Verbreitung von Intimfotos rechtfertigt Geldentschädigung
Authors
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss, 6. Apr. 2018 - 13 U 70/17
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Beschluss vom 06.04.2018
Aktenzeichen: 13 U 70/17
In dem Rechtsstreit
Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … , den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht …
am 6. April 2018
einstimmig beschlossen:
1.
Die Berufungen beider Parteien gegen das am 14. Juli 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück werden zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 37 %
3.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zu 15.000,00 Euro.
Gründe:
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird abgesehen, weil die Entscheidung nicht anfechtbar ist (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
II.
Der Senat weist die Berufungen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet sind. Zur Begründung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 05. März 2018 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 19. März 2018 rechtfertigt keine andere Sichtweise. Selbst wenn die Beklagte die Klägerin auf den streitbefangenen Bildern nicht erkannt haben sollte, hat sie die Bilder doch ohne eine nach §§ 23 Abs. 1, 22 Satz 1 KunstUrhG für die Verbreitung von Bildnissen erforderliche Einwilligung der abgebildeten Person weitergeleitet. Dass sie erst später erfahren hat, dass es sich hierbei um die Klägerin gehandelt hat, ist insofern unerheblich.
Zwar ist im vorliegenden Fall bei der Bemessung der Geldentschädigung wesentlich darauf abzustellen, dass die Klägerin selbst die Bilder gefertigt und weitergeleitet hat und damit selbst die Ursache für die gegen ihren Willen erfolgte Weiterleitung der Fotos durch die Beklagte gesetzt hat. Hieraus kann aber entgegen der Auffassung der Beklagten keine Einwilligung der Klägerin zur (weiteren) Verbreitung der Bilder abgeleitet werden.
Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 23. März 2018 rechtfertigt keine höhere Geldentschädigung als die zuerkannten 500,00 Euro. Offenbleiben kann im Ergebnis, ob das Landgericht gemäß § 139 ZPO verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin auf den nicht hinreichend substantiierten Vortrag hinsichtlich der behaupteten psychischen Folgen der Weiterleitung der streitbefangenen Bilder hinzuweisen. Denn auch auf den Hinweisbeschluss des Senats ist das Vorbringen vor allem hinsichtlich einer Kausalität zwischen der Weiterleitung der Bilder und der behaupteten Depression weiterhin deutlich zu vage geblieben. Insbesondere hätte sie erläutern müssen, wieso sie aufgrund des Anfang 2013 erfolgten Weiterleitens der Bilder erst seit Mai 2017 psychotherapeutische Sitzungen besucht und seit Anfang 2018 Antidepressiva einnimmt. Die Vernehmung des benannten Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens liefe mithin auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.
Auch der Vergleich mit den Schmerzensgeldbeträgen, die in den von ihr zitierten Entscheidungen zuerkannt wurden, rechtfertigt keine 500,00 Euro übersteigende Entschädigung. Denn im Gegensatz zu den in den zitierten Fällen Geschädigten trifft die Klägerin hier eine bei der Bemessung der Geldentschädigung ebenfalls zu berücksichtigende Mitverantwortung dergestalt, dass sie – wie ausgeführt – selbst die Bilder gefertigt und weitergeleitet hat und damit die Ursache für die gegen ihren Willen erfolgte Weiterleitung der Fotos durch die Beklagte gesetzt hat.
Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Werden Intimbilder einer Person ohne ihre Einwilligung über Whatsapp verbreitet, rechtfertigt dies sowohl einen Unterlassungsanspruch als auch einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine Geldentschädigung in Höhe von 500,00 Euro ist angemessen, wenn die Klägerin die Bilder selbst gefertigt und weitergeleitet und dessen Verbreitung damit überhaupt ermöglicht hat (LG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 05.03.2018, Beschluss vom 06.04.2018, Az. 13 U 70/17).
Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
Was ist passiert?
Die Klägerin ist eine junge Frau, welche Intimaufnahmen ihrer Brüste und ihres Genitalbereiches per Whatsapp an ihren Exfreund schickte. Die Beklagte, eine ehemalige Freundin der Klägerin soll die Bilder auch erhalten und an einen anderen Freund weitergeleitet haben. Hier konnte das Gericht nicht zweifelsfrei feststellen auf welche Weise die Bilder auf das Handy der Beklagten gelangten – vermutet wird, dass sie versehentlich an sie geschickt worden sind.
Die Abgebildete erhob Klage gegen ihre ehemalige Freundin und begehrte sowohl Unterlassung der Verbreitung der gegenständlichen Bilder als auch eine Entschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Ihrer Freundin habe nicht zugestanden die Aufnahmen weiterzuleiten. Dieses Verhalten stelle eine Verletzung ihrer Intimsphäre und des Rechts am eigenen Bild dar.
Verurteilung auf Unterlassung sowie Schadenersatz in Höhe von 500,00 Euro
Das Gericht verurteilte die Beklagte es zu unterlassen, Fotos der Klägerin, auf denen ihre Brüste oder ihr Genitalbereich unbedeckt sind zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten, und/oder diese Handlungen durch Dritte ausführen zu lassen. Die Beklagte musste zudem ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 Euro an die Klägerin zu zahlen.
Urteil: Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog und Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG
Allerdings scheint weder die Beklagte noch die Klägerin selbst mit der Entscheidung des Gerichts einverstanden zu sein. Erstere erstrebt die Abweisung der Klage, während die Klägerin ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen bekommen möchte.
Berufung
Das Gericht weist beide Berufungen zurück.
