Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Juli 2004 - 11 S 1303/04

published on 21/07/2004 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Juli 2004 - 11 S 1303/04
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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. August 2003 - 1 K 638/02 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein 1971 in Erfelek/Sinop (Türkei) geborener türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der Kläger reiste 1979 im Alter von 8 Jahren im Wege des Familiennachzugs zu seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seit dem 9.10.1989 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Nach der Hauptschule begann er eine Ausbildung zum Maurer, die er aber nicht abschloss. Ab 1989 arbeitete er zunächst als Hilfsarbeiter, zeitweise war er arbeitslos. 1997 begann er, selbständig tätig zu sein und meldete zu diesem Zweck 1999 ein Gewerbe an (Handel, An- und Verkauf, Sortierung und Entsorgung von Elektroschrott), das er seitdem – mit Ausnahme der Zeiten haftbedingter Unterbrechung - und auch gegenwärtig noch betreibt. Die Eltern und die drei Geschwister des Klägers leben in der Bundesrepublik Deutschland. Er hat eine 15-jährige nichteheliche Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit, für die er Unterhalt bezahlt.
Der Kläger wurde während seines Aufenthalts in Deutschland wie folgt strafrechtlich verurteilt:
1.    durch Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 26.10.1988 zu 64 Stunden gemeinnütziger Arbeit wegen Diebstahls (Mofa);
2.    durch Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 25.1.1989 zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit wegen Diebstahls und Hehlerei (Geld);
3.    durch Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 20.6.1989 zu einer Geldbuße von 40.- DM wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis;
4.    durch Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 19.12.1990 zu 40 Tagessätzen wegen falscher Verdächtigung (Verkehrsstraftat);
5.    durch Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 28.9.1992 zu 8 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung (Trunkenheit, 1,48 Promille) in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis;
6.    durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 9.11.1992 zu 25 Tagessätzen wegen fahrlässiger Verkehrsgefährdung (Trunkenheit, 0,7 Promille).
10 
Die in der Verurteilung zu 5. ausgesprochene Freiheitsstrafe wurde durch Berufungsurteil des Landgerichts Memmingen vom 25.2.1993 unter Einbeziehung der durch das Urteil zu 6. verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe zusammengefasst und auf vier Monate und eine Woche (ausgesetzt zur Bewährung) reduziert; die Strafaussetzung wurde später widerrufen und die Strafe vollstreckt.
11 
Am 4.11.1993 wurde der Kläger deswegen ausländerrechtlich verwarnt.
12 
Weiter wurde der Kläger wie folgt verurteilt:
13 
7.    durch Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 27.9.1995 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Vergewaltigung (Anhalterin); die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung wurde mit Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 13.2.2001 widerrufen;
14 
8.    durch Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 21.10.1996 zu 80 Tagessätzen wegen Strafvereitelung (Fahren ohne Fahrerlaubnis); das Strafmaß wurde vom Landgericht Ansbach durch Berufungsurteil vom 30.1.1997 auf 3 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung geändert.
15 
Am 27.8.1998 wurde der Kläger erneut ausländerrechtlich verwarnt.
16 
9.    Schließlich folgte am 22.11.2000 das Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm, mit dem der Kläger zu 4 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde.
17 
Ein 2001 anhängiges Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung (Wirtshausschlägerei unter Alkoholeinfluss, 1,73 Promille) wurde eingestellt.
18 
Aufgrund der genannten Verurteilungen zu Freiheitsstrafen war der Kläger vom 2.4. bis 1.6.1997 (2 Monate), vom 15.12.1997 bis 8.3.1998 (2 Monate 3 Wochen) und vom 27.6.2001 bis 23.12.2002 (18 Monate) in Haft.
19 
Nach vorheriger Anhörung, bei der sich der Kläger innerhalb der eingeräumten Frist nicht äußerte, wies das Regierungspräsidium Tübingen den Kläger mit Verfügung vom 21.3.2002 - zugestellt am 28.3.2002 - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei entweder direkt aus der Strafhaft, jedoch frühestens einen Monat nach Zustellung der Ausweisungsverfügung, oder bei vorheriger Haftentlassung frühestens einen Monat nach der Haftentlassung an. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium im Wesentlichen aus, dass der Kläger durch die Verurteilung vom 22.11.2000 und den Bewährungswiderruf vom 13.2.2001 nicht nur geringfügig gegen Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland verstoßen und damit den Ausweisungstatbestand des § 46 Nr.2 i.V.m. § 45 AuslG verwirklicht habe. Wegen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, der dem Kläger zustehe, weil er als Minderjähriger eingereist und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sei, dürfe die Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen. Die Ausweisung sei danach gerechtfertigt, weil das persönliche Verhalten des Klägers Grund für die Annahme sei, dass von ihm eine gegenwärtige und tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehe. Aus dem Bewährungswiderruf des Landgerichts Memmingen vom 13.2.2001 gehe hervor, dass er zwischen der Verkündung des Urteils des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 27.9.1995 wegen Vergewaltigung und dem