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| Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks, das im
Geltungsbereich der Ortsbausatzung der Antragsgegnerin vom
25.06.1935 (Baustaffel 8) sowie einer Erhaltungssatzung für Gebiete
der Städtebaulichen Gesamtanlagen vom 16.06.1988 liegt. Es ist mit
einer 2½ geschossigen “Stadtvilla“ bebaut, deren
Errichtung eine Baugenehmigung vom 04.08.1908 mit
Nachtragsbaugenehmigung vom 22.01.1909 zugrunde liegt. In den
damals genehmigten Bauzeichnungen reicht das Erdgeschoss an der
Rückseite des Gebäudes teilweise über das Obergeschoss hinaus
(Anbau); daneben sind eine überdachte Veranda und eine Terrasse
eingezeichnet. Am 02.11.1992 erteilte die Antragsgegnerin unter
Befreiung von Vorschriften der Ortsbausatzung über
Flächenausnützung, Gebäudetiefe und Nutzungsart eine Baugenehmigung
zur Nutzung und zum Umbau als städtisches Chemisches Institut
einschließlich einer Erweiterung des Anbaus auf den Flächen der
ehemals genehmigten Veranda und Terrasse. Am 03.07.2001 erteilte
sie ihre Zustimmung und eine Genehmigung nach der Erhaltungssatzung
zur Erweiterung und zum Umbau des Gebäudes im ersten Obergeschoss,
insbesondere durch Aufstockung des Anbaus mit einem verglasten
“Pausenraum“ nebst Balkon. |
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| Der Antragsteller hat das Grundstück 2008 von der
Antragsgegnerin erworben und möchte das Gebäude als
Rechtsanwaltskanzlei nutzen. Auf seinen Bauantrag vom 25.02.2009
erteilt die Antragsgegnerin ihm am 21.07.2009 unter Abweichung von
§ 5 Abs. 1 LBO sowie Befreiung von Vorschriften der Ortsbausatzung
über Flächenausnützung, Gebäudetiefe und -höhe und Summe der
Seitenabstände sowie unter verschiedenen Auflagen und Bedingungen
für den Baubeginn eine Baugenehmigung sowie eine Genehmigung nach
der Erhaltungssatzung für Umbau und Nutzungsänderung in ein
Wohn-/Bürogebäude mit zehn Kfz-Stellplätzen. Im genehmigten
Grundriss des Erdgeschosses sind eine Innenwand und die drei
Außenwände des Anbaus, soweit sie nicht durch Fenster und Türen
unterbrochen werden, grau und rot dargestellt. In den Grundrissen
für das Ober- und Dachgeschoss sind im Anbau ein vergrößerter
“Pausenraum“ nebst Balkon und darüber ein weiterer
Balkon vorgesehen. Durch Wegfall von Dachschrägen soll der Anbau
außerdem erhöht werden. Nachdem der von der Antragsgegnerin mit der
bautechnischen Prüfung beauftragte Ingenieur am 11.03.2010 u.a.
bestätigt hatte, dass die vom Bauherrn vorgelegte
Ausführungsplanung der Baugenehmigung entspreche, erteilte die
Antragsgegnerin am 12.03.2010 den Baufreigabeschein. |
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| In einem Aktenvermerk über eine Ortsbesichtigung am 13.04.2010
stellte die Antragsgegnerin fest, der Anbau sei komplett abgerissen
und teilweise seien neue Außenwände errichtet worden. Mit Bescheid
vom selben Tag verfügte sie daraufhin gegenüber dem Antragsteller
die Einstellung der Bauarbeiten im Bereich des Anbaus auf der
Ostseite des Gebäudes. Ferner drohte sie dem Antragsteller für den
Fall der Fortsetzung der Bauarbeiten die Versiegelung der Baustelle
an und gab ihm auf, die zur Beurteilung des begonnenen Vorhabens
notwendigen Bauvorlagen vorzulegen. Der Abbruch des Anbaus weiche
von der Baugenehmigung ab. Die Abweichung sei nicht nach § 50 LBO
verfahrensfrei und verstoße nach vorläufiger Prüfung gegen
Vorschriften der Ortsbausatzung über Flächenausnützung,
Gebäudetiefe sowie Summe der Seitenabstände und gegen § 5 LBO. Mit
seinem Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist, macht der
Antragsteller unter Hinweis auf Schreiben seines Architekten vom
28.04. und 23.06.2010 sowie eine gutachtliche Stellungnahme eines
