Bundesarbeitsgericht Urteil, 07. Dez. 2016 - 4 AZR 414/14

ECLI: ECLI:DE:BAG:2016:071216.U.4AZR414.14.0
published on 07/12/2016 00:00
Bundesarbeitsgericht Urteil, 07. Dez. 2016 - 4 AZR 414/14
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Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 30. Juli 2013 - 6 Sa 237/13 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 18. April 2013 - 4 Ca 548/12 - wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Begründetheit einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung.

2

Die Klägerin ist bei der Schuldnerin und ihrer Rechtsvorgängerin als Krankenschwester beschäftigt. Sie erhielt bei einer monatlichen Arbeitszeit von zuletzt 120 Stunden ein Entgelt iHv. 1.851,15 Euro brutto.

3

Im Arbeitsvertrag vom 30. September 1992 heißt es ua.:

        

„§ 2

        

Anwendung von Tarifverträgen

        

Auf das Arbeitsverhältnis finden in der jeweils gültigen Fassung Anwendung:

        

a) der Bundesmanteltarifvertrag zwischen dem Bundesverband Deutscher Privatkrankenanstalten e. V. (BDPK) einerseits und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft andererseits,

        

b) der Vergütungs- und Lohntarifvertrag zwischen dem Verband der Privatkrankenanstalten (Landesverband der BDPK) einerseits und der Bezirksverwaltung ………. der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie dem Landesverband ………. der Deutschen Angestellten Gewerkschaft andererseits.

        

…       

        

§ 6

        

Vergütung

        

1.    

Fr. M... wird in die Vergütungsgruppe KR IV (§ 4/Anlage 4 des Vergütungstarifvertrages) eingereiht. …“

4

Die Schuldnerin wechselte zum 1. Januar 1994 von einer tarifgebundenen in eine außerordentliche Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung) im Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. (VPKA), welcher seinerseits Mitglied im BDPK (jetzt Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V.) ist. Seit dem Wechsel in die außerordentliche Mitgliedschaft vergütet die Schuldnerin neu eingetretene Arbeitnehmer nach einem eigenen Regelwerk.

5

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses wurde die vertragliche Arbeitszeit der Klägerin mehrfach geändert. In der Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 heißt es ua.:

        

„Die Vertragsparteien stimmen überein, dass der § 7 - Beschäftigungszeit - des am 30.09.1992 geschlossenen Arbeitsvertrages gegenstandslos ist und durch den folgenden ersetzt wird.

        

§ 7

        

Beschäftigungszeit

        

(1) Die Beschäftigungszeit (§ 9 des Bundesmanteltarifvertrages) beginnt am 01.09.2003.

        

Frau B wird auf Ihren eigenen Wunsch mit 100 Stunden monatlich beschäftigt.

        

Weitere Paragraphen des Arbeitsvertrages vom 30.09.1992 bleiben unberührt.“

6

Die mit Schreiben vom 3. Januar 2012 geltend gemachten weiter gehenden Zahlungsansprüche auf der Grundlage der „aktuellen Entgelttabelle“ wies die Schuldnerin zurück.

7

Mit ihrer am 3. Juli 2012 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Zahlung tariflicher Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von Juli 2011 bis Juni 2012 begehrt. Nachdem das Amtsgericht Coburg am 30. Juli 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt hatte, hat die Klägerin den Rechtsstreit gegen den Beklagten wieder aufgenommen und ihre Klage nunmehr auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle umgestellt.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr ursprünglicher Arbeitsvertrag verweise auf die im Tarifbezirk Bayern geltenden Vergütungs- bzw. Entgelttarifverträge. Ihre in § 6 des Arbeitsvertrags aufgeführte Bruttovergütung habe dem Betrag entsprochen, der ihr nach dem damaligen Vergütungstarifvertrag zugestanden hätte. Auch seien auf ihr Arbeitsverhältnis tatsächlich die für das Tarifgebiet Bayern maßgebenden Tarifverträge im Übrigen angewandt worden. Die Bezugnahmeklausel sei nicht mehr als Gleichstellungsabrede zu verstehen, sondern enthalte nach der Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf den zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Landesbezirk Bayern, und dem VPKA abgeschlossenen Entgelttarifvertrag Nr. 3 (ETV Nr. 3 VPKA).

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr im Insolvenzverfahren über das Vermögen der D GmbH zur Insolvenztabelle laufende Nr. 194 eine Insolvenzforderung iHv. 7.304,54 Euro brutto zusteht.

10

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 sei nur auf Wunsch der Klägerin an die wöchentliche Arbeitszeit angepasst worden. § 2 des ursprünglichen Arbeitsvertrags sei nicht Gegenstand der Vertragsänderung gewesen. Der Satz, nach dem weitere Paragrafen des Arbeitsvertrags unberührt bleiben sollten, sei lediglich floskelhaft aufgenommen worden. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass nach dem 1. Januar 1994 nur Arbeitsverträge ohne Bezugnahmeklauseln abgeschlossen worden seien.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, den Wert des Streitgegenstands auf 547,84 Euro festgesetzt und die Berufung nicht zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die - von ihm für zulässig gehaltene - Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil die Berufung des Beklagten unzulässig gewesen wäre.

