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Die Beschwerde hat Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Bezirksärztekammer Nordbaden vom 02.03.2006 und den Widerspruchsbescheid der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 18.10.2006 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wieder herzustellen. Dem Antragsteller fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (1.). Die somit vorzunehmende Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Durchsetzung der ihm gegenüber ergangenen Anordnung bis zu einer abschließenden Entscheidung über seine Anfechtungsklage verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer unverzüglichen, von der aufschiebenden Wirkung nicht gehinderten Durchsetzung der angefochtenen Behördenentscheidung fällt vorliegend zugunsten des Antragstellers aus. Denn bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweisen sich die angefochtenen Verfügungen aller Voraussicht nach als rechtswidrig. Weder dürfte die durch die Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers erfolgte Zuerkennung der Berechtigung, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen, nichtig sein (2.), noch dürfte die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei über die Rücknahme dieser Berechtigung entschieden haben (3.).
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1. Dem Antragsteller fehlt es - jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats - nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Es bedarf keiner Klärung, ob - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - das Rechtsschutzbedürfnis wegen des vom Saarländischen Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz am 14.06.2006 - seinerzeit vollziehbar - angeordneten Ruhens der Approbation des Antragstellers entfallen war. Jedenfalls hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes mit Beschluss vom 11.08.2006 - 1 F 22/06 - auflösend bedingt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 14.06.2006 wieder hergestellt. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Beschluss vom 23.10.2006 - 1 W 41/06 - unter Modifizierung der Bedingungen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bestätigt. Der Antragsteller ist nach der Rechtsprechung des Senats auch nicht gehindert, diesen nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingetretenen und innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Umstand im Beschwerdeverfahren geltend zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 08.11.2004 - 9 S 1536/04 -, NVwZ-RR 2006, 74).
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2. Die Klage des Antragstellers wird voraussichtlich insoweit Erfolg haben, als sie sich gegen Ziffer 1 der Verfügung der der Bezirksärztekammer Nordbaden vom 02.03.2006 richtet. Denn entgegen der darin getroffenen Feststellung nach § 44 Abs. 5 LVwVfG ist die gegenüber dem Antragsteller mit Urkunde vom 07.04.2004 erfolgte Zuerkennung der Berechtigung, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen, nicht im Sinne des § 44 Abs. 1 LVwVfG nichtig.
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§ 44 Abs. 1 LVwVfG kann zwar durch die Antragsgegnerin angewendet werden, da nach § 1 Abs. 1 LVwVfG dessen Vorschriften auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, zu der auch die Antragsgegnerin gehört (§§ 7, 8 HeilbKG), gelten. Es bestehen insoweit auch keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden landesrechtlichen Vorschriften (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 13.07.1999 - 9 S 2767/97 -, MedR 2000, 274).
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Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 LVwVfG liegen aber nicht vor. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist. In der Urkunde vom 07.04.2004 hält die Antragsgegnerin zunächst fest, dass der Antragsteller - ein deutscher Staatsangehöriger - am 27.11.2003 nach den Nationalen Bestimmungen des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland die Berechtigung erworben habe, die Bezeichnung „General Practitioner“ zu führen. Sie stellt dann fest, dass der Antragsteller aufgrund des Titels IV der Richtlinie 93/16/ EWG und der Notifikation nach Art. 41 der Richtlinie 93/16/EWG durch die Bundesrepublik Deutschland berechtigt sei, auch die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen.
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Die Antragsgegnerin geht zutreffend davon aus, dass die - mittlerweile in § 41a HeilbKG geregelten - Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben. Danach erhält von der Landesärztekammer auf Antrag die Berechtigung, die Gebietsbezeichnung „Fachärztin oder Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen, wer in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis über eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin nach Titel IV der Richtlinie 93/16/EWG erworben hat und nach den Bestimmungen der Bundesärzteordnung befugt ist, den ärztlichen Beruf auszuüben. Der Antragsteller hat aber keine danach vorausgesetzte Ausbildung in Großbritannien durchlaufen.
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Er dürfte im Zeitpunkt der Zuerkennung dieses Titels auch nicht aus sonstigen Gründen einen Anspruch auf Verleihung der Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ gehabt haben.
