Haftungsfragen bei Insolvenzverschleppung: Steuerberater und Abschlussprüfer im Fokus

published on 21/01/2025 13:15
Haftungsfragen bei Insolvenzverschleppung: Steuerberater und Abschlussprüfer im Fokus
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Das Urteil des Kammergerichts (KG) vom 15. November 2022 (Az.: 21 U 55/21) markiert eine Wendung in der Diskussion um die Haftung von Steuerberatern und Abschlussprüfern bei Insolvenzverschleppung. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Jahresabschlüssen für die Entscheidungsfindung von Gläubigern und die Risikosteuerung durch Insolvenzverwalter verdeutlicht das Urteil die praktischen Konsequenzen für die Haftungsrisiken in der Praxis. Das KG hat sich erstmals explizit gegen die bisherige Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) gestellt, wonach Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche wegen der Vertiefung der Überschuldung der Insolvenzschuldnerin geltend machen können. Der Artikel untersucht die Entscheidung des KG, ihre Argumentation sowie die Frage, ob die abweichende Auffassung des BGH rechtlich überzeugend ist.

I. Hintergrund: Die Rechtsprechung des BGH zur Insolvenzverschleppungshaftung

Der IX. Senat des BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Steuerberater oder Abschlussprüfer, die durch eine mangelhafte Jahresabschlusserstellung oder Verletzung der insolvenzrechtlichen Warnpflicht eine Insolvenzverschleppung verursachen, der Schuldnerin haftungsrechtlich den daraus resultierenden Vermögensschaden zu ersetzen haben (vgl. BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGH v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12). Dabei wird der Schaden als Differenz zwischen der Vermögenslage der Schuldnerin bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung und der Vermögenslage bei tatsächlicher Antragstellung berechnet.

Zentraler Bestandteil dieser Rechtsprechung ist die Annahme, dass die Schuldnerin selbst einen Schaden in Form der Vertiefung ihrer Überschuldung erleidet, der in die Insolvenzmasse gezogen werden kann. Diese Annahme stützt sich auf die Differenzhypothese, die besagt, dass der Schaden als Differenz zwischen der Vermögenslage der Schuldnerin bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung und ihrer Vermögenslage bei tatsächlicher Antragstellung ermittelt wird. Der BGH argumentiert, dass dieser Schaden dem Zweck dient, die Masse zugunsten aller Gläubiger zu erhöhen. Der BGH sieht keine Begrenzung des Haftungsumfangs unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Norm, soweit die Verluste aus der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit resultieren.


II. Entscheidung des Kammergerichts

Das KG hat diese Sichtweise grundlegend hinterfragt und sich den in der Literatur geäußerten Bedenken angeschlossen. Es entschied, dass ein Insolvenzverwalter nicht aktivlegitimiert ist, einen Insolvenzverschleppungsschaden der Schuldnerin geltend zu machen. Zur Begründung führt das KG an:

  1. Kein Schaden der Schuldnerin: Die von einem Insolvenzverwalter geltend gemachte Vertiefung der Überschuldung sei bei normativer Betrachtung kein Schaden der Schuldnerin. Ein Beispiel hierfür ist die Argumentation, dass die zusätzlichen Verbindlichkeiten, die durch die verspätete Insolvenzanmeldung entstehen, lediglich die Interessen der Gläubiger betreffen. Die Schuldnerin selbst erleidet dabei keinen originären Vermögensschaden, sondern die Belastung zeigt sich als Reflexwirkung der Insolvenzverschleppung, die primär den Gläubigern zuzuordnen ist. Es handele sich vielmehr um einen Reflexschaden, der primär die Gläubiger treffe.

  2. Ungerechtfertigte Bevorzugung der Altgläubiger: Die Einziehung solcher Ansprüche würde dazu führen, dass die Altgläubiger durch eine höhere Quote profitieren, während die Neugläubiger, die durch die Insolvenzverschleppung tatsächlich geschädigt wurden, leer ausgingen.

  3. Begrenzung durch den Schutzzweck der Norm: Das Verbot der Insolvenzverschleppung bezweckt, die Gläubiger vor weiteren Schäden zu schützen und insolvenzreife Gesellschaften vom Markt zu nehmen. Es dient nicht dem Vermögenserhalt der überschuldeten Gesellschaft selbst.


III. Abwägung: Die Argumente der Gegenposition

Der BGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine abweichende Linie vertreten, die auf die zentrale Annahme eines Schadens der Schuldnerin gestützt ist. Diese Position weist jedoch Schwächen auf:

  1. Normativer Schaden: Die Annahme, dass die Schuldnerin durch eine Vertiefung ihrer Überschuldung geschädigt wird, widerspricht der Wertung, dass die Insolvenzverschleppung primär den Gläubigern schadet. Die Gläubiger sind die eigentlichen Geschädigten, da sie auf der Basis einer verzerrten Vermögensdarstellung Dispositionen treffen. Typische Dispositionen könnten beispielsweise die Gewährung neuer Kredite oder die Lieferung von Waren auf Rechnung sein, die auf falschen Annahmen über die finanzielle Stabilität der Schuldnerin beruhen.

  2. Insolvenzrechtliche Systematik: Die Haftung für eine Insolvenzverschleppung richtet sich grundsätzlich gegen den Geschäftsführer und nicht gegen Dritte wie Steuerberater. Eine Ausweitung auf Steuerberater widerspricht der insolvenzrechtlichen Systematik.

  3. Praktische Konsequenzen: Die Durchsetzung solcher Ansprüche durch den Insolvenzverwalter könnte zu einer doppelten Inanspruchnahme führen, da die Gläubiger eigene Ansprüche geltend machen können.


IV. Rechtspolitische Bewertung

Das Urteil des KG unterstützt eine differenzierte Betrachtung der Haftung von Steuerberatern und Abschlussprüfern. Es folgt der Wertung, dass eine isolierte Haftung der Schuldnerin unbillig wäre. Die Entscheidung fordert zudem ein Umdenken hin zu einer klareren Haftungsverteilung:

  1. Neugründung der Haftungsgrundlagen: Eine direkte Haftung gegenüber Neugläubigern könnte eine gerechtere Verteilung der Haftungsrisiken schaffen.

  2. Stärkung des Mitverschuldenseinwands: Die Mitverantwortung des Geschäftsführers bleibt ein zentrales Argument gegen eine umfassende Haftung von Steuerberatern.


V. Fazit und Ausblick

Das Urteil des Kammergerichts setzt einen wichtigen Impuls für eine Reform der Insolvenzverschleppungshaftung. Es fordert eine klare Abgrenzung der Haftungsrisiken zwischen Schuldnerin, Gläubigern und Dritten wie Steuerberatern. Eine endgültige Klärung dieser Fragen durch den BGH bleibt abzuwarten. Bis dahin bietet das Urteil eine fundierte Grundlage für die Diskussion um die Weiterentwicklung des Insolvenzrechts.

