Amtsgericht Bochum Urteil, 05. Dez. 2013 - 83 C 99/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzu-
wenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
3Die Kläger nehmen die Beklagten auf Räumung einer Mietwohnung und Zahlung restlicher Nebenkosten in Anspruch.
4Die Beklagten sind seit dem 01.01.1985 Mieter der Dachgeschosswohnung im 1984 errichteten Haus, die Kläger erwarben das Haus 1986 und bewohnen die Wohnung im Erdgeschoss. Es gibt erhebliche Meinungsverschieden-
5heiten, die die Kläger zu insgesamt drei Kündigungen vom 20.11.2012, 15.01.2013 und 05.03.2013 veranlassten.
6Mit Schreiben vom 20.11.2012 haben die Kläger die Kündigung zum 30.11.2013 erklären lassen, dies mit der Begründung, dass es sich um eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen handele.
7Die Kündigung vom 15.01.2013 erfolgte zum 31.10.2013, gestützt gleichfalls darauf, dass in dem Gebäude nur zwei Parteien leben.
8Zur Begründung führten die Kläger ferner aus, dass die Beklagten eine Absturzsicherung am Balkon entfernt hätten, worauf es zu einem schweren Unfall gekommen sei. Ein Handwerker sei rücklings vom Balkon gestürzt und habe sich schwer verletzt.
9Ferner hätten die Beklagten in der 48. Kalenderwoche nicht den Flur gereinigt, in der 50. Kalenderwoche nicht die Kellertreppe und den Vorflur sauber gemacht.
10Ferner hätten sie trotz Aufforderung mit Schreiben vom 10.11.2012 nicht den Katzenstieg bis zum 14.11.2012 entfernt.
11Die Kündigungserklärung vom 05.03.2013 nimmt Bezug auf die Kündigungsgründe der beiden Kündigungserklärungen vom 20.11.2012 und 15.01.2013, ergänzend darauf, dass sich die Beklagten mit der Zahlung von Nebenkostennachforderungen in Höhe von 1 237,80 Euro in Verzug befänden. Zu der strittigen Frage, ob es sich bei der an die Beklagten vermieteten Wohnung um eine solche in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen handelt, steht nicht in Streit, dass die Kläger das Haus selbst bewohnen und dass zu den Kündigungszeitpunkten nicht mehr als zwei Wohnungen genutzt werden.
12Eine dritte Wohnung ist zeitweise vermietet worden, dies aber schon seit geraumer Zeit nicht mehr.
13Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten am Balkon eine Absturzsicherung eigenmächtig entfernt. Deshalb sei es vor etwa zwei Jahren, dies wird gerechnet ab 15.01.2013, zu einem schweren Unfall gekommen, weil ein Handwerker rücklings vom Balkon gestürzt sei.
14Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten in der 48. und 50. Kalenderwoche Flur und Treppenhaus nicht bzw. nur teilweise gereinigt.
15Der Katzenstieg ist zwischenzeitlich von den Beklagten entfernt worden.
16Ihren Anspruch auf Zahlung eines Nebenkostenabrechnungssaldos begründeten die Kläger wie folgt:
17Aus der Nebenkostenabrechnung 2010 mit einem Kostenschlüssel von 29,7 % für Betriebskosten I, einem Kostenschlüssel von 34 % für Betriebskosten II und einem solchen von 31 % für Heizkosten ergebe sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 956,35 Euro, aus der Nebenkostenabrechnung für 2011 mit den selben Abrechnungsschlüsseln ergebe sich ein Nachzahlungsbetrag von 1 256,48 Euro und aus der Nebenkostenabrechnung 2012 mit den identischen Prozentzahlen ergebe sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 586,90 Euro, insgesamt 2 799,73 Euro, worauf die Beklagten lediglich 1 818,52 Euro gezahlt hätten, die Differenz ist Gegenstand des Zahlungsantrags und der Kündigungserklärung vom 05.03.2013, nämlich 981,18 Euro.