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Zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides am 07.04.2004 war Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes und zur Aufhebung heilberufsrechtlicher Vorschriften vom 09.06.2004 (GBl. S. 279 - HeilbKG-ÄndG -) noch nicht in Kraft getreten. Danach erhält, wer - wie der Antragsteller - zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes am 22.06.2004 aufgrund einer in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen spezifischen Ausbildung in der Allgemeinmedizin nach Titel IV der Richtlinie 93/16/ EWG berechtigt ist, die Bezeichnung „Praktischer Arzt“ zu führen, von der Landesärztekammer auf Antrag das Recht, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen.
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Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, die Antragsgegnerin wäre zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids zur Verleihung dieser Bezeichnung auch ohne diese Regelung verpflichtet gewesen, erscheint dies bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht überzeugend. Die Antragsgegnerin hat zwar unter dem Eindruck eines Vertragsverletzungsverfahrens und im Vorgriff auf die Regelung des § 41a HeilbKG in Fällen, die später von § 41a HeilbKG erfasst wurden, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ verliehen. Dass sie hierzu unter dem Aspekt der Gleichbehandlung auch in später von Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG erfassten Fällen verpflichtet gewesen sein soll, erscheint mit Blick auf die grundsätzliche Zulässigkeit der sog. Inländerdiskriminierung (vgl. dazu etwa Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 13. Aufl., § 23 I 2 m.w.N.) zweifelhaft. Hieran dürfte sich auch nicht allein deshalb etwas ändern, weil der Antragsteller sich nach seinen Angaben in der Zeit vor der Antragstellung bei der Antragsgegnerin etwa sechs Wochen lang in Großbritannien aufgehalten hat und aufgrund seiner deutschen Ausbildungsnachweise in ein dortiges Arztregister eingetragen wurde. Eine gegenteilige Rechtsauffassung vermag der Senat auch der vom Antragsteller zitierten Literaturstelle (Hage, MedR 2002, 301, 305 f.) nicht zu entnehmen.
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Anders als die Antragsgegnerin meint, folgt hieraus aber nicht, dass ein „schwerwiegender“ Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 LVwVfG vorliegt, die Wirksamkeit des Verwaltungsakts also geradezu unerträglich wäre (vgl. dazu etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 44 Rdnr. 30 m.w.N.), sondern nur die Rechtswidrigkeit des Bescheides.
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3. Die Antragsgegnerin hat die - in Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung hilfsweise erklärte - Rücknahme der dem Antragsteller am 07.04.2004 erteilten Berechtigung, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen, wohl zutreffend auf § 48 LVwVfG gestützt (zur allgemeinen Anwendbarkeit der Bestimmungen des LVwVfG durch die Antragsgegnerin vgl. Senat, Urteil vom 13.07.1999, a.a.O.). § 20 der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer, der ebenfalls die Rücknahme der Anerkennung von Facharztbezeichnungen regelt, dürfte vorliegend - anders als in dem dem Urteil des Senats vom 13.07.1999 (a.a.O.) zugrunde liegenden Sachverhalt - nicht gemäß § 1 Abs. 1 Halbs. 2 LVwVfG § 48 LVwVfG vorgehen. Denn die dem Antragsteller erteilte Berechtigung zum Führen der Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ ist nicht erfolgt, weil der Antragsteller die hierfür von der Weiterbildungsordnung geforderte Ausbildung absolviert hat. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Berechtigung vielmehr deshalb verliehen, weil sie sich hierzu aus - im Fall des Antragstellers aber nicht vorliegenden - europarechtlichen Gründen gehalten sah. Die Rücknahmemöglichkeit des § 20 WBO dürfte sich aber nur auf die Rücknahme von Facharztbezeichnungen beziehen, deren Zuerkennung sich auf die Weiterbildungsordnung stützt.
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Zutreffend geht die Antragsgegnerin nach dem Gesagten davon aus, dass der Antragsteller bei Erlass des Ausgangsbescheides vom 07.04.2004 nicht die Voraussetzungen für das Führen der Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ erfüllt hat.
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Die Rücknahme ist auch nicht bereits tatbestandlich deshalb ausgeschlossen, weil die Behörde nach dem im Zeitpunkt der Rücknahme geltenden Recht verpflichtet wäre, einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt sofort wieder zu erlassen (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rdnr. 27, 34).
