Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Sept. 2016 - A 11 S 1125/16

published on 14/09/2016 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Sept. 2016 - A 11 S 1125/16
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Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 - teilweise geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wurde am 02.03.2015 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und ist chinesischer Staatsangehöriger. Er hat drei Geschwister, die am 23.07.2009 (Klägerin zu 2) im Verfahren - A 6 K 2175/14), am 27.04.2011 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 903/13) und am 12.04.2013 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 2258/13) in der Bundesrepublik Deutschland geboren sind. Die Eltern des Klägers stammen aus der Provinz Fujian. Ihre Asylanträge (auch Folgeanträge) wurden unanfechtbar abgelehnt.
Auf den 12.08.2015 wurde der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter nach § 14 a Abs. 2 AsylG als gestellt fingiert.
Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz ab, und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner drohte es dem Kläger die Abschiebung nach China an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Am 28.02.2016 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Mit Schriftsatz vom 19.04.2016 erklärte die Beklagte, sie werde dem Kläger subsidiären Schutz zuerkennen und den angegriffenen Bescheid vom 18.02.2016 insoweit aufzuheben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtstreit insoweit für erledigt, als der Kläger die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach §60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begehrt hatte. Im Übrigen verfolgte er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Durch Urteil vom 03.05.2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus: Der hier allein infrage kommende Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) scheide im Falle des Klägers aus. Zwar sei nach der Auskunftslage zu befürchten, dass die Eltern zur Legalisierung seines Status eine empfindliche Geldbuße zahlen müssten und er im Falle einer Nichtbezahlung nicht in das Haushaltsregister (Hukou) eingetragen würde mit der Folge von Einschränkungen im Hinblick auf soziale Leistungen. Dennoch falle nicht jedes Kind, das unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren worden sei, unter den Begriff einer bestimmten sozialen Gruppe. Denn die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China sei komplex und sehe verschiedene Ausnahmen und Legalisierungsmöglichkeiten vor, von denen auch die Familie des Klägers grundsätzlich Gebrauch machen könne. Die Frage, ob ein Kind von den Sanktionen eines Verstoßes gegen die Familienpolitik betroffen sei, sei jeweils eine Frage des Einzelfalls, weshalb die Annahme der sozialen Gruppe „Kinder, die unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren seien“ nicht in Betracht komme.
Am 09.05.2016 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Mit Beschluss vom 07.06.2016 ließ der Senat die Berufung zu
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Am 16.06.2016 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung und machte geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, bei den fraglichen Kindern könne nicht von einer sozialen Gruppe gesprochen werden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts (auch betreffend die Verfahren der Eltern des Klägers) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
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Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
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Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
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In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
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„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
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Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
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Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
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Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
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Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
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Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
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Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
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Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
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Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
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All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
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4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
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In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
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Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
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Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
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Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
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Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
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Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
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5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
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Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
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Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
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Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
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Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
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Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
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Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
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Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
25 
Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
26 
Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
27 
Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
28 
Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
29 
All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
30 
4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
31 
In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
32 
Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
33 
Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
34 
Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
35 
Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
36 
Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
37 
5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
39 
Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
40 
Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
44 
Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Aufenthaltsgesetz - AufenthG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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published on 08/01/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. 1. Soweit
published on 12/03/2014 00:00

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 wird aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatb
published on 12/03/2014 00:00

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.3.2012 wird aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Ta
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published on 07/11/2016 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt. III. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kost
published on 21/11/2017 00:00

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Antragsteller haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Gründe I. Die Antragsteller, chinesische Staatsangehörige,
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.