große Anfälle mit Wesensveränderung beim Kläger, der seinen Vater und die Großeltern nicht mehr erkannte, sehr apathisch war, nicht mehr fixierte und kein Wort sprach)
* 15.04.2002 (um 17.15 Uhr, 2 Minuten Dauer)
* 29.04.2002 (um 18 Uhr, stark blau angelaufen, 2 Minuten Dauer)
* 30.04.2002 (um 18.30 Uhr)
* 08.05.2002 (um 18 Uhr)
* 09.05.2002 (um 10.02 Uhr)
* 12.05.2002 (um 16 Uhr)
* 18.05.2002 (um 19 Uhr)
* 19.05.2002 (um 20 Uhr)
* 20.05.2002 (um 11.30 Uhr)
* 28.05.2002 (um 20.45 Uhr)
* 29.05.2002 (um 21 Uhr)
* 01.06.2002 (um 20.40 Uhr, stark blau angelaufen, starker Speichelfluss, 1 Minute Dauer)
* 07.06.2002 (um 21 Uhr)
* 09.07.2002 (um 11.45 Uhr, 2 Minuten Dauer)
* 01.08.2002 (klonisch, Augen verdreht, blau angelaufen, keine krampfartigen Zuckungen, aufgeschrien)
mit zum Teil nachfolgenden stationären Aufenthalten in der Kinderklinik B-Stadt und der Uniklinik L-Stadt.
Am 20.10.2001 stellte der Kläger durch seine Mutter beim Amt für Versorgung und Familienförderung B-Stadt - Versorgungsamt (jetzt Zentrum Bayern Familie und Soziales) einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung und eines Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz, wobei angegeben wurde, dass die Epilepsie voraussichtlich auf die Impfung zurückzuführen sei.
Ab dem 20.10.2001 (Antragstellung) wurden beim Kläger - nach versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 27.11.2001 durch Frau B. - wegen eines Anfallsleidens und einer psycho-motorischen Entwicklungsverzögerung ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt und die Merkzeichen B, G und H zuerkannt (Bescheid vom 28.11.2001).
Am 26.02.2002 meldete das Landratsamt B-Stadt eine Gesundheitsstörung nach Schutzimpfung.
Am 09.03.2002 diagnostizierte das Klinikum B-Stadt eine kryptogene fokale Epilepsie.
Das Versorgungsamt holte ein Gutachten von Dr. F. (Oberarzt der Kinderklinik am Klinikum B-Stadt) ein, der in seinem Gutachten vom 15.11.2002 zu dem Ergebnis kam, dass zwar ein zeitlicher, jedoch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Impfung (v.a. der Pertussis-Komponente), der Entwicklungsverzögerung und der fokalen Epilepsie bestehe. Wegen der am 26.04.2001 und 29.01.2002 erhobenen Befunde im Rahmen der Kernspinuntersuchung, die als verdächtige indirekte Befunde auf eine kortikale Fehlbildung angesehen werden könnten, sei eine angeborene Migrationsstörung im Sinne einer kortikalen Dysplasie als Ursache des Anfallsleidens sehr viel wahrscheinlicher als die Impfung. Auch die am Impftag bereits bestehende beginnende motorische Entwicklungsstörung mache eine präexistente Störung wahrscheinlich. Die kortikalen Dysplasien im Kindesalter würden sich in der Kernspintomographie oft isodens zeigen, auch ohne Kontrastmittelaufnahme, und könnten teilweise nur durch eine hochauflösende Untersuchungstechnik aufgedeckt werden; allerdings seien die erhobenen Kernspinbefunde durchaus verdächtig auf eine derartige Störung.
In zwei eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. K. vom 18.12.2002 und Dr. H. vom 20.01.2003 wurde das Krampfleiden mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine angeborene und nachgewiesene linkshirnige Fehlbildung zurückgeführt.
Mit Schreiben vom 31.01.2003 und im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit der Mutter des Klägers am 07.02.2003 hörte das Versorgungsamt den Kläger schriftlich zu der beabsichtigen Ablehnung der Anerkennung eines Impfschadens an.
Im Anschluss an eine erneute versorgungsärztliche Stellungnahmen nach Aktenlage von Dr. K. vom „12.02.2003“ lehnte das Versorgungsamt den Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens mit Bescheid vom „29.01.2003“ mit der Begründung ab, dass ein ursächlicher Zusammenhang des cerebralen Krampfleidens nicht auf eine durch die Impfung verursachte Entzündung des Gehirns zurückzuführen sei, sondern vielmehr eine angeborene und durch objektivierbare Untersuchungsergebnisse (Lumbalpunktion, Kernspinuntersuchung) nachgewiesene linkshirnige Fehlbildung bestehe.
Dagegen legte der Kläger durch seine Eltern am 28.02.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 20.03.2003 die Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 14.03.2003 vorgelegt, der ausführte, dass die allgemeine Entwicklung, also Sprachentwicklung und motorische Entwicklung, im ersten Lebensjahr beim Kläger einen normalen Gang genommen habe. Der erste Krampfanfall sei am 10.03.2001 erfolgt. Nachdem man anfangs offensichtlich von einem singulären Ereignis ausgegangen sei, sei eine konvulsive Therapie erst ab Juni 2001 erfolgt. Gemäß den Aufzeichnungen der Mutter des Klägers sei es bis Dezember 2001 bei einer Anfallshäufigkeit von gut einmal pro Monat geblieben, wobei in dieser Zeit mehrmals eine Veränderung der antiepileptischen Behandlung vorgenommen worden sei. Ab 2002 habe sich die Anfallshäufigkeit in auffallender Weise enorm gesteigert, wo es dann in sehr kurzen Abständen (bis zu dreimal pro Woche) zu Anfällen gekommen sei. Erst gegen Ende des Jahres 2002 habe sich die Anfallshäufigkeit wieder deutlich reduziert. Die Zeit erhöhter Anfallshäufigkeit habe eine deutliche Retardierung mit sich gebracht, die erst seit Ende 2002 wieder ausgeglichen worden sei. Die Anfälle seien in ihrer Art in den Arztbriefen beschrieben, wobei sie eine Dauer von bis zu 45 Minuten gehabt hätten, mit teils myoklonischen Muskelzuckungen, teils Absencen, teils Erschlaffungszuständen. Die Zuckungen hätten den ganzen Körper betroffen, seien aber auch in auffallender Weise von einseitigem Befall wechselnder Seiten gekennzeichnet gewesen. Der Einschätzung von Dr. F. sei zu widersprechen. So verweise schon der Beipackzettel von Hexavac auf die Möglichkeit von Krämpfen mit oder ohne Fieber innerhalb von drei Tagen nach der Impfung. Zurückzuführen sei dies auf die Pertussiskomponente, was auch in der Publikation von Dr. B. bestätigt werde. Die motorische Unruhe des Klägers schon am Folgetag der Impfung sei in diesem Sinne zu sehen und verweise auf eine prompte anfängliche Schädigung. Der Verweis auf die kortikale Dysplasie sei eine unzulässige Ursachenbegründung, da die Befunde auch als minimale Hirnreifungsverzögerung gewertet werden könnten. Auch die Tatsache variierender Krampfzustände, insbesondere die Tatsache des Seitenwechsels der myoklonischen Anfälle, lasse einen fokalen Schaden neurologisch ausschließen, denn dieser sollte sich in konstanten Ausfällen in Zuordnung zur geschädigten Hirnregion manifestieren und nicht als diffuses, variierendes Anfallsmuster in Erscheinung treten. Das Fehlen von entzündlichen Veränderungen sei kein Gegenbeleg gegen eine Schädigung. Das Substrat impfbedingter Encephalopathien sei im Allgemeinen nicht bekannt, typischerweise jedoch nicht von nachweisbarer entzündlicher Natur. Der Gutachter sowie die Ärzte des Klinikums B-Stadt hätten offensichtlich unter dem vorherrschenden Impfdiktat geurteilt; so hätten die vorliegenden vier Arztbriefe des Klinikums B-Stadt die Möglichkeit eines Zusammenhangs des Anfallsleidens mit der kurz vorangegangenen Impfung mit keinem Wort erwähnt. An dem Vorliegen eines Impfschadens bestehe kein Zweifel.
Nach einer erneuten versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. K. vom 30.04.2003 wies das Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung - Landesversorgungsamt (jetzt Zentrum Bayern Familie und Soziales) den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2003 zurück.
Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 26.09.2003 (Eingang beim Sozialgericht - SG - Bayreuth am 29.09.2003) Klage erhoben.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt und Prof. Dr. R. (Leitender Arzt der Klinik für Kinder und Jugendliche des Klinikums B-Stadt) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 02.12.2009 nach persönlicher Untersuchung des Klägers und seinen zwei ergänzenden Stellungnahmen vom 26.02.2010 und 28.07.2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Impfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Auslöser und Verschlechterungsfaktor für die Erkrankung des Klägers auszuschließen sei. Bei dem Kläger bestehe zweifelsfrei ein schweres cerebrales Anfallsleiden. Die klinische Untersuchung am 16.11.2009 habe eine schwere geistige und motorische Retardierung ergeben. Die motorische Entwicklung entspreche bei einem biologischen Alter von neun Jahren einem circa 3-4-jährigen Kind. Die intellektuelle Entwicklung scheine um mindestens das gleiche Ausmaß verzögert zu sein. Somit sei von einer Schwerbehinderung des Klägers auszugehen. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erscheine derzeit äußerst unwahrscheinlich. Nach Angaben der Eltern sei für den Kläger die Pflegestufe 2 zuerkannt. Nach Aktenlage sei nach den Angaben der Mutter nach der Impfung eine vermehrte Unruhe aufgetreten, wobei es auch zu einem vermehrten Schreien gekommen sei. Unter Zugrundelegung der Gebrauchsinformation des Impfstoffes Hexavac seien die Reaktionen nach der Impfung als im üblichen Maß nach einer Impfung auftretende Reaktionen zu werten. Es sei zu schlussfolgern, dass der im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung berichtete cerebrale Anfall und die vorbestehende Retardierung durch die Impfung nicht oder in nicht wesentlichem Maße bedingt seien. Die medizinische Fachliteratur sehe die Ursache einer idiopathisch generalisierten Epilepsie - wie sie hier vorliege - als in hohem Maße genetisch determiniert an. Für eine nicht impfassoziierte Ursache spreche auch das Vorbestehen einer doch eindeutigen Entwicklungsverzögerung. So sei der Befund der U4 als schwerwiegend einzustufen, da er für eine beginnende Entwicklungsverzögerung des Klägers sprechen könne, die der Impfung vorausgehe. Die durchgeführte Impfung sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit nur zufällig zeitgleich zur Erstmanifestation des Anfallsleidens zu sehen, nicht aber als auslösend oder verlaufsbeeinflussend.
Mit Beschluss vom 17.11.2010 hat das SG das Ruhen des Verfahrens bis Ende Juni 2011 angeordnet, um dem Kläger eine humangenetische Untersuchung zu ermöglichen.
Am 15.09.2010 sind der Kläger und seine Mutter genetisch untersucht worden.
In einem eingeholten molekulargenetischen Gutachten vom 05.11.2010 von Dres. K. und R. ist beim Kläger eine Mutation im SCN1A-Gen festgestellt und ein Dravet-Syndrom diagnostiziert worden.
Mit Schreiben vom 01.03.2012 hat das SG die Beteiligten zu der Absicht angehört, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung per Gerichtsbescheid zu entscheiden, und hat ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.03.2012 eingeräumt.
Per Gerichtsbescheid vom 30.05.2012 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es weder zu einer über das übliche Maß hinausgehenden Impfreaktion gekommen sei, noch dass die Krampfanfälle und das Einsetzen der Entwicklungsverzögerung mit der angeschuldigten Impfung in dem erforderlichen Zusammenhang stünden. Die Impfung sei insoweit nur als Gelegenheitsursache für den Krampfanfall zu sehen und nicht rechtlich relevant im Sinne der Kausalität der wesentlichen Bedingung. Die zufällige Inzidenz von Impfung und Manifestation des Dravet-Syndroms beruhe auf einer mit der Impfung einhergehenden Triggerwirkung. Bei dem Kläger liege mit dem Dravet-Syndrom eine angeborene Erkrankung vor, wobei es sich um eine Erkrankung handele, die durch Epilepsien manifestiert werde. Ätiologisch liege eine Mutation des SCN1A-Gens vor. Folge dieser Krankheit seien häufig therapieresistente Anfälle und Entwicklungsverzögerungen. Damit liege eine Alternativursache vor. Auch die Voraussetzungen für die sogenannte Kann-Versorgung seien nicht gegeben, da über das Dravet-Syndrom keine Ungewissheit bestehe. So handele es sich um eine angeborene Krankheit des Gehirns, die durch eine Mutation des SCN1A-Gens hervorgerufen werde. Das Dravet-Syndrom erkläre das Anfallsleiden des Klägers.
Gegen den ihm am 05.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 12.06.2012 (Eingang beim Bayerischen Landessozialgericht - LSG - am gleichen Tag) durch seinen damals Bevollmächtigten Berufung eingelegt.
Der Senat hat sodann auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. F. gutachterlich gehört, der in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 25.11.2013 und ergänzenden Stellungnahmen vom 03.10.2014 und 14.10.2015 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass zwischen der Impfung und dem Dravet-Syndrom mit an Sicherheit grenzender, jeden vernünftigen Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit eine ursächliche Beziehung bestehe. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammenhangs sei bei weitem größer als die anderer denkbarer Zusammenhänge. Dabei sei die pathogenetische Mitwirkung der SCN1A-Mutation nicht in Frage gestellt. Sie sei indessen nicht wirksam im Sinne der alleinigen Ursache, sondern nur als pathogener Teilfaktor in einem komplexen pathogenetischen Bedingungsgefüge zu verstehen. Die Impfung spiele die entscheidende Rolle eines krankheitsauslösenden Faktors bei einer vorbestehenden entsprechenden Disposition. Es sei durch nichts bewiesen oder auch nur wahrscheinlich gemacht, dass der Kläger auch ohne Impfung erkrankt wäre. Anders lautende Annahmen könnten als Spekulationen nicht akzeptiert werden. Die durch die schwere Epilepsie bewirkte Retardierung/Regression der psychomentalen und motorischen Entwicklung sei ebenso mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Epilepsie, das heißt also mittelbar durch die Impfung verursacht.
Im Einzelnen hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Kläger 55-60 Stunden nach der Pertussis-Impfung, und damit innerhalb der normierten Inkubationszeit von 72 Stunden, Misslaunigkeit, Schreiattacken und Unruhe gezeigt habe. Diese von ungewöhnlichen Verläufen der Pertussis-Impfung durchaus geläufigen Symptome müsse man als cerebrale Reiz- und Enthemmungssymptomatik (Encephalopathie) einordnen. Es bestünden keine Symptome einer entzündlichen cerebralen Affektion (Encephalitis). Wenig später sei dann ein etwa 10 Minuten dauernder generalisierter, rechtsbetonter epileptischer Anfall aufgetreten, der die Entwicklung einer schweren frühkindlichen myoklonischen Epilepsie - eines Dravet-Syndroms (= Severe Myoclonic Epilepsy of Infancy ) - eingeleitet habe. Diese schwere myoklonische Epilepsie und die in ihrem Gefolge auftretenden Schäden seien überwiegend wahrscheinlich Folge der Impfung vom 07.03.2001. Es sei nicht möglich, die Entstehung dieses Leidens auf die Wirkung nur eines pathogenen Faktors, zum Beispiel allein auf genetische oder organische Faktoren, zurückzuführen. Die Pathogenese sei vielmehr wie bei anderen Epilepsieformen multifaktorieller Natur, das heißt durch unterschiedliche exogene (zum Beispiel Impfung, Traumen etc.) und endogene Faktoren (erbliche Veranlagung unterschiedlichen Typs und andere) bestimmt. Das Dravet-Syndrom sei ein Prototyp einer Epilepsie auf multifaktorieller Basis. In der Familie vorkommende Epilepsien und/oder eine im EEG erkennbare Disposition und andererseits exogene Faktoren (zum Beispiel Impfung) würden in einem äußerst komplexen Bedingungsgefüge zusammen wirken, wobei die SCN1A-Mutation ein Teil dieses Systems sei, die aber nicht zwangsläufig zur Epilepsie führe. Eine Hirnentzündung (Encephalitis) liege bei der Pertussis-Impfkomplikation typischerweise nicht vor. Die sogenannte Encephalopathie sei dagegen eine Hirnfunktionsstörung nicht entzündlicher Natur (Traumen, Intoxikationen, Impfungen, Anfallsserien etc.). Für die Diagnose einer Pertussis-Impfkomplikation spreche das Fehlen entzündlicher Zeichen im EEG, Liquor etc. Der Befund bei der U4 („kaum Aufrichten aus Bauchlage“) sei nur vorübergehend nachweisbar gewesen. Die Vorgutachter würden insoweit zum Teil irreführend von einem „schwerwiegenden Befund“ sprechen und hätten insoweit vergessen, die Ausführungen der Mutter und die Rückbildung der Symptomatik schon bis zur U5 zu erwähnen. Der MRT-Befund sei im Krankheitsverlauf unterschiedlich beurteilt worden, wobei allerdings in den Vorgutachten wiederholt verschwiegen werde, dass das MRT im Verlauf Normalbefunde gezeigt habe. Eine Fehlentwicklung (Dysplasie) könne