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BUNDESGERICHTSHOF


Urteil vom 26.01.2017 - IX ZR 285/14

 
Tenor


Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand


Die H. GmbH (fortan: Schuldnerin) beauftragte den beklagten Steuerberater im Jahr 2005, den Jahresabschluss für das Jahr 2003 zu erstellen. Hierzu übergab die Schuldnerin dem Beklagten unter anderem den Jahresabschluss für das Jahr 2002, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auswies. In den Folgejahren erteilte die Schuldnerin dem Beklagten jeweils erneut Einzelaufträge, die Jahresabschlüsse zu erstellen. Der Beklagte kam diesen Aufträgen nach. Das Stammkapital der Schuldnerin betrug anfänglich 25.564,59 €; im Jahr 2007 erfolgte eine Kapitalerhöhung auf 50.000 €.

Die vom Beklagten erstellten Jahresabschlüsse wiesen jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge auf:

Erstellung Abschluss Stichtag Verlust/Gewinn Fehlbetrag Mai 2005 31.12.2003 - 49.071,31 € 82.199,24 € 2006 31.12.2004 - 13.592,24 € 95.791,48 € 15. März 2007 31.12.2005 - 32.125,13 € 127.852,50 € 28. August 2007 31.12.2006 + 54.192,28 € 73.660,22 € 3. Januar 2009 31.12.2007 - 44.216,94 € 93.441,75 € 

In Anschreiben vom 20. April 2007 und 28. August 2007 wies der Beklagte darauf hin, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin verpflichtet sei, "regelmäßig die Zahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisse der GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Überschuldung vorliegt". Mit Schreiben vom 29. November 2007 wies er auf einen Rückgang der Umsatzerlöse im Vergleich zum Jahr 2006 um fast 50 v.H. bei gleichzeitig um 20 v.H. gestiegenem Personalaufwand hin. Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 übersandte er den vorläufigen Jahresabschluss für das Jahr 2007 und teilte mit, dass sich die Überschuldung durch den Jahresfehlbetrag weiter erhöht habe.

Am 2. Juli 2009 stellte die Schuldnerin Eigenantrag; das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wurde am 15. Juli 2009 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe über keine stillen Reserven verfügt und sei bereits seit 2002, jedenfalls aber Mitte 2005 bei Übernahme des ersten Auftrags durch den Beklagten insolvenzreif, nämlich überschuldet und aufgrund ihrer aus der Überschuldung folgenden Kreditunwürdigkeit zahlungsunfähig gewesen. Jedenfalls seit 2006 sei die Zahlungsfähigkeit zweifelhaft gewesen. Bereits im Mai 2005 will der Beklagte den Geschäftsführer auf das Problem der bilanziellen Überschuldung hingewiesen haben, worauf dieser ihm erklärt habe, das Problem sei bekannt, es sei eine Kapitalerhöhung geplant und er werde das Problem mit dem Gesellschafter besprechen.

Der Kläger beantragt - soweit noch von Interesse - festzustellen, dass der Beklagte sämtliche Schäden seit dem 30. Juni 2005 zu ersetzen habe, die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstanden seien. Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

A.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe keine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verletzt. Der Beklagte habe ein allgemeines steuerrechtliches Mandat gehabt, indem er lediglich die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2007 angefertigt habe. Im Rahmen eines solchen Mandats bestehe keine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer verpflichtet sei zu überprüfen, ob Insolvenzreife eingetreten sei, und gegebenenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies gelte auch für Einzelmandate.

Aus dem vom Beklagten in den Jahresabschlüssen für die Jahre 2005 bis 2007 aufgenommenen Hinweis, die entstandenen Bilanzierungs- und Bewertungsfragen seien mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin erörtert und einvernehmlich entschieden worden, lasse sich nicht entnehmen, dass der Beklagte eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen habe. Dem stehe weiter entgegen, dass der Beklagte jeweils zeitnah mit der Übersendung der Jahresabschlüsse den Geschäftsführer darauf hingewiesen habe, dass er eine Überprüfung der Insolvenzreife eigenverantwortlich vorzunehmen und gegebenenfalls Insolvenzantrag zu stellen habe.

B.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

I.

Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit ausgesprochen, dass eine Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden wegen eines unterlassenen Hinweises nur eintreten könne, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt sei. Der Steuerberater habe durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, kein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 13). Es sei grundsätzlich nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist, und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO Rn. 15, 19; vom 6. Juni 2013, aaO Rn. 12). An dieser Rechtsprechung hält der Senat jedoch nicht uneingeschränkt fest.

II.

Im Streitfall kann der Beklagte die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstandenen Schäden zu ersetzen haben, sofern hierfür eine mangelhafte Erstellung der Bilanzen (§ 242 Abs. 1 HGB) ursächlich war (unter 1). Weiter kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht, weil der Beklagte es nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Klägers unterlassen hat, die Schuldnerin auf die sich aus dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) ergebenden Risiken hinzuweisen, und nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass dies auf einen Insolvenzgrund hindeutet (unter 2).

1. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 675 Abs. 1 BGB haften kann, wenn er den Jahresabschlüssen - wie der Kläger behauptet - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde gelegt hat. Ein Steuerberater, der es übernimmt, einen handelsrechtlichen Jahresabschluss für einen Kaufmann oder eine Gesellschaft zu erstellen, schuldet einen Leistungserfolg (unter a). Er verletzt seine Pflichten aus dem ihm erteilten Auftrag, wenn der Jahresabschluss mangelhaft ist (unter b). Er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er diese Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; unter c).

a) Der Steuerberater haftet im Rahmen seines Mandats nach Werkvertragsrecht für Mängel bei der Erstellung des Jahresabschlusses.

aa) Der Auftrag einer Kapitalgesellschaft, einen nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschluss zu erstellen, enthält stets eine werkvertragliche Verpflichtung mit Geschäftsbesorgungscharakter (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, WM 2000, 973 unter I.; vom 7. März 2002 - III ZR 12/01, WM 2002, 2248, 2249 f; Zugehör, WM 2013, 1965, 1966). Dies gilt jedenfalls, wenn der Steuerberater - wie im Streitfall - einen nur auf die Erstellung des Jahresabschlusses gerichteten Einzelauftrag erhält. Es kann daher offenbleiben, inwieweit Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt, wenn es sich beim zu erstellenden Jahresabschluss nur um eine Einzelleistung im Rahmen eines Dauermandats handelt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 63/05, WM 2006, 1411 Rn. 6 ff; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 zur Prüfung der Insolvenzreife). Denn bei der Erstellung eines Jahresabschlusses handelt es sich um einen fest umrissenen Leistungsgegenstand, nicht hingegen um eine allgemeine, laufende Beratungstätigkeit.

bb) Der Steuerberater, der den handelsrechtlichen Jahresabschluss für eine GmbH zu erstellen hat, soll nicht nur eine bestimmte Tätigkeit entfalten, auf deren Grundlage die Gesellschaft bestimmte Ziele erreichen oder ihre Geschäftstätigkeit ausrichten möchte. Vielmehr will die Gesellschaft mit einem solchen Auftrag stets die sie treffenden handelsrechtlichen Pflichten erfüllen und möchte deshalb einen entsprechenden Jahresabschluss als Ergebnis erhalten. Der Inhalt eines nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschlusses wird dabei weitgehend durch die gesetzlichen Anforderungen und die eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt.