Eintritt der Rechtskraft erneut wegen Strafvereitelung straffällig geworden sei. Danach sei er noch wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Insbesondere durch die Vorsatzstraftat habe er deutlich zu erkennen gegeben, dass er nicht zu einer längerfristigen Einhaltung der Rechtsordnung bereit sei und wichtigen staatsbürgerlichen Pflichten mit Gleichgültigkeit begegne. Obwohl es sich bei der Vergewaltigung um eine besonders schwerwiegende Straftat handle, sei er zunächst nur ausländerrechtlich verwarnt worden. Gleichzeitig sei er dabei darauf hingewiesen worden, dass er bei der nächsten Straftat mit der Ausweisung rechnen müsse; das habe ihn nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Vom Kläger gehe eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Eine günstige Sozialprognose sei aufgrund der bisherigen Straftaten, des Bewährungsbruchs und der Missachtung der zweifachen ausländerrechtlichen Verwarnung nicht gegeben. Weder Arbeitsverhältnisse noch Familie hätten den Kläger in der Vergangenheit von Straftaten abhalten können. Unter anderem habe er sich auch als notorischer Verkehrssünder hervorgetan. Da er durch keinerlei mildere Sanktionen zu belehren sei, erreiche lediglich die Ausweisung das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, schwerwiegende Gefahren von der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger als Achtjähriger nach Deutschland gekommen und hier aufgewachsen sei. Es sei der Behörde bewusst, dass ihn die Ausweisung nicht unerheblich treffe. Da er aber bis zu seinem 8. Lebensjahr in der Türkei gelebt habe, der türkischen Sprache mächtig und im türkischen Familienverband aufgewachsen sei, sich zudem in einem Alter befinde, in dem er sich noch jederzeit auf veränderte Lebensbedingungen einstellen könne, sei ihm eine Ausreise in sein Heimatland zumutbar. Eine besondere soziale und wirtschaftliche Integration habe in Deutschland bisher nicht ausreichend stattgefunden, zumal er auch über erhebliche Schulden verfüge. Die Ausweisung sei geeignet und erforderlich, um die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Duldungsgründe seien nicht ersichtlich. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen Art. 7 des deutsch-türkischen Niederlassungsabkommens von 1927. Art. 3 Abs. 3 ENA stehe der Ausweisung nicht entgegen, da ihr schwerwiegende Gründe - auch im Sinne von Art. 14 ARB 1/80 - zugrunde lägen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK.
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Die dagegen am 12.4.2002 erhobene Klage begründete der Kläger unter anderem damit, dass er sich in der Bundesrepublik Deutschland vollständig integriert habe, er beherrsche die deutsche Sprache in Wort und Schrift und fühle sich praktisch als Deutscher. Die Ausweisung sei fehlerhaft, weil die Ausländerbehörde davon ausgegangen sei, dass bei Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Ausweisung erfolgen müsse, während sie gemäß § 45 Abs. 1 iVm. § 46 AuslG im Ermessen stehe. Das gelte auch nach § 10 AuslG in der Fassung von 1972, der auf ihn als Gewerbetreibenden nach Assoziationsrecht anzuwenden sei. Im Übrigen bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr: Die Vergewaltigung liege bereits sieben Jahre zurück und eine vergleichbare Tat sei von ihm nicht mehr begangen worden. Die Strafvereitelung sei eine „Dummheit“ gewesen, die er begangen habe, um einen Kumpel zu decken. Die längere Haftzeit, die er erst nach der letzten Verurteilung angetreten habe, habe ihn außerdem beeindruckt, es habe bei ihm ein Umdenkungsprozess stattgefunden, so dass die Ausweisung nicht mehr zum Schutz der öffentlichen Sicherheit erforderlich sei. Das von ihm auf Veranlassung der Fahrerlaubnisbehörde in Auftrag gegebene medizinisch-psychologische Gutachten des Zentrums für medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU) vom 14.5.2003 bejahe nicht nur seine weitere verkehrsrechtliche Eignung. Das Gutachten stelle auch fest, dass er sich mit seiner Alkoholproblematik auseinandergesetzt und seine früher wirksamen Trinkmotive erkannt und ausreichend überwunden habe. Es würden ausreichende Kompetenzen und eine ausreichende motivationale Grundlage dafür bejaht, dass er eine abstinente Lebensführung dauerhaft fortsetze. Seine Taten seien auch nicht so schwerwiegend wie es § 48 Abs. 1 AuslG vorschreibe. Die letzte Verurteilung sei eine Bewährungsstrafe gewesen; von der strafrichterlichen Sozialprognose könne im Ausweisungsverfahren nicht ohne weiteres abgewichen werden. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass er nicht nur seine Eltern und Geschwister in Deutschland habe, sondern auch eine Tochter. Als türkischer Staatsangehöriger, früherer Arbeitnehmer und Kind eines türkischen Arbeitnehmers, mit dem er zusammen lebe, genieße er den Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Damit stellten sich folgende Fragen, die die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gebieten würden: Erstens erscheine die mit der Ausweisung intendierte Trennung von seinen Eltern nach europarechtlichem Maßstab unverhältnismäßig, da der europarechtliche Gefahrenbegriff zwar mit dem des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, nicht aber mit demjenigen des § 47 Abs. 3 AuslG übereinstimme. Zweitens sei es eine gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage, ob die Haft die Rechte nach Art. 7 ARB 1/80 automatisch zerstöre und welches der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erforderlichen Gefahr sei. Wenn es auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankomme, sei durch das MPU-Gutachten die bisherige Gefahrenprognose widerlegt.
