Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 17. Okt. 2017 - L 11 AS 592/17

bei uns veröffentlicht am17.10.2017
nachgehend
Bundessozialgericht, B 14 AS 386/17 B, 28.02.2018

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.07.2017 - S 13 AS 690/17 - wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Beklagte die Kosten für eine Lese- und Fernsichtbrille bzw. Gleitsichtbrille, die Kosten der Fußpflege und die Auslagen für Kleidung zur Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme zu übernehmen hat.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19.01.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2017 bis 28.02.2018. Am 13.06.2017 beantragte der Kläger u.a. die Übernahme der Kosten für eine Brille (Lese- und Fernsichtbrille alternativ Gleitsichtbrille), für die wegen seiner Bewegungseinschränkung erforderliche Fußpflege und die Erstattung der Ausgaben für Sportkleidung und Schuhe und ein großes Badetuch bei einer Rehabilitationsmaßnahme.

Mit dem nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Bescheid vom 22.06.2017 lehnte der Beklagte u.a. die Übernahme dieser Kosten ab. Ausgaben für eine Brille und die Fußpflege seien aus dem Regelbedarf zu decken. Zusätzliche Bedarfe für Rehabilitationsmaßnahmen gehörten nicht zum Leistungskatalog des SGB II. Im Übrigen handele es sich um Alltagskleidung, ein zusätzlicher, unabweisbarer laufender Bedarf sei nicht zu erkennen. Widerspruch hiergegen legte der Kläger (noch) nicht ein. Wegen der Ablehnung der Kosten für eine Brille hat der Kläger am 28.06.2017, wegen der Kosten für die Fußpflege am 01.07.2017 und wegen der Aufwendung für die Rehabilitationsmaßnahme am 03.07.2017 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Am 05.07.2017 bzw. 08.07.2017 ist der Kläger zur mündlichen Verhandlung am 12.07.2017 geladen worden. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat das SG mangels Durchführung eines Widerspruchsverfahrens und der damit unzulässigen Klagen mit Beschlüssen vom 10.07.2017 abgelehnt. In der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2017 hat es die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 12.07.2017 die „Klage“ abgewiesen. Sie sei zwar zulässig, denn die Klageerwiderung könne ausnahmsweise als Widerspruchsbescheid angesehen werden. Eine Kostenübernahme für die Brille und die Fußpflege komme nicht in Betracht, da diese Bedarfe vom Regelbedarf erfasst seien. Es handele sich nicht um einen laufenden besonderen Bedarf, der in einer atypischen Lebenslage anfiele. Die wegen der Rehabilitationsmaßnahme entstandenen Aufwendungen stellten keinen zusätzlichen unabweisbaren laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II dar. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Vorsitzende des SG habe „von nichts eine Ahnung“, über PKH-Anträge sei erst im Nachhinein entschieden worden, Ladungsfristen seien nicht eingehalten worden. Mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren hat er sich nicht einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.07.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2017 zu verurteilen, die Kosten für Brillengläser, für die Fußpflege und für die Auslagen wegen der Rehabilitationsmaßnahme zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unzulässig und war daher zu verwerfen.

Der Senat konnte hierüber durch Beschluss gemäß § 158 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 158 Satz 4 SGG). Das Einverständnis der Beteiligten hierzu ist nicht erforderlich; das Vorbringen des Klägers führt nicht zur Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung.

Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird vorliegend nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Streitig ist die Kostenübernahme für Brillengläser, Fußpflege und einen Trainingsanzug, Turnschuhe und ein großes Badetuch für die Rehabilitationsmaßnahme. Hierdurch wird ein Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 € keinesfalls erreicht. Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht den Wert ermitteln. Eine überschlägige Berechnung kann hierbei ausreichen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 144 Rn. 15b). Nach einer Recherche im Internet sind Gleitsichtbrillen bereits für einen Preis bis zu 300,00 € zu erhalten, Turnschuhe, Badetücher und Trainingsanzüge sind mit einem Kaufpreis von allenfalls ca. 50,00 € zu berücksichtigen und für eine Fußpflege ein Kostenaufwand von 20,00 € bis 30,00 € anzusetzen. Damit wird der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht. Zu Recht hat das SG daher in seiner Rechtsmittelbelehrungauf das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen.