anderen Architekten vom 16.09.2010 geltend, der Anbau sei nicht
vollständig abgebrochen worden. Sein Unterbau mit Fundament,
Bodenplatte und Sockelmauerwerk sei weiterhin vorhanden und
lediglich saniert worden. Nur aufsteigende Außenwände seien
erneuert worden, weil sie infolge Durchfeuchtung und Alterung ihrer
Bauteile keine ausreichende Tragfähigkeit für die genehmigte
Aufstockung des Anbaus hätten. Die Erneuerung der Außenwände sei in
den Plänen dargestellt, die dem Prüfingenieur vorgelegen
hätten. |
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| Auf Antrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit
Beschluss vom 07.12.2010 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
angeordnet. Der Antrag sei zulässig und begründet. Es bestünden
erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Baueinstellung. Zwar
sei der Antragsteller von der erteilten Baugenehmigung insoweit
abgewichen, als die in den Planunterlagen als Bestand eingetragenen
Wände des Anbaus mit der Decke abgebrochen und die Wände fast
vollständig neu errichtet worden seien. Diese Abweichung sei bei
summarischer Prüfung aber verfahrensfrei, weil es sich um
Instandhaltungsarbeiten i. S. des § 50 Abs. 4 LBO handele. Damit
entfalle auch die Grundlage für die Androhung der Versiegelung der
Baustelle. |
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| Mit ihrer Beschwerde beantragt die Antragsgegnerin, |
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| den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09.12.2010 -
13 K 4360/10 - zu ändern und den Antrag abzulehnen. |
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| Abbruch und Erneuerung der Außenwände seien nicht
verfahrensfrei, insbesondere keine Instandhaltungsarbeiten i. S.
des § 50 Abs. 4 LBO. Dagegen spreche schon, dass mit dem Abbruch
des Anbaus der Bestandsschutz dieses selbständigen Gebäudeteils
entfallen sei. |
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| Der Antragsteller beantragt, |
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| die Beschwerde zurückzuweisen. |
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| Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Der Anbau könne nicht
isoliert betrachtet werden, da er in den Umbau des Gesamtgebäudes
einbezogen sei und für sich allein baulich nicht bestehen
könnte. |
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| Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze,
die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten
verwiesen. |
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| A. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO) und begründet.
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe zwingen zur
Änderung des angegriffenen Beschlusses und zur Ablehnung des
Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Entgegen der
Ansicht des Verwaltungsgerichts überwiegt das öffentliche Interesse
an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung, soweit
sie Gegenstand des Eilverfahrens ist (1.), das entgegenstehende
Aufschubinteresse des Antragstellers, weil diese Verfügung insoweit
mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist (2.). |
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| 1. Die Verfügung vom 13.04.2010 ist bei sachdienlicher Auslegung
des Antragsbegehrens (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) nur insoweit
Gegenstand des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
nach § 80 Abs. 5 VwGO, als sie die Einstellung der Bauarbeiten
anordnet und für den Fall der Fortsetzung dieser Arbeiten die
Versiegelung der Baustelle androht. Denn nur insoweit entfällt
kraft Gesetzes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 64 Abs.