b) Der Beklagte hat nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers die Jahresabschlüsse für die Schuldnerin pflichtwidrig auf der Grundlage von Fortführungswerten und damit mangelhaft erstellt.

aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463) ausgesprochen, dass ein Steuerberater zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn die von ihm fehlerhaft erstellte Bilanz die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ und deswegen der Konkursantrag wegen Überschuldung verspätet gestellt wurde. Auch im Urteil vom 7. März 2013 (IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 22) ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass ein Steuerberater wegen Schlechterfüllung des Auftrags zur Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses schadensersatzpflichtig ist. Zur Haftung führende Mängel weist ein Jahresabschluss jedoch nicht nur dann auf, wenn er die tatsächlich bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Soweit sich aus früheren Entscheidungen des Senats (insbesondere BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 12 f) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.

bb) Mängel weist der Jahresabschluss auf, wenn er nicht der vereinbarten oder jedenfalls nicht der für Jahresabschlüsse nach der gewöhnlichen Verwendung üblichen Beschaffenheit entspricht (§ 633 BGB). Welche Beschaffenheit vertraglich geschuldet ist, richtet sich nach dem Umfang der Pflichten, die den Steuerberater nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags bei der Erstellung eines Jahresabschlusses treffen. Er hängt von dem konkreten Mandat ab (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, VersR 1987, 565 unter 1.; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 14).

Der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater schuldet grundsätzlich einen den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden, die Grenzen der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht überschreitenden und in diesem Sinne richtigen Jahresabschluss (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965). Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist in einer Handelsbilanz bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Von diesen Grundsätzen darf gemäß § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB bestimmt schließlich, dass der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat. Angesichts der fachlichen Kompetenz des Steuerberaters erwartet der Mandant, dass der Steuerberater den Jahresabschluss entsprechend dem Inhalt der dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen vollständig erstellt, Bewertungsfragen - im Zusammenwirken mit dem Mandanten - klärt und bei offenen Fragen über die damit zusammenhängende Problematik aufklärt und eine Entscheidung des Mandanten herbeiführt.

Allerdings ist der Steuerberater ohne besondere Vereinbarung nicht verpflichtet, von sich aus die für die Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Vielmehr hat der Steuerberater den Jahresabschluss lediglich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu erstellen. Nur in diesem Rahmen hat der Steuerberater zu prüfen, ob tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten bestehen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Der Bilanzaufsteller bestätigt mit seiner Unterschrift unter den Jahresabschluss, dass ihm keine Umstände bekannt sind, die zu einer Abkehr von der Fortführungsvermutung zwingen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Soweit danach Entscheidungen des Mandanten erforderlich sind oder Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden sollen oder Bewertungsprobleme zu lösen sind, hat der Steuerberater hierzu die Entscheidung des Mandanten einzuholen, sofern das Mandat nicht ausdrücklich bereits entsprechende Vorgaben enthält.

Weiter richtet sich nach dem erteilten Mandat, in welchem Umfang der Steuerberater die ihm für die Erstellung des Jahresabschlusses vorgelegten Unterlagen und Angaben des Mandanten inhaltlich zu überprüfen hat. Insoweit kann ein Auftrag erteilt werden, der nur eine Erstellung ohne Beurteilungen des Steuerberaters umfasst, ebenso aber Aufträge mit einer Plausibilitätsbeurteilung oder mit einer umfassenden Beurteilung. Jedoch ist der Jahresabschluss unabhängig vom Umfang der Prüfungspflicht des Steuerberaters stets mangelhaft, wenn er auf der Grundlage der dem Steuerberater übergebenen Unterlagen und Angaben des Unternehmers und der dem Steuerberater - etwa aus einem Dauermandat - bekannten Umstände den handelsrechtlich zulässigen Rahmen überschreitet, also handelsrechtliche Vorgaben verletzt.

cc) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszuschließen, dass die vom Beklagten erstellten Bilanzen pflichtwidrig mangelhaft waren. Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Beklagte den von ihm erstellten Bilanzen Fortführungswerte zugrunde gelegt hat, obwohl dies nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zulässig gewesen sei.

(1) Eine Haftung des Steuerberaters setzt zunächst voraus, dass eine Bilanzierung nach Fortführungswerten objektiv aus der Sicht ex ante ausschied. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass der Fortführung der Unternehmenstätigkeit tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB).

(a) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um eine Prognoseentscheidung des bilanzierenden Unternehmens handelt, weil darauf abzustellen ist, ob das Unternehmen seine Tätigkeit für einen überschaubaren Zeitraum voraussichtlich fortsetzen wird (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 20; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 11; KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 17 f; Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Sie hat sich auf den handelsrechtlich gebotenen Zeitraum zu erstrecken, regelmäßig jedenfalls auf das auf den Abschlussstichtag folgende Geschäftsjahr (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, aaO; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, aaO; Groß, WPg 2004, 1357, 1371; Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1865; Lück, DB 2001, 1945, 1947; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007; Semler/Goldschmidt, ZIP 2005, 3, 9; Kaiser, aaO S. 2484). Objektiv falsch ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten daher nur dann, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Prognoseentscheidung feststeht, dass die Unternehmenstätigkeit bis zum Ablauf des Prognosezeitraums aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eingestellt werden wird (Kaiser, aaO S. 2486; Eickes, DB 2015, 933, 934 f).

Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist nach dem Gesetz der zunächst zu unterstellende Regelfall; es spricht so lange eine Vermutung dafür, wie nicht Umstände sichtbar werden, welche die Fortführung unwahrscheinlich erscheinen lassen (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 18; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007) oder zweifelsfreie Kenntnis von der Unmöglichkeit der Fortführung besteht (MünchKomm-HGB/Ballwieser, 3. Aufl. § 252 Rn. 9; Schulze-Osterloh, aaO). Art. 31 Abs. 1 lit. a Richtlinie 78/660/EWG vom 25. Juli 1978 (ABl. (EG) 1978 Nr. L 222/11; jetzt Art. 6 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013, ABl. L 182 vom 29. Juni 2013, S. 19), dessen Umsetzung § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB dient, bestimmt als allgemeinen Grundsatz für die Bewertung, dass eine Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit unterstellt wird. Daher ist selbst bei Zweifeln an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens unter Fortführungsgesichtspunkten zu bilanzieren (Schulze-Osterloh, aaO). Die Fortführungsvermutung entfällt erst, wenn es objektiv fehlerhaft wäre, von der Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit auszugehen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2482). Die Umstände müssen ergeben, dass die Einstellung der Unternehmenstätigkeit unvermeidbar oder beabsichtigt ist (Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1867). Tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten müssen sich derart konkretisieren, dass die Unternehmenstätigkeit jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, DB 2015, 933, 934 f). Eine Bewertung zu Liquidationswerten hat zu erfolgen, wenn feststeht, dass das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden kann (KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 16).