damit ausgeschlossen werden, so dass sich sogenannte Vorschäden oder Vorkrankheiten als unerheblich und nicht erwiesen dargestellt hätten. Beim Kläger finde sich das typische Bild einer durch die Pertussis-Impfung ausgelösten frühkindlichen Epilepsie vom Typ SEMEI/SEME-B. Das klinische Bild gebe - abgesehen von dem typischen Zusammenhang mit der Pertussis-Impfung - keine Hinweise auf andere ätiologische Faktoren. Wichtig sei dagegen die Erkenntnis, dass molekulargenetische Normabweichungen (Mutationen) ursächlich mitverantwortlich sein könnten. Beim Dravet-Syndrom kämen gehäuft SCN1A-Mutationen vor. Während B. et al. in der Mutation des SCN1A-Gens die einzige und entscheidende Ursache der Epilepsie des Typs SEMEI/SEME-B nach der Pertussis-Impfung sehen würde, sei es viel wahrscheinlicher, dass die Mutation und ihre Auswirkungen nur einen Teilfaktor der Pathogenese des Dravet-Syndroms darstellen. Der entscheidende Faktor sei unbezweifelbar die Impfung. Sie erst bringe die Disposition (Veranlagung) zur klinischen Manifestation. So würden auch nicht alle Merkmalsträger erkranken, manche würden gesund bleiben, andere seien nur sehr milde betroffen. Weiterhin sei hervorzuheben, dass beim Wechsel des Impfstoffes vom alten Ganzkeim-Impfstoff auf den azellulären Impfstoff die gefürchteten unerwünschten Wirkungen der Impfung drastisch zurückgegangen seien, die Mutation dagegen nicht. Die Erwartung von B. et al., die Häufigkeit der unerwünschten Wirkungen würde beim Wechsel des Impfstoffes gleich bleiben, habe sich daher gerade nicht erfüllt. Dass die DPT-Impfung alter Art das Auftreten von Fieberkrämpfen begünstigt habe, werde heute nicht mehr bezweifelt. Der durch den Wechsel des Impfstoffes erfolgte drastische Rückgang von postvakzinalen Krämpfen und Folgeepilepsien erlaube folgenden Schluss: In dem komplexen ätiopathogenetischen Bedingungsgefüge der konvulsiven Impfreaktion/Epilepsie sei allein durch eine Änderung nur eines Faktors (Wechsel des Impfstoffes) ein drastischer Wandel eingetreten. Dies sei zugleich ein unbezweifelbares Argument gegen die Erlanger Meinung, wonach es Pertussis-Impfkomplikationen nicht gebe. Es sei unübersehbar, dass es auch nach Impfung mit azellulärer Pertussis-Vakzine vereinzelt zu konvulsiven Reaktionen mit gleicher Symptomatik, mit normierter Inkubationszeit und mit ungünstiger Prognose kommen könne. So seien auch schon 1993 beim Paul-Ehrlich-Institut 34 Fälle gemeldet worden. Die Gesamtheit der Beobachtungen von konvulsiven Reaktionen nach der Pertussis-Impfung lasse darauf schließen, dass das für die schwere myoklonische Epilepsie verantwortliche pathogenetische Bedingungsgefüge besonders leicht (in fast spezifischer Weise) durch das Pertussis-Antigen oder -Toxin zur klinischen Manifestation gebracht werde.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei die Impfung Ursache der konvulsiven Reaktion und der sich in der Folge entwickelnden schweren myoklonischen Epilepsie. Der nicht-erblichen SCN1A-Mutation und den an bestimmten EEG-Mustern erkennbaren Veranlagungsfaktoren komme die Eigenschaft von Mitursachen zu. Ihre Bedeutung und Tragweite sei aber nicht im Sinne einer gleichwertigen Mitursache zu verstehen. Der entscheidende pathogenetische Schritt von der Veranlagung bis zur Manifestation der Epilepsie und ihren schwerwiegenden Folgen werde ohne vernünftigen Zweifel durch die Impfung bewirkt. Eine Gelegenheitsursache könne im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, da es nicht als wahrscheinlich bezeichnet werden könne, dass der Gesundheitsschaden auch ohne das angeschuldigte Ereignis eingetreten wäre. Die Folgeschäden des impfbedingten Gesundheitsschadens (schwere geistige, das heißt psychomentale, und motorische Behinderung) seien als Auswirkung der Epilepsie zwanglos zu erklären und insbesondere auch typisch für das Dravet-Syndrom. Die durch die Impfung zur Manifestation gebrachte Gesundheitsstörung werde „schwere frühkindliche myoklonische Epilepsie (Dravet-Syndrom) mit demenziellem Verlauf und Therapieresistenz“ genannt. Dabei handele es sich nicht um Verschlimmerung einer vorbestehenden Krankheit, sondern um die Manifestation einer Krankheit auf dem Boden einer vorbestehenden Veranlagung. Die Schädigungsfolgen würden gemäß Versorgungmedizinverordnung als Epilepsie mit häufigen großen Krampfanfällen wöchentlich oder täglich, auch in Serien und Staten und besonders nachts sowie kleine Anfälle, anhaltende Therapieresistenz und ausgeprägte epilepsiebedingte Demenz insoweit einen GdS von 100 bedingen.
Zusammenfassend müsse festgestellt werden, dass nach der heute geltenden (nicht der Erlanger) Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und den danach aufgetretenen Krankheitserscheinungen spreche, wobei er für sich in Anspruch nehme, die geltende medizinische Lehrmeinung aufgrund wissenschaftlicher Studien zu vertreten, dabei aber auch betone, dass er sich damit im krassen Gegensatz zu der seit den neunziger Jahren in L-Stadt und auch heute noch gutachtlich vertretenen Auffassungen befände.
Zum Gutachten von Dr. F. sei zu sagen, dass man sich bei Lektüre dieses Gutachtens in die Neunzigerjahre zurückversetzt fühle, in denen die Erlanger Arbeitsgruppe für Pädiatrie und Neuropädiatrie geradezu einen „Parforce-Ritt“ gegen die Anerkennung cerebraler Anfälle beziehungsweise Epilepsie nach und infolge der Pertussis-Ganzkeim-Vakzine-Impfung inszeniert habe. Auch lasse Dr. F. jede auch nur entfernt wissenschaftliche Befassung mit der äußerst umfänglichen Literatur vermissen. Eine Befassung mit der umfänglichen Literatur lasse auch der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten vermissen. Zum Gutachten von Prof. Dr. R. sei dagegen zu sagen, dass dieser bei der Gewichtung des im Rahmen der U4 erhobenen Gesundheitszustandes, den er als „schwerwiegenden“ Entwicklungsrückstand einordne, verschweige beziehungsweise ignoriere, dass dieser Entwicklungsrückstand bei der U5 nicht mehr bestanden habe. Nicht berücksichtigt habe Herr Prof. Dr. R. auch den Bericht der Mutter, dass der Kläger am Tag nach der Impfung unruhig gewesen sei und vermehrt geschrien habe. Dass eben diese Symptome, insbesondere das „persisting screaming“ typische Zeichen eines ungewöhnlichen Impfverlaufs seien und zu besonderer Vorsicht mahnen würden, sei von Herrn Prof. Dr. R. nicht erwähnt worden.
Der Senat hat weiter Prof. Dr. E. nach § 106 SGG gutachterlich gehört, der in seinem nach Aktenlage erstellte Gutachten vom 15.02.2015 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Impfschadensanerkennung zumindest im Wege der Kann-Versorgung zu erfolgen habe. So leide der Kläger seit März 2001 an dem so genannten Dravet-Syndrom, das in typischer Weise eine multifaktorielle Ätiopathogenese aufweise. Einerseits würde eine genetische Determination (hier angezeigt durch ausgeprägte Theta-Rhythmen und Spikes-wave im EEG, Fotosensibilität, SCN1A-Mutation), andererseits die klinische Manifestation ohne jeden vernünftigen Zweifel im ursächlichen Gefolge der Impfung vom 07.03.2001 bestehen. Zur Gewichtung dieser beiden Faktoren sei zu sagen, dass nicht jede per EEG etc. markierte Determination und auch nicht jede SCN1A-Mutation zu einem Anfallsleiden führe. Infektionsbedingte Manifestationen seien auch etwas häufiger als impfbedingte; im Fall des Klägers sei die Manifestation aber konkret und ausschließlich durch die Impfung erfolgt. Die genetische Determination einerseits und die impfbedingte Manifestationsprovokation andererseits seien im Hier vorliegenden Fall als Teilursachen gleichgewichtig. Auch die hier vorliegende SCN1A-Mutation sei nicht die Ursache des klägerischen Leidens, sondern eine Teilursache. Beim Kläger gebe es zudem keinen ernsthaften Anhalt für Encephalitis bzw. Impfencephalitis im engeren Sinne. Ungewöhnlich schrilles Schreien, mehrere Stunden nach Impfung einsetzend und durchaus unstillbar über viele Stunden oder sogar Tage andauernd, sei neuropädiatrisch zweifelsfrei als Symptom einer passageren Impfencephalopathie einzuordnen. Am häufigsten (ein Prozent oder häufiger) werde es nach dem veralteten Keuchhusten-Ganzkeim-Impfstoff beobachtet. Für jeden Pädiater und Neuropädiater sei klar, dass, wenn innerhalb der ersten drei Tage nach einer Impfung mit Keuchhustenkomponente ein Krampfanfall auftrete (oder eine Encephalopathie), mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung bestehe. Für keine andere Impfung sei eine derart enge und hochgradig signifikante normierte postvakzinale Inkubationszeit bekannt. Wer dies nicht wisse oder möglicherweise nicht sehen wolle, greife zur Formulierung zeitlich zufälligen Zusammentreffens. Wenn vorgutachterlich eine postvakzinale Encephalopathie verneint werde, so sei dies ein Irrtum, sie sei vorhanden gewesen.