1 Satz 3 LBO, § 12 LVwVG die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs. In Bezug auf die - nicht schon kraft Gesetzes
vollziehbare - weitere Anordnung, die zur Beurteilung des
begonnenen Vorhabens notwendigen Bauvorlagen vorzulegen, ist die
sofortige Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) nicht
angeordnet. Der Antragsteller hat insoweit auch keinen faktischen
Vollzug geltend gemacht. |
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| 2. Die Einstellung der Bauarbeiten (a)) und die Androhung der
Versiegelung (b)) sind mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. |
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| a) Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 LBO kann die Baurechtsbehörde die
Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu
öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder abgebrochen
werden. Dies gilt nach § 64 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 a) LBO
insbesondere, wenn bei der Ausführung eines Vorhabens von der
erteilten Baugenehmigung abgewichen wird, es sei denn die
Abweichung ist nach § 50 verfahrensfrei. In diesem Fall sichert die
Baueinstellung die strikte Durchsetzung der formellen
Genehmigungspflicht nach § 49 LBO und die damit bezweckte
Ordnungsfunktion des Genehmigungsverfahrens. Zugleich beugt sie der
Schaffung vollendeter Tatsachen vor. Anlass für ihre Anordnung kann
mithin der bloße Verstoß gegen die formelle Genehmigungspflicht
sein, ohne dass die Baurechtsbehörde verpflichtet ist, auch die
materielle Rechtmäßigkeit des Bauens zu prüfen (VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 01.07.1970 - II 274/67 - BRS 23 Nr. 203; Sauter,
Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Auflage, § 64 Rn. 1
m.w.N.). Ausreichend ist ein durch Tatsachen belegter
"Anfangsverdacht". Es genügt, dass objektiv konkrete
Anhaltspunkte vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen
lassen, dass ein mit der Rechtsordnung unvereinbarer Zustand
geschaffen wird. Die Errichtung einer formell baurechtswidrigen
(ungenehmigten) Anlage darf demgemäß vorbeugend gestoppt werden,
wenn ihre Genehmigungsbedürftigkeit jedenfalls ernstlich
zweifelhaft ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.12.1993 - 3 S
507/93 - VBlBW 1994, 196; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 20.09.1988
- 8 S 2171/88 - juris und vom 28.06.2010 - 8 S 708/10 - ESVGH 61,
34 ). Die Anordnung der
Baueinstellung steht im Entschließungs- und Auswahlermessen der
Baurechtsbehörde, das sie pflichtgemäß (§ 40 LVwVfG) auszuüben
hat. |
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| aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 64 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
a) LBO sind erfüllt. Der Antragsteller ist bei der Ausführung
seines Vorhabens von der am 21.07.2009 erteilten Baugenehmigung
abgewichen und diese abweichende Bauausführung ist nicht nach § 50
LBO verfahrensfrei. |
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| aaa) Die Abweichung liegt darin, dass der Antragsteller eine
Innenwand, die drei Außenwände und die Decke des Anbaus abgebrochen
und damit begonnen hat, neue Wände zu errichten. Diese Baumaßnahmen
sind weder Gegenstand des Bauantrags vom 25.02.2009 noch der
Baugenehmigung vom 21.07.2009. Im genehmigten Grundriss des
Erdgeschosses vom 18.02.2009 sind eine Innenwand und die drei
Außenwände des Anbaus, soweit sie nicht durch Fenster und Türen
unterbrochen werden, grau und rot dargestellt, also als vorhandene
(bleibende) Bauteile sowie als neues Mauerwerk (§ 6 Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 und 3 LBOVVO in der bei Einreichung und Genehmigung des
Bauantrags noch geltenden a.F.). Lediglich das durch Vergrößerung
alter oder Einbau neuer Fenster wegfallende Mauerwerk der alten
Außenwände und eine weitere Innenwand (zwischen
“Spülküche“ und “Chemielager“ des
ehemaligen Chemischen Instituts) sind als zu beseitigende Bauteile
gelb dargestellt (§ 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 LBOVVO). Der Einwand des
Antragstellers, die Erneuerung der Außenwände sei in den
Konstruktionsplänen dargestellt, die nach Erteilung der
Baugenehmigung zur Erteilung des Baufreigabescheins eingereicht