(b) Solche tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten können nach dem Vortrag des Klägers im Streitfall vorliegen. Besteht für eine Kapitalgesellschaft - wie der Kläger dies für die Schuldnerin bereits für Mitte des Jahres 2005 behauptet - ein Insolvenzgrund, weil sie überschuldet oder zahlungsunfähig ist, liegen regelmäßig tatsächliche Gegebenheiten im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vor, die der Regelvermutung einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen (Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 252 Rn. 7; Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl. § 252 Rn. 13; Böcking/ Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Groß, WPg 2010, 119, 122 f; Kaiser, aaO S. 2487; Baumert, ZIP 2013, 1851, 1852 Fn. 14; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Jedoch bedingt ein vorliegender Insolvenzgrund nicht zwingend für den handelsrechtlichen Jahresabschluss eine Aufgabe des von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB bestimmten Fortführungsprinzips (Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 46; Hater, Insolvenzrechtliche Fortbestehungsprognose und handelsrechtliche Fortführungsprognose, S. 122 f; Kaiser, aaO S. 2486 f; Eickes, aaO S. 935). Hiervon geht auch § 155 InsO aus (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 172). § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB knüpft vielmehr an die Unternehmenstätigkeit als solche an; es geht darum, die im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände entsprechend ihrem tatsächlichen Verwendungszweck zutreffend zu bewerten (Kaiser, aaO S. 2480).

Liegt ein Insolvenzgrund vor, ist für die handelsrechtliche Bilanzierung entscheidend, ob eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erwarten oder damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, bereits im Eröffnungsverfahren (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO) oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird (§§ 157, 158 InsO). Abzustellen ist dabei darauf, ob die Unternehmenstätigkeit aufgrund der Insolvenzreife innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, aaO). Daher kann trotz eines Insolvenzgrundes handelsrechtlich eine Bilanzierung nach Fortführungswerten zulässig sein, wenn ein glaubhafter Fortführungsinsolvenzplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums angestrebt wird und möglich ist (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Eickes, aaO S. 936; vgl. auch Hater, aaO S. 129 ff) oder anzunehmen ist, dass die Unternehmenstätigkeit auch nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums fortgeführt werden wird (vgl. Kaiser, aaO S. 2481; Eickes, aaO; Füchsl/Weishäupl/Jaffe in Münch-Komm-InsO, 3. Aufl., § 155 Rn. 6 f; Kübler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 155 Rn. 53, 57, 59).

Dies erfordert eine komplexe Prognose über die Gesamtsituation des Unternehmens (vgl. Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl., § 252 Rn. 13; Kaiser, aaO S. 2480 ff). Wird in einem solchen Fall noch mit Fortführungswerten bilanziert, bedarf dies mithin der konkreten Begründung im Einzelfall. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen trotz eines bereits vorliegenden Insolvenzgrundes weiter tätig ist, rechtfertigt es nicht, bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben allein genügt auch bei rückblickender Betrachtung nicht zum Nachweis einer künftigen Unternehmensfortführung (vgl. Hater, aaO S. 93). Für die Prognose, ob die aufgrund eines bestehenden Insolvenzgrundes und einer etwa bestehenden Antragspflicht (§ 15a InsO) zu erwartende Insolvenzeröffnung zur Einstellung der Unternehmenstätigkeit führen wird, kommt es vielmehr darauf an, wie das Unternehmen zum Zeitpunkt des Eintritts des Insolvenzgrundes steht. Wenn das Unternehmen in der Vergangenheit keine Gewinne erwirtschaftet hat, nicht leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und eine bilanzielle Überschuldung droht oder sogar schon eingetreten ist, besteht angesichts der daraus folgenden Insolvenzgefährdung zunächst keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich das Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens fortführen lässt (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866). Dann erfordert das Insolvenzrecht die Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose, deren Ergebnis in die bilanzielle Fortführungsprognose einzubeziehen ist (Groß/Amen aaO; Groß, WPg 2010, 119, 123).

(2) Die Haftung des Steuerberaters setzt weiter voraus, dass der Steuerberater die falsche Bilanzierung nach Fortführungswerten nach Umfang und Inhalt des erteilten Auftrags auch zu verantworten hat. Ein Steuerberater haftet nicht für jeden objektiv zu Unrecht auf der Grundlage von Fortführungswerten erstellten Jahresabschluss. Er darf jedoch dem von ihm erstellten Jahresabschluss keine Fortführungswerte zugrunde legen, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entweder widerlegt erscheint oder ernsthafte Zweifel bestehen, die nicht ausgeräumt werden. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter zu entscheiden.

(a) Ergeben sich aus den dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen keine Anhaltspunkte für Zweifel an einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit, handelt der Steuerberater pflichtgemäß, der entsprechend der gesetzlichen Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgeht. Dies trifft insbesondere dann ohne weiteres zu, wenn die Gesellschaft in der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt hat, leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und keine bilanzielle Überschuldung droht (implizite Fortbestehensprognose, Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; Hater, aaO S. 79 ff; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 263; Groß, WPg 2010, 119, 129; Ehlers, NZI 2011, 161, 164; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825).

(b) Steht umgekehrt bereits auf der Grundlage der dem Steuerberater für die Erstellung des Jahresabschlusses zur Verfügung gestellten Unterlagen und der ihm bekannten Umstände fest, dass die Fortführungsvermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zutrifft, ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhaft. Der Steuerberater muss bei pflichtgemäßem Verhalten aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen die sichere Überzeugung gewinnen können, dass die Unternehmenstätigkeit - etwa aufgrund einer erkannten Insolvenzreife - nicht fortgeführt werden wird.

(c) Weiter ist die - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde legende - Leistung des Steuerberaters aber auch dann mangelhaft, wenn aus den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und den ihm bekannten Umständen tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten folgen, die einer Bilanzierung nach Fortführungswerten entgegenstehen können, und der Steuerberater es unterlassen hat, vom Mandanten abklären zu lassen, ob gleichwohl noch Fortführungswerte zugrunde gelegt werden können. Entscheidend ist, ob der Steuerberater bereits aufgrund der im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses erlangten oder sonst bei ihm vorhandenen Kenntnisse von Umständen weiß oder wissen müsste, die ihrer Art und ihrer Bedeutung nach geeignet sind, als tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten der Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit entgegen zu stehen.

(aa) Die tatsächlichen Gegebenheiten, welche die Unternehmensfortführung verhindern können, sind hauptsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten (Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Staub/Kleindiek, aaO, HGB, 5. Aufl., § 252, Rn. 13; MünchKomm-HGB/ Ballwieser, 3. Aufl., § 252 Rn. 11; Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 41; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262). Sobald Hinweise auf entsprechende Umstände vorliegen, ist die Fortführungsfähigkeit näher zu überprüfen (Staub/Kleindiek, aaO Rn. 11; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 Rn. 10). Insbesondere ist auf Anzeichen zu achten, die einen Insolvenzgrund darstellen können, vor allem solche, die die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gefährden können.

