Mietwagen: Mietwagen auch bei weniger als 20 km am Tag
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Das Gericht hat aber genauer hingeschaut. Manchmal, so das Gericht, komme es auf die Verfügbarkeit des Fahrzeugs an. Insbesondere dort, wo kein Taxiunternehmer ansässig ist, seien die Wartezeiten auf das Taxi unzumutbar, wenn es nur um kurze zu überwindende Strecken gehe. Genauso hat auch das Amtsgericht Oranienburg entschieden. Bei einer nachgewiesenen Gehbehinderung komme es auf den Kilometerverbrauch mit dem Mietwagen nicht an.
Amtsgericht Lüdinghausen, Urteil vom 17.9.2014, (Az.: 12 C 37/14); Amtsgericht Oranienburg, Urteil vom 18.12.2014, (Az.: 21 C 197/14).
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Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger XXXXX EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem XXXX zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom XXXXXX.
3An diesem Tag fuhr der LKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX, dessen Halter die Beklagte ist, auf das klägerische Fahrzeug auf und verursachte einen Totalschaden. Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten für das Unfallereignis ist zwischen den Parteien unstreitig. Fahrzeugschäden wurden vorgerichtlich vollständig reguliert. Noch am Unfalltag wurde ein Schadensgutachten in Auftrag gegeben. In dem Gutachten vom 10.05.2013 wurde die Wiederbeschaffungsdauer auf 8 Werktage veranschlagt. Der Beklagte mietete für die Zeit vom XXXXX bis zum XXXXX ein Ersatzfahrzeug bei der XXXXXX an. Für den Mietwagen wurde ihm ein Betrag von XXXXX berechnet.
4Der Kläger ist schwer gehbehindert und Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit der Stufe G80. Er ist Witwer und führt alleine seinen Haushalt im eigenen Haus, er ist ehrenamtlich in der örtlichen Kommunalpolitik engagiert und deshalb mehrmals täglich auf die Nutzung eines PKW für Kurzstrecken innerhalb des Gemeindegebietes angewiesen. Am Wohnort des Klägers ist kein Taxi-Unternehmen ansässig.
5Die Beklagte lehnte eine Übernahme der Mietwagenkosten ab.
6Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Schadensersatzpflicht auch zur Übernahme der Mietwagenkosten verpflichtet sei. Es sei ihm nicht zuzumuten, statt der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges auf ein Taxi zurückzugreifen.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an ihn XXXXX EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem XXXXX zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie ist der Ansicht, dass es dem Kläger zuzumuten gewesen sei, sich eines Taxis zu bedienen. Er habe sein Mietfahrzeug weniger als 20 Kilometer am Tag genutzt.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
14Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Mietwagenkosten aus §§ 7, 17 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 VVG, 249 BGB.
15Grundsätzlich kann der Geschädigte, der wegen des schädigenden Ereignisses eine Sache nicht nutzen kann, die ihm entstehenden Kosten für die Anmietung einer gleichwertigen Sache von dem Schädiger ersetzt verlangen (Palandt BGB § 249 Rdnr. 31). Mietwagenkosten sind dabei nur insoweit zu ersetzen, als dies tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, welcher ohne die Schädigung bestehen würde. Zur Herstellung erforderlich sind daher nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 61, 346, 349 f.). Der Geschädigte ist dabei unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen.
16Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Zwar kann unter Umständen ein nur geringer Fahrbedarf des Geschädigten die Anmietung eines Mietwagens unzweckmäßig und deshalb gem. § 249 BGB nicht erforderlich erscheinen lassen. Die Grenze für einen solchen geringen Fahrbedarf wird im Allgemeinen bei einer Tageskilometerleistung von 20 Kilometern gesehen. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine starre Grenze. Denn es kann im Einzelfall durchaus allein die Notwendigkeit der ständigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeuges die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges rechtfertigen, ohne dass es auf die gefahrene Kilometerleistung ankommt (AG Düsseldorf, Urteil vom 14.05.2013, Az: 25 C 593/13). Vorliegend hat der Kläger dem Beklagten unbestritten im Einzelnen dargelegt, dass er auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist. Der Kläger ist schwerbehindert und auch für kurze Strecken auf die Nutzung eines PKWs angewiesen. Hinzu kommt, dass er im ländlichen Raum in XXXX lebt. Die Nutzung von Taxis führt - da ein Taxiunternehmen vor Ort nicht existiert - für die einzelnen Fahrten zu langen Anreisezeiten. Der Kläger hat vorgetragen, dass er wegen seiner Tätigkeit in der Kommunalpolitik und aufgrund der Tatsache, dass er als Witwer seinen Haushalt allein führt, mehrmals täglich für kurze Fahrten auf seinen PKW angewiesen ist. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Es ist dem Kläger aus Sicht des Gerichtes nicht zuzumuten, für einzelne kurze Fahrten jeweils ein Taxi anzumieten und lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Er ist nicht verpflichtet, zugunsten des Schädigers seine Lebensumstände einzuschränken, sodass er ein weiteres schadensgleiches Opfer erbringen muss (vgl. AG Düsseldorf, a.a.O.).
17Die Höhe der zu ersetzenden Mietwagenkosten ist zwischen den Parteien unstreitig.
18Die Entscheidung zu den Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2 ZPO.
20Der Gegenstandswert wird auf XXXXX EUR festgesetzt.
21Rechtsbehelfsbelehrung:
22Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
23a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
24b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
25Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
26Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.
27Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
28Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
29XXXXXX |
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Lüdinghausen, 17.09.2014AmtsgerichtXXXXXXRichterin |