Versorgungsausgleich: Entscheidend ist das Ende der Ehezeit
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Bei der Berechnung des Versorgungsausgleichs gilt als Stichtag das Ende der Ehezeit. Dies wird durch den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt, der den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat. Das ist regelmäßig der älteste noch rechtshängige Antrag, auch wenn es zur Aussetzung oder zum tatsächlichen Stillstand dieses Scheidungsverfahrens gekommen war.
Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) hin und überraschte mit den Auswirkungen einen Ehemann. Diesem war ein Scheidungsantrag seiner Ehefrau im Jahr 1979 zugestellt worden.
Später wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Der Scheidungsantrag wurde jedoch nicht zurückgenommen. 1997 wurde ihm ein neuer Scheidungsantrag der Ehefrau zugestellt. Das Amtsgericht wollte für den Versorgungsausgleich auf den Antrag aus 1997 abstellen. Hiergegen legt die Ehefrau Beschwerde ein.
Der BGH entschied nun, dass die für den Versorgungsausgleich maßgebende Ehezeit bereits 1979 ende. Das Ende der Ehezeit werde durch die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt, der den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat. Das sei hier der erste Scheidungsantrag der Ehefrau gewesen. Dieser sei trotz des jahrelangen Stillstands des Verfahrens noch rechtshängig gewesen, als der weitere Antrag zugestellt wurde. Die Rechtshängigkeit des ersten Antrags wäre nur durch Rücknahme des Scheidungsantrags beendet worden. Hierzu sei es aber nicht gekommen. Das bloße Ruhen des Verfahrens beende die Rechtshängigkeit nicht. Die Berufung der Ehefrau auf den seit 1979 rechtshängigen Scheidungsantrag verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, weil die Parteien seit dieser Zeit dauerhaft getrennt gelebt hätten (BGH, XII ZB 34/01).
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
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- Die Parteien streiten um den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich.
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- Sie haben am 12. Juni 1968 die Ehe geschlossen. Ein Scheidungsantrag der Antragstellerin (im Folgenden Ehefrau) vom 21. Juni 1979 wurde dem Antragsgegner (im Folgenden Ehemann) vom Amtsgericht L. am 4. August 1979 zugestellt. Später wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet; der Scheidungsantrag wurde nie zurückgenommen. Am 28. Juli 1997 reichte die Antragstellerin einen weiteren Scheidungsantrag beim Amtsgericht S. ein, der dem Antragsgegner am 12. August 1997 zugestellt wurde.
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- Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig ) und das Verfahren zum Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit weiterem Beschluss hat es den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (früher: Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, weitere Beteiligte zu 1) auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (früher: Landesversicherungsanstalt Westfalen, weitere Beteiligte zu 2) monatliche Rentenanwartschaften im Wege des Splittings in Höhe von 54,43 DM und im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG in Höhe von weiteren 85,40 DM - jeweils bezogen auf den 31. Juli 1997 - übertragen hat. Soweit es die befristete Rente des Ehemannes auf Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach Prämienfreistellung wegen des Höchstbetrages in § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nicht voll ausgleichen konnte, hat es der Antragstellerin den schuldrechtlichen Ver- sorgungsausgleich vorbehalten. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerden beider Parteien gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.
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- Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene weitere Beschwerde der Ehefrau, mit der sie ihr Begehren auf Neubewertung der Berufsunfähigkeitsrente und auf Ausgleich dieser Rente durch Beitragszahlung weiter verfolgt.
II.
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- Die zulässige Beschwerde der Ehefrau ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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- 1. Die weitere Beschwerde hat schon deswegen Erfolg, weil das Oberlandesgericht von einer unzutreffenden Ehezeit ausgegangen ist.
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- Wie das Oberlandesgericht im Ansatz zutreffend ausführt, wird das Ende der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt , der den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat. Das ist regelmäßig aber der älteste noch rechtshängige Antrag, auch wenn es zur Aussetzung oder zum tatsächlichen Stillstand dieses Scheidungsverfahrens gekommen war (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2004 - XII ZB 212/01 - FamRZ 2004, 1364 m.w.N.). So war auch hier das durch den ersten Antrag der Ehefrau vom 21. Juni 1979 ausgelöste Ehescheidungsverfahren ungeachtet des jahrelangen Stillstandes im Zeitpunkt der Zustellung des weiteren Antrags im Jahre 1997 immer noch rechtshängig. Die Berufung auf den seit 1979 rechtshängigen Scheidungsantrag verstößt hier auch nicht etwa gegen Treu und Glauben (vgl.