Dies kommt etwa in Betracht, wenn das Unternehmen erhebliche Verluste erwirtschaftet, eine zu geringe Eigenkapitalausstattung aufweist oder in Liquiditätsschwierigkeiten gerät (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 24; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Ein weiteres Indiz ist die bilanzielle Überschuldung. Zwar ist diese allein kein Insolvenzgrund (BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, WM 2012, 665 Rn. 5 mwN); jedoch kann eine bilanzielle Überschuldung ein Indiz für von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB verlangte tatsächlichen Gegebenheiten darstellen und Anlass geben, eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 138/03, WM 2005, 848, 849 unter II.1.; vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, WM 2009, 1145 Rn. 9; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 16; vom 19. November 2013 - II ZR 229/11, WM 2014, 167 Rn. 17). Im Streitfall bestanden solche Indizien. So lag unstreitig eine bilanzielle Überschuldung vor. Außerdem wies die Schuldnerin wiederholt Verluste auf, die zu einem Verlust des Eigenkapitals und zu einem ständig steigenden, nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) führten.

Handelt es sich nach den Umständen des Falles um ernsthafte Indizien, die eine Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen, darf ein Jahresabschluss nur dann unbesehen auf der Grundlage der Fortführungswerte erstellt werden, wenn anhand konkreter Umstände feststeht, dass diese belastenden Indizien einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit jedenfalls nicht entgegenstehen. Andernfalls haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft eingehende Untersuchungen durchzuführen und dabei anhand aktueller, hinreichend detaillierter und konkretisierter interner Planungsunterlagen zu analysieren, ob weiterhin von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist (explizite Fortführungsprognose, Winkeljohann/Büssow in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; vgl. Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 264; Groß, WPg 2010, 119, 130).

(bb) Erkennt der Steuerberater Umstände, die geeignet sind, die implizite Fortbestehensprognose des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB in Frage zu stellen, oder hätte er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses solche Umstände erkennen müssen, muss er entweder klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen oder tatsächlich nicht geeignet sind, die Fortführungsprognose in Frage zu stellen, oder er muss dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt. Übergibt die Gesellschaft dem Steuerberater eine explizite Fortführungsprognose, darf der Steuerberater diese - wenn sie nicht evident untauglich ist - bei der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde legen. Legt der Mandant nicht von sich aus ein Ergebnis einer Prüfung der Fortführungsaussichten vor, muss dies der Steuerberater anmahnen, wenn er das Risiko einer mangelhaften - weil zu Unrecht mit Fortführungswerten aufgestellten - Bilanz ausschließen möchte. Hingegen darf er sich nicht auf bloße Aussagen der Geschäftsführer oder der Gesellschaft ohne sachlichen Gehalt verlassen. Er ist zwar nicht verpflichtet, die notwendigen Überprüfungen ohne gesonderten Auftrag selbst zu veranlassen oder durchzuführen. Er muss jedoch dafür Sorge tragen, dass der Mandant die gegen einen Ansatz von Fortführungswerten bestehenden Bedenken ausräumt, und daher die vom Mandanten abgegebenen Erklärungen daraufhin überprüfen, ob sie stichhaltig sind und Substanz aufweisen.

Die Behauptung des Beklagten, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe ihm versichert, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt und man überlege Kapitalerhöhungen, ist nicht geeignet, den Beklagten von der Haftung für einen fehlerhaften Jahresabschluss zu entlasten. Denn sie enthält nur eine vage Ankündigung ohne konkreten sachlichen Gehalt; eine solche Ankündigung vermag die aus einer bilanziellen Überschuldung folgenden Probleme für eine handelsrechtliche Fortführungsprognose nicht zu beseitigen.

(cc) Trotz dem Steuerberater erkennbarer Zweifel an der Fortführungsvermutung ist der von ihm erstellte Jahresabschluss jedoch mangelfrei, wenn der Steuerberater die Gesellschaft auf die konkreten Umstände hingewiesen hat, deretwegen keine ausreichende Grundlage vorhanden war, um ungeprüft Fortführungswerte nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zugrunde legen zu können, die Gesellschaft ihn aber ausdrücklich angewiesen hat, gleichwohl die handelsrechtliche Bilanz mit Fortführungswerten zu erstellen. Beruht der Mangel eines Werks auf Anweisungen oder verbindlichen Vorgaben des Bestellers, entfällt die Haftung für Mängel, sofern der Unternehmer die erforderlichen Prüfungen durchgeführt und die notwendigen Hinweise gegeben hat (Palandt/ Sprau, BGB, 76. Aufl., § 633 Rn. 4; BGH, Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 87/11, NJW 2011, 3780 Rn. 14 mwN; vgl. auch § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die - vom Steuerberater zu beweisenden - Hinweise müssen sowohl die bestehenden Zweifel an der Fortführungsprognose als auch die notwendige Überprüfung genau und im Einzelfall aufzeigen. Die vom Mandanten erteilte Anweisung hat der Steuerberater sodann in dem von ihm erstellten Entwurf eines Jahresabschlusses zu dokumentieren.

Der vom Beklagten nach seiner Behauptung erteilte allgemeine Hinweis, dass eine bilanzielle Überschuldung vorliegt, entlastet den Steuerberater jedoch nicht. Gleiches gilt für die Hinweise auf eine generelle Prüfungspflicht in den Schreiben vom 20. April und 28. August 2007. Der Steuerberater muss den Mandanten vielmehr klar und deutlich darauf hinweisen, dass er die handelsrechtliche Bilanz nur dann nach Fortführungswerten erstellen kann, wenn hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Sofern - was revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die im Streitfall bestehenden Indizien ernsthafte Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit begründeten, hätte der Beklagte dem Mandanten zu erläutern gehabt, welche Anforderungen § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB an die Bilanzierung nach Fortführungswerten stellt und dass im Streitfall aufgrund einer bilanziellen Überschuldung und den wiederholten Verlusten konkrete Zweifel an einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit bestanden und deshalb eine explizite Fortführungsprognose erforderlich sei.

(3) Hingegen ist der Steuerberater, der beauftragt ist, den Jahresabschluss zu erstellen, ohne einen ausdrücklich hierauf gerichteten Auftrag nicht verpflichtet, über die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und die ihm sonst bekannten Umstände hinaus umfassend Nachforschungen oder Untersuchungen anzustellen, ob die gesetzliche Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB tatsächlich gerechtfertigt ist, oder von sich aus nach möglichen Insolvenzgründen zu forschen. Ihn trifft auch keine allgemeine Untersuchungspflicht hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft. Daher haftet der Steuerberater für einen objektiv fehlerhaften Jahresabschluss nicht schon dann, wenn er bei einer entsprechenden Nachforschung oder einer entsprechenden Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse hätte erkennen können, dass die Gesellschaft insolvenzreif war.

c) Das für eine Schadensersatzhaftung bei Mängeln der Werkleistung erforderliche Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Steuerberater muss sich mithin entlasten.

d) Die Kausalität der fehlerhaften Bilanz für den geltend gemachten Insolvenzverschleppungsschaden, insbesondere also den unterlassenen Insolvenzantrag muss der Insolvenzverwalter beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 19 ff).

2. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt zudem eine Haftung des Beklagten aus § 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht in Betracht. Auch wenn der vom Steuerberater erstellte Jahresabschluss mangelfrei war, können den mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragten Steuerberater Hinweis- und Warnpflichten treffen.

a) Eine Hinweispflicht des Steuerberaters besteht auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 14 mwN; Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 20). Dies gilt insbesondere, wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die mit dem beschränkten Auftragsgegenstand in engem Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2248; vom 18. Dezember 2008, aaO; Vill aaO).

aa) Diese Voraussetzungen können bei einem Steuerberater erfüllt sein, der beauftragt ist, einen Jahresabschluss zu erstellen. Trotz inhaltlich richtiger Bilanz können zugunsten des Mandanten Hinweis- und Warnpflichten bestehen, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltpunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater etwa dann offenkundig sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. Dies kommt weiter in Betracht, wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters besteht, sind dabei nur die von ihm für den zu erstellenden Jahresabschluss zu prüfenden Umstände.

Der Steuerberater muss im Hinblick auf § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ohnehin anhand der ihm zur Verfügung gestellten Informationen und der ihm sonst - etwa auch aus einem Dauermandat - bekannten Umstände prüfen, ob sich daraus ernsthafte Hinweise auf einen möglichen Insolvenzgrund ergeben, die als tatsächliche Gegebenheiten Zweifel an der Fortführungsprognose wecken (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965, 1969 ff; Vill aaO § 2 Rn. 23). Insbesondere ist der Steuerberater verpflichtet, die Mandantin über rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten zu unterrichten, die er im Zuge der Erstellung der Jahresbilanz erkennen muss und die der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entgegenstehen können. Da § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf die Tätigkeit des Unternehmens abstellt und im Unterschied dazu §§ 17 ff InsO Handlungspflichten für den Unternehmensträger bestimmen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2480 f; Eickes, Zum Grundsatz der Unternehmensfortführung in der Insolvenz, S. 116), liegt es für den Steuerberater und den Mandanten nahe, dass der Steuerberater auf solche sich bei der Prüfung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ergebende offenkundige Umstände hinweist, die für den Mandanten Handlungspflichten nach den §§ 17 ff InsO begründen können.

Hingegen ist der Steuerberater nicht zu weitergehenden Überprüfungen verpflichtet. Erst recht ist der Steuerberater nicht verpflichtet, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen. Vielmehr hat der Geschäftsführer - wenn ihm die entsprechenden Indizien genannt werden - die erforderlichen Überprüfungen selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11).

bb) Im Streitfall können nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers solche für den Beklagten offenkundige Umstände vorliegen. Bereits der dem Beklagten mit der erstmaligen Auftragserteilung bekannte Jahresabschluss für das Jahr 2002 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auf. Der jeweilige Fehlbetrag stieg in allen vom Beklagten erstellten Jahresabschlüssen mit Ausnahme des Jahresabschlusses für das Jahr 2006 stets an. Zudem hat der Kläger behauptet, dass die Schuldnerin bereits bei Beauftragung des Beklagten über keine stillen Reserven verfügt habe.

Auf dieser Grundlage hat der Beklagte einer etwaigen Hinweis- und Warnpflicht nicht mit seinen im Rechtsstreit vorgelegten Schreiben genügt. Das Schreiben vom 20. April 2007 enthält keinen ausreichenden Hinweis auf einen möglichen Insolvenzgrund, weil der Beklagte darin nur abstrakt die Prüfungspflichten eines Geschäftsführers wiedergibt. Erforderlich ist aber, dass der Steuerberater die maßgeblichen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Einzelnen bezeichnet und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben. Soweit der Beklagte im Schreiben vom 28. August 2007 zusätzlich auf den im Jahresabschluss für das Jahr 2006 enthaltenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.660,22 €, die daraus folgende Überschuldung der Gesellschaft, die in den Vorjahren bestehende vergleichbare Situation und die daraus folgenden Prüfungs- und Handlungspflichten des Geschäftsführers insbesondere hinsichtlich einer Insolvenzantragspflicht hinweist, ist dies grundsätzlich geeignet, eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Hinweis- und Warnpflicht zu erfüllen. Dies setzt jedoch voraus, dass eine solche Hinweis- und Warnpflicht - was nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers möglich ist - nicht schon deutlich früher bestand.

cc) Die Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters hinsichtlich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, setzt weiter voraus, dass der Steuerberater Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist. Daran fehlt es, wenn der Steuerberater davon ausgehen darf, dass sein Mandant sich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, bewusst ist und in der Lage ist, die tatsächliche und rechtliche Bedeutung dieser Umstände einzuschätzen. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft über das konkrete tatsächliche und rechtliche Wissen verfügt, um sich veranlasst zu fühlen zu überprüfen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Hierzu kann es genügen, wenn - wie der Beklagte behauptet hat - die Schuldnerin ihm gegenüber erklärt hat, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt.

b) Soweit der Senat ausgesprochen hat, dass die Unterbilanz für den Geschäftsführer ohne weiteres ersichtlich ist und deshalb keine Hinweispflichten des Steuerberaters auf einen möglichen Insolvenzgrund bestehen (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19), wird daran nicht festgehalten.

c) Erfüllt der Steuerberater diese Hinweispflicht nicht, kommt eine Haftung für einen Insolvenzverschleppungsschaden in Betracht, wenn die Gesellschaft tatsächlich früher Insolvenz angemeldet hätte, sofern ihr die mit den (wiederholten) Jahresfehlbeträgen verbundenen Risiken aufgezeigt worden wären.