14

1. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt. Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen (§ 64 Abs. 5 Halbs. 1 ArbGG).

15

Das Arbeitsgericht ist unter Zugrundelegung einer geschätzten Quote von 7,5 vH von einem Wert des Streitgegenstands von 547,84 Euro ausgegangen und hat die Berufung nicht zugelassen. Der Beklagte hat hingegen glaubhaft gemacht, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 3.652,27 Euro beträgt.

16

a) Der Wert einer Klage auf Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle richtet sich nach § 182 InsO. Danach ist der Betrag maßgebend, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Dieser ist nach gerichtlichem Ermessen zu schätzen (vgl. nur Hessisches LAG 5. August 2013 - 1 Ta 217/13 -; LAG Baden-Württemberg 3. Mai 2012 - 5 Ta 3/12 -; LAG Rheinland-Pfalz 1. März 2010 - 1 Ta 16/10 -). Maßgebend ist dabei die Sicht des über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels entscheidenden Berufungsgerichts (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 2 AZB 53/06 - Rn. 7; 13. Februar 1984 - 7 AZB 22/83 -).

17

b) Der Beklagte hat in der Berufungsschrift vorgetragen, laut Bericht des Insolvenzverwalters habe die zu erwartende Quote - anders als vom Arbeitsgericht geschätzt - mindestens 50 vH betragen. Diese Angabe hat die Klägerin nicht bestritten.

18

2. Der Statthaftigkeit der Berufung steht die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nicht entgegen (zur Bindungswirkung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung vgl. BAG 4. Juni 2008 - 3 AZB 37/08 -; 16. Mai 2007 - 2 AZB 53/06 - Rn. 6 mwN; grundlegend 2. März 1983 - 5 AZR 594/82 - BAGE 44, 13; kritisch BCF/Friedrich ArbGG 5. Aufl. § 64 Rn. 9; GK-ArbGG/Vossen Stand November 2016 § 64 Rn. 32 ff.). Die Schätzung des Arbeitsgerichts war offensichtlich unzutreffend. Das Arbeitsgericht hat die zu erwartende Quote mangels tatsächlicher Anhaltspunkte unter Heranziehung allgemeiner Erfahrungswerte geschätzt. Das Landesarbeitsgericht durfte der Streitwertbemessung demgegenüber die in der Berufungsinstanz von dem Beklagten - erstmals - vorgetragene und von der Klägerin nicht bestrittene Quote von 50 vH zugrunde legen. Der danach zutreffende Wert übersteigt 600,00 Euro.

19

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in der Sache zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht eine Arbeitsvergütung nach § 611 BGB iVm. §§ 2 und 6 des Arbeitsvertrags vom 30. September 1992 sowie § 2 ETV Nr. 3 VPKA als Insolvenzforderung iSv. §§ 174 ff. InsO iHv. 7.304,54 Euro zu.

20

1. Nach § 6 iVm. § 2 des Arbeitsvertrags vom 30. September 1992 hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 Anlage 1 zu § 2 ETV Nr. 3 VPKA in Höhe des aktuellen Tarifentgelts. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel enthält eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf den ETV Nr. 3 VPKA. Das ergibt deren Auslegung.

21

a) Der Arbeitsvertrag vom 30. September 1992 ist - ebenso wie die Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 - ein Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind (zu den Maßstäben sh. nur BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 28/10 - Rn. 29 mwN). Die Auslegung von typischen Vertragsklauseln ist der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (st. Rspr. des BAG, zB 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 105, 284; 19. Oktober 2004 - 9 AZR 647/03 - zu III der Gründe, BAGE 112, 214). Das gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE 122, 74).

22

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist der ETV Nr. 3 VPKA von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel erfasst.

23

aa) Dessen wirksamer Inbezugnahme steht nicht entgegen, dass der Landesverband Bayern (VPKA) sowie die entsprechende Bezirksverwaltung bzw. der entsprechende Landesverband der Gewerkschaften nicht ausdrücklich in der Bezugnahmeklausel genannt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Parteien haben in der Revision insoweit auch keine Rüge erhoben.

24

bb) Die Bezugnahmeklausel umfasst über ihren Wortlaut hinaus auch die Tarifverträge, die der VPKA mit der Gewerkschaft ver.di, Landesbezirk Bayern, abgeschlossen hat.

25

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei einer Bezugnahmeklausel, die - wie hier - auf bestimmte Tarifverträge „in der jeweils gültigen Fassung“ verweist, regelmäßig um eine sog. kleine dynamische Verweisungsklausel, die sich zumindest auch auf die in Bezug genommenen ändernden Tarifverträge bezieht (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 24/10 - Rn. 19; 7. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 24).

26

(2) Der ETV Nr. 3 VPKA ist ein den ursprünglich in Bezug genommenen Vergütungstarifvertrag ändernder Tarifvertrag. Einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf es deshalb nicht.

