Amtsgericht Köln Urteil, 17. März 2016 - 139 C 37/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerseite darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien waren über einen Rentenversicherungsvertrag miteinander verbunden. Die Klägerin begehrt verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Beiträge.
3Die Parteien streiten u.a. darüber, ob der Vertrag auf der Grundlage des Policen- oder Antragsmodells zustande gekommen ist.
4Am 17.05.2015 schlossen die Parteien den Vertrag mit Wirkung zum 01.06.2015. Nachdem die Klägerin diesen dann im Dezember 2006 kündigte, rechnete die Beklagte ihn im Januar 2007 ab. Mit Schreiben vom 27.10.2014 erklärte die Klägerin den Widerspruch.
5Die Klägerin behauptet, ihr seien nicht alle erforderlichen Unterlagen mit dem Versicherungsantrag (vgl. K1, Bl. 11 GA) übergeben worden. Sie ist der Auffassung, die dortige Belehrung zum Rücktrittsrecht sei nicht ordnungsgemäß. Dies gelte ohne weiteres für den Fall, dass der Vertrag im Wege des Policenmodells abgeschlossen worden sei. Insgesamt gelte dies aber u.a. auch deswegen, weil keine drucktechnische Hervorhebung und gesonderte Unterschrift zur Belehrung vorläge und die Angaben zum Fristbeginn nicht ordnungsgemäß seien. Die Voraussetzungen des Antragsmodells lägen auch deshalb nicht vor, weil der Versicherungsantrag eine vorgedruckte Faksimile Unterschrift der Beklagten enthielt. Ferner sei die Klägerin nicht hinreichend beraten worden und habe nicht hinreichend die Möglichkeit zur Durchsicht der Unterlagen erhalten. Sie habe nur einen Verbraucherkredit umschulden wollen. Ihr sei der Eindruck eines Junktims vermittelt worden.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an sie € 3.567,12 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2014
8sowie
9außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 503,61 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
10zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie ist u.a. der Auffassung, der Rücktritt sei verfristet und damit unwirksam.
14Sie trägt u.a. vor, die erforderlichen vollständigen Versicherungsunterlagen (Allgemeine Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen) seien der Klägerin mit dem Antrag übergeben worden. Sie trägt weiter unter Einreichung einer Kopie eines Blankoformulars (vgl. Anl. BLD2, Bl. 87ff.) vor, die AVB und die Verbraucherinformationen seien mit dem Versicherungsschein fest durch eine Randgummierung verbunden gewesen. Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe den Erhalt der Unterlagen mit ihrer Unterschrift im Antrag unter der entsprechenden Formulierung („Für den Versicherungsvertrag gelten die umseitig genannten und beigefügten Versicherungsbedingungen mit den Buchstaben: B/C/K“, vgl. Anl. K1) bestätigt. Die Belehrung zum Rücktritt sei nicht zu beanstanden.
15Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist unbegründet.
18Die Klägerin kann von der Beklagten nicht Rückzahlung aufgrund einer Rückabwicklung des zwischen ihnen geschlossenen Rentenversicherungsvertrages nach §§ 812, 346 BGB verlangen.
19Der von der Klägerin erklärte Rücktritt war verfristet.
20Der vorliegende Rentenversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Antragsmodells nach § 8 VVG a.F. zustande gekommen. Dass der Klägerin bei Antragstellung alle nach § 5a VVG a.F. erforderlichen Unterlagen und Informationen vorlagen ist als prozessual unstreitig zu behandeln ist. Die Beklagte hat hierzu im Einzelnen u.a. vorgetragen, dass der Versicherungsantrag/-schein mit den erforderlichen Unterlagen fest verbunden war. Dem ist die Beklagt nicht substantiiert entgegengetreten. Die bloße Behauptung der Klägerin, sie habe die erforderlichen Unterlagen erst später erhalten, ist insoweit nicht hinreichend. Das einfache Bestreiten oder das mit Nichtwissen ist hier vor diesem Hintergrund nach § 138 ZPO nicht ausreichend bzw. zulässig. Dies gilt erst Recht vor dem Umstand, dass die Klägerin unterschrieben hat, dass für den Versicherungsvertrag die umseitig genannten und beigefügten Versicherungsbedingungen gelten (vgl. BLD1, Bl. 75 GA). Diese schriftliche Urkunde hat die Vermutung der Vollständig- und Richtigkeit, § 416 ZPO. Zu einer in sich schlüssigen, substantiierten Darlegung einer Abweichung gehört deshalb der Vortrag solcher Umstände, welche die Unvollständigkeit der Urkunde erklären. Dafür wäre es u.a. erforderlich gewesen vorzutragen, warum die Klägerin wahrheitswidrig den Erhalt der Unterlagen bestätigt hat oder um welche sonstigen anderen Unterlagen es sich gehandelt haben sollte. Hierzu ist nichts erklärt.