Ansicht des Gerichts zur Berufung der Beklagten
Die Beklagte konnte eine nach §§ 23 Abs. 1, 22 Abs. 1 S. 1 KunstUrhG für die Verbreitung erforderliche Einwilligung der Klägerin nicht nachweisen. Sie habe zutreffend erkannt, dass die Klägerin die abgebildete Person ist. Dass die Klägerin zunächst bestritt, die auf den Bildnissen abgebildete Person zu sein, begründe ihr konkludentes Einverständnis für die Weiterleitung nicht. Die Beklagte hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin i.S.v Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG rechtswidrig verletzt. Das Gericht betont hierbei, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen selbst dann verletzt ist, wenn die abgebildete Person nicht identifizierbar ist. Die ungewollte Veröffentlichung der Abbildung der eigenen Person verletzt in jedem Fall das Selbstbestimmungsrecht. Aus diesen Gründen weist Gericht ng der Beklagten zurück.
Ansicht des Gerichts zur Berufung der Klägerin
Ebenfalls weist das Gericht die Berufung der Klägerin zurück.
Die Entschädigung des immateriellen Schadens i.H.v. 500 Euro ist angemessen.
Das Gericht betont, dass nicht jede Persönlichkeitsverletzung den Ersatz eines immateriellen Schadens begründen kann. Nur wenn der Eingriff so schwerwiegend ist, dass die Verletzung nicht anderweitig aufgewogen werden kann, soll ein Schadensersatz möglich sein.
Bei der Beurteilung, ob es sich um einen „schwerwiegenden Eingriff“ handelt, sind insbesondere die Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, die Nachhaltigkeit der Rufschädigung, der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Verhaltens zu berücksichtigen, vgl. BGH NJW 2010, 763, 765.
Vorliegend sei eine Entschädigung von 500 Euro angemessen. Die Klägerin habe die Bilder selbst weitergeleitet und damit eigenständig die Ursache die gegen ihren Willen erfolgte Weiterleitung der streitgegenständlichen Fotos durch die Beklagte gesetzt.
Zwar könne durchaus auch eine abstrakte Wiederholungsgefahr für die Beurteilung der Höhe des Schmerzensgeldes Bedeutung erlangen, dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Die Behauptung der Klägerin, sie befände sich aufgrund des Vorfalls in psychologischer Behandlung, hält das Gericht für nicht ausreichend, um ihr eine höhere Summe zuzusprechen: Der Kausalzusammenhang zwischen dem Vorfall und der psychischen Erkrankung sei hierfür zu vage.
Haben Sie noch Fragen zum Thema allgemeines Persönlichkeitsrecht, Meinungsfreiheit oder Beleidigung? Nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
moreResultsText
Annotations
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Beschluss vom 06.04.2018
Aktenzeichen: 13 U 70/17
In dem Rechtsstreit
Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … , den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht …
am 6. April 2018
einstimmig beschlossen:
1.
Die Berufungen beider Parteien gegen das am 14. Juli 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück werden zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 37 %
3.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zu 15.000,00 Euro.
Gründe:
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird abgesehen, weil die Entscheidung nicht anfechtbar ist (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
II.
Der Senat weist die Berufungen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet sind. Zur Begründung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 05. März 2018 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 19. März 2018 rechtfertigt keine andere Sichtweise. Selbst wenn die Beklagte die Klägerin auf den streitbefangenen Bildern nicht erkannt haben sollte, hat sie die Bilder doch ohne eine nach §§ 23 Abs. 1, 22 Satz 1 KunstUrhG für die Verbreitung von Bildnissen erforderliche Einwilligung der abgebildeten Person weitergeleitet. Dass sie erst später erfahren hat, dass es sich hierbei um die Klägerin gehandelt hat, ist insofern unerheblich.
Zwar ist im vorliegenden Fall bei der Bemessung der Geldentschädigung wesentlich darauf abzustellen, dass die Klägerin selbst die Bilder gefertigt und weitergeleitet hat und damit selbst die Ursache für die gegen ihren Willen erfolgte Weiterleitung der Fotos durch die Beklagte gesetzt hat. Hieraus kann aber entgegen der Auffassung der Beklagten keine Einwilligung der Klägerin zur (weiteren) Verbreitung der Bilder abgeleitet werden.
Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 23. März 2018 rechtfertigt keine höhere Geldentschädigung als die zuerkannten 500,00 Euro. Offenbleiben kann im Ergebnis, ob das Landgericht gemäß § 139 ZPO verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin auf den nicht hinreichend substantiierten Vortrag hinsichtlich der behaupteten psychischen Folgen der Weiterleitung der streitbefangenen Bilder hinzuweisen. Denn auch auf den Hinweisbeschluss des Senats ist das Vorbringen vor allem hinsichtlich einer Kausalität zwischen der Weiterleitung der Bilder und der behaupteten Depression weiterhin deutlich zu vage geblieben. Insbesondere hätte sie erläutern müssen, wieso sie aufgrund des Anfang 2013 erfolgten Weiterleitens der Bilder erst seit Mai 2017 psychotherapeutische Sitzungen besucht und seit Anfang 2018 Antidepressiva einnimmt. Die Vernehmung des benannten Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens liefe mithin auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.
Auch der Vergleich mit den Schmerzensgeldbeträgen, die in den von ihr zitierten Entscheidungen zuerkannt wurden, rechtfertigt keine 500,00 Euro übersteigende Entschädigung. Denn im Gegensatz zu den in den zitierten Fällen Geschädigten trifft die Klägerin hier eine bei der Bemessung der Geldentschädigung ebenfalls zu berücksichtigende Mitverantwortung dergestalt, dass sie – wie ausgeführt – selbst die Bilder gefertigt und weitergeleitet hat und damit die Ursache für die gegen ihren Willen erfolgte Weiterleitung der Fotos durch die Beklagte gesetzt hat.
Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.