Was die U4 und die dort ärztlicherseits erhobenen Befunde betreffe, so sei anzumerken, dass nach den bekannten Denver-Entwicklungsskalen 90% (und nicht 100%) aller gesunden Säuglinge im vierten Lebensmonat in Bauchlage den Kopf um 90 Grad heben könnten. Nicht beachtet worden sei von den Vorgutachtern, dass die Mutter des Klägers 2002 angegeben habe, sie habe bis zur U4 Angst vor dem sogenannten plötzlichen Kindstod gehabt und ihr Kind daher nie in Bauchlage gebracht, und der Kläger diese Fertigkeit des Aufrichtens in Bauchlage nach Anleitung durch den Kinderarzt rasch nachgeholt habe und anschließend die weiteren Meilensteine der Entwicklung altersgerecht gewesen seien. Zum Kernspinbefund von April 2001 sei zu sagen, dass genau gesehen Seitendifferenzen (wie sie auch hier festgestellt worden seien) nicht die Ausnahme, sondern die Regel seien. Von den Vorgutachtern sei diese bedeutungslose MRT-Seitendifferenz hochstilisiert worden.
Während Prof. Dr. F., der für die hier vorliegende besondere Problematik als pädiatrischer Epileptologe maximal qualifiziert und international anerkannt sei, in der Impfung vom 07.03.2001 die überwiegende Ursache des Leidens sehe, seien hier - aus Sicht von Prof. Dr. E. - die genetische Determination und die Impfung gleichgewichtige Teilursachen. Andere Gutachten und Stellungnahmen (ohne die maximale Qualifikation von Prof. Dr. F.) würden dagegen die genetische Determination als wesentliche Ursache des vorliegenden Leidens sehen. Dieser Dissens fände sich seit Jahren mit kleinen Verschiebungen letztlich unverändert, geäußert von Personen unterschiedlicher Qualifikation bzw. anhand unterschiedlichen Materials. Insoweit handele es sich letztlich um unterschiedliche Interpretationen bzw. Schwerpunktsetzung bei immer noch vorhandenen grundsätzlichen Wissenslücken zu zentralen Punkten. Insofern könne im hier vorliegenden Fall zumindest die sogenannte Kann-Versorgung bemüht werden. Die dafür notwendige „gute Möglichkeit“ sei schon allein mit herausragender Qualifikation und fallbezogener Zuständigkeit von Prof. Dr. F. in seinem Gutachten erfüllt. Zu Prof. Dr. F. sei ergänzend zu sagen, dass dieser sich mit den Vorgutachten und ärztlichen Stellungnahmen ungemein eindeutig kritisch auseinander gesetzt habe, dies als einziger unter den Verfassern mit der für die Problematik gebotenen Qualifikation eines international ausgewiesenen pädiatrischen Epileptologen.
Abschließend hat der Sachverständige resümiert, dass der Kläger an einem Dravet-Syndrom (SME-B) leide und die klinische Manifestation hier aufgrund der Impfung erfolgt sei. Postvakzinale Krämpfe seien für den alten Keuchhusten-Ganzkeim-Impfstoff auch bekannt und anerkannt. Typisch im Sinne einer normierten postvakzinalen Inkubationszeit für Keuchhusten-Impfstoff sei, dass die Komplikation innerhalb der ersten drei Tage (hier erfolgt) eintrete, so dass der Anfall des Klägers am dritten Tag nach der Impfung ohne vernünftigen Zweifel impfbedingt sei; es handele sich insoweit um die Manifestation des oben genannten frühkindlichen Anfallsleiden SME-B. Es sei rein spekulativ, dass dieser Anfall und damit das definitive Anfallsleiden sich auch irgendwann später, beispielsweise im Gefolge einer Infektion, ereignet haben würde. Durchaus konkret handele es sich hier um Manifestation im Gefolge allein der erfolgten Impfung. Die polygene Determination einerseits und die Impfung andererseits seien als gleichgewichtige Teilursachen des Leidens des Klägers einzuordnen. Insoweit käme hier zumindest die sogenannte Kann-Versorgung zum Zuge.
Bezüglich der GdS-Einstufung für das Anfallsleiden hat der Sachverständige vorgeschlagen, aufgrund der vorliegenden Klinikberichte ab 2001 einen GdS von 60 und ab 2002 einen GdS von 100 anzuerkennen.
Der Beklagte hat dagegen versorgungsärztliche Stellungnahmen nach Aktenlage von Frau B. vom 29.01.2014 und 23.04.2014 und Dr. K. vom 24.11.2014, 04.08.2015 und 28.10.2015 sowie eine ärztliche Stellungnahme von PD Dr. Kl. vom 21.07.2015 vorgelegt.
Darin ist Frau B. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Impfung nur als Gelegenheitsursache für die Manifestation des ersten Krampfanfalls bei genetisch determiniertem Anfallsleiden zu sehen sei. Viele andere Infekte oder Belastungen hätten ebenfalls zur Manifestation führen können. Auch an einer 2012 veröffentlichen aktuellen Literaturstelle zeige sich, dass sich im Rahmen der Fünffachimpfung zwar Fieberkrämpfe, nicht aber die Entwicklung einer dauerhaften Epilepsie gezeigt habe. Die Argumentation von Prof. Dr. F., aus den Nebenwirkungen von einem früheren (im Fall des Klägers nicht verwandten) Ganzkeim-Impfstoff auf den neuen azellulären Impfstoff rückzuschließen, sei nicht zulässig.
Auch Dr. Kl. hat die Impfung als bloße Gelegenheitsursache eingeordnet und dabei ausgeführt, dass der Nachweis eines genetisch bedingten Anfallsleidens bei den Vorgaben des Robert Koch Instituts, der derzeitigen Literatur und der Lehrmeinung anderer Neuropädiater gegen eine nachgewiesene Schädigung speziell durch die Impfung spreche. Bei der vorliegenden Erkrankung sei der angeborene Defekt des Natriumskanals der Zelle und nicht die Impfung als Hauptursache anzusehen.
Dr. K. ist in seiner Stellungnahme vom 21.07.2015 zu dem Ergebnis gekommen, dass aus seiner Sicht ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und der Manifestation eines Dravet-Syndroms nicht angenommen werden könne. Dazu hat Dr. K. im Einzelnen (ohne sich in der Lage gesehen zu haben, ein ausführliches Gutachten zu erstatten) ausgeführt, dass er sich mit der aktuellen Literatur kundig gemacht habe und seit der Arbeit von Tro-Baumann in der Zeitschrift Epilepsia 2011 weitere 13 Arbeiten erschienen seien. Von diesen 13 Arbeiten habe er (soweit verfügbar) zumindest die jeweiligen Abstracts gelesen, die aus seiner Sicht zur Beantwortung der Fragestellung wenig hilfreich seien. Im Wesentlichen werde in den Abstracts erwähnt, dass das Auftreten von Anfällen und nachfolgender Epilepsie nach Impfungen bei einem Patienten mit SCN1A-Mutation nicht als kausal anzunehmen sei. Der Kläger sei im Alter von drei Monaten geimpft worden, was aus seiner Sicht ein ganz typisches Alter für die Erstmanifestation eines Dravet-Syndroms nach Impfung sei. In ihm bekannten Fachkreisen werde in Einzelfällen überlegt, ob sich bei einem Kind mit einem Dravet-Syndrom und nachgewiesener pathogener SCN1A-Mutation die Epilepsie ohne eine Impfung vielleicht später manifestiert hätte und der Verlauf somit eventuell klinisch leichter gewesen wäre, einen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg gebe es aus seiner Sicht dafür allerdings nicht. Er erinnere sich bezüglich dieser Fragestellung an eine kleine retrospektive Erhebung bezüglich dieser Fragestellung, wobei in dieser Erhebung das Langzeit-Outcome nicht anders gewesen sei, ob der erste Anfall im Rahmen von Impfung aufgetreten sei oder nicht. Herr Prof. Dr. F. halte in seinem Gutachten korrekterweise daran fest, dass eine SCN1A-Mutation nicht letztlich die alleinige Ursache eines Dravet-Syndroms sein könne, sondern noch andere Faktoren hinzukommen müssten. Trotzdem sei es aus seiner Sicht - so Dr. K. - so, dass ein kausaler Zusammenhang der Impfung mit der Manifestation eines Dravet-Syndroms nicht angenommen werden könne.