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Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage mit Urteil vom 27.8.2003 - 1 K 638/02 - als nicht begründet ab. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 21.3.2002 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 46 Nr. 2 AuslG lägen aufgrund der zahlreichen Verurteilungen des Klägers vor. Da der Kläger durch Urteil des Landgerichts Ansbach vom 30.1.1997 wegen Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung verurteilt worden sei, seien auch die Voraussetzungen einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG gegeben. Diese werde, da der Kläger besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG genieße, gemäß § 47 Abs. 3 AuslG zu einer Ermessensentscheidung herabgestuft. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 48 Abs. 1 AuslG lägen vor, insoweit werde auf den Beschluss der Kammer vom 18.6.2002 - 1 K 639/02 - und den des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17.6.2003 - 14 S 1549/02 - und auf die Gründe der Ausweisungsverfügung verwiesen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung sei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, so dass nach Erlass dieser Verfügung eingetretene günstigere Umstände unberücksichtigt zu bleiben hätten. Es könne daher offen bleiben, ob aufgrund des Gutachtens der MPU GmbH Recklinghausen vom 14.5.2003 eine andere Beurteilung der schwerwiegenden Gründe gerechtfertigt sei, da sich das Gutachten allein auf die Geeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen beziehe. An der Rechtmäßigkeit der vom Regierungspräsidium getroffenen Ermessensentscheidung bestünden keine Zweifel. Die Behörde habe die ihr im Zeitpunkt ihrer Entscheidung bekannten Umstände zugunsten des Klägers gewürdigt und nachträglich auch berücksichtigt, dass er Vater einer 14-jährigen nichtehelichen Tochter sei. Dass der Kläger zu dieser Tochter eine nähere Beziehung habe, die über Unterhaltszahlungen hinausgehe, sei von ihm nicht vorgetragen worden. Im Übrigen werde auch insoweit auf den Beschluss der Kammer vom 18.6.2002 und die Erwägungen des Beklagten im Bescheid vom 21.3.2002 Bezug genommen. Vorschriften des Europäischen Niederlassungsabkommens und des ARB 1/80 stünden der Ausweisung nicht entgegen. Ob die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 vorlägen, könne offen bleiben. Art. 6 ARB 1/80 greife wegen der selbständigen Tätigkeit des Klägers ebenso wenig ein wie Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 wegen des Fehlens einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Aber selbst wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften vorlägen, stünden sie einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 14 ARB 1/80 nicht entgegen, da die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sei. Die Annahme eines anderen Beurteilungszeitpunkts als dem der Behördenentscheidung sei nicht geboten. Auch Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 stehe der Ausweisung nicht entgegen, da über die Ausweisung nach Ermessen entschieden worden sei und damit die Situation des Klägers im Verhältnis zu den Vorschriften, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls im Jahr 1972 gegolten hätten, nicht erschwert worden sei. Die Ausweisung sei schließlich auch nicht im Hinblick auf Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG fehlerhaft. Ungeachtet der Frage, ob die Richtlinie überhaupt auf den Kläger als türkischen Staatsangehörigen Anwendung finde, gehe die Kammer davon aus, dass ein auf die Prüfung der Gesetzmäßigkeit i.S. des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG beschränktes Rechtsmittel nur dann anzunehmen sei, wenn sich die gerichtliche Kontrolle auf die formelle Rechtmäßigkeit und die Nichtigkeit einer Maßnahme beschränke, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Abschiebungsandrohung begegne keinen rechtlichen Bedenken.
22 
Gegen dieses ihm am 2.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7.10.2003 - eingegangen am 8.10.2003 - die Zulassung der Berufung beantragt. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 17.5.2004 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen (11 S 73/04). Dieser Beschluss ist dem Kläger am 4.6.2004 zugestellt worden.
23 
Die zugelassene Berufung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7.6.2004 - eingegangen am 9.6.2004 - begründet. Er ist der Auffassung, dass für ihn ausweislich des vorgelegten MPU-Gutachtens heute eine günstige Sozialprognose spreche. Eine polizeiliche Gefahr dürfe dann nicht mehr bekämpft werden, wenn sie nicht mehr vorliege. Für das Europarecht - und mithin auch für Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 - habe dies der EuGH im Urteil vom 29.4.2004 - Rs. C-482/01 und C-493/01 - bestätigt. Soweit sich die Frage stelle, ob mit Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit die Rechte nach Art. 7, 14 Abs. 1 ARB 1/80 untergegangen seien, beantrage er die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH. Art. 7 ARB 1/80 kenne keine Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 entsprechende Unterbrechungsregelung. Die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit habe nicht zur Folge, dass - wie bei dauerhafter Erwerbslosigkeit - das Verlassen des Mitgliedstaates solle erzwungen werden dürfen. Dies gelte für Unionsbürger und auch für türkische Arbeitnehmer, die sich mit behördlicher Erlaubnis selbständig machten. Bei selbständig Erwerbstätigen bestehe kein vergleichbares Bedürfnis wie bei Nichterwerbstätigen, sie als Last für die öffentlichen Kassen zur Ausreise zwingen zu können.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27.8.2003 - 1 K 638/02 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 21.3.2002 aufzuheben.