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Dies scheitert indes nicht bereits daran, dass der Antragsteller nicht (mehr) Mitglied der Antragsgegnerin ist. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 HeilbKG gehören der Landesärztekammer alle Ärztinnen und Ärzte an, die bestellt oder approbiert sind oder eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs besitzen und die im Land ihren Beruf ausüben oder, falls sie ihren Beruf nicht ausüben, im Land ihren Wohnsitz haben. Der Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin die Aufnahme der Berufsausübung in deren Zuständigkeitsbereich im Rahmen einer Privatpraxis zum 01.01.2004 und die Aufrechterhaltung dieser Praxis nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Vertragsarzt in Saarbrücken zum 01.07.2004 angezeigt. Auch die Antragsgegnerin ist zunächst von der Mitgliedschaft des Antragstellers bei ihr ausgegangen, was sich neben der Verleihung der Berechtigung, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen, auch daraus ergibt, dass sie noch am 15.05.2006 gegenüber dem Antragsteller einen - zwischenzeitlich „widerrufenen“ - Beitragsbescheid erlassen hat. Ihre neuerliche Annahme, der Antragsteller habe sich die Mitgliedschaft bei ihr nur erschlichen, um die Facharztanerkennung zu erlangen, habe tatsächlich aber in ihrem Zuständigkeitsbereich nie seinen Beruf ausgeübt, hat die Antragsgegnerin nicht belegt. Entsprechendes folgt auch nicht aus der von der Antragsgegnerin behaupteten bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit der ärztlichen Berufsausübung in dem vom Antragsteller diesbezüglich benannten Gebäudekomplex. Sie ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller aufgrund der Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation vom 14.06.2006 aus Rechtsgründen gehindert wäre, seiner ärztlichen Tätigkeit nachzugehen. Denn der Antragsteller durfte seinen Beruf im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.08.2006 - 1 W 41/06 - unter den dort genannten Voraussetzungen ausüben. Nach den dem Senat vorliegenden Akten ist auch die von der Antragsgegnerin beabsichtigte „negative Feststellung“ des Mitgliedsstatus des Antragstellers bislang nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin ist sich im Übrigen ihrer Behauptung, der Antragsteller übe in ihrem Zuständigkeitsbereich seine ärztliche Tätigkeit nicht aus, nicht sonderlich sicher. Ausweislich des - wohl (auch) auf Betreiben der Antragsgegnerin ergangenen - Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Heidelberg vom 09.08.2006 - 4 AR 2/06 - für den genannten Gebäudekomplex diente die Durchsuchung der Überprüfung des Verdachts, der Antragsteller übe trotz - zu diesem Zeitpunkt vollziehbar ruhender Approbation - seine ärztliche Tätigkeit dort aus. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob die Auffassung der Antragsgegnerin zutrifft, die Mitgliedschaft bei ihr würde bei Nichtausübung des ärztlichen Berufs nur begründet, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich der Hauptwohnsitz, nicht aber, wenn, wie im Fall des Antragstellers, ein bloßer Nebenwohnsitz besteht.
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Es käme deshalb grundsätzlich die Verleihung der Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ nach Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG an den Antragsteller in Betracht, da diesem auf der Grundlage einer der Richtlinie 93/16/EWG entsprechenden Ausbildung in der Allgemeinmedizin von der Ärztekammer des Saarlandes die Berechtigung verliehen worden war, die Bezeichnung „Praktischer Arzt“ zu führen.
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Bei Erlass der Rücknahmeverfügung der Bezirksärztekammer Nordbaden war dem Antragsteller die Berechtigung zum Führen der Bezeichnung „Praktischer Arzt“ von der Ärztekammer des Saarlandes zwar mit Bescheid vom 02.02.2006 „entzogen“ worden. Hiergegen hat der Antragsteller aber am 24.02.2006 Widerspruch eingelegt. Bei Erlass der streitgegenständlichen Rücknahmeverfügung hätte somit davon ausgegangen werden müssen, dass der Antragsteller berechtigt ist, die Bezeichnung „Praktischer Arzt“ zu führen mit der Folge eines Anspruchs nach Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG und der weiteren Folge, dass die streitgegenständliche Rücknahme nicht hätte erfolgen dürfen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch am 18.10.2006 war aber - und zwar am 15.09.2006 - bereits hinsichtlich der „Entziehungsverfügung“ durch die Ärztekammer des Saarlandes ein Widerspruchsbescheid ergangen und gleichzeitig die sofortige Vollziehung angeordnet worden. Somit war ein Anspruch des Antragstellers nach Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG wieder entfallen. Dieser Zeitpunkt ist auch für die Entscheidung des Senats maßgeblich, da sich diese an den Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage gegen die Rücknahmeverfügung der Antragsgegnerin orientiert, für welche die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt entscheidend ist (ebenso etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 07.09.2005 - 13 A 1181/02 -, MedR 2006, 485). Deshalb ist es auf der tatbestandlichen Ebene des § 48 LVwVfG auch irrelevant, dass das Verwaltungsgericht des Saarlandes mit Beschluss vom 04.12.2006 - 1 F 39/06 - die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Ärztekammer des Saarlandes vom 02.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2006 wieder hergestellt hat.