Dazu hat Prof. Dr. F. in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 03.10.2014 und 14.10.2015 ausgeführt, dass die Richtigkeit seiner in jahrzehntelangen Untersuchungen und Studien von epilepsiekranken Kindern und ihren Familien erlangten pathogenetischen Überlegungen durch die Feststellung einer drastischen Reduktion der Häufigkeit von konvulsiven Komplikationen nach Wechsel des Impfstoffs, d. h. nach Ersatz der Ganzkeimvakzine durch den - auch hier verwandten - azellulären Impfstoff belegt sei. Während die Aktivierung von Fieberkrämpfen durch die azelluläre Impfung in groß angelegten Studien in zum Teil statistisch signifikantem Ausmaß habe nachgewiesen werden können, sei die schwere postvakzinale myoklonische Epilepsie, die hier zur Rede stehe, zu einem außerordentlich seltenen postvakzinalen Krankheitsbild geworden. Die unübersehbare symptomatische Übereinstimmung der Komplikation von alter und heutiger Impfung lasse keinen vernünftigen Zweifel daran, dass ausnahmsweise auch die azelluläre Impfung die Epilepsie-Manifestation provozieren könne. Unumgänglich notwendig sei es, die alte DPT-Impfung und ihre weltweit akzeptierten Komplikationen in die Betrachtung einzubeziehen, da es nur so möglich sei, ein korrektes Bild von ihrer Symptomatik zu gewinnen und damit die Möglichkeit eines Vergleichs mit den sehr seltenen Komplikationen der heutigen azellulären Vakzine-Impfung zu schaffen. Dieser Vergleich zeige zweierlei. Erstens die drastische Reduktion der Häufigkeit cerebraler Komplikationen und zweitens die gleich bleibende Symptomatik dieser seltenen Ereignisse im Vergleich mit den Komplikationen der alten Impfung. Diese Entwicklung nach dem Wechsel des Impfstoffes bilde einen geradezu schlagenden Beweis gegen die in den neunziger Jahren grassierende Auffassung der Erlanger Arbeitsgruppe, Komplikationen der Pertussis-Impfung seien ein „Mythos“. Insoweit sei zu betonen, dass eine Diskussion von Pertussis-Impfkomplikationen heute nicht mehr möglich sei, ohne die pathologischen Reaktionen auf die alte DPT-Impfung, nämlich deren typische normierte Inkubationszeit und die charakteristische klinische Symptomatik, sowie den epidemiologischen Wandel bei Übergang auf die azelluläre Vakzine in die Betrachtung einzubeziehen. Die populationsbezogenen Untersuchungen aus Italien, Großbritannien, Schweden und USA würden dies deutlich machen. Dem aufmerksamen Leser dieser Berichte und seines Gutachtens könne nicht entgehen, dass im vorliegenden Fall Krankheitserscheinungen beschrieben worden seien, wie sie von den Komplikationen der Ganzkeimimpfung sattsam bekannt seien, wobei mit an erster Stelle das persisting screaming (unbeherrschbares Schreien) zu nennen sei. Es sei nicht erwiesen, dass die SCN1A-Mutation der letztlich entscheidende Faktor für die Manifestation des Krankheitsbildes sei. Die drastische Reduktion der Häufigkeit von Komplikationen nach Wechsel des Impfstoffes habe dies deutlich gezeigt. Jede andere Deutung der Ergebnisse habe eine bei weitem geringere Wahrscheinlichkeit als die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Art des Impfstoffes und den konvulsiven Reaktionen. Wäre die Mutation der entscheidende pathogene Faktor für die Manifestation der Krämpfe (Fieberkrämpfe und Epilepsie), müsste man heute bei azellulärer Impfung weitgehend unverändert konvulsive Reaktionen finden. Diese Erwartung habe sich in keiner Weise bestätigt. Die Semiologie des Krankheitsbildes zeige auch beim Kläger Besonderheiten, wie sie von den konvulsiven Reaktionen auf den Ganzkeim-Impfstoff geläufig seien: normierte Inkubationszeit, Aktivierung von Fieberkrämpfen und selten auch afebrile epileptische Anfälle, persisting screaming. Eine solche Übereinstimmung nicht mit der Impfung in Zusammenhang bringen zu wollen, sei unvertretbar. Eine Gelegenheitsursache stelle die Impfung gerade nicht dar. Wie die Beobachtungen beim Wechsel des Impfstoffes zeigen würden, sei die Art des Impfstoffes ein entscheidender Faktor bei der Epilepsie-Provokation. Jede andere Möglichkeit bleibe Spekulation. Hier sei nochmal erwähnt, dass die SCN1A-Mutation nicht zwangsläufig zur Epilepsie führe. Sonst müsste man, wie B. et al. fälschlich annehmen würden, im Gefolge des Impfstoffs-Wechsels ein Dravet-Syndrom in unveränderter Häufigkeit sehen, was aber gerade nicht der Fall sei. Auch habe er in seinem Gutachten ausgeführt, dass nach Einführen der azelluläre Vakzine konvulsive Reaktionen fast völlig, aber eben gerade nicht ganz, verschwunden seien. Darin sei ein entscheidendes Argument für die Annahme einer kausalen Beziehung zwischen Impfung (Impfstoff) und klinischem Bild zu sehen. Es sei gänzlich unwahrscheinlich, dass zwischen der Mutation und der Keuchhusten-Impfung eine Beziehung bestehe. Zur Stellungnahme von Dr. K. sei zu sagen, dass dieser sich mit den Inhalten der von ihm zitierten Literatur gerade nicht eingehend befasst habe. Insoweit könne man gerade nicht von einer Literaturrecherche sprechen. Im Übrigen habe Dr. K. selbst eingeräumt, dass die von ihm zitierten Abstracts zur Beantwortung der Fragestellung wenig hilfreich gewesen seien. Fragen lassen müsse sich Herr Dr. K. auch, wie er den Umstand erkläre, dass mit Austausch des Impfstoffes die schwerwiegenden Komplikationen äußerst selten geworden seien.
Auf Nachfrage des Senats zu Art und Schwere der beim Kläger seit dem 10.03.2001 bis dato erfolgten Krampfanfälle hat die Mutter des Klägers mit beim LSG am 01.12.2015 eingegangenen Schriftsatz weiter vorgetragen, dabei u. a. auch einen Anfallskalender über den abgefragten Zeitraum (bis 18.12.2014) vorgelegt. Danach sind in dem genannten Zeitraum Anfälle ab August 2002 bis Dezember 2002 ca. alle 2 Monate, ab Januar bis September 2003 ca. 2 bis 4 Mal pro Monat, ab Oktober 2003 bis Dezember 2004 durchschnittlich 6 bis 8 Anfälle pro Monat und ab Januar 2005 bis April 2005 ca. 5 bis 10 Anfälle pro Monat erfolgt. Ab Mai 2005 bis Dezember 2006 seien die Aufzeichnungen nicht mehr auffindbar; nach Angaben der Mutter des Klägers hätten in dem Zeitraum aber auch durchgehend Anfälle stattgefunden. Ab Januar 2007 bis April 2007 sind 4 bis 5 Anfälle pro Monat und ab Mai 2007 bis Dezember 2014 im Durchschnitt ca. 6 bis 10 Anfälle, vereinzelt auch bis zu 15 Anfälle pro Monat erfolgt. Ab Januar 2015 seien keine Anfälle mehr aufgezeichnet worden. Dabei sei der Kläger bei den Krampfanfällen nicht ansprechbar und apathisch gewesen. Zudem ist das klägerische Leiden - nach den Angaben der Mutter des Klägers - austherapiert bzw. therapieresistent. Darüber hinaus habe beim Kläger in dem genannten Zeitraum vom 10.03.2001 bis dato keine Anfallsfreiheit bestanden, die länger als ein paar Tage angedauert habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2015 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, für den Fall, dass das Gericht nicht davon überzeugt sein sollte, dass die Reaktion des Klägers über das normale Maß einer Impfreaktion hinausging, die Einvernahme der Mutter des Klägers als Zeugin zum Beweis, dass der Kläger extrem schrill geschrien habe, wie sie es von ihm noch nie zuvor gehört habe; der Beklagtenvertreter hat beantragt, für den Fall, dass das Gericht zur Überzeugung gelangen sollte, dass ein Impfschaden vorliege, zur Gewährung rechtlichen Gehörs Schriftsatznachlass zu gewähren, um zu den mit Schriftsatz vom 04.12.2015 sowie in der heutigen Sitzung übergebenen Unterlagen und zu den Schriftsätzen der Bevollmächtigten des Klägers vom 10.12.2015, 11.12.2015 und 14.12.2015 Stellung nehmen zu können.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.05.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 zu verurteilen, bei dem Kläger ein Anfallsleiden und eine Entwicklungsretardierung als Impfschaden im Sinne des IfSG anzuerkennen und ihm ab Antragstellung Versorgung nach dem IfSG zu gewähren,
2. hilfsweise und höchstvorsorglich die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die erstinstanzliche Akte des SG Bayreuth, die Impfschadens- sowie die Schwerbehindertenakte des Beklagten zum Verfahren beigezogen, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der streitgegenständlichen Berufungsakte im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird. Sämtlicher Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 30.05.2012 und der Bescheid vom 29.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 sind aufzuheben Der Bescheid vom 29.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 ist materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Dem Kläger ist Versorgung nach dem IfSG auf der Grundlage einer MdE (bis zum 20.12.2007) bzw. eines GdS (ab dem 21.12.2007) von 60 ab dem 10.03.2001 und von 100 ab dem 01.01.2002 zuzusprechen, weil das bei ihm vorliegende Anfallsleiden mit Entwicklungsretardierung (Dravet-Syndrom) kausal auf die am 07.03.2001 durchgeführte Pertussis-Impfung zurückzuführen ist.