26 
Der Beklagte beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Zur Begründung führt er aus, dass sich der Kläger wegen seiner selbständigen Tätigkeit bzw. wegen des Fehlens einer abgeschlossenen Berufsausbildung weder auf Art. 6 ARB 1/80 noch auf Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 berufen könne. Aufgrund der selbständigen Tätigkeit sei auch die Anwendung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ausgeschlossen. Das Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 sei lediglich eine Folge des im ARB 1/80 garantierten Rechts auf „Zugang zum Arbeitsmarkt“, d.h. auf Aufnahme einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis als „Arbeitnehmer“. Dieses Recht auf tatsächliche Ausübung einer entsprechenden Beschäftigung gelte nicht unbegrenzt. Damit sei der maßgebliche Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, weshalb das danach vorgelegte MPU-Gutachten nicht entscheidungserheblich sei. Aber auch wenn man die Anwendbarkeit des ARB 1/80 unterstelle, sei eine Übertragbarkeit der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 29.4.2004 auf nach ARB 1/80 berechtigte Türken abzulehnen. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG sei eine rein verfahrensbezogene Vorschrift und gelte, wie auch die rein prozessrechtliche Frage des entscheidungserheblichen Zeitpunkts, nicht für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Bejahe man die Übertragbarkeit der Grundsätze des Urteils, ändere aber auch das nichts an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung. Obwohl durch § 6a AGVwGO ein Widerspruchsverfahren bezüglich der vom Regierungspräsidium erlassenen Verwaltungsakte ausgeschlossen werde, liege darin kein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, da die Rechtsschutzmöglichkeiten des Ausländers nicht hinter denen von Inländern zurückblieben und weit über die geforderten Mindeststandards hinausgingen; auch finde eine gerichtliche Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung statt. Dies belege auch Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG, die ausdrücklich u.a. zur Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG erlassen worden sei. Schließlich sei aber auch das vorgelegte MPU-Gutachten nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu widerlegen. Es basiere ausschließlich auf den Angaben des Klägers und auf der Akteneinsicht bei der Führerscheinstelle. Es orientiere sich bei der Fragestellung ausschließlich an der Alkoholproblematik - deren dauerhafte Bewältigung es nicht nachweise - und sei daher nicht geeignet, generell die Wiederholungsgefahr von Straftaten zu widerlegen, zumal der Kläger auch Straftaten ohne Alkoholeinfluss begangen habe. Es werde nicht verkannt, dass die Delikte bereits einige Zeit zurücklägen. Der Kläger sei jedoch seit vielen Jahren in regelmäßigen Abständen immer wieder straffällig geworden, ohne dass er sich von zwei ausländerrechtlichen Verwarnungen und von den strafrechtlichen Sanktionen habe beeindrucken lassen. Da der Kläger bis 18.12.2002 in Haft gewesen sei, betrage der straffrei außerhalb des Vollzugs verbrachte Zeitraum erst 1 ½ Jahre.
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Ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18.6.2002 - 1 K 639/02 - abgelehnt worden. Die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.6.2003 - 14 S 1549/02 -). Ein Antrag des Klägers auf Änderung des Beschlusses vom 18.6.2002 nach § 80 Abs. 7 VwGO ist mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15.7.2003 - 1 K 1239/03 - abgelehnt worden. Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat im Hinblick auf die Berufungszulassung die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt bzw. angeordnet (Beschluss vom 17.5.2004 - 11 S 55/04 -).
30 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Ausländerakten des Beklagten vor, sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen in den Verfahren - 1 K 638/02 -, - 1 K 639/02 - und - 1 K 1239/03 -. Beigezogen sind außerdem die Gerichtsakten des Beschwerdeverfahrens - 14 S 1549/02 -. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf deren Inhalt und auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere fristgerecht begründet worden (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO), und die Begründung wird auch den inhaltlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, Darlegung der Berufungsgründe) gerecht (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO).
32 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen. Die vom Regierungspräsidium Tübingen mit Bescheid vom 21.3.2002 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO). Nach dem Maßstab des Ausländergesetzes konnte der Kläger auch unter Berücksichtigung des ihm zustehenden besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden (dazu 1.). Aus dem Assoziationsratsbeschluss vom 19.9.1980 – ARB 1/80 – ergibt sich nichts anderes, da dessen Bestimmungen auf den Kläger infolge der von ihm seit 1997 ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit nicht (mehr) anwendbar sind (dazu 2.). Die Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden (dazu 3.).
33 
1. Der Kläger erfüllt die Ausweisungsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG, da er durch die strafgerichtlichen Urteile des Landgerichts Ansbach vom 30.1.1997 und des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 22.11.2000 wegen vorsätzlicher Straftaten zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt worden ist, so dass er in der Regel ausgewiesen wird. Anhaltspunkte für einen atypischen Ausnahmefall sind weder im Bereich der Tatbegehung noch bei den persönlichen Umständen erkennbar. Der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, die dabei erworbenen Sprachkenntnisse und dass er sich deshalb als Deutscher fühlt, sind Umstände, die bereits in den gesetzlichen Regelungen des Ausländergesetzes über die Ausweisung enthalten sind - vgl. bspw. § 45 Abs. 2 Nr. 1, § 47 Abs. 3 Satz 3 und 4, § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4, § 48 Abs. 2 AuslG - und unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen bei der Entscheidung über die Ausweisung berücksichtigt werden. Sie begründen daher grundsätzlich keinen - vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelten - atypischen Ausnahmefall.
34 
Da der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt und als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist, genießt er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Das bedeutet zum einen, dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Zum anderen wird über die nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG als gesetzliche Regel vorgesehene Ausweisung nach Ermessen entschieden (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Schwerwiegende Gründe im Sinne des § 48 Abs. 1 AuslG liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, hat sich an den spezial- und generalpräventiven Ausweisungszwecken auszurichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 = NVwZ 1997, 1119; Urteile des Senats vom 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EzAR 037 Nr. 8 und vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 -, EzAR 033 Nr. 18).
