Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 02. Sept. 2016 - L 10 AL 125/15 NZB

published on 02/09/2016 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 02. Sept. 2016 - L 10 AL 125/15 NZB
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Sozialgericht Augsburg, S 7 AL 18/13, 18/02/2015

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Tenor

I.

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.2015 - S 7 AL 18/13 - wird verworfen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Streitig ist der Eintritt zweier Sperrzeiten (drei Wochen und sechs Wochen) bei einem täglichen Leistungsentgelt in Höhe von 16,22 €.

Das Sozialgerichts Augsburg (SG) hat die verbundenen Klagen mit Urteil vom 18.02.2015 abgewiesen (zugestellt an den Kläger am 13.05.2015). Das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden.

Dagegen hat der Kläger ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) am 27.05.2015 erhoben. Die Berufung hätte gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen werden müssen. Das SG habe gegen rechtsstaatliche Grundsätze und gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung verstoßen. Es habe die Pflicht zur Amtsermittlung verletzt, die strittige Frage nur oberflächlich beantwortet und nur Kommentare zitiert.

Nach Hinweis des Beklagten im Schreiben vom 20.07.2015 und des LSG, das die Akten des SG samt Urteil erst am 26.06.2015 erhalten hat, mit Schreiben vom 11.09.2015 auf die Zulässigkeit der Berufung hat der Kläger im Rahmen eines Befangenheitsantrages gegen die Richter des damals zuständigen 9. Senates am 08.01.2016 ausgeführt, es sei unübersehbar, dass die Berufung angestrebt worden sei. § 123 SGG hätte angewandt werden müssen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II. Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist nicht zulässig.

Gegen das Urteil des SG ist die Berufung zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Über dieses Rechtsmittel ist der Kläger vom SG zutreffend belehrt worden.

Der Kläger hat dennoch ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG erhoben und darauf hingewiesen, dass die Berufung hätte zugelassen werden müssen. Zudem geht er in seiner Begründung gerade auf Gründe ein, die zur Zulassung einer an sich nicht zulässigen Berufung führen (Abweichen von der obergerichtlichen Rechtsprechung und Verfahrensfehler im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG). Damit aber hat er einen eindeutigen und klaren Antrag auf Zulassung der Berufung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gestellt. Das Begehren auf Zulassung der Berufung ist von ihm so deutlich formuliert, dass Zweifel über das Gewollte nicht bestehen. Bei der Auslegung eines Antrages geht das Gericht davon aus, was der Kläger erreichen wollte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 123 Rn. 3). Hier wollte der Kläger zweifelsohne eine Zulassung der Berufung durch eine Nichtzulassungsbeschwerde erreichen. Der Kläger wollte gerade eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben, denn er führt aus, die Berufung hätte zugelassen werden müssen. Eine Auslegung dieses entgegen der vom SG erteilten Rechtsmittelbelehrung eindeutig und klar gestellten Antrages ist deshalb nicht erforderlich und auch nicht möglich. Die vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist einer Auslegung als Berufung daher nicht zugänglich (vgl. dazu BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B - veröffentlicht in juris für den umgekehrten Fall). Unabhängig davon, ob das eingelegte Rechtsmittel der erteilten Belehrung entspricht oder davon abweicht, ist für die Annahme kein Raum, der Erklärende habe ein anderes als das von ihm bezeichnete Rechtsmittel einlegen wollen (vgl. BSG, Urteil vom 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R - veröffentlicht in juris). Es sind auch keine anderen Umstände hinzugetreten, die entgegen dem Wortlaut der Erklärung den wahren Willen des Erklärenden erkennen lassen, nachdem vorliegend außer der Bezeichnung auch alle übrigen Ausführungen des Klägers für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde sprechen (vgl. hierzu ebenfalls BSG a. a. O.).

Eine Umdeutung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Begriff der Umdeutung wird im Gesetz für fehlerhafte Verwaltungsakte (vgl. § 43 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, § 47 Verwaltungsverfahrensgesetz) und für nichtige Rechtsgeschäfte verwendet (vgl. die Überschrift zu § 140 Bürgerliches Gesetzbuch in der seit 01. 01. 2002 geltenden Fassung). Da es sich bei einem unzulässigen Rechtsmittel weder um das eine noch um das andere handelt, ist bei der Annahme von Umdeutungsmöglichkeiten Zurückhaltung geboten. Für das Verhältnis von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde kommt aber eine solche Umdeutung wegen der unterschiedlichen Zielrichtung nicht in Betracht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20.05.2003 und Urteil vom 10.11.2011 jeweils a. a. O.).

Die Frage, ob das LSG den Kläger rechtzeitig im Rahmen der prozessualen Fürsorgepflicht nochmals auf die Zulässigkeit der Berufung hätte hinweisen müssen - die SG-Akten samt Urteil sind aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim LSG eingegangen -, kann vorliegend offen gelassen werden, denn die Nichtzulassungsbeschwerde wäre trotz alledem als unzulässiges Rechtsmittel zu verwerfen, zumal der Kläger auch im Schreiben vom 07.01.2016 im Rahmen eines gestellten Befangenheitsantrages nicht eindeutig erklärt hat, er lege nunmehr Berufung ein. Vielmehr hat er lediglich ausgeführt, es sei unübersehbar, dass er die Berufung angestrebt habe. Die Berufung wird aber von ihm letztendlich über eine Zulassung mittels Nichtzulassungsbeschwerde angestrebt.

Nach alledem war die Beschwerde zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
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published on 17/10/2017 00:00

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.07.2017 - S 13 AS 690/17 - wird verworfen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Grün
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Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.07.2017 - S 13 AS 573/17 - wird im Hinblick auf die Minderung verworfen und im Übrigen zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
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Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.07.2017 - S 13 AS 4/17 - wird verworfen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe
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Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 24 ist entsprechend anzuwenden.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.