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- Der weitere Antrag vom 28. Juli 1997 hat demgegenüber kein neues Verfahren in Gang gesetzt, sondern ist im Rahmen des früher rechtshängig gewordenen Scheidungsverfahrens gestellt worden. Zwar steht ein schon rechtshängiges Ehescheidungsverfahren einem späteren eigenständigen Scheidungsantrag nicht zwingend entgegen. Ein solcher Antrag müsste allerdings wegen der Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstandes schon durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen werden (§ 261 Abs. 1 und 3 ZPO). Unter diesen Umständen ist ein späterer Scheidungsantrag, da die Antragstellerin im Zweifel keinen unzulässigen Antrag stellen will, im Allgemeinen als weiterer Antrag in dem schon anhängigen Scheidungsverfahren aufzufassen. Wird der spätere Antrag vom Antragsgegner gestellt, ist dieser im Regelfall als Gegenantrag in dem schon rechtshängigen Verfahren aufzufassen (Senatsbeschluss vom 13. Oktober 1982 - IVb ZB 601/81 - FamRZ 1983, 38, 39 f.). Auch ein solcher Antrag des Gegners ist deswegen regelmäßig mit einem schon rechtshängigen Ehescheidungsverfahren zu verbinden und nur, wenn der Antragsteller sich dem verschließt, durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Wegen der Wirkung der Rechtshängigkeit gilt dies auch dann, wenn der spätere Antrag bei einem anderen Gericht gestellt wird.
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- Das nach § 1587 Abs. 2 BGB maßgebliche Ende der Ehezeit wäre allerdings dann auf der Grundlage des späteren Scheidungsantrags zu bestimmen, wenn die Rechtshängigkeit des früheren Scheidungsverfahrens, etwa durch Rücknahme des Scheidungsantrags, beendet worden wäre (§ 269 Abs. 1 ZPO), bevor der gegnerische Antrag zugestellt und seinerseits rechtshängig wurde. Dann würde es an einem einheitlichen Verfahren fehlen, und die Scheidung wäre nicht mehr in dem Rechtsstreit erfolgt, der durch den früheren Schei- dungsantrag ausgelöst wurde (Senatsbeschlüsse vom 23. Juni 2004 aaO, 1364 f. und vom 21. Oktober 1981 - IVb ZB 650/80 - FamRZ 1982, 153, 154).
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- Weil das mit Antrag vom 21. Juni 1979 eingeleitete Scheidungsverfahren hier nur ruhte und nicht wirksam zurückgenommen worden ist, ist die Ehe der Parteien auf diesen zuerst rechtshängig gewordenen Scheidungsantrag geschieden worden. Einer Rücknahme dieses Antrags steht jetzt die Rechtskraft der Ehescheidung entgegen (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Das Beschwerdegericht hätte seiner Entscheidung deswegen eine Ehezeit vom 1. Juni 1968 bis zum 31. Juli 1979 zugrunde legen müssen.
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- 2. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, weil die ehezeitlichen Versorgungsanwartschaften der Parteien nicht zutreffend festgestellt worden sind.
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- 3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
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- a) Das Beschwerdegericht wird auf der Grundlage der zutreffenden Ehezeit erneut zu prüfen haben, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen einer Einbeziehung der befristeten Rente des Ehemannes aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich vorliegen (vgl. insoweit Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 289/03 - FamRZ 2005, 1530 und vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 132/90 - FamRZ 1993, 299 ff.; Johannsen/Henrich/Hahne aaO Rdn. 27; Wick Der Versorgungsausgleich Rdn. 160).
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- b) Der Senat hat die Barwert-Verordnung in der seinerzeit geltenden Fassung - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - mit Beschluss vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695 = BGHZ 148, 351 für verfassungswidrig erachtet, weil sie mit dem Grundsatz der Halbteilung des in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögens nicht vereinbar war. Nachdem die Barwert-Verordnung allerdings - durch die 2. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 26. Mai 2003 (BGBl. I S. 728) - geändert worden ist, hat eine gegebenenfalls erforderliche Umrechnung der Rente des Ehemannes aus seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung anhand der geänderten Barwert -Verordnung zu erfolgen. Den Bedenken, die der Senat in seinem Beschluss vom 5. September 2001 (aaO) gegen die bisherige Fassung der Barwert -Verordnung geltend gemacht hat, ist mit der geänderten Barwert -Verordnung Rechnung getragen (Senatsbeschluss vom 23. Juli 2003 - XII ZB 152/01 - FamRZ 2003, 1639 = BGHZ 156, 64, 66).
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- c) Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht zugleich Gelegenheit zur Einholung neuer Rentenauskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung , da die bisherigen Auskünfte naturgemäß die zwischenzeitlichen Änderungen der Rechtslage durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG vom 21. März 2001, BGBl. 2001 I S. 403) nicht berücksichtigen.
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- d) Bei seiner Entscheidung wird das Beschwerdegericht allerdings zu beachten haben, dass nur die Ehefrau weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts eingelegt hat und sie deswegen - unabhängig von dem Ergebnis der Ermittlung ehezeitlich erworbener Anwartschaften - gegenüber der angefochtenen Entscheidung nicht schlechter gestellt werden darf (vgl. Senatsbeschluss vom 20. September 1995 - XII ZB 86/94 - FamRZ 1996, 97, 98 m.w.N.; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber aaO § 621 i ZPO Rdn. 21; Wick aaO Rdn. 284).
Vorinstanzen:
AG Solingen, Entscheidung vom 28.01.2000 - 34 F 109/97 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2000 - 9 UF 21/00 -