Das Begehren des Klägers beurteilt sich dabei ausschließlich nach dem IfSG, weil der Antrag am 20.10.2001 und damit zu einem Zeitpunkt gestellt worden ist, als das - das BSeuchG ohne Übergangsvorschrift ablösende (siehe Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20.07.2000, BGBl. I, S. 1045) - IfSG (seit dem 01.01.2001) in Kraft war (siehe dazu auch BSG Urteil vom 20.07.2005 - B 9a/9 VJ 2/04 R - dokumentiert bei Juris).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG (in den seit dem 10.03.2001 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG geltenden Fassungen, weil nach dem Grundsatz des intertemporalen Rechts BSG Urteil vom 04.09.2013 - B 10 EG 11/12 R - dokumentiert bei Juris Rn. 42 f. m. w. N.; Bayerisches LSG, Urteil vom 26.04.2012 - L 15 VS 2/06 - dokumentiert bei Juris Rn. 45, 50>, dass eine Rechtsänderung auch bereits begonnene, aber noch nicht vollendete Sachverhalte erfasst, soweit keine besondere Übergangsregelung vorhanden ist, der Fall zeitabschnittsbezogen anhand sämtlicher Gesetzesfassungen zu prüfen ist, die sich seit dem ersten Entstehen des Anspruchs auf Versorgung in Kraft befunden haben, so dass vorliegend sämtliche Gesetzesfassungen seit dem 10.03.2001 zu berücksichtigen sind) erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2. aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3. gesetzlich vorgeschrieben war oder
4. aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden, wobei die Zustimmung allgemein erteilt werden kann (vgl. § 61 Sätze 2 und 3 IfSG).
Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung, wobei ein Impfschaden auch vorliegt, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.
Neben einer „Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe“, die die genannten Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllen müssen (1. Glied), muss damit auch eine „gesundheitliche Schädigung“ (2. Glied) als Primärschädigung (d. h. Impfkomplikation) ebenso wie der „Impfschaden“ (3. Glied, d. h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also der Folgeschaden) im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein (vgl. BSG Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R - dokumentiert bei Juris Rn. 38; siehe dazu auch Urteil des erkennenden 15. Senats des BayLSG vom 31.07.2012 - L 15 VJ 9/09 - dokumentiert bei Juris Rn. 36, wonach es unschädlich ist, wenn die Primärschädigung, also das 2. Glied, nicht deutlich zu Tage tritt, sondern im Verborgenen erfolgt, weil der Zusammenhang zwischen Impfung und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen „Etappe“ beurteilt werden muss).
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen (BSG Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R - dokumentiert bei Juris Rn. 34). Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen (vgl. BSG Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R - dokumentiert bei Juris Rn. 34; BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R - dokumentiert bei Juris). Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R - dokumentiert bei Juris Rn. 34 m. w. N.). Eine Tatsache ist damit bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. BSG Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R - dokumentiert bei Juris Rn. 34; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 3b m. w. N.).
Hier sind die drei Glieder der Kausalkette im Sinne des genannten Vollbeweises nachgewiesen.
Die beim Kläger am 07.03.2001 durchgeführte Impfung (6-fach-Impfung gegen Tetanus, Diphterie, Pertussis, Hib, Hepatitis B und Polio) ist durch den Eintrag im Impfausweis unter Nennung des Impfstoffes, der Chargen-Nummer, Unterschrift und Stempel des impfenden Arztes zweifelsfrei nachgewiesen. Die Impfung unterfällt als von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlene Impfung auch dem Schutzbereich des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG.
Auch ist es - entgegen der Auffassung des SG - in der Folgezeit bei dem Kläger zu einer Impfkomplikation (Primärschädigung) dergestalt gekommen, dass der Kläger nach dem glaubhaften Vortrag seiner Mutter am Folgetag der Impfung (08.03.2001) durch für diesen untypisches Quengeln, Weinen und durchgehende Unruhe aufgefallen und es dann am 10.03.2001 unstreitig zum ersten cerebralen Krampfanfall gekommen ist. Nachdem der Senat davon überzeugt ist, dass die Reaktion des Klägers über das normale Maß einer Impfreaktion hinausging, bedurfte es der in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2015 beantragten Einvernahme der Mutter des Klägers nicht.
In der Folgezeit ist beim Kläger dann ein Dravet-Syndom (d. h. ein Anfallsleiden mit psycho-motorischer Entwicklungsverzögerung) diagnostiziert worden, d. h. eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung eingetreten (Folgeschaden), was daneben auch zur Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft und Zuerkennung eines GdB von 100 durch den Beklagten auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.11.2001 durch Frau B. geführt hat.
Zwischen der am 07.03.2001 durchgeführten Impfung (speziell der Pertussis-Komponente) und der oben genannten Primärschädigung besteht dabei ebenso eine Ursächlichkeit (haftungsbegründende Kausalität) wie zwischen der Primärschädigung und dem o.g. Folgeschaden (haftungsausfüllende Kausalität). Der insoweit nach dem IfSG notwendige Kausalzusammenhang liegt zur Überzeugung des Senats nach den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. F. in seinem Gutachten vom 25.11.2013 und ergänzenden Stellungnahmen vom 03.10.2014 und 14.10.2015 sowie den Ausführungen von Prof. Dr. E. in seinem Gutachten vom 15.02.2015 vor.
Für diese Kausalität gilt gegenüber dem Vollbeweis ein abgeschwächterer Beweismaßstab - nämlich der der Wahrscheinlichkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. auch BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R - dokumentiert bei Juris Rn. 38; siehe zum Ganzen auch der erkennende Senat im Urteil vom 31.07.2012 - L 15 VJ 9/09 - dokumentiert bei Juris Rn. 33 ff.; dazu sogleich).
Wahrscheinlichkeit bedeutet dabei, dass mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84 - dokumentiert bei Juris; BSG, Urteil vom 26.06.1985 - 9a RVi 3/83 - dokumentiert bei Juris; BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 4/84 - dokumentiert bei Juris; BSG, Urteil vom 19.08.1981 - 9 RVi 5/80 - dokumentiert bei Juris; BSG, Urteil vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R - dokumentiert bei Juris; BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R - dokumentiert bei Juris Rn. 38). Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R - dokumentiert bei Juris Rn. 38).
Wie auch sonst im Versorgungsrecht gilt für beide Kausalverläufe zudem die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R - dokumentiert bei Juris Rn. 37; siehe zum Ganzen auch das Urteil des erkennenden 15. Senats des BayLSG vom 31.07.2012 - L 15 VJ 9/09 - dokumentiert bei Juris Rn. 34 ff.; dazu, dass auch nach Ablösung der entsprechenden Regelungen des BSeuchG durch §§ 60, 61 IfSG für beide Komponenten der Kausalität der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit greift, siehe der erkennende Senat imUrteil vom 31.07.2012 - L 15 VJ 9/09 - dokumentiert bei Juris Rn. 34 ff.). Im Rahmen der Kausalität ist eine Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat.
Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.1974 - 10 RV 209/73 - dokumentiert bei Juris) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs „annähernd gleichwertig“ sind. Während die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - dokumentiert bei Juris; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 8/06 R - dokumentiert bei Juris) demgegenüber den Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ für nicht geeignet zur Abgrenzung hält, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich ansieht, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von „überragender Bedeutung“ ist, hat der für das Soziale Entschädigungsrecht - und damit auch das Impfschadensrecht - zuständige 9. Senat des BSG in einer neuen Entscheidung vom 16.12.2014 (B 9 V 6/13 R - dokumentiert bei Juris) zur annähernden Gleichwertigkeit Folgendes ausgeführt:
„Kommt einem der Umstände gegenüber anderen indessen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinne. Bei mehr als zwei Teilursachen ist die annähernd gleichwertige Bedeutung des schädigenden Vorgangs für den Eintritt des Erfolgs entscheidend. Haben also neben einer Verfolgungsmaßnahme mehrere weitere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge beigetragen, ist die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Verfolgungsmaßnahme in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen.“
Dem vorgenannten Urteil lag ein Rechtstreit aus dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zugrunde. Einer „Verfolgungsmaßnahme“ im Sinne dieses Urteils entspricht daher, übertragen auf ein Verfahren aus dem Impfschadensrecht, eine durchgeführte Impfung.
Von einer annähernd gleichwertigen versorgungsrechtlich relevanten Ursache ist daher beim Vorliegen von mehr als einer Ursache (nur) dann auszugehen, wenn das Gewicht der versorgungsrechtlich relevanten Ursache mindestens so groß ist wie das der einen anderen versorgungsrechtlich nicht relevanten Ursache bzw. aller anderen versorgungsrechtlich nicht relevanten Ursachen zusammen.
Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen und damit keine Ursache im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden (BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 8/06 R - dokumentiert bei Juris Rn. 20; siehe auch BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 26/04 R und B 2 U 1/05 R - dokumentiert bei Juris m. w. N.; zur Gelegenheitsursache siehe auch speziell fürs soziale Entschädigungsrecht: BSG, Urteil vom 26.01.1994 - 9 RVg 3/93 - dokumentiert bei Juris Rn. 24 a.E., BSG Urteil vom 29.10.1980 - 9 RV 23/80 - dokumentiert bei Juris Rn. 20).
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind - nach dem für das Unfallversicherungsrecht zuständigen Senat des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - dokumentiert bei Juris Rn. 16) - neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens (aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war), weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte; ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
Dabei sind auch generelle und allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang zu berücksichtigen; die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - dokumentiert bei Juris Rn. 17). Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat „anhand“ des konkreten individuellen Versicherten (hier der geimpften Person) unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - dokumentiert bei Juris Rn. 18); dabei ist auf das individuelle Ausmaß seiner Beeinträchtigungen abzustellen, wie es sich objektiv darstellt, nicht jedoch wie er es subjektiv bewertet (vgl. BSG a. a. O.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die beim Kläger am 07.03.2001 durchgeführte Impfung nicht nur eine Gelegenheitsursache für das Anfallsleiden mit Entwicklungsretardierung (Dravet-Syndrom), sondern gegenüber der genetischen Determination gleichwertige Mitursache im Sinne oben genannter Kriterien, d. h. das Gewicht der Impfung ist mindestens so groß wie das der genetischen Determination. Bzgl. der versorgungsrechtlich zu bejahenden Kausalität der Impfung für das beim Kläger vorhandene Anfallsleiden teilt der Senat die Auffassungen von Prof. Dr. F., Prof. Dr. E. und Dr. T.. Die ärztlichen Meinungen von Dr. F., Prof. Dr. R., Dr. K., Dr. K., Dr. H. und Dr. K. sind dagegen nicht überzeugend.
Seit März 2001 leidet der Kläger an dem so genannten Dravet-Syndrom, das in typischer Weise eine multifaktorielle Ätiopathogenese aufweist. Auch wenn die pathogenetische Mitwirkung der SCN1A-Mutation beim Kläger nicht in Frage zu stellen ist, ist diese nur als pathogener Teilfaktor in einem komplexen pathogenetischen Bedingungsgefüge zu verstehen, wobei die Impfung die entscheidende Rolle eines krankheitsauslösenden Faktors bei einer vorbestehenden entsprechenden Disposition spielt.
Zur Gewichtung dieser beiden Faktoren (genetische Determination und Impfung) ist zu sagen, dass nicht jede per EEG etc. markierte Determination und auch nicht jede SCN1A-Mutation zu einem Anfallsleiden führt. Infektionsbedingte Manifestationen sind auch etwas häufiger als impfbedingte; im Fall des Klägers ist die Manifestation aber konkret und ausschließlich durch die Impfung erfolgt. Die genetische Determination einerseits und die impfbedingte Manifestationsprovokation andererseits sind hier als Teilursachen gleichgewichtig. Die hier vorliegende SCN1A-Mutation ist nicht die Ursache des klägerischen Leidens, sondern nur eine Teilursache.
55-60 Stunden nach der Pertussis-Impfung, und damit innerhalb der normierten Inkubationszeit von 72 Stunden, hat der Kläger eine Impfreaktion in Form von Misslaunigkeit, Schreiattacken und Unruhe gezeigt. Wenig später ist dann ein etwa 10 Minuten dauernder generalisierter, rechtsbetonter epileptischer Anfall aufgetreten, der die Entwicklung einer schweren frühkindlichen myoklonischen Epilepsie - einem Dravet-Syndrom (= Severe Myoclonic Epilepsy of Infancy ) - eingeleitet hat. Von diesem impfnahen Verlauf ist der Senat aufgrund der sachlichen und in sich schlüssigen Angaben der Mutter des Klägers überzeugt; Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen für den Senat nicht.
Ungewöhnlich schrilles Schreien, mehrere Stunden nach Impfung einsetzend und durchaus unstillbar über viele Stunden oder sogar Tage andauernd, ist - so überzeugend Prof. Dr. E. - neuropädiatrisch zweifelsfrei als Symptom einer passageren Impfencephalopathie einzuordnen. Am häufigsten (ein Prozent oder häufiger) wird es nach dem veralteten Keuchhusten-Ganzkeim-Impfstoff beobachtet. Für jeden Pädiater und Neuropädiater ist daher - so überzeugend Prof. Dr. E. - klar, dass, wenn innerhalb der ersten drei Tage nach einer Impfung mit Keuchhustenkomponente ein Krampfanfall auftritt (oder eine Encephalopathie), mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung besteht. Für keine andere Impfung ist - worauf Prof. Dr. E. hinweist - eine derart enge und hochgradig signifikante normierte postvakzinale Inkubationszeit bekannt. Wenn von Dr. F., Prof. Dr. R., Dr. K., Dr. H. und Dr. K. eine postvakzinale Encephalopathie verneint wird, so ist dies somit ein Irrtum, sie ist vorhanden gewesen.
Die Entstehung des Dravet-Syndroms ist insoweit nicht auf die Wirkung nur eines pathogenen Faktors, zum Beispiel allein oder auch nur überwiegend auf genetische oder organische Faktoren zurückzuführen. Die Pathogenese ist vielmehr wie bei anderen Epilepsieformen multifaktorieller Natur, das heißt durch unterschiedliche exogene (zum Beispiel Impfung, Traumen etc.) und endogene Faktoren (erbliche Veranlagung unterschiedlichen Typs und andere) bestimmt. Das Dravet-Syndrom ist ein Prototyp einer Epilepsie auf multifaktorieller Basis. In der Familie vorkommende Epilepsien und/oder eine im EEG erkennbare Disposition und andererseits exogene Faktoren (zum Beispiel Impfung) wirken in einem äußerst komplexen Bedingungsgefüge zusammen, wobei die SCN1A-Mutation ein Teil dieses Systems ist, die aber nicht zwangsläufig zur Epilepsie führt. Erst die Impfung bringt die Disposition (Veranlagung) zur klinischen Manifestation. Dafür spricht auch, dass nicht alle Merkmalsträger erkranken, manche bleiben gesund, andere sind nur sehr milde betroffen. Weiterhin ist zu betonen, dass beim Wechsel des Impfstoffes vom alten Ganzkeim-Impfstoff auf den azellulären Impfstoff die gefürchteten unerwünschten Wirkungen der Impfung drastisch zurückgegangen sind, die Mutation dagegen nicht. Die Erwartung von B. et al., die Häufigkeit der unerwünschten Wirkungen würde beim Wechsel des Impfstoffes gleich bleiben, hat sich daher - wie Prof. Dr. F. in seinem Gutachten deutlich macht - gerade nicht erfüllt. Daher ist es - worauf Prof. Dr. F. zutreffend hingewiesen hat - unumgänglich notwendig, die alte DPT-Impfung und ihre weltweit akzeptierten Komplikationen in die Betrachtung einzubeziehen, da es nur so möglich ist, ein korrektes Bild von ihrer Symptomatik zu gewinnen und damit die Möglichkeit eines Vergleichs mit den sehr seltenen Komplikationen der heutigen azellulären Vakzine-Impfung zu schaffen. Dass die DPT-Impfung alter Art das Auftreten von Fieberkrämpfen begünstigt hat, wird heute nicht mehr bezweifelt. Es ist aber auch unübersehbar, dass es auch nach Impfung mit azellulärer Pertussis-Vakzine vereinzelt zu konvulsiven Reaktionen mit gleicher Symptomatik, mit normierter Inkubationszeit und mit ungünstiger Prognose, kommen kann. So sind auch schon 1993 beim Paul-Ehrlich-Institut 34 Fälle gemeldet worden. Die Semiologie des Krankheitsbildes zeigt auch beim Kläger Besonderheiten, wie sie von den konvulsiven Reaktionen auf den Ganzkeim-Impfstoff geläufig sind: normierte Inkubationszeit, Aktivierung von Fieberkrämpfen und selten auch afebrile epileptische Anfälle, persisting screaming.