C.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht nicht nur zu klären haben wird, ob der Beklagte seine Pflichten verletzt hat. Vielmehr wird auch zu klären sein, inwieweit eine etwaige Pflichtverletzung für einen unterbliebenen Insolvenzantrag ursächlich gewesen ist. Zudem wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, inwieweit ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 29 ff).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 204/12
Verkündet am:
6. Juni 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater
, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft
wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung.
BGB § 249 A, Bb, Ha, Hd; ZPO § 287
Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft
bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt
rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des
tatsächlich gestellten Antrags.
Wird der Insolvenzantrag einer GmbH infolge einer fehlerhaften Abschlussprüfung
verspätet gestellt, trifft die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht in
der Regel ein Mitverschulden an dem dadurch bedingten Insolvenzverschleppungsschaden.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 20. März 2007 über das Vermögen der A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Beklagte zu 1 war die Steuerberaterin der Schuldnerin; der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 4. März 2009 Gesellschafter der Beklagten zu 1 und mit der Betreuung der Schuldnerin befasst. Die Beklagte zu 1 erstellte am 29. August 2005 den Jahresabschluss der Schuldnerin für den 31. Dezember 2004. In dem Bilanzbericht ist ausgeführt, dass zum Bilanzstichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 46.541,38 € bestehe, es sich dabei aber nur um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele, weil für Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 48.278,68 € Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne.
3
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatzleistung in Anspruch , weil sie pflichtwidrig die zum 31. Dezember 2004 bei der Schuldnerin gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hätten und die Schuldnerin mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 264.938,88 € eingegangen sei. Die Vorinstanzen haben die - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 vom Hundert - auf Zahlung von 187.457,21 € gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beklagten den Geschäftsführer der Schuldnerin pflichtwidrig nicht hinreichend über eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung aufgeklärt hätten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßer Beratung bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Insolvenzantrag gestellt hätte. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erfordere tatsächliche Feststellungen, dass im Falle sachgerechter Aufklärung eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Neben der Stellung eines Insolvenzantrages sei im Streitfall ernsthaft in Betracht gekommen, die fehlenden Kapitalmittel durch Erwirken von qualifizierten Rangrücktrittserklärungen sowie durch die Aufnahme von weiteren Darlehen aufzubringen. Auch mit Rücksicht auf den Maßstab des § 287 ZPO fehle es an hinreichendem Vortrag, dass sich der Geschäftsführer der Schuldnerin bereits im August 2005 zur Stellung eines Insolvenzantrags entschlossen hätte.
6
Ferner sei nicht hinreichend dargelegt, dass das Anwachsen der Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens einen durch die behauptete Pflichtverletzung zurechenbar entstandenen Schaden begründe. Insoweit genüge nicht der Vortrag, dass die Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens in einen bestimmten Umfang angewachsen sei. Die Pflicht, den Mandanten über die Bedeutung einer bilanziellen Überschuldung zu belehren, diene nicht dazu, den Vertragspartner von jedweden Risiken freizustellen, die sich aus der Fortführung des Unternehmens ergeben könnten. Vielmehr bedürfe es einer näheren Darlegung, welche rechtsgeschäftlichen und unternehmerischen Entscheidungen im Einzelnen dem behaupteten Anwachsen der Überschuldung zugrunde lägen, um prüfen zu können, ob das Eingehen von Verbindlichkeiten , denen in der Regel eine Gegenleistung gegenüberstehe, einen dem Berater zurechenbaren Schaden darstelle. Insoweit komme es darauf an, ob infolge der Fehlberatung naheliegende unternehmerische Entscheidungen getroffen worden seien oder die weitere Geschäftsentwicklung auf von vorneherein nach kaufmännischen Grundsätzen nicht zu rechtfertigenden unterneh- merischen Entscheidungen beruhe. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe der Kläger sein Vorbringen hierzu nicht konkretisiert.

II.


7
Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers begegnet entgegen den Rügen der Beklagten keinen Bedenken.
9
Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 208 Abs. 3 InsO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Amt des Insolvenzverwalters bleibt folglich nach Abgabe der Erklärung einschließlich der Verwertungs- und Befriedigungsaufgabe uneingeschränkt bestehen (MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl., § 208 Rn. 43). Darum hat der Insolvenzverwalter nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit erfolgversprechende Aktivprozesse, für deren Durchführung er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beanspruchen kann (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2008 - IX ZB 147/07, WM 2008, 880 Rn. 6 ff), im Interesse der Massemehrung einzuleiten und durchzuführen (OLG Celle, ZInsO 2004, 93; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 208 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO § 208 Rn. 50). Obsiegt der Beklagte, muss er es hinnehmen, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche unbefriedigt bleiben. Grund dafür ist, dass die Deckung der eigenen Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner zu den allgemeinen Prozessrisiken einer obsiegenden Partei gehört (BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 179).
10
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Zurechnungszusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden nicht nachgewiesen, lässt entscheidungserhebliches, beweisbewehrtes Klagevorbringen unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO unberücksichtigt.
11
a) Gegen die Beklagten bestehen vertragliche Ansprüche, wenn sie - wovon nach dem revisionsrechtlich zugrundezulegenden Sachverhalt auszugehen ist - pflichtwidrig eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht festgestellt haben.
12
aa) Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 15, 19). In dieser Weise ist der Streitfall gelagert.
13
bb) Soweit die Beklagte zu 1 als allgemeine steuerliche Beraterin den eine bilanzielle Überschuldung der Schuldnerin ausweisenden Jahresabschluss gefertigt hat, kann aus etwaigen insolvenzrechtlichen Fehlleistungen eine Haftung allerdings nicht hergeleitet werden. Die Beklagte zu 1 hat jedoch nicht lediglich eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert durch die weitergehende Bemerkung, dass es sich um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele , eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1954 - II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 24 ff). In dem Hinweis auf eine rein bilanzielle Überschuldung findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt. Der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass die Beklagte zu 1 eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 18). Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelte es sich insoweit nicht um eine bloße Gefälligkeit der Beklagten, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Schuldnerin vertrauen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 6 ff). Wurde von ihr eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung verkannt, hat die Beklagte zu 1 folglich gemäß § 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz zu leisten. Für diese Verpflichtung hat auch der Beklagte zu 2 gemäß § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich einzustehen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 68 f), weil er der Beklagten zu 1 zu dem Zeitpunkt, als die - zu unterstellende, obendrein ihm selbst anzulastende - Pflichtwidrigkeit verwirklicht wurde, als Gesellschafter angehörte (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83, 328, 330 f).
14
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung handelte es sich bei dem Vermerk nicht nur um die Wiedergabe einer Auffassung der Geschäftsleitung der Schuldnerin ohne eigenen Erklärungswert. Eine hinreichende Distanzierung der Beklagten zu 1 ist dem Vermerk nicht zu entnehmen.

