Amtsgericht Dinslaken Urteil, 05. März 2015 - 34 C 47/14
Gericht
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, die am Dachüberstand in Richtung des Hauses Kweg gerichteten Kameras (Dome-Kameras) zu entfernen und an die Rechtsschutzversicherung des Klägers, die LVM, zu der Rechtsschutzschadennummer ………die außergerichtlichen Kosten in Höhe von 334,75 Euro zu erstatten.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 Euro vorläufig vollstreckbar
1
Tatbestand
2Der Kläger ist Mieter der Wohnung Kweg in D. Die Beklagten bewohnen das Haus Kweg, welches gegenüber der Wohnung des Klägers liegt. Der Beklagte hat an dem Dachüberstand seines Hauses zwei Kameras angebracht, die sich farblich kaum von dem Hausdach abheben. Diese Kameras zeigen in Richtung des Hauses Kweg. Insoweit wird auf die in Anlage 1 zur Klageschrift vorgelegten Lichtbilder verwiesen.
3Bei den Kameras handelt es sich um sogenannte Dome-Kameras. Diese bestehen aus einer halbrunden, schwarz getönten und dadurch blickdichten Kuppel aus Kunststoff, hinter der sich die eigentliche Kamera befindet. Dadurch ist von außen nicht oder nur äußerst schwierig erkennbar, in welche Richtung die Kamera ausgerichtet ist.
4Da der Kläger befürchtete, dass die Kameras zu einer 360°-Rundumsicht in der Lage sind, so dass mit Hilfe der Kameras digitale Aufnahmen sowohl vom Balkon als auch vom Inneren seiner Wohnung hergestellt werden können, forderte er die Beklagten - zuletzt mit anwaltlichem Schreiben vom 10.06.2014 und 22.07.2014 - zur Beseitigung auf. Diese reagierten nicht. Auch die erhobene Gebührenforderung wurde nicht bedient.
5Der Kläger beantragt,
61. die Beklagten zu verurteilen, die am Dachüberstand in Richtung des Hauses Küstermannsweg 16 gerichteten Kameras (Domkameras) zu entfernen;
72. hilfsweise die Videoüberwachung in Verletzung des Persönlichkeitsrechtes zu unterlassen;
83. die Beklagten zu verurteilen, an die Rechtsschutzversicherung des Klägers, die LVM die außergerichtlichen Kosten in Höhe von 334,75 Euro zu erstatten.
9Die Beklagten beantragen,
10die Klage abzuweisen.
11Sie behaupten,
12es handele sich um Kameraattrappen, die ausschließlich installiert worden seien, um mögliche Einbrecher abzuschrecken. Durch die Installation solle verhindert werden, dass Einbrecher über das Garagendach in die darüber erreichbaren Fenster des Hauses Küstermannsweg 18 einsteigen würden. Insofern seien die Kameras auch nicht auf die Wohnung des Klägers, sondern allein auf das Garagendach des Hauses Küstermannsweg 18 ausgerichtet.
13Entscheidungsgründe
14Die Klage ist zulässig und begründet.
15Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Entfernung der Kameras gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
16Es kann dahinstehen, ob es sich vorliegend lediglich um Kameraattrappen handelt.
17Nach ständiger Rechtsprechung greift eine Videoüberwachung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung öffentlicher Daten zu bestimmen (BGH, NJW 2010, 1533 ff, zitiert nach juris Rn 11,12; BVerfGE 65, 1,42 ff; NJW 2009, 3239 ff.).
18Bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück muss deshalb sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - aaO; OLG Karlsruhe, OLGR 1999, 83 f.; AG Nürtingen, NJW-RR 2009, 377 f.) von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann. Ein Anspruch auf Entfernung kann auch bestehen, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen ("Überwachungsdruck", vgl. dazu etwa LG Bonn, NJW-RR 2005, 1067 ff.; LG Darmstadt, NZM 2000, 360; AG Winsen, Urteil vom 30. Dezember 2005 - 16 C 1642/05 - Juris). Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (BGH, Urt. v. 21.10.2011, V ZR 265/10, NJW-RR 2012, 140 f). Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln, NJW 2009, 1827) oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon aufgrund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht.
19Nach diesen Maßstäben ist der Kläger vorliegend durch die - möglicherweise nur vermeintliche - Kameraüberwachung des Beklagten in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Interesse der Beklagten, ihr Eigentum vor unberechtigten Übergriffen Dritter zu schützen, überwiegt das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht. Insofern war eine Abwägung vorzunehmen, die hier zu Gunsten des Klägers ausfällt. Die Kameras sind vorliegend so unter dem Giebel des Hausdaches der Beklagten angebracht, dass sie auf die Wohnung und den Balkon des Klägers gerichtet sein könnten. Da es sich um sogenannte Dome-Kameras handelt, ist für den Kläger nicht erkennbar, in welche Richtung die Kameras genau gerichtet sind. Insoweit ist der von dem Kläger empfundene Überwachungsdruck - handele es sich auch um Attrappen - durchaus nachvollziehbar. Im Gegensatz dazu fällt das Interesse der Beklagten, ihren Grundbesitz mit Videokameras oder Attrappen zu überwachen und Einbrecher abzuschrecken, kaum ins Gewicht. Zur Abschreckung von möglichen Einbrechern scheinen die Kameras wenig geeignet. Sie sind nicht an der Seite des Hauses angebracht, die an der Straße liegt, sondern an der Seite, die an das Nachbarhaus grenzt. Für einen Einbrecher sind sie kaum sichtbar, zumal sie sich farblich nicht von dem Dachüberstand, an dem sie angebracht sind, abheben.
20Ein Ortstermin oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht erforderlich. Ob die Kamera ausschließlich auf das Garagendach der Beklagten gerichtet ist, spielt keine Rolle. Wie bereits dargelegt, ist vorliegend der Überwachungsdruck maßgeblich. Dieser Überwachungsdruck wäre auch gegeben, sollte sich herausstellen, dass die Kamera lediglich auf das Garagendach gerichtet ist, da sich die Kamera innerhalb der schwarz getönten und dadurch blickdichten Kuppel jederzeit verstellen lässt. Von außen ist für den Kläger nicht erkennbar, in welche Richtung die Kamera ausgerichtet ist.
21Der Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten beruht auf Verzug, § 286 BGB.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
23Der Streitwert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
24Rechtsbehelfsbelehrung:
25Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
26a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
27b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
28Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
29Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Duisburg zu begründen.
30Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Duisburg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
31Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.