Insoweit lässt die Gesamtheit der Beobachtungen von konvulsiven Reaktionen nach der Pertussis-Impfung darauf schließen, dass das für die schwere myoklonische Epilepsie verantwortliche pathogenetische Bedingungsgefüge besonders leicht (in fast spezifischer Weise) durch das Pertussis-Antigen oder -Toxin zur klinischen Manifestation gebracht wird.
Nicht erwiesen ist demgegenüber, dass die SCN1A-Mutation der letztlich entscheidende Faktor für die Manifestation des Krankheitsbildes ist. Die drastische Reduktion der Häufigkeit von Komplikationen nach Wechsel des Impfstoffes hat dies deutlich gezeigt. Wäre die Mutation der entscheidende pathogene Faktor für die Manifestation der Krämpfe (Fieberkrämpfe und Epilepsie), müsste man heute bei azellulärer Impfung weitgehend unverändert konvulsive Reaktionen finden. Diese Erwartung hat sich in keiner Weise bestätigt. Hier sei auch nochmal erwähnt, dass die SCN1A-Mutation nicht zwangsläufig zur Epilepsie führt; andernfalls müsste man, wie B. et al. fälschlich annehmen, im Gefolge des Impfstoff-Wechsels ein Dravet-Syndrom in unveränderter Häufigkeit sehen, was aber gerade nicht der Fall ist.
Der durch den Wechsel des Impfstoffs erfolgte drastische Rückgang von postvakzinalen Krämpfen und Folgeepilepsien erlaubt daher - worauf Prof. Dr. F. zutreffend hingewiesen hat - folgenden Schluss: In dem komplexen ätiopathogenetischen Bedingungsgefüge der konvulsiven Impfreaktion/Epilepsie ist allein durch eine Änderung nur eines Faktors (Wechsel des Impfstoffes) ein drastischer Wandel eingetreten. Dies ist zugleich ein unbezweifelbares Argument gegen die Erlanger Meinung, wonach es Pertussis-Impfkomplikationen nicht gebe.
Damit ist die Impfung gleichwertige Mitursache der konvulsiven Reaktion und der sich in der Folge entwickelnden schweren myoklonischen Epilepsie. Der nicht erblichen SCN1A-Mutation und den an bestimmten EEG-Mustern erkennbaren Veranlagungsfaktoren kommt die Eigenschaft von Mitursachen zu. Eine Gelegenheitsursache ist die Impfung nicht.
Der Befund bei der U4 („kaum Aufrichten aus Bauchlage“) ist nur vorübergehend nachweisbar gewesen. Prof. Dr. R. spricht insoweit in seinem Gutachten irreführend von einem „schwerwiegenden Befund“. Dabei hat er auch außer Acht gelassen, warum im Rahmen der U4 ein solcher Befund erhoben worden ist. Nach den glaubhaften Angaben der Mutter des Klägers hat sie bis zur U4 Angst vor dem so genannten plötzlichen Kindstod gehabt und ihr Kind daher nie in Bauchlage gebracht; deshalb hat der Kläger diese Fertigkeit (des Aufrichtens in Bauchlage) im Rahmen der U4 nicht vorweisen können. Nach Anleitung durch den Kinderarzt hat der Kläger dies in der Folgezeit aber rasch aufgeholt, so dass die weitere Entwicklung des Klägers altersgerecht gewesen ist, was sich auch an dem im Rahmen der U5 erhobenen Befund gezeigt hat. Zudem können nach den bekannten Denver-Entwicklungsskalen 90% (und eben nicht 100%) aller gesunden Säuglinge im vierten Lebensmonat in Bauchlage den Kopf um 90 Grad heben.
Zum Kernspinbefund (cranielle MRT-Diagnostik) am 26.04.2001 ist dagegen mit Herrn Prof. Dr. E. und Prof. Dr. F. zu sagen, dass genau gesehen Seitendifferenzen (wie sie auch hier festgestellt worden sind) nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. Von den Gutachtern Dr. F., Dr. K., Dr. H. und Dr. K. ist diese bedeutungslose MRT-Seitendifferenz hochstilisiert worden. Eine Fehlentwicklung (Dysplasie) kann damit ausgeschlossen werden, so dass sich sogenannte Vorschäden oder Vorkrankheiten als nicht erwiesen dargestellt haben. Beim Kläger liegt damit gerade keine - wie von Dr. F., Dr. K. Dr. H. und Dr. K. behauptet - angeborene linkshirnige Fehlbildung vor.
Im Gegensatz zum Gutachten von Prof. Dr. F. lassen die Gutachten und Stellungnahmen von Dr. F., Prof. Dr. R., Dr. K., Dr. H. und Dr. K. auch eine ausreichende wissenschaftliche Befassung mit der Literatur vermissen. Die Stellungnahme von Dr. K. erschöpft sich insoweit - nach dessen eigenen Ausführungen - auch nur im Kundigmachen mit der aktuellen Literatur, wobei dieser (soweit verfügbar) auch nur die jeweiligen Abstracts gelesen hat, die er zudem als zur Beantwortung der Fragestellung wenig hilfreich bezeichnet hat; eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur stellt dies nicht dar.
Dem Kläger ist daher Versorgung gemäß § 60 IfSG i. V. m. § 31, § 60 Abs. 1 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz - BVG (in den - nach dem Grundsatz des intertemporalen Rechts - seit dem 10.03.2001 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG geltenden Fassungen) auf der Grundlage einer MdE (bis zum 20.12.2007) bzw. eines GdS (ab dem 21.12.2007) von 60 ab dem 10.03.2001 und von 100 ab dem 01.01.2002 zu gewähren.
Dies ergibt sich für den Senat aufgrund der Schilderungen der Mutter des Klägers, den vorliegenden Klinikberichten und den Einschätzungen von Prof. Dr. E. und Dr. T.. Danach ist es beim Kläger bis Dezember 2001 bei einer Anfallshäufigkeit von gut einmal pro Monat geblieben, wobei in dieser Zeit mehrmals eine Veränderung der antiepileptischen Behandlung vorgenommen worden ist. Eine konvulsive Therapie ist erst ab Juni 2001 erfolgt. Ab 2002 hat sich die Anfallshäufigkeit dann in auffallender Weise enorm gesteigert, wo es dann in sehr kurzen Abständen (bis zu dreimal pro Woche) zu Anfällen gekommen ist.
Gemäß Teil A 26.3 B. der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996, 2004, 2005 bzw. 2008 bzw. Teil B 3.1.2 der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 lagen beim Kläger danach ab dem 10.03.2001 epileptische Anfälle in mittlerer Häufigkeit (d. h. generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen) mit einer MdE bzw. einem GdS von 60 und ab dem 01.01.2002 häufige Anfälle (generalisierte [große] oder komplex-fokale Anfälle wöchentlich oder Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen; kleine und einfach-fokale Anfälle täglich) mit einer MdE bzw. einem GdS von 100 vor.
Dem in der mündlichen Verhandlung am 15.12.2015 gestellten Antrag des Beklagtenvertreters auf Gewährung von Schriftsatznachlass, um zu den mit Schriftsatz vom 04.12.2015 sowie in der Sitzung vom 15.12.2015 übergebenen Unterlagen und zu den Schriftsätzen der Bevollmächtigten des Klägers vom 10.12.2015, 11.12.2015 und 14.12.2015 Stellung nehmen zu können, war dagegen nach der Überzeugung des Senats nicht nachzukommen, weil außer des gerichtlichen Schreibens vom 04.12.2015, mit dem dem Beklagten der klägerische Schriftsatz vom 30.11.2015 nebst Anlagen zur Kenntnis gebracht wurde, die genannten Unterlagen und Schriftsätze nicht entscheidungsrelevant waren. Bzgl. des gerichtlichen Schreibens vom 04.12.2015 hatte der Beklagte dagegen - bis zur mündlichen Verhandlung am 15.12.2015 - ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.