15
b) Das Berufungsgericht hat es nach Ablehnung eines zu Gunsten des Klägers eingreifenden Anscheinsbeweises verfahrensfehlerhaft versäumt, die von dem Kläger zum Beweis seines Vorbringens, in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin hätten ihre Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit beendet und Insolvenzantrag gestellt, beantragte Zeugenvernehmung durchzuführen.
16
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei Feststellung der Insolvenzreife einer GmbH vielfach ein Anscheinsbeweis für das dadurch veranlasste Verhalten des Geschäftsführers ausscheidet, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche Maßnahmen in Betracht kommen. Als Alternative zu einer Insolvenzantragstellung stand der Schuldnerin die Möglichkeit offen, innerhalb der Antragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF) eine Umstrukturierung des Unternehmens vorzunehmen und insbesondere die Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel abzuwenden. Anders verhielte es sich nur, wenn eine Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft angesichts der finanziellen Möglichkeiten ihrer Gesellschafter von vornherein ausgeschlossen war (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 40).
17
bb) Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Geschäftsführer einer GmbH bei vertragsgerechtem Verhalten des rechtlichen Beraters getroffen hätte, liegt es nahe, ihn dazu in einem von der Gesellschaft geführten Rechtsstreit gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO als Partei zu vernehmen, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht. Da die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, nach den Beweisregeln des § 287 ZPO getroffen wird, gehört die Frage, wie sich der Geschäftsführer bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, zu dem von § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfassten Be- reich (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474). Ist bei Klagen der GmbH eine Parteivernehmung ihres Geschäftsführers zum Nachweis seines mutmaßlichen Verhaltens angezeigt, kann in einem von dem Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreit der Antrag, ihn zu diesem Thema als Zeuge zu hören, nicht abgelehnt werden. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rn. 10).
18
3. Dem Berufungsgericht kann ebenfalls nicht gefolgt werden, soweit es die Schadensdarlegung durch den Kläger beanstandet.
19
a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
20
Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10). Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hin- weggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 35). Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rn. 12).
21
b) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten grundsätzlich einen der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erwachsenen Schaden zu ersetzen.
22
aa) Das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ist erfüllt. Hätte die Beklagte - wie zu unterstellen ist - die bestehende Überschuldung der Schuldnerin erkannt und der Geschäftsführer der Schuldnerin auf der Grundlage dieser Bewertung einen Insolvenzantrag gestellt, wären die bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung eingetretenen weiteren Vermögensnachteile vermieden worden.
23
bb) Die hierdurch bewirkte Vertiefung der Überschuldung bildet eine grundsätzlich auch adäquate Schadensfolge.
24
(1) Der Zurechnungszusammenhang kann allerdings fehlen, sofern die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht und dadurch der Bereich adäquater Schadensverursachung verlassen wurde. Dies kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 f).
25
(2) Soweit das Berufungsgericht insoweit von dem Kläger eine Differenzierung nach Art der Verbindlichkeiten verlangt, hat es nicht berücksichtigt, dass die Frage, ob die Schuldnerin infolge der fehlerhaften Bilanz der Beklagten einen Schaden erlitten hat, auf der Grundlage von § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist. Diese Vorschrift ist dazu geschaffen, dem Kläger eines Schadensersatzprozesses die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen, und vermindert damit in ihrem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht aufgeworfenen Gesichtspunkt, ob nicht einige oder sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der Überschuldung auf nach kaufmännischen Grundsätzen nicht verantwortbaren Entscheidungen beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Außerdem hat das Berufungsgericht das durch seinen Hinweis veranlasste Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, dass die von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen keine außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle auswiesen. Bei dieser Sachlage kann die Klage nicht mangels einer schlüssigen Schadensdarlegung abgewiesen werden.
26
cc) Der sich in der Vertiefung der Überschuldung manifestierende Schaden der Schuldnerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Norm zu begrenzen.

27
(1) Eine Ersatzpflicht der Organe gegenüber der Gesellschaft ist gegeben , wenn sich die Verbindlichkeiten eines insolvenzreifen Unternehmens wegen verspäteter Insolvenzantragstellung vermehren. Da auch eine überschuldete Gesellschaft verpflichtet bleibt, ihre Gläubiger nach Möglichkeit zu befriedigen , hat sie von allen ihr zustehenden Rechten Gebrauch zu machen, um dieser Pflicht zu genügen. Wird ein überschuldetes Unternehmen pflichtwidrig fortgeführt , kann es von dem verantwortlichen Organ Schadensersatz in Höhe der Steigerung seiner Überschuldung beanspruchen (RGZ 161, 129, 142 f; BGH, Urteil vom 29. Juni 1972 - II ZR 123/71, BGHZ 59,148, 149 f; vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582 f). Dieser Schaden wird vom Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung umfasst.
28
(2) Wird aufgrund einer von einem Abschlussprüfer gefertigten fehlerhaften Überschuldungsbilanz ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, erfasst der daraus sich ergebende Schadensersatzanspruch ebenfalls den gesamten Insolvenzverschleppungsschaden , der insbesondere durch die auf der Unternehmensfortführung beruhende Vergrößerung der Verbindlichkeiten erwächst (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f; vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 19). Folglich bemisst sich der Schaden der Schuldnerin nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (vgl. Büchler, InsVZ 2010, 68, 75). Nachteile, die durch die gebotene Liquidation ohnedies eintreten würden, braucht der Schädiger hingegen nicht zu ersetzen. Gleiches gilt, wenn einige oder sämtliche geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn das Insolvenzverfahren auf einen rechtzeitigen Antrag eröffnet worden wäre (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Von dieser rechtlichen Würdigung ist der Senat - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - im Urteil vom 26. Oktober 2000 (IX ZR 289/99, NJW 2001, 517) nicht abgerückt.
29
4. Allerdings kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997 - III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39, 40; Urteil vom 10. Dezember 2009 - VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Rn. 54; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 382 f). Dabei handelt es sich um eine zuvörderst dem Tatrichter obliegende, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Bewertung (BGH, Urteil vom 25. Juni 1991 - X ZR 103/89, NJW-RR 1991, 1240, 1241).
30
a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei der Haftung wegen einer fehlerhaften Abschlussprüfung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des betroffenen Unternehmens in Betracht. Allerdings ist im Hinblick darauf, dass es die vorrangige Aufgabe des Abschlussprüfers ist, Fehler in der Rechnungslegung des Unternehmens aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von diesem abzuwenden , bei der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB mehr Zurückhaltung als bei anderen Schädigern geboten. Daher lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers seine Ersatzpflicht nicht ohne weiteres gänzlich entfallen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO Rn. 56). Andererseits ist der Mitverschuldenseinwand zu beachten, wenn dem Auftraggeber, der gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB in eigener Verantwortung den zu prüfenden Jahresabschluss aufzustellen hat, und dem Prüfer nur Fahrlässigkeit anzulasten ist (vgl. MünchKommHGB /Ebke, 2. Aufl., § 323 Rn. 75; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar , 8. Aufl., § 323 Rn. 123). Da die Abschlussprüfung das gesellschaftsinterne Kontrollsystem nicht ersetzen soll, ist der GmbH ein auch nur fahrlässiges Mitverschulden anzulasten, wenn sie ihre Insolvenzreife nicht erkennt (Staub/Zimmer, HGB, 4. Aufl., § 323 Rn. 42; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 323 Rn. 123; vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 - II ZR 111/72, BGHZ 64, 52, 62). Aufgrund der Gesamtwürdigung kann der Tatrichter im Einzelfall in Anwendung von § 254 BGB zu einem vollständigen Haftungsausschluss des Abschlussprüfers gelangen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997, aaO).
31
b) Bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades kann insbesondere die Schwere der dem Abschlussprüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung , also etwa das Ausmaß, in dem das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, von Bedeutung sein. Hat der Abschlussprüfer der Gesellschaft anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss attestiert, kann er der Geschäftsführung Anlass geben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, indem etwa bei der Preiskalkulation großzügig verfahren und nicht genau auf die Kostendeckung Bedacht genommen wird. Hier dürfte von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen sein, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckt, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden.

32
Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Abschlussprüfer lediglich anzulasten ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. Auf der Grundlage eines solchen Prüfungsergebnisses muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. Dann trägt er die primäre Verantwortung dafür , dass keine weiteren Einbußen entstehen. Wird hierdurch die Überschuldung vertieft, kann - was auch im Streitfall zu erwägen sein dürfte - in Betracht kommen, ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Gesellschaft oder gar eine Haftungsfreistellung des Abschlussprüfers zugrundezulegen.

III.


33
Auf die begründete Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen.
Sofern das Berufungsgericht auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gelangen sollte, wird es sich mit der von ihnen erhobenen Einrede der Verjährung auseinanderzusetzen haben.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 06.10.2011 - 2 O 419/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.07.2012 - 8 U 55/11 -