Arztrecht: Arzt muss vor OP über seltenes, aber folgenschweres Risiko umfassend aufklären

published on 09/11/2012 18:42
Arztrecht: Arzt muss vor OP über seltenes, aber folgenschweres Risiko umfassend aufklären
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zur Aufklärungspflicht des Zahnarztes über die Gefahr einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung-OLG Koblenz vom 06.07.12-Az:5 U 496/12
Ein Arzt muss seinen Patienten vor einer Operation umfassend und sachgemäß über ein seltenes, den Patienten aber erheblich beeinträchtigendes Risiko des Eingriffs aufklären. Besteht etwa bei einer zahnärztlichen Versorgung mit Implantaten die seltene, aber gravierende Gefahr einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung, ist der Patient über Inhalt und Tragweite dieser möglichen Folge hinreichend zu informieren.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) im Fall eines Patienten, der nach dem Einsetzen zweier Implantate unter einer dauerhaften Nervschädigung litt. Folge waren Sensibilitätsstörungen und Schmerzen insbesondere beim Kauen. Das Landgericht sprach ihm ein Schmerzensgeld von 7.000 EUR zu.

Die Berufung des Zahnarztes wies das OLG zurück. Die Richter bestätigten, dass der Arzt nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht habe, den Patienten über alle Risiken umfassend und sachgemäß aufgeklärt zu haben. An den konkreten Inhalt des Aufklärungsgesprächs habe er sich nicht mehr erinnern können. Und auch durch das schriftliche Formular sei keine hinreichende Aufklärung des Patienten erfolgt. Zwar stehe im schriftlichen Aufklärungsbogen, die Behandlung berge das Risiko der „Nervschädigung“. Daraus - so die Richter - erschließe sich dem Patienten aber nicht, dass die Nervschädigung zu einem dauerhaft verbleibenden Schaden mit nicht mehr zu beseitigenden Sensibilitätsstörungen führen könne. Auch wenn ein solcher Dauerschaden ein seltenes Risiko sei, müsse der Arzt umfassend über die Folgen aufklären, weil die Komplikation die weitere Lebensführung des Patienten besonders nachhaltig und tiefgreifend beeinträchtigen könne. Wegen der unzureichenden Aufklärung habe der Patient - der bei ordnungsgemäßer Information eine andere Behandlung gewählt hätte - in den Eingriff nicht wirksam eingewilligt. Das führe zur Haftung des Arztes für die schädlichen Folgen der Behandlung (OLG Koblenz, 5 U 496/12).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

OLG Koblenz Beschluss vom 06.07.2012 (Az: 5 U 496/12)

Birgt ein zahnärztlicher Eingriff (hier: Versorgung mit Implantaten) das seltene, den Patienten aber erheblich beeinträchtigende Risiko einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung, muss auch darüber aufgeklärt werden. Beweispflichtig für die umfassende und sachgemäße Aufklärung ist der Zahnarzt. Der Hinweis „Nervschädigung“ in einem schriftlichen Aufklärungsformular ist unzureichend, weil er nicht verdeutlicht, dass ein nicht mehr zu behebender Dauerschaden eintreten kann.

Liegt aufgrund einer derartigen Beeinträchtigung die Gefahr von Folgeschäden offen zutage, bedarf die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige weitere Schäden keiner besonderen Begründung.


Gründe:

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Die Klägerin war Patientin des beklagten Zahnarztes, der 2008 zwei Implantate einsetzte. Über die Behandlungsrisiken und eine Behandlungsalternative sieht die Klägerin sich unzureichend aufgeklärt; zudem lastet sie dem Beklagten Behandlungsfehler an.

Das sachverständig beratene Landgericht hat zur Aufklärungsfrage Zeugenbeweis erhoben und der auf Zahlung von 15.610 € nebst Zinsen gerichteten Zahlungsklage nur zu einem Teilbetrag von 7.110 € nebst Zinsen stattgegeben, jedoch dem Feststellungsantrag der Klägerin umfassend entsprochen. Behandlungsfehler stünden fest aufgrund der Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen; den ihm obliegenden Nachweis umfassender und sachgemäßer Aufklärung habe der Beklagte nicht geführt. Ein Schmerzensgeld von 7.000 € statt der erwarteten 15.500 € sei ausreichend. Den materiellen Schaden von 110 € müsse der Beklagte insgesamt erstatten.

Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die umfassende Abweisung der Klage, während die Klägerin mit der unselbstständigen Anschlussberufung die abgewiesenen Anträge erster Instanz weiterverfolgt.