18Die Kläger vertreten die Ansicht, ihre Abrechnungen seien ordnungs- und vertragsgemäß.
19Sie behaupten, das Haus sei als Zweifamilienhaus konzipiert worden, wie bereits aus den baurechtlichen Unterlagen ersichtlich.Es bestehe deshalb die erleichterte Kündigungsmöglichkeit des § 573 a BGB.
20Die Kläger beantragen,
21die Beklagten zu verurteilen, die in dem Haus in
22Bochum im Dachgeschoss gelegene Wohnung bestehend aus drei Zimmern,
23einer Küche, einer Diele, einem Bad, zwei Kellerräumen, einem Flur und einer
24Waschküche und einer Pkw-Garage, zum 30.11.2013, hilfsweise zum
2531.12.2013, zu räumen und geräumt an die Kläger herauszugeben sowie als
26Gesamtschuldner an diese 981,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
27Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
28Die Beklagten beantragen,
29die Klage abzuweisen.
30Sie vertreten die Auffassung, sämtliche Kündigungen seien unwirksam.
31Das Haus sei von vornherein für drei Wohnungen konzipiert worden, der Ersteigentümer habe geplant, bei Bedarf eine Angehörige in ein Apartment im ersten Obergeschoss einziehen zu lassen.
32Dies sei ihnen bei den Verhandlungen ihres Mietvertrages mitgeteilt worden.
33Eine Absturzsicherung am Balkon sei von ihnen nicht entfernt worden.
34Der Ersteigentümer habe dort ein provisorisches Holzbrett angebracht, das nach wenigen Jahren verfault gewesen sei.
35Dies hätten sie den Klägern mitgeteilt, ferner, dass ein Geländer wegen dort vorhandener Pflanzkübel nicht erforderlich sei. Der aktuelle Zustand bestehe seit 1990. Der Handwerker sei unabhängig von diesen baulichen Gegebenheiten abgestürzt, nämlich von der Leiter gefallen.
36Sie behaupten, dass der Katzenstieg, der zwischenzeitlich von ihnen entfernt wurde, von den Klägern genehmigt worden sei.
37Die Flurreinigung in der 48. und 50. Kalenderwoche sei von der Haushaltshilfe ordnungsgemäß durchgeführt worden.
38Ein Rückstand für die Zahlung der Betriebskosten bestehe nicht. Die Abrechnungen seien bereits formell unwirksam, die angesetzten Quoten unzutreffend. Es sei gemäß § 12 Heizkostenverordnung wegen fehlender Verbrauchsabrechnung ein Abzug von 15 % vorzunehmen.
39Im Übrigen sei ein falscher Ölbestand Grundlage der Abrechnungen.
40Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C. in der Sitzung vom 14.11.2013.
41Entscheidungsgründe:
42Die Klage ist nicht begründet.
43Die Kündigungen der Kläger vom 20.11.2012 sowie 15. Januar 2013 und 05.03.2013 sind nicht wirksam.
44Die Kündigung vom 20.11.2012 wurde allein auf die erleichterte Kündigungsmöglichkeit des § 573 a BGB gestützt, nämlich darauf, dass sich die Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen befindet.
45Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass diese erleichterte Kündigungsmöglichkeit für die Kläger nicht besteht, da die Beklagten Vertrauensschutz dahingehend genießen, dass es sich um ein Haus mit mehr als zwei Wohnungen handelt.
46Grundsätzlich ist für das Kündigungsrecht gemäß § 573 a BGB maßgebend, wie viele Wohnungen im Zeitpunkt der Kündigung vorhanden sind.
47Wegen des Vertrauensgrundsatzes ist hiervon aber eine Ausnahme zu machen, wenn bei Vertragsschluss drei Wohnungen vorhanden waren oder das noch nicht fertiggestellte Hause für mehr als zwei Wohnungen konzipiert ist.
48Diese Voraussetzung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erfüllt.
49Der Ersteigentümer, Herr C. , ist als Zeuge vernommen worden.