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Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 LVwVfG ist die Rücknahme allerdings nicht die zwingende Rechtsfolge. Vielmehr ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln. In diesem Fall prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Ist die Behörde ermächtigt, nach Ermessen zu handeln, so ist sie zur Ausübung ihres Ermessens nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet (Eyermann/ Rennert, VwGO, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 17). Ob die Behörde ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat, ist anhand der Auslegung des Bescheids zu ermitteln, wobei bei der Beurteilung der ursprüngliche Bescheid mit dem Inhalt und der Begründung zugrunde zu legen ist, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat. Allerdings sind bei der Auslegung des Bescheides und der Beantwortung der Frage, ob die Behörde einen bestehenden Ermessensspielraum verkannt hat, neben der Begründung des Bescheides auch die sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebenden Umstände zu berücksichtigen.
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Ermessensfehlerhaft handelt die Behörde u.a., wenn sie verkennt, dass sie Ermessen hat und deshalb ihr Ermessen nicht gebraucht. Den Bescheiden der Antragsgegnerin ist kein Hinweis auf das der Behörde zustehende Ermessen zu entnehmen. Eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme mit den entgegenstehenden privaten Interessen des Antragstellers erfolgt allenfalls formelhaft, oberflächlich und pauschal. Selbst wenn man aber, etwa aufgrund ihrer Äußerungen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, auf das der Widerspruchsbescheid verweist, davon ausgeht, die Antragsgegnerin habe das ihr zustehende Ermessen überhaupt ausgeübt, ist diese Ermessensentscheidung jedenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
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Denn die Antragsgegnerin hat für die Interessen des Antragstellers sprechende Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. Sie hat in ihre Ermessensausübung nicht eingestellt, dass es zur Verleihung der Facharztbezeichnung auch durch eigene Versäumnisse gekommen ist. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin den Umstand nicht berücksichtigt hat, dass der Kläger die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ im Zeitpunkt des Ergehens des Rücknahmebescheides aufgrund ihrer Verleihung bereits zwei Jahre bei Ausübung seines Berufs im Kontakt mit Patienten, aber auch mit Kollegen berechtigt geführt hat (vgl. zu diesen Aspekten bereits Senat, Urteil vom 13.07.1999, a.a.O.). Insbesondere hat die Antragsgegnerin aber nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass der Antragsteller nach Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG einen Anspruch auf Verleihung der entzogenen Bezeichnung hat, wenn er die dort genannten Voraussetzungen erfüllt. Dies ist solange der Fall, wie die Ärztekammer des Saarlandes dem Antragsteller die Berechtigung, die Bezeichnung „Praktischer Arzt“ zu führen, nicht vollzugsfähig entzogen hat, also beispielsweise aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 04.12.2006 im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, aber auch z.B. dann, wenn die „Entziehungsverfügung“ der Ärztekammer des Saarlandes bestandskräftig aufgehoben werden würde. Die Antragsgegnerin hätte erwägen müssen, ob sie in einer solchen Situation nicht ihrerseits mit der Rücknahmeentscheidung zuwartet, bis Klarheit darüber besteht, ob die insoweit vorgreifliche Entscheidung der Ärztekammer des Saarlandes bestandskräftig wird. Entsprechende Überlegungen hätten umso näher gelegen, als es allein dem zufälligen Verlauf von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geschuldet ist, dass die Rücknahme nicht bereits tatbestandlich ausgeschlossen ist.
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Die zurückgenommene Berechtigung einerseits und die gegebenenfalls nach Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG neu zuzuerkennende Berechtigung, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu führen, anderseits unterscheiden sich auch nicht in für den vorliegenden Fall relevanter Weise.
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Regelungsgegenstand der von der Ärztekammer getroffenen Entscheidung ist in beiden Fällen die Berechtigung, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ führen zu dürfen. Die einschlägigen berufsrechtlichen Bestimmungen mögen für verschiedene Fallgruppen unterschiedliche Voraussetzungen zur Erlangung der Facharztbezeichnung regeln, damit wird - berufsrechtlich - aber kein Unterschied im Umfang der Befähigung begründet (vgl. Senat, Urt. vom 09.03.2004 - 9 S 656/03 -, MedR 2005, 50 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Senats).