Beide Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Während die Berufung des Beklagten offensichtlich aussichtslos ist, verspricht die Anschlussberufung der Klägerin zumindest einen Teilerfolg.

Die Berufung bekämpft die Auffassung des Landgerichts, dem Beklagten seien Behandlungsfehler unterlaufen, mit beachtlichen Erwägungen. Ob sie allerdings im Endergebnis durchgreifen, hat der Senat deshalb nicht abschließend geprüft, weil das Urteil des Landgerichts Trier den Angriffen der Berufung des Beklagten jedenfalls deshalb standhält, weil ihm bzw. seiner Erfüllungsgehilfin, für die er vertraglich nach § 278 BGB einzustehen hat, Aufklärungsversäumnisse unterlaufen sind, die zur Haftung führen.

Was die Berufung auf Seiten 1 bis 9 der Begründungsschrift vorträgt, ist nämlich auch von Bedeutung für die inhaltliche Gestaltung der therapeutischen und noch mehr der Risikoaufklärung der Patientin. Dass der insoweit beweisbelastete Beklagte seinen Informationspflichten genügt hat, ist nicht hinreichend dargetan, jedenfalls aber nicht bewiesen.

Dass auch die Bagatellisierung scheinbar angesprochener Risiken als Aufklärungsversäumnis gewertet werden muss, ist gefestigte Senatsrechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass gibt.

Die Angriffe gegen die Würdigung des zur Aufklärungsfrage erhobenen Zeugenbeweises hat der Senat geprüft; sie überzeugen nicht. Daher beabsichtigt der Senat auch nicht, die Befragung der Zeugin zu wiederholen oder zu ergänzen.

Wegen der unzureichenden Aufklärung der Klägerin hat sie in den Eingriff und die danach erforderliche weitere Behandlung nicht wirksam eingewilligt, was zur Haftung des Beklagten führt.

Die unselbstständige Anschlussberufung der Klägerin erscheint dagegen teilweise begründet; nach Auffassung des Senats hat das Landgericht das Schmerzensgeld zu gering bemessen. Der Senat wird es daher deutlich erhöhen, sofern der Beklagte aus den Hinweisen unter b. nicht die nahe liegende Konsequenz zieht (§ 516 Abs. 1 ZPO) und es doch noch zu einer mündlichen Verhandlung kommt, deren Erforderlichkeit die Parteien durch ergänzendes Vorbringen aufzeigen könnten.

Die Rechtssache hat jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.


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Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung
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published on 22/08/2012 00:00

Tenor 1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 28. März 2012 wird zurückgewiesen. Damit verliert die Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung. 2. Von den Kosten des Berufungsver
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Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 28. März 2012 wird zurückgewiesen.

Damit verliert die Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben zu tragen:

Die Klägerin 48,59 %,

der Beklagte 51,41 %

3. Das angefochtene Urteil und der Senatsbeschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 17.720 €.

Gründe

1

Die Berufung ist aus den im Senatsbeschluss vom 6. Juli 2012 mitgeteilten Erwägungen ohne Aussicht auf Erfolg. Was der beklagte Zahnarzt dagegen mit Schriftsatz vom 9. August 2012 vorbringt, ist nicht stichhaltig:

2

1. Bei der Klägerin ist durch die Implantatversorgung eine dauerhafte Nervschädigung eingetreten (Gutachten Dr. ...[A] Seite 9). Über die Gefahr einer derartigen Schädigung ist die Anspruchstellerin nicht aufgeklärt worden. Wegen dieses Aufklärungsdefizits war die Versorgung mit Implantaten nicht von einer wirksamen Einwilligung der Patientin gedeckt und damit rechtswidrig. Das führt zur Haftung des Beklagten für die schädlichen Folgen des Eingriffs.

3

Die Berufung verweist demgegenüber im Schriftsatz vom 9. August 2012 erneut auf den schriftlichen Aufklärungsbogen und die Zeugenaussage der aufklärenden Ärztin Dr. ...[B]. Dadurch ist der dem Beklagten obliegende Beweis einer alle Risiken sachgemäß umfassenden Aufklärung indes nicht geführt.