27

(a) Dem steht nicht entgegen, dass nunmehr die Gewerkschaft ver.di Tarifvertragspartei ist. Am 1. Juli 2001 verschmolzen fünf Gewerkschaften, darunter die ÖTV und die DAG, zur Gewerkschaft ver.di. Diese ist dadurch als Tarifvertragspartei an die Stelle der Gründungsgewerkschaften getreten, deren vor der Verschmelzung abgeschlossene Tarifverträge nach § 95 der Satzung für ver.di als Rechtsnachfolger unverändert fortgalten (vgl. dazu BAG 11. Mai 2005 - 4 AZR 315/04 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 114, 332). Die nunmehr von der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifverträge sind danach die ursprünglichen Tarifverträge ändernde Tarifverträge und damit von der Bezugnahmeklausel umfasst.

28

(b) Der ETV Nr. 3 VPKA ist auch nicht deshalb ein gänzlich anderes Tarifwerk, weil die Bezugnahmeklausel auf den „Vergütungs- und Lohntarifvertrag“ verweist. Bei den Entgelttarifverträgen handelt es sich lediglich um eine - sprachliche und inhaltliche - Zusammenfassung der Vergütungs- und Lohntarifverträge. Eine weiter gehende - grundsätzliche - Änderung des bisherigen Tarifsystems und der bisherigen Tarifwerke ist mit der Neufassung nicht verbunden gewesen.

29

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der Bezugnahmeklausel nicht um eine sog. Gleichstellungsabrede, die eine unbedingte zeitdynamische Verweisung ausschließen könnte.

30

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die - widerlegbare - Vermutung, es gehe einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Beschäftigten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel sollte lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss seien im Falle der normativen Gebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, sie ende also dann, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei (st. Rspr., sh. nur BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 17 f. mwN).

31

bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Bezugnahmeklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind (BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; bestätigt durch BVerfG 26. März 2009 - 1 BvR 3564/08 - und 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -). Bei Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind („Altverträge“), kommt die Anwendung der früheren Auslegungsregel jedoch dann nicht - mehr - zum Tragen, wenn sie nach dem 31. Dezember 2001 geändert worden sind. Dabei kommt es für die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handelt, maßgebend darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist. Nur wenn dies der Fall ist, wird die jeweilige Klausel von der Vertragsänderung erfasst (BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 26; 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25 mwN). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrags“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 25, BAGE 132, 261).

32

cc) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe handelt es sich im Streitfall um einen sog. Neuvertrag.

33

(1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts haben die Arbeitsvertragsparteien mit dem Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2003 nicht lediglich die Arbeitszeit verändert. Mit der weiteren Formulierung „Weitere Paragraphen des Arbeitsvertrages vom 30.09.1992 bleiben unberührt“ haben sie vielmehr deutlich gemacht, dass sie sämtliche vorherigen Vereinbarungen und damit auch die bisherige Bezugnahmeklausel in ihre rechtsgeschäftliche Willensbildung einbezogen haben.

34

(2) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Schuldnerin ihre tarifgebundene Mitgliedschaft im VPKA bereits neun Jahre vor der Vertragsänderung beendet hatte. Selbst wenn sich die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in diesem Zeitraum geändert haben sollten, haben die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich die ursprüngliche Vertragsklausel und gerade nicht die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zum Gegenstand ihrer Willensbildung gemacht (anders im Sachverhalt in BAG 19. Oktober 2011 - 4 AZR 811/09 -).

35

(3) Ein abweichendes Verständnis der Vertragsklausel im Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2003 ist auch nicht deshalb geboten, weil die Schuldnerin mit den Arbeitnehmern, die nach ihrem Wechsel in eine außerordentliche Verbandsmitgliedschaft in das Unternehmen eingetreten sind, andere Arbeitsvertragsbedingungen vereinbart hat. Selbst wenn die Klägerin hiervon Kenntnis gehabt haben sollte, musste sie die angebotene Vertragsänderung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht dahin gehend verstehen, dass die Bezugnahmeklausel entgegen dem Wortlaut des Vertragstextes nicht novelliert werden sollte. Vereinbarungen, die der Arbeitgeber mit neu eingetretenen Arbeitnehmern trifft, lassen nicht ohne Weiteres den Schluss zu, die Arbeitgeberin wolle auch im Verhältnis zu den bisherigen Arbeitnehmern nicht an den vertraglichen Abreden festhalten. Dies gilt umso mehr, wenn sie - wie hier - in einem Zeitpunkt, zu dem sie ihre tarifgebundene Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bereits beendet hatte, einen Änderungsvertrag unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bisherigen vertraglichen Regelungen schließt und die Gelegenheit gerade nicht dazu nutzt, die Bezugnahmeklausel an die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.

36

2. Die Entgeltdifferenzansprüche stehen der Klägerin unter Zugrundelegung der Entgelttabelle des ETV Nr. 3 VPKA auch der Höhe nach zu. Insoweit hat der Beklagte keine Einwände erhoben. Weiter gehende Ansprüche, die sich für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 aus dem am 12. Dezember 2011 abgeschlossenen ETV Nr. 4 VPKA ergeben könnten, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

37

III. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Klose    

        

    Rinck    

        

        

        

    Lippok    

        

    Krüger    

                 
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Annotations

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Der Wert des Streitgegenstands einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, bestimmt sich nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)