35 
Für die im vorliegenden Fall spezialpräventiv begründete Ausweisung bedeutet dies, dass zunächst dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommen muss, das sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergeben kann. Dabei ist als Ausweisungsanlass in diesem Sinn nicht lediglich die letzte Straftat ins Auge zu fassen, die im Fall des Klägers für sich genommen eine Ausweisung wohl nicht gerechtfertigt hätte; vielmehr ist der gesamte ausweisungsrelevante Sachverhalt zu gewichten. Insoweit ist zum einen von Bedeutung, dass der Kläger in einem Zeitraum von zwölf Jahren neunmal verurteilt werden musste. Diese Häufigkeit der Straftaten stellt einen hinreichend gewichtigen Ausweisungsanlass dar, besonders wenn man berücksichtigt, dass der Kläger vor der die Ausweisung auslösenden letzten Verurteilung bereits zweimal in Haft war und auch zweimal ausländerrechtlich verwarnt worden ist, ohne dass sich dies erkennbar in seinem Verhalten niedergeschlagen hätte. Hinzu kommt die Schwere einzelner Straftaten, die sich insbesondere durch ihren Gewaltcharakter hervorheben, wie die 1995 begangene Vergewaltigung, die ebenfalls für sich genommen bereits einen schwerwiegenden Ausweisungsanlass darstellt, und die gefährliche Körperverletzung, wegen der 2001 ein Ermittlungsverfahren anhängig war, auch wenn dies nach Aktenlage zu keiner Anklageerhebung führte. Nach Deliktscharakter und Art der Begehung ebenfalls in den Bereich der zumindest mittleren Kriminalität gehören die weiteren, durch mehrmonatige Freiheitsstrafen geahndeten Delikte wie die vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung, die vorsätzliche Strafvereitelung und das mit einer Trunkenheitsfahrt verbundene vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis (s.a. Beschluss vom 17.6.2003 - 14 S 1549/02 -).
36 
Neben dem besonders gewichtigen Ausweisungsanlass müssen außerdem Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue (einschlägige oder im Gewicht vergleichbare) Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.6.1996 – 1 C 24.94 -, Buchholz  402.240 § 48 AuslG Nr. 9; BVerfG, 2. Kammer, Beschluss vom 1.3.2000 – 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67 = InfAuslR 2001, 113). Dies bedeutet nach der Entscheidungspraxis des Senats, die auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zurückgeht, dass für den durch besonderen Ausweisungsschutz privilegierten Ausländer ein hinreichender Grad an Wiederholungsgefahr bestehen muss - sog. qualifizierte Wiederholungsgefahr -, bei dessen Ermittlung auch dem normativen Bewertungskriterium (Gewicht, Gefährlichkeit und Schaden der Straftat) eine gewisse Bedeutung zukommen kann (vgl. Senatsurteil vom 9.7.2003, aaO.). Im Fall des Klägers bestand zu dem nach nationalem Recht maßgeblichen (vgl. etwa Senatsurteile vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 und vom 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EzAR 037 Nr. 8 mwN.) Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer wiederholten Delinquenz. Wie bereits erwähnt, blieben die Verurteilungen auf Bewährung, die mehrmonatigen Inhaftierungen und die mit der Androhung der Ausweisung verbundenen ausländerrechtlichen Verwarnungen ohne erkennbaren Einfluss auf das strafrechtlich relevante Verhalten des Klägers. Dabei hat der Kläger schon mehrfach konkrete Versprechungen gebrochen und von ihm geweckte Erwartungen enttäuscht (zu Einzelheiten kann auf die Ausführungen im Beschluss vom 17.6.2003 - 14 S 1549/02 -, BA S. 5 f. verwiesen werden). Zwar mag – wie der Kläger vorträgt - seine Alkoholsucht bei all dem eine gewisse Rolle gespielt haben, wenn sich dies anhand der Aktenlage auch nicht bei allen Verurteilungen nachvollziehen lässt (bspw. war bei der besonders ins Gewicht fallenden Vergewaltigung in den Gründen des strafrichterlichen Urteils von Alkohol keine Rede). Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn auch wenn die Ursache der wiederholten Straftaten Alkoholmissbrauch war, ändert dies nichts an der nach Aktenlage zutreffenden Einschätzung der Wiederholungsgefahr durch die Ausländerbehörde im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung.
37 
Die somit nach § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG zu treffende Ermessensentscheidung lässt Rechtsfehler nicht erkennen, der Kläger hat solche zuletzt auch nicht mehr geltend gemacht. Der Senat verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils (UA S. 6), das sich u.a. auch auf die ebenfalls rechtlich unbedenkliche und vom Senat geteilte Begründung im Beschluss vom 18.6.2002 bezieht.
38 
2. An diesem Ergebnis ändern auch nichts die vom Kläger in den Vordergrund seiner Berufungsbegründung gestellten assoziationsrechtlichen Erwägungen. Es besteht insbesondere kein Anlass, den für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt so zu verschieben, dass die Feststellungen des nach Erlass der Verfügung erstellten MPU-Gutachtens vom 14.5.2003 bei der Wiederholungsgefahrprognose berücksichtigt werden müssten. Der Kläger meint zwar, dass sich die Notwendigkeit einer solchen Verschiebung des Zeitpunkts aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (künftig: EuGH) in den verbundenen Rechtssachen C-482/01 und C-493/01 vom 29.4.2004 ergebe. Tatsächlich lautet der dritte Entscheidungssatz dieses Urteils (EuZW 2004, 402) wie folgt:
39 
„3. Art. 3 der Richtlinie 64/221 steht einer innerstaatlichen Praxis entgegen, wonach die innerstaatlichen Gerichte nicht verpflichtet sind, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein längerer Zeitraum zwischen dem Erlass der Entscheidung über die Ausweisung und der Beurteilung dieser Entscheidung durch das zuständige Gericht liegt.“
40 