21Die Belehrung über den Rücktritt ist formal und inhaltlich nicht zu beanstanden.
22Die Belehrung ist drucktechnisch in deutlicher Form erfolgt. Dies fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, NJW 2009, 3060). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
23Auf dem eine Seite umfassenden Antragsformular sind die Überschrift „Hinweise auf Schlusserklärungen und Unterschriften“ und „Rücktrittsrecht“ fett gedruckt und abgesondert. Der Abschnitt „Rücktrittsrecht“ ist angekreuzt. Die Belehrung ist übersichtlich und geht im Text nicht unter. Hinreichend ist, wenn dies unmittelbar vor der Unterschrift platziert ist. Eine gesonderte Unterschrift ist nicht erforderlich.
24Die Erklärung ist auch inhaltlich ordnungsgemäß. Das OLG Köln (Urt. v. 05.05.2015 – 20 U 186/14) führt hierzu (unter teilweiser Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung) zutreffend aus:
25§ 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. fordert ferner eine Belehrung über den Beginn und die Dauer der Frist. Dazu gehört - neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt (§ 5a Abs. 2 Satz 3 VVG a.F.; vgl. BGH, VersR 2004, 437) - die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Lauf setzt (BGH, NJW 2009, 3572 und NJW 1994, 1800). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss hingegen nicht angegeben werden; auch die Grundsätze der Fristberechnung (§§ 187 ff. BGB) müssen nicht mitgeteilt werden (BGH, NJW 2010, 3503). Schädlich sind insoweit nur Formulierungen, die einen von § 187 Abs. 1 BGB abweichenden Fristbeginn nahelegen (BGH, NJW 1994, 1800: „ab heute“; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. Juli 2013 – I-4 U 152/12: „mit dem Tag des Zugangs der vollständigen Unterlagen“). Gemessen hieran ist die vorliegende Belehrung ausreichend, weil die bloße Verwendung des Wortes „mit“ ohne einen Zusatz (wie in den vorgenannten Entscheidungen) nicht irreführend ist (vgl. BGH, Urt. v. 11. Februar 2015 - IV ZR 311/13 -, Rz. 18, unter Hinweis auf BGHZ 187, 97, Rz. 26). An seiner kurzzeitig vertretenen abweichenden Ansicht (Urt. v. 27. Februar 2015 - 20 U 160/14 -) hält der Senat nicht weiter fest.
26Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Belehrung damit insgesamt – auch unter Verwendung der Formulierung „(…) nach Abschluss des Vertrages“ – i.S.d. § 8 VVG a.F. ordnungsgemäß (vgl. i.ü. auch BGH Urt. v. 11.02.2015 – IV ZR 311/13, juris).
27Der erst im Jahr 2014 erklärte Widerspruch/Rücktritt war damit verfristet, weil er nicht in der hier maßgeblichen Frist von 30 Tagen erfolgt ist.
28Soweit die Klägerin behauptet, dass sie einen Kredit umschulden wollte oder eine hinreichende Belehrung nicht erfolgt sei, ist nicht hinreichend vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich daraus - für den vorliegenden Anspruch - weitere Rechte ergeben könnten. Soweit sie vorträgt, sie hatte nicht die Möglichkeit, die Vertragsunterlangen durcharbeiten zu können, ist dies nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin nicht frei stand, ihr Angebot auch später – nach (der erforderlichen sorgfältigen) Durchsicht der Unterlagen – abzugeben. Die Auffassung, dass eine (vorherige eingedruckte) Faksimile Unterschrift auf dem Versicherungsantrag dem Vertragsschluss entgegenstehen könnte, wird nicht geteilt.
29Mangels Hauptforderung entfällt die Nebenforderung.
30Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
31Streitwert: € 3.567,12
32Rechtsbehelfsbelehrung:
33Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
341. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
352. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
36Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
37Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
38Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
39Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.