worden seien und dem Prüfingenieur vorgelegen hätten, greift schon
deshalb nicht durch, weil für diese abweichende Ausführung des
Bauvorhabens keine (Nachtrags-/Änderungs-) Baugenehmigung erteilt
worden ist. Eine solche Genehmigung liegt insbesondere nicht in der
Erteilung des Baufreigabescheins (§ 59 Abs. 1 LBO). Denn damit wird
lediglich festgestellt, dass die in der Baugenehmigung für den
Baubeginn enthaltenen Auflagen und Bedingungen erfüllt sind (§ 59
Abs. 1 Satz 2 LBO), und die Ausführung des Bauvorhabens - durch
Aufhebung des mit der Genehmigungspflicht verbundenen präventiven
Bauverbots - nur im Umfang der zuvor erteilten Baugenehmigung
freigegeben. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin den
Baufreigabeschein erteilt, nachdem der beauftragte Prüfingenieur am
11.03.2010 u.a. bestätigt hatte, dass die Ausführungsplanung der
Baugenehmigung entspricht. Ob diese Bestätigung unzutreffend war -
darauf könnte evtl. die Telefonnotiz über ein Gespräch mit dem Büro
des Prüfingenieurs (Bauakte, Blatt 56) hindeuten, in der es heißt
“In Schalplan sind neue Wände eingetragen als
KSV-Wände“ - kann deshalb offen bleiben. |
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| bbb) Die abweichende Bauausführung ist, wie die
Beschwerdebegründung im Ansatz zutreffend einwendet, nicht nach §
50 LBO verfahrensfrei, insbesondere nicht als
Instandhaltungsarbeiten i. S. des § 50 Abs. 4 LBO. |
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| (1) Fraglich erscheint bereits, ob die mit der abweichenden
Bauausführung verbundenen Baumaßnahmen überhaupt als
Instandhaltungsarbeiten i.S. des § 50 Abs. 4 LBO angesehen werden
können, wie der Antragsteller und ihm folgend das
Verwaltungsgericht annehmen. |
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| Der mit der LBO-Novelle 1995 in Anlehnung an die
Musterbauordnung, die Bauproduktenrichtlinie sowie § 5 BauPG
übernommene Begriff “Instandhalten“ (§ 2 Abs. 12 Nr. 1
LBO) umfasst die bis dahin in der Landesbauordnung verwendeten
Begriffe Instandsetzung und Unterhaltung (LT-Drucks. 11/5337 S.
78). Dies sind bauliche Maßnahmen zur Erhaltung des
bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer Anlage oder ihrer baulichen
Substanz, um die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinflüsse
entstandenen baulichen und sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu
beseitigen, ohne die Identität der Anlage einschließlich ihres
Nutzungszwecks zu ändern (Senatsurteil vom 27.01.1987 - 8 S 3427/86
- juris sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.12.1983 - 3 S
2040/83 - juris; Sauter, a.a.O. § 2 Rn. 130 sowie § 50 Rn. 227;
vgl. auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15.01.2009 - 3
L 124/08 - NordÖR 2009, 134 und 179). Daran fehlt es, wenn die
Baumaßnahmen ihrer Qualität nach so intensiv sind, dass sie die
Standfestigkeit der Anlage berühren, so dass eine statische
Nachberechnung der gesamten Anlage erforderlich wird, oder wenn der
Arbeitsaufwand seiner Quantität nach den für eine neue Anlage
erreicht oder gar übersteigt. Dabei kann auch das teilweise
Auswechseln tragender Gebäudeteile im Einzelfall eine
Instandsetzungs- oder Unterhaltungsmaßnahme sein, etwa wenn
beschädigte Mauerteile eines Gebäudes nur zu einem Viertel bis
einem Drittel der alten Bausubstanz erneuert werden (Senatsurteil
vom 27.01.1987, a.a.O.). Instandhaltungsarbeiten sind zudem von der
“Errichtung“ und dem “Ändern“ (§ 2 Abs. 12
Nr. 1 LBO) einer baulichen Anlage abzugrenzen, also insbesondere
vom Wiederaufbau nach Zerstörung sowie von An- und Umbauten oder
Abweichungen im äußeren Erscheinungsbild (vgl. Sauter, a.a.O. § 2
Rn. 126, 128). |
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| Gemessen daran erscheint zweifelhaft, ob Abriss und Wiederaufbau
der aufsteigenden Wände des Anbaus sowie von dessen Decke noch als
Instandhaltungsarbeiten angesehen werden können. Zwar mag es sein,
dass das Mauerwerk der Wände wegen Durchfeuchtung und Alterung zur
Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Anbaus und seiner
baulichen Substanz erneuerungsbedürftig war, wie dies in den
Stellungnahmen des Architekten des Antragstellers beschrieben wird.
Auch könnte sich der Umfang des erneuerten Mauerwerks
möglicherweise noch in dem vom Senat im Urteil vom 27.01.1987
(a.a.O.) bezeichneten Rahmen von einem Viertel bis zu einem Drittel
alter Bausubstanz halten. Bezugsanlage dürfte insoweit nicht nur -
wie die Antragsgegnerin meint - der Anbau, sondern das Hauptgebäude
zusammen mit dem Anbau sein, da die Räume des Anbaus nach den in
der Vergangenheit erteilten Baugenehmigungen funktional in das
Hauptgebäude integriert waren, der Anbau also gerade kein
selbständiges Gebäude (§ 2 Abs. 2 LBO) war (vgl. Sauter, a.a.O. § 2
Rn. 37). Zudem hat die Antragsgegnerin eingeräumt, dass die
Erneuerung der Außenwände des Anbaus keine statische Neuberechnung
des Gesamtgebäudes erfordert. Gleichwohl dürfte die Identität des
Gesamtgebäudes nicht mehr gewahrt sein. Zum einen führt der
vollständige Abriss und Wiederaufbau der aufsteigenden Außenwände
des Anbaus zu Abweichungen im äußeren Erscheinungsbild. Zum anderen
spricht gegen eine bloße Instandhaltung der in den Stellungnahmen
des Architekten des Antragstellers angedeutete Umstand, dass die
Erneuerung der Außenwände gerade auch durch die genehmigten
Änderungen und Umbauten im Ober- und Dachgeschoss und die damit
einhergehende, jedoch offenbar erst nachträglich erkannte
Notwendigkeit bedingt ist, die Tragfähigkeit der Außenwände des
Anbaus im Erdgeschoss zu erhöhen. Denn damit bezweckt die
Erneuerung der Außenwände qualitativ wohl mehr als nur den Erhalt
der baulichen Substanz des Anbaus in seiner bisherigen
Bestimmung. |
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| (2) Aber selbst wenn es sich um Instandhaltungsarbeiten i. S.
des § 50 Abs. 4 LBO handeln sollte, wären sie hier jedenfalls
deshalb nicht i. S. des § 64 Abs. 1 Nr. 3 a) LBO “nach § 50
verfahrensfrei“, weil sie als unselbständiger Teil einer
gleichzeitig ausgeführten genehmigungspflichtigen Änderung des
gesamten Gebäudes und nicht als selbständiges Vorhaben ausgeführt
werden sollen, das auch noch nach Fertigstellung des genehmigten
Bauvorhabens jederzeit verfahrensfrei vorgenommen werden könnte
(vgl. Sauter, a.a.O: § 64 Rn. 12). |
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| Die Genehmigungsplicht eines Vorhabens nach § 49 Abs. 1 LBO
erstreckt sich auch auf verfahrensfreie Anlagen oder Einrichtungen,
soweit sie unselbständige Teile dieses Vorhabens sind. Denn handelt
es sich tatsächlich um ein einheitliches Vorhaben, dann ist auch in
rechtlicher Hinsicht nur eine einheitliche Behandlung und
Entscheidung möglich (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24.09.1979 -
III 1553/79 - juris; Sauter, a.a.O. § 49 Rn. 21). Dementsprechend
erfasst die Verfahrensfreiheit nach § 50 Abs. 1 LBO nur
selbständige Einzelvorhaben (Sauter, a.a.O. § 50 Rn. 4 m.w.N.). Für
Instandhaltungsarbeiten i. S. des § 50 Abs. 4 LBO kann
grundsätzlich nichts Anderes gelten, da auch insoweit nur eine
einheitliche Behandlung und Entscheidung möglich ist. Sie sind
deshalb ebenfalls genehmigungspflichtig, wenn sie unselbständiger
Teil eines einheitlichen genehmigungspflichtigen Gesamtvorhabens
sind (so auch schon Senatsurteil vom 27.01.1987, a.a.O.). Zwar ist
es an sich Sache des Bauherrn, durch seinen Bauantrag festzulegen,
was das Vorhaben und damit der zu beurteilende Verfahrensgegenstand
sein soll (vgl. § 29 baugb> BVerwG, Urteil vom 04.07.1980
- 4 C 99.77 - DÖV 1980, 921; im Anschluss daran auch OVG
Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.06.2007 - 3 L 368/04 - NordÖR
2007, 458). Unter diesem Blickwinkel könnte man die Äußerungen des
Antragstellers im Widerspruchs- und Eilverfahren möglicherweise so
verstehen, dass er Abriss und Wiederaufbau der aufsteigenden Wände
des Anbaus sowie von dessen Decke als gesondertes eigenständiges
Vorhaben abtrennen möchte. Eine derartige subjektive Trennung ist
materiell-rechtlich jedoch nur erheblich, wenn ihr objektive
Gegebenheiten nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom
04.07.1980, a. a. O.). Mit anderen Worten, was nach objektiven
Kriterien baulich und funktional zusammengehört, kann nicht
willkürlich auf Grund einer Willensentscheidung des
Bauantragstellers in Einzelteile zerlegt werden (Senatsurteil vom
25.11.2009 - 8 S 2038/08 -; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss
vom 27.07.1998 - 3 S 1935/98 - juris). So liegt es hier. Abriss und
Wiederaufbau der aufsteigenden Wände des Anbaus sowie von dessen
Decke sind objektiv sowohl baulich als auch funktional Teil der
genehmigungspflichtigen (Nutzungs-)Änderung des gesamten Gebäudes,
insbesondere der beabsichtigten Aufstockung des Anbaus. Sie sollen
und können nicht unabhängig von der Fertigstellung des genehmigten
Gesamtvorhabens ausgeführt werden. |
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| Die Frage, ob die abweichend von der Baugenehmigung ausgeführten
und noch auszuführenden Baumaßnahmen aus Gründen des
Bestandsschutzes als Reparatur-, Instandhaltungs- oder
Modernisierungsmaßnahmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.03.1981 - 4
B 195.80 - NVwZ 1982, 38 m.w.N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom
17.01.1986 - 4 C 80.82 - BVerwGE 72, 362 <363> m.w.N.)
rechtmäßig sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn sie
ist eine solche des materiellen und nicht auch des formellen
(Bau-)Rechts. Insbesondere gebietet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht,
solche noch vom Bestandsschutz umfassten Baumaßnahmen von
vornherein verfahrensfrei zu stellen (vgl. VGH Bad.-Württ.,
Beschluss vom 07.12.1983, a.a.O.). |
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| bb) Die Baueinstellung dürfte auch ermessensfehlerfrei,
insbesondere nicht unverhältnismäßig sein. Sie stützt sich tragend
auf den Gesichtspunkt der formellen Illegalität sowie die Erwägung,
dass die abweichende Bauausführung nach vorläufiger Prüfung zu
Verstößen gegen Vorschriften der Ortsbausatzung sowie § 5 LBO
führe, so dass die Fortsetzung der Bauarbeiten einen rechtswidrigen
Zustand verfestigen und Rechtsschutzmöglichkeiten des Angrenzers
verkürzen könnte. Dies alles entspricht dem Zweck von § 64 LBO und
erscheint auch sonst sachgerecht. Zwar ist derzeit nicht völlig
auszuschließen, dass sich die abweichende Bauausführung bei
weiterer Überprüfung doch noch als Reparatur-, Instandhaltungs-
oder Modernisierungsmaßnahme herausstellt, auch wenn dafür aus den
oben genannten Gründen derzeit wenig spricht. In diesem Fall könnte
sie sich trotz der von der Antragsgegnerin bezeichneten
Rechtsverstöße aus Gründen des Bestandsschutzes möglicherweise als
genehmigungsfähig erweisen. Zu einer solchen abschließenden Prüfung
der materiellen Rechtslage ist die Antragsgegnerin vor Erlass der
Baueinstellung aber nicht verpflichtet. Dem ist - ebenso wie der
zugleich aufgeworfenen Frage, ob die erteilte Baugenehmigung,
soweit sie (nur) Umbau und Aufstockung des alten Anbaus zulässt,
durch den Abbruch der aufsteigenden Außenwände und der Decke des
Anbaus möglicherweise gegenstandslos geworden ist (vgl. Sauter,
a.a.O. § 64 Rn. 13) - im Verfahren zur Erteilung einer
(Änderungs-/Nachtrags-) Baugenehmigung nachzugehen. |
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| b) Die Androhung der Versiegelung der Baustelle nach § 64 Abs. 2
LBO als spezialgesetzlich geregelter Fall der Anwendung
unmittelbaren Zwangs (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.1981 - 3
S 1274/81 - juris) findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 Satz
1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 2 Nr. 2 LVwVG sowie § 64
Abs. 1 Satz 3 LBO. Rechtliche Bedenken sind insoweit weder geltend
gemacht noch ersichtlich. |
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| B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs.
1 GKG (entsprechend der Wertfestsetzung in erster Instanz). |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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