Entgegen der erteilten Rechtsmittelbelehrunghat der Kläger jedoch ausdrücklich „Berufung“ erhoben, wobei sich das Vorbringen des Klägers vorliegend nicht dem erstinstanzlichen Verfahren zuordnen lässt. Das SG hat die Ladungsfristen eingehalten (§ 202 SGG iVm § 217 Zivilprozessordnung) und nach Vorlage des angeforderten Fragebogens zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor der mündlichen Verhandlung über die Bewilligung von PKH entschieden. Bei der Auslegung eines Antrages geht der Senat davon aus, was der Kläger erreichen möchte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 123 Rn. 3). Nachdem die weiteren Ausführungen des Klägers nicht zum vorliegenden Verfahren in Beziehung stehen - der Kläger war zur mündlichen Verhandlung vor dem SG persönlich erschienen und hat auch die angeblich fehlende rechtzeitige Entscheidung über den Antrag auf PKH nicht moniert -, bleibt allein der von ihm gewählte Wortlaut, um sein Begehren auszulegen. Hiernach hat er ausdrücklich „Berufung“, nicht aber Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Diese entgegen der erteilten Rechtsmittelbelehrungausdrücklich vom Kläger gewählte Bezeichnung ist einer Auslegung nicht zugänglich, es ist eine Umdeutung erforderlich. Eine Umdeutung einer Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist aber grundsätzlich auch bei nicht rechtskundig vertretenen Klägern nicht möglich (BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B -, Beschluss des Senates vom 02.09.2016 - L 10 AL 125/15 NZB - beide veröffentlicht in juris; vgl. dazu auch Leitherer a.a.O. § 151 Rn. 11a). Der Kläger ist vom Senat auch auf das zutreffend zu erhebende Rechtsmittel innerhalb der noch offenen Rechtsmittelfrist hingewiesen worden (Schreiben vom 17.08.2017).

Nach alledem war die Berufung zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 17. Okt. 2017 - L 11 AS 592/17

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 17. Okt. 2017 - L 11 AS 592/17 zitiert 9 §§.

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 21 Mehrbedarfe


(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 158


Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entsc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 217 Ladungsfrist


Die Frist, die in einer anhängigen Sache zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstag liegen soll (Ladungsfrist), beträgt in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage.

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Sozialgericht Nürnberg Urteil, 12. Juli 2017 - S 13 AS 690/17

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Lese- und Fernsichtbrille, alternativ einer Gleitsichtbrille sowie die Übernahme der Kosten der Fußpflege und der Auslagen anlässlich einer Reha-Maßnahme.

Mit Bescheid vom 22.06.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab. Daraufhin erhob der Kläger am 26.06.2017 Klage und begehrte die Kostenübernahme für die Gläser einer Lesebrille. Dieses Verfahren wurde unter dem Az. S 13 AS 690/17 registriert. Am 01.07.2017 erhob der Kläger Klage mit dem Ziel der Übernahme der Kosten der Fußpflege. Diese Klage wurde unter dem Az. S 13 AS 704/17 registriert. Am 03.07.2017 wandte sich der Kläger schließlich gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten für die Auslagen der Reha-Maßnahme. Diese Klage wurde unter dem Az. S 13 AS 705/17 registriert. In der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2017 wurden die Streitsachen S 13 AS 690/17, S 13 AS 704/17 und S 13 AS 705/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Sie führen nunmehr das Az. S 13 AS 690/17. Trotz Hinweis des Gerichtes, dass die Klagen als Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 22.06.2017 gewertet werden könnten, über den die Beklagte noch entscheiden würde, beharrte der Kläger auf Erlass eines Endurteils.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2017, die Übernahme der Kosten für Brillengläser, für Fußpflege und der Kosten für die Auslagen während der Reha-Maßnahme.

Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. In der Klageerwiderung kann ausnahmsweise der Widerspruchsbescheid gesehen werden, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gab, dass sie nicht bereit wären im Widerspruchsverfahren den Bescheid vom 22.06.2017 zugunsten des Klägers abzuändern und der Kläger trotz des Hinweises, dass seine Klagen als zulässiger Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.06.2017 gewertet werden können, auf Erlass eines Endurteils beharrte.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Dem Kläger stehen die begehrten Leistungen nicht zu.

Die Kostenübernahme für eine Brille und die Fußpflege kommt nicht in Betracht, da derartige Bedarfe von der Regelleistung erfasst werden. Sie stellen keinen besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II dar. Es handelt sich nicht um laufende, nicht nur einmalige besondere Bedarfe, die in atypischen Lebenslagen anfallen. Eine Kostenübernahme erfolgt in Ausnahmefällen durch die Krankenkasse (z.B. Fußpflege für Diabetes-Kranke). Ob die Voraussetzungen für Leistungen der Krankenkasse erfüllt sind, müsste der Kläger von der Krankenversicherung klären lassen. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, hat die Krankenkasse eine Leistungsgewährung bereits abgelehnt.

Eine Leistung für Kleidung während der Reha-Maßnahme ist im SGB II ebenfalls nicht vorgesehen. Ein zusätzlicher unabweisbarer Verbrauch und laufender Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II kann nicht anerkannt werden, so dass die Beklagte insoweit auch zu recht die Leistungsgewährung abgelehnt hat.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Die Frist, die in einer anhängigen Sache zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstag liegen soll (Ladungsfrist), beträgt in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage.

Tenor

I.

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.2015 - S 7 AL 18/13 - wird verworfen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Streitig ist der Eintritt zweier Sperrzeiten (drei Wochen und sechs Wochen) bei einem täglichen Leistungsentgelt in Höhe von 16,22 €.