4

Richtig ist allerdings, dass im schriftlichen Aufklärungsbogen vom 13. Juni 2008 davon die Rede ist, die Behandlung/Operation berge das Risiko der „Nervschädigung“. Daraus erschließt sich dem Patient aber nicht, dass die Nervschädigung zu dauerhaften Ausfällen und Beschwerden führen kann. Mag der im Fall der Klägerin eingetretene Dauerschaden auch ein seltenes Risiko sein, ist der Arzt gleichwohl auch insoweit aufklärungspflichtig, weil die Komplikation die weitere Lebensführung des Patienten besonders nachhaltig und tiefgreifend beeinträchtigen kann (vgl. Senatsurteil vom 13.05.2004 - 5 U 41/03 - in ZMGR 2004, 127-129 = NJW-RR 2004, 1026-1027 und MedR 2004, 502-504). So liegt es hier. Das ohne jede ergänzende Erläuterung gebrauchte Schlagwort „Nervschädigung“ im schriftlichen Aufklärungsbogen verdeutlicht nicht, dass insoweit auch ein dauerhaft verbleibender Schaden mit nicht mehr zu beseitigenden Sensibilitätsstörungen und sonstigen Beeinträchtigungen der im Kiefer verlaufenden Nerven eintreten kann.

5

Diese Lücke im schriftlichen Aufklärungsbogen ist auch durch die Zeugenaussage der Ärztin nicht geschlossen, die seinerzeit das Aufklärungsgespräch mit der Klägerin führte. Der entscheidende Kern der Zeugenaussage ist auf Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 15. Februar 2012 wie folgt protokolliert:

6

„An Inhalte des Aufklärungsgesprächs, die über den unterschriebenen Aufklärungsbogen hinausgehen, kann ich mich jetzt nach 5 Jahren nicht mehr erinnern“.

7

Die Aussage der Zeugin ist daher nicht geeignet, eine Aufklärung über das Risiko einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung zu beweisen.

8

2. Der Senat hat bei seinem Beschluss vom 6. Juli 2012 keineswegs übersehen, dass der Beklagte jedweden Schaden bestritten hat und weiterhin bestreitet.

9

Indes hat der gerichtliche Sachverständige sich zu dieser Frage in seinem Gutachten vom 26. Juli 2011 eindeutig in einer den Klagevortrag weithin bestätigenden Weise geäußert.

10

Fortbestehende Zweifel des Beklagten musste das Landgericht, das die Klägerin persönlich angehört hat, nicht überwinden (§ 286 ZPO). Der Beklagte verkennt, dass richterliche Überzeugung keine mathematische Gewissheit erfordert. Es genügt ein Verhandlungs- und Beweisergebnis, das vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. So liegt es hier. Dafür, dass die Klägerin aggraviert, besteht keinerlei Anhalt.

11

3. Auch die wiederholten Rügen zum vermeintlich rechtsfehlerhaft beschiedenen Feststellungsantrag dringen nicht durch. Soweit die Berufung insoweit § 547 Ziffer 6 ZPO in den Blick rückt und meint, das Urteil des Landgerichts enthalte keinerlei Begründung zum Feststellungsausspruch, verkennt der Rechtsmittelführer, dass offen zutage liegende Selbstverständlichkeiten keiner Begründung bedürfen. Der gerichtliche Sachverständige hat eine dauerhaft verbleibende Nervschädigung festgestellt. Dass eine derartige Schädigung im Kieferbereich Folgeschäden materieller und immaterieller Art nach sich ziehen kann, bedarf keiner näheren Begründung.

12

4. Letztlich ist auch das rechtliche Gehör des Beklagten nicht verletzt. Der Grundsatz hat nicht zum Inhalt, dass das Gericht dem Sachvortrag einer Partei folgt. Dass der Beklagte das gesamte Vorbringen der Klägerin nach wie vor als beweislos erachtet, ist ihm unbenommen. Ebenso wie das Landgericht würdigt der Senat das Beweisergebnis erster Instanz anders.

13

5. Dass eine mündliche Verhandlung einen Erkenntnisgewinn verspricht, haben weder die Klägerin noch der Beklagte aufgezeigt.

14

6. Die Anschlussberufung der Klägerin hat mit der Zurückweisung der Berufung des Beklagten durch den vorliegenden Beschluss gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren.

15

Im Rahmen der Kostenentscheidung waren die §§ 97 Abs. 1, 91, 92 Abs. 1, 96 ZPO entsprechend anzuwenden. Soweit die Berufung durch Beschluss nach 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückgewiesen worden ist, hat der Beklagte die Kosten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Juni 2012 Anschlussberufung eingelegt hat, muss sie die Kosten der Anschlussberufung tragen, die aufgrund der einstimmigen Zurückweisung der Berufung keinen Erfolg mehr haben kann. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 91, 92 Abs. 1, 96 ZPO, nach der die Kosten eines erfolglosen Angriffsmittels von dem zu tragen sind, der von dem Mittel Gebrauch gemacht hat. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz an (AGS 2005, 217 - 218 = OLGR Koblenz 2005, 419).

16

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.