Daraus ist abzuleiten, dass bei der europarechtlichen Beurteilung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nach einem „längeren Zeitraum“ zwischen dem Eintritt der Wirksamkeit der Ausweisung und dem Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch eine Veränderung der Sachlage zu berücksichtigen ist, die nach der Behördenentscheidung eingetreten ist - und zwar zu Gunsten wie auch zu Lasten des Unionsbürgers (vgl. Senatsurteil vom 21.7.2004 - 11 S 535/04 -). Fraglich ist aber, ob dies auch für den Kläger gilt. Voraussetzung wäre, dass Art. 3 der RL 64/221/EWG vom 25.2.1964 (ABl. S. 850), die sich an die Mitgliedstaaten der EWG richtet, auch auf türkische Staatsangehörige anzuwenden ist. Das käme allenfalls in Betracht nach der aus Art. 12 des Assoziationsabkommens EWG-Türkei vom 12.9.1963 (- AssAbk -, BGBl. II 1964 S. 509), aus Art. 36 des Zusatzprotokolls vom 23.11.1970 (- ZP -, BGBl. II 1972 S. 385) und aus dem Zweck des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 vom 19.9.1980 (ARB 1/80) hergeleiteten Rechtsprechung des EuGH, wonach die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EWGV geltenden Grundsätze auf die vom ARB 1/80 begünstigten türkischen Arbeitnehmer „soweit wie möglich...übertragen werden sollen“ (vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.1995 - C-434/93 - , NVwZ 1995, 1093, Rn 14, 19 und 20; Urteil vom 23.1.1997 - C-171/95 - , InfAuslR 1997, 146 = NVwZ 1997, 677, Rn 20 und 28; Urteil vom 26.11.1998 - C-1/97 - , InfAuslR 1999, 6 = NVwZ 1999, 1099, Rn 23; Urteil vom 10.2.2000 - C-340/97 - , InfAuslR 2000, 161 = NVwZ 2000, 1029, Rn 50 bis 55). Eine entsprechende Anwendung des zitierten Entscheidungssatzes des EuGH käme freilich auch dann nur unter der Grundvoraussetzung in Betracht, dass der Kläger assoziationsrechtlich überhaupt privilegiert wäre. Das ist er jedoch nicht (mehr). Der Kläger erfüllt weder nach der zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung gegebenen noch nach der gegenwärtigen Sachlage die Voraussetzungen einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 (dazu a.), eine vormals gegebenenfalls erworbene Rechtsstellung nach diesen Vorschriften hat er inzwischen jedenfalls wieder verloren (dazu b.).
41 
a. Nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat - zeitlich gestaffelt nach der Dauer ordnungsgemäßer Beschäftigung - bestimmte beschäftigungsrechtliche Ansprüche bzw. Rechte. Voraussetzung ist, dass der Betreffende „Arbeitnehmer“ ist, d.h. eine Beschäftigung im „Lohn- oder Gehaltsverhältnis“ ausübt (vgl. zu dieser Formulierung Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80). Zum Begriff des Arbeitnehmers hat der EuGH in seinem Urteil vom 19.11.2002 - C-188/00 - (DVBl 2003, 451) u.a. ausgeführt, dass das wesentliche Merkmal des den Arbeitnehmerbegriff kennzeichnenden Arbeitsverhältnisses darin besteht, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Diese Voraussetzungen liegen bei einem selbständig Tätigen wie dem Kläger nicht vor (ebenso HessVGH, Beschluss vom 9.2.2004, DÖV 2004, 539). Dies wird vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt.
42 
Nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, zeitlich gestaffelt nach der Dauer des ordnungsgemäßen Wohnsitzes, ebenfalls bestimmte beschäftigungsrechtliche Ansprüche bzw. Rechte. Voraussetzung ist, dass der Betreffende „Familienangehöriger“ ist. Zu den Familienangehörigen gehören ohne Zweifel Abkömmlinge, auch ist der Begriff nicht durch ein bestimmtes Lebensalter der Begünstigten begrenzt (vgl. EuGH, Urteil vom 16.3.2000 - C-329/97 - , InfAuslR 2000, 217; Kloesel/Christ, Deutsches Ausländerrecht, ARB 1/80 Art. 7 Rn 17). Jedoch kann die Rechtsstellung der nach dem ARB 1/80 Begünstigten nicht weiter gehen, als sie Angehörigen der Europäischen Union eingeräumt wird. Insoweit bestimmt aber § 1 Abs. 2 Satz 2 AufentG/EWG, dass Familienangehörige Verwandte in absteigender Linie sind, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen freizügigkeitsberechtigte Personen oder ihre Ehegatten Unterhalt gewähren (vgl. Kloesel/Christ, aaO. Rn 18 mwN.; Schlussantrag Geelhoed in der Rs. - C-275/02 - , Rn 52). Zu diesem Personenkreis gehört der 32 Jahre alte Kläger, der von den Erträgen seiner selbständigen Tätigkeit lebt, gegenwärtig aber nicht.
43 
Der Kläger gehört auch nicht zu den nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 begünstigten Kindern türkischer Arbeitnehmer, da er keine in Deutschland abgeschlossene Berufsausbildung hat, die begonnene Maurerlehre hat er - aus welchen Gründen auch immer - abgebrochen.
44 
Unabhängig davon hat der Kläger aber auch bis heute gar nicht geltend gemacht, dass er von den in Art. 7 ARB 1/80 eingeräumten Rechten - Art. 7 Satz 1 1. Spiegelstrich und Satz 2 ARB 1/80: Bewerbungsrecht; Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80: Zugangsrecht - Gebrauch machen will. Der ARB 1/80 regelt in Art. 6 und 7 lediglich das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt, das Aufenthaltsrecht ergibt sich nur als Annex zur beschäftigungsrechtlichen Position. Das Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 ist also lediglich eine Folge des dort garantierten Rechts auf „Zugang zum Arbeitsmarkt“, d.h. auf Aufnahme einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, also „als Arbeitnehmer“ (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 5.10.1994 - C-355/93 - , NVwZ 1995, 53; Urteil vom 16.3.2000 , aaO.; Senatsurteil vom 11.12.1996 - 11 S 1639/96 -, InfAuslR 1997, 229; BayVGH, Urteil vom 29.10.2002, InfAuslR 2003, 46). Will der türkische Staatsangehörige aber von den beschäftigungsbezogenen Rechten überhaupt keinen Gebrauch machen, kann er sich auch nicht auf die diese Privilegierung absichernden aufenthaltsrechtlichen Folgewirkungen berufen.