Das Sozialgerichts Augsburg (SG) hat die verbundenen Klagen mit Urteil vom 18.02.2015 abgewiesen (zugestellt an den Kläger am 13.05.2015). Das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden.

Dagegen hat der Kläger ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) am 27.05.2015 erhoben. Die Berufung hätte gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen werden müssen. Das SG habe gegen rechtsstaatliche Grundsätze und gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung verstoßen. Es habe die Pflicht zur Amtsermittlung verletzt, die strittige Frage nur oberflächlich beantwortet und nur Kommentare zitiert.

Nach Hinweis des Beklagten im Schreiben vom 20.07.2015 und des LSG, das die Akten des SG samt Urteil erst am 26.06.2015 erhalten hat, mit Schreiben vom 11.09.2015 auf die Zulässigkeit der Berufung hat der Kläger im Rahmen eines Befangenheitsantrages gegen die Richter des damals zuständigen 9. Senates am 08.01.2016 ausgeführt, es sei unübersehbar, dass die Berufung angestrebt worden sei. § 123 SGG hätte angewandt werden müssen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II. Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist nicht zulässig.

Gegen das Urteil des SG ist die Berufung zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Über dieses Rechtsmittel ist der Kläger vom SG zutreffend belehrt worden.

Der Kläger hat dennoch ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG erhoben und darauf hingewiesen, dass die Berufung hätte zugelassen werden müssen. Zudem geht er in seiner Begründung gerade auf Gründe ein, die zur Zulassung einer an sich nicht zulässigen Berufung führen (Abweichen von der obergerichtlichen Rechtsprechung und Verfahrensfehler im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG). Damit aber hat er einen eindeutigen und klaren Antrag auf Zulassung der Berufung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gestellt. Das Begehren auf Zulassung der Berufung ist von ihm so deutlich formuliert, dass Zweifel über das Gewollte nicht bestehen. Bei der Auslegung eines Antrages geht das Gericht davon aus, was der Kläger erreichen wollte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 123 Rn. 3). Hier wollte der Kläger zweifelsohne eine Zulassung der Berufung durch eine Nichtzulassungsbeschwerde erreichen. Der Kläger wollte gerade eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben, denn er führt aus, die Berufung hätte zugelassen werden müssen. Eine Auslegung dieses entgegen der vom SG erteilten Rechtsmittelbelehrung eindeutig und klar gestellten Antrages ist deshalb nicht erforderlich und auch nicht möglich. Die vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist einer Auslegung als Berufung daher nicht zugänglich (vgl. dazu BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B - veröffentlicht in juris für den umgekehrten Fall). Unabhängig davon, ob das eingelegte Rechtsmittel der erteilten Belehrung entspricht oder davon abweicht, ist für die Annahme kein Raum, der Erklärende habe ein anderes als das von ihm bezeichnete Rechtsmittel einlegen wollen (vgl. BSG, Urteil vom 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R - veröffentlicht in juris). Es sind auch keine anderen Umstände hinzugetreten, die entgegen dem Wortlaut der Erklärung den wahren Willen des Erklärenden erkennen lassen, nachdem vorliegend außer der Bezeichnung auch alle übrigen Ausführungen des Klägers für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde sprechen (vgl. hierzu ebenfalls BSG a. a. O.).

Eine Umdeutung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Begriff der Umdeutung wird im Gesetz für fehlerhafte Verwaltungsakte (vgl. § 43 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, § 47 Verwaltungsverfahrensgesetz) und für nichtige Rechtsgeschäfte verwendet (vgl. die Überschrift zu § 140 Bürgerliches Gesetzbuch in der seit 01. 01. 2002 geltenden Fassung). Da es sich bei einem unzulässigen Rechtsmittel weder um das eine noch um das andere handelt, ist bei der Annahme von Umdeutungsmöglichkeiten Zurückhaltung geboten. Für das Verhältnis von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde kommt aber eine solche Umdeutung wegen der unterschiedlichen Zielrichtung nicht in Betracht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20.05.2003 und Urteil vom 10.11.2011 jeweils a. a. O.).

Die Frage, ob das LSG den Kläger rechtzeitig im Rahmen der prozessualen Fürsorgepflicht nochmals auf die Zulässigkeit der Berufung hätte hinweisen müssen - die SG-Akten samt Urteil sind aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim LSG eingegangen -, kann vorliegend offen gelassen werden, denn die Nichtzulassungsbeschwerde wäre trotz alledem als unzulässiges Rechtsmittel zu verwerfen, zumal der Kläger auch im Schreiben vom 07.01.2016 im Rahmen eines gestellten Befangenheitsantrages nicht eindeutig erklärt hat, er lege nunmehr Berufung ein. Vielmehr hat er lediglich ausgeführt, es sei unübersehbar, dass er die Berufung angestrebt habe. Die Berufung wird aber von ihm letztendlich über eine Zulassung mittels Nichtzulassungsbeschwerde angestrebt.

Nach alledem war die Beschwerde zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.