50Er gab glaubhaft an, dass bei Errichtung geplant war, dass ein Apartment als Einliegerwohnung in der ersten Etage für seine Mutter oder die Mutter seiner Frau geplant war und zwar für den Fall, dass diese pflegebedürftig werden sollten.
51So war das Haus konzipiert, dies mit den erforderlichen eigenen Anschlüssen, einer separaten Eingangstür und den Voraussetzungen für eine eigenständige Nutzung.
52Da noch offen gewesen sei, ob eine der Mütter die Wohnung überhaupt brauchen würde, sei angedacht gewesen, die Wohnung anderweitig zu vermieten, sollte klar werden, dass entsprechender Bedarf nicht eintreten würde.
53Dies sei bei den Vertragsverhandlungen mit den Beklagten thematisiert worden.
54Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge den Sachverhalt unzutreffend geschildert hat, ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits oder eine anderweitige Belastungstendenz sind nicht ersichtlich.
55Die Aussage steht ferner in Einklang mit den vorhandenen baulichen Gegebenheiten, das Apartment ist in der Folgezeit tatsächlich mehrfach fremdvermietet worden.
56Dementsprechend kommt die erleichterte Kündigungsmöglichkeit des § 573 a BGB aufgrund Vertrauensschutzes der Beklagten nicht in Betracht.
57Auch die Kündigung vom 15.01.2013 ist unwirksam. Für den genannten Kündigungsgrund des § 573 a BGB gilt das soeben Ausgeführte.
58Der von den Klägern behauptete Unfall rechtfertigt die ausgesprochene Kündigung nicht.
59Die Kläger sind dafür beweisfällig geblieben, dass die Beklagten eine Absturzsicherung entfernten und dass diese ursächlich für den Unfall geworden wäre.
60Dahinstehen kann deshalb, dass die Kläger nach dem Beklagtenvortrag über die bauliche Situation informiert waren, dass der bauliche Zustand seit 1990 besteht und seit dem Sturz des Handwerkers mehr als zwei Jahre verstrichen sind.
61Der von den Klägern behauptete Verstoß gegen die Reinigungspflicht ist unbewiesen und rechtfertigt im Übrigen eine Kündigung nicht, weil er keinen hinreichend schwerwiegenden Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten darstellt.
62Dies gilt ebenso für das zunächst unterlassene Entfernen des Katzenstieges, wobei hierfür offenbar keine angemessene Frist gesetzt wurde.
63In dem Kündigungsschreiben wird darauf Bezug genommen, dass mit Schreiben vom 10.11.2012 binnen einer Frist von vier Tagen zum Entfernen des Katzenstieges aufgefordert wurde, diese Frist wäre unangemessen kurz.
64Auch die Kündigungserklärung vom 05.03.2013 ist nicht wirksam.
65Diese wird zusätzlich zu den zuvor genannten Kündigungsgründen auf den Rückstand aus den Nebenkostenabrechnungen gestützt.
66Ein solcher Rückstand ist aber nicht schlüssig dargetan.
67Die vorgelegten Nebenkostenabrechnungen sind formell unwirksam.
68Denn mangels hinreichender Erläuterung der Verteilungsschlüssel sind die Abrechnungen nicht aus sich heraus verständlich, nachvollziehbar und nachprüfbar.
69Sie weisen Anteile von 29,7 % für die Betriebskosten I, 34 % für die Betriebskosten II und 31 % für die Heizkosten aus.
70Eine nähere Erläuterung, weshalb diese Prozentsätze angesetzt werden, fehlt.
71Im Mietvertrag findet sich in § 9 Abs. 4 die Regelung, dass die Betriebskosten nach dem Verhältnis der Grundflächen der Räume umgelegt werden. Dem entspricht die Nebenkostenabrechnung nicht bzw. es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit sich die Kläger bei der Abrechnung an diesem Maßstab orientiert haben.
72Dementsprechend kann weder die Kündigung noch der geltend gemachte Zahlungsanspruch auf einen entsprechenden Rückstand gestützt werden.
73Mangels Hauptforderung ist auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht begründet.
74Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.