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Anders als die Antragsgegnerin offenbar meint, ergibt sich ein Unterschied auch nicht deshalb, weil sie durch die Angabe unterschiedlicher Rechtsgrundlagen für die Verleihung der Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ die Kassenärztliche Vereinigung, die über die Eintragung in das Arztregister und daran anschließend über die Zulassung als Vertragsarzt entscheidet, im Sinne einer Eintragung oder Nichteintragung präjudizieren würde.
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Nach § 95a Abs. 1, 2 SGB V setzt die Eintragung in das Arztregister für allgemeinmedizinisch tätige Vertragsärzte und damit die kassenärztliche Zulassung u.a. den erfolgreichen Abschluss einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung voraus. Diese ist nachgewiesen, wenn der Arzt nach landesrechtlichen Vorschriften zum Führen der Facharztbezeichnung für Allgemeinmedizin berechtigt ist
und
diese Berechtigung nach einer (seit dem 01.01.2006) mindestens fünfjährigen erfolgreichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin bei zur Weiterbildung ermächtigten Ärzten und in dafür zugelassenen Einrichtungen erworben hat.
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Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat die zuständige Kassenärztliche Vereinigung in einem eigenständigen Verfahren zu prüfen. Hinsichtlich der Berechtigung zum Führen einer Facharztbezeichnung ist dabei die Prüfung der Kassenärztlichen Vereinigung darauf beschränkt, ob der Bewerber einschlägige Urkunden vorzulegen imstande ist, d.h. sie hat grundsätzlich nicht zu prüfen hat, ob die jeweilige Befähigung zu Recht zugesprochen worden ist. Dem entspricht die Praxis der Kassenärztlichen Vereinigungen, die berufsrechtlich bescheinigte Qualifikation von Ärzten im Eintragungsverfahren nicht erneut zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.2002 - B 6 KA 37/01R -, juris). Die Kassenärztliche Vereinigung hat aber zusätzlich zu prüfen, ob diese Berechtigung nach einer mindestens fünfjährigen erfolgreichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin bei zur Weiterbildung ermächtigten Ärzten und in dafür zugelassenen Einrichtungen erworben wurde. Insoweit besteht keine Bindung der Kassenärztlichen Vereinigung an die An- oder Vorgaben der jeweiligen Ärztekammer. Soweit die Antragsgegnerin die Rechtsgrundlage der Vergabe der Facharztbezeichnung in die entsprechende Urkunde aufnimmt, hat dies für die Kassenärztliche Vereinigung also allenfalls Indizcharakter.
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Ein eigenständiges Prüfungsverfahren ist erst Recht durchzuführen, wenn - wie vorliegend durch die zurückgeforderte Urkunde - eine Registereintragung nicht nach § 95a Abs. 1, 2 SGB V, also anknüpfend an die Facharztbezeichnung, sondern nach § 95a Abs. 5 SGB V, also anknüpfend an eine ausländische Ausbildung, indiziert wird, die Facharztbezeichnung also erkennbar nicht Folge einer im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin absolvierten Aus- oder Fortbildung ist. Grundlage der Eintragung ist in diesem Fall das ausländische Diplom.
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Auch die gegebenenfalls zu erteilende Bescheinigung nach Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG macht die eigenständige Prüfung der Kassenärztlichen Vereinigung nicht überflüssig. Aus der Zuerkennung der Facharztbezeichnung nach dieser Bestimmung folgt nicht zwingend das Nichtbestehen eines Eintragungsanspruchs. Gemäß § 95a Abs. 4 SGB V sind die Voraussetzungen zur Eintragung auch erfüllt, wenn der Arzt aufgrund von landesrechtlichen Vorschriften zur Ausführung der Richtlinie 86/457/EWG, die in der Richtlinie 93/16/EWG enthalten ist, bis zum 31. Dezember 1995 die Bezeichnung „Praktischer Arzt“ erworben hat. Art. 3 Abs. 2 HeilbKG-ÄndG unterfallen nach seinem Wortlaut auch diese Ärzte, ebenso wie nicht eintragungsfähige (ehemalige) „Praktische Ärzte“, die diese Bezeichnung nach dem 31.12.1995 erworben haben.
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Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die von der Antragsgegnerin nach § 52 LVwVfG angeordnete Rückgabe der dem Antragsteller über den zurückgenommenen Verwaltungsakt ausgehändigten Urkunde als rechtswidrig.
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