45 
b. Der Kläger fällt auch nicht ungeachtet der gegenwärtig nicht mehr erfüllten Voraussetzungen deshalb in den Schutzbereich des ARB 1/80, weil er früher einmal eine Rechtsstellung nach Art. 6 (dazu bb.) oder Art. 7 (dazu aa.) ARB 1/80 erworben hatte. Denn diese einmal erworbene Position verleiht ihm heute keine Rechte mehr (dazu cc.).
46 
aa. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger durch seine erlaubte Einreise zur Familienzusammenführung 1979 und die ihm daraufhin erteilten Aufenthaltserlaubnisse das Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben hat. Da der zum Zeitpunkt der Einreise 8 Jahre alte Kläger danach zumindest bis zur Aufnahme einer eigenen ordnungsgemäßen Beschäftigung ununterbrochen und mehr als drei Jahre lang bei seinen Eltern bzw. seinem Vater lebte (vgl. zu diesen Anforderungen EuGH, Urteil vom 16.3.2000, , aaO.; Urteil vom 22.6.2000 - C 65/98 - , InfAuslR 2000, 329; Urteil vom 17.4.1997 - C-351/95 - , InfAuslR 1997, 281, Rn 41, 44) und damit auch länger als fünf Jahre seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Deutschland hatte, hatte er die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Kläger hatte mithin freien Zugang zu  jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis einschließlich eines Anspruch auf Verlängerung des zu dessen wirksamer Ausübung erforderlichen Aufenthaltsrechts; insofern hat Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 - unmittelbare Wirkung (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 20.9.1990 - C 192/89 - , NVwZ 1991, 255; Urteil vom 23.1.1997 - C 171/95 - , InfAuslR 1997, 146 = NVwZ 1997, 677 - zu Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich; Urteil vom 16.3.2000 , aaO. und Urteil vom 22.6.2000 , aaO., Rn 25 - zu Art. 7 Satz 1; Urteil vom 5.10.1994 - C 355/93 - NVwZ 1995, 53 und Urteil vom 19.11.1998 - C 210/97 - , NVwZ 1999, 281 - zu Art. 7 Satz 2; BVerwG, Urteil vom 22.2.1995 - 1 C 11.94 -, NVwZ 1995, 1113 = VBlBW 1996,49 = InfAuslR 1995, 265; Urteil vom 24.1.1995 - 1 C 2.94 -, InfAuslR 1995, 223).
47 
bb. Darüber hinaus hat der Kläger nach Beendigung der Schule bis zur Aufnahme des selbständigen Gewerbes 1997 (Anmeldung am 28.4.1999) wohl auch immer wieder unselbständig als Hilfsarbeiter gearbeitet, so dass ihm auch das - originäre - assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C 237/91 -, , InfAuslR 1993, 41) zustand. Ob ihm dabei eine den weitreichenden Rechten des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 vergleichbare Position nach Art. 6 Abs. 1 2. bzw. 3. Spiegelstrich ARB 1/80 zugewachsen war, kann dahinstehen (vgl. zum Zusammenhang der einzelnen Anspruchsstufen nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 BVerwG, (Vorlage-)Beschluss vom 18.3.2003 - 1 C 2.02 -, BVerwGE 118, 61).
48 
cc. Denn sowohl die nach Art. 6 Abs. 1 wie auch die nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworbenen Rechte hat der Kläger jedenfalls inzwischen wieder verloren.
49 
Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 ergibt sich, dass die auf Grund der in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 genannten Beschäftigungszeiten erworbenen Ansprüche nicht unbegrenzt fortgelten, sondern nur in den im Einzelnen aufgeführten Fällen unberührt bleiben, im Übrigen aber - wie gedanklich zu ergänzen ist - vom Fortbestehen der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80, insbesondere also von der Arbeitnehmereigenschaft und der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt, abhängen. Für die Ansprüche und Rechte unschädlich sind danach nur die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellten Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit sowie die Abwesenheit (vom Arbeitsmarkt) wegen langer Krankheit. Demgegenüber gehört die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die mit der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt verbunden ist, nicht zu den besonders aufgeführten Tatbeständen, die aufgrund vorangegangener Beschäftigung erworbene Ansprüche unberührt ließen. Ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht unabhängig von einem Beschäftigungsverhältnis, also ein allgemeines Verbleiberecht besteht - wie ausgeführt - nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.1995 - C-434/93 - , NVwZ 1995, 1093), weshalb eine einmal erreichte Beschäftigungsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erlischt, wenn der Bezug zu einem Beschäftigungsverhältnis bzw. zu der Beschäftigungssuche - durch endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt - dauerhaft beendet (vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.1995, , aaO.) oder mehr als nur unwesentlich unterbrochen wird (vgl. HessVGH, aaO.; EuGH, Urteil vom 23.1.1997 - C-171/95 - , InfAuslR 1997, 146 = NVwZ 1997, 677 und Urteil vom 10.2.2000 - C-340/97 - , InfAuslR 2000, 161 = NVwZ 2000, 1029, Rn 44; vgl. zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für den Zeitraum, der einem Arbeitssuchenden zur Beschäftigungssuche eingeräumt werden muss, EuGH, Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89 - , InfAuslR 1991, 151). Der Wiedererwerb der beschäftigungsrechtlichen Position nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre erst nach einem erneuten Zuzug möglich, dessen Voraussetzungen aber durch den nationalen Gesetzgeber festgelegt werden und die sich in Deutschland nach dem Ausländergesetz richten (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - , InfAuslR 1993, 41; Urteil vom 16.3.2000 - C-329/97 - , InfAuslR 2000, 217, Rn 42).
50 
Der Kläger konnte daher mit Aufgabe der Tätigkeit als Arbeitnehmer bzw. mit Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreichte beschäftigungs- und aufenthaltsrechtliche Position nicht aufrechterhalten. Er steht seit 1997 in keinem Arbeitsverhältnis mehr und hat seitdem auch keine neue Arbeit mehr gesucht. Die dadurch bewirkte willentliche Abwesenheit vom Arbeitsmarkt erfüllt auch nicht die Ausnahmevoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80. Der Kläger hat sich vielmehr bewusst unter das Regime der assoziationsrechtlichen Rechte als Selbstständiger begeben (Dienstleistungsfreiheit, vgl. Art. 14 AssAbk, Art. 41 ff. ZP).  Insofern stehen ihm aber keine individuellen, unmittelbar wirkenden Schutzrechte auf Aufenthalt zu. Denn dem ARB 1/80 entsprechende Regeln des Assoziationsrats zur schrittweisen Beseitigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, zu denen Art. 41 Abs. 2 ZP ermächtigt, sind bislang nicht ergangen. Auch entfalten Art. 13 AssAbk - Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit - und Art. 41 Abs. 2 ZP keine unmittelbare Wirkung. Lediglich das in Art. 41 Abs. 1 ZP geregelte Verschlechterungsverbot (sog. Standstill-Klausel) ist hinreichend bestimmt und wirkt unmittelbar zugunsten Einzelner (vgl. EuGH, Urteil vom 11.5.2000 - C-37/98 - , InfAuslR 2000, 326, Rn 39 ff. und 46 ff.; Urteil vom 21.10.2003 - C-317/01 - und C-369/01 - , InfAuslR 2004, 32); darum geht es aber vorliegend nicht, da die Ausweisung des Klägers nach Ermessen erfolgte und daher für ihn keine Verschlechterung gegenüber der Rechtslage nach § 10 AuslG a.F. eingetreten ist.
51 
Dem Kläger ist mit dem Wechsel zu einer selbständigen Tätigkeit auch die Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht erhalten geblieben. Auch diese Vorschrift verschafft dem Begünstigten kein Verbleiberecht unabhängig von der Beschäftigungssituation. Wie ausgeführt, gilt der ARB 1/80 nur für „im Lohn- oder Gehaltsverhältnis“ stehende Arbeitnehmer. Dies ergibt sich nicht nur aus den Formulierungen in den einschlägigen Bestimmungen, sondern auch aus den Rechtsgrundlagen des Beschlusses (Art. 12 AssAbk., Art. 36 ZP, Art. 48 bis 50 EGV; vgl. auch Senatsurteil vom 11.12.1996 - 11 S 1639/96 -, InfAuslR 1997, 229; BVerwG, Urteil vom 24.1.1995 - 1 C 2/94 -, InfAuslR 1995, 223; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.3.2002 - 13 S 442/02 -, NVwZ-RR 2002, 779). Schon daraus folgt, dass mit dem Ende der Arbeitnehmereigenschaft auch die Begünstigung durch den ARB 1/80 endet. Darüber hinaus gilt für Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 aber auch, dass der Nachzug bzw. die Familienzugehörigkeit zwar die Anknüpfungspunkte für die beschäftigungsrechtliche Privilegierung sind, sie aber nicht den maßgeblichen Grund für die Gewährung des Aufenthaltsrechtes bilden. Richtig ist, dass das Recht nach Art. 7 ARB 1/80, das zunächst den erlaubten Zuzug zu einem dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmer - dem Stammberechtigten - voraussetzt, nach der Rechtsprechung des EuGH insoweit eine gewisse Verselbständigung erfährt, als der Familienangehörige nach drei Jahren nicht mehr mit dem Stammberechtigten in familiärer Gemeinschaft zusammenleben (vgl. EuGH, Urteil vom 22.6.2000 - C 65/98 - , InfAuslR 2000, 329) und der Stammberechtigte dann auch nicht mehr Arbeitnehmer sein muss (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.1998 - C-210/97 - , InfAuslR 1999, 3 = NVwZ 1999, 281; Urteil vom 16.3.2000 , aaO., Rn 44). Der EuGH folgert dies aus dem Zweck des ARB 1/80, im sozialen Bereich die rechtliche Situation zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern, um schrittweise die Freizügigkeit der Arbeitnehmer herzustellen. Dieser Zweck werde nicht erreicht, wenn ein Mitgliedstaat durch aufenthaltsbeschränkende Vorschriften die Rechte aus dem „bedingungslos“ gewährten Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 in dem Augenblick nehme, in dem er aufgrund des Zugangs zu einer von ihm gewählten Beschäftigung die Möglichkeit habe, sich dauerhaft in den Aufnahmestaat zu integrieren (vgl. EuGH, Urteil vom 16.3.2000 , aaO. Rn 43). An anderer Stelle heißt es, dass die Regelung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat schaffen solle, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet werde, bei dem Stammberechtigten zu leben, und ihre Stellung später durch die Verleihung des Rechts gestärkt werde, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 17.4.1997 - C-351/95 - , InfAuslR 1997, 281, Rn 34 f.). Dies zeigt, dass die durch Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 eingeräumte Begünstigung zunächst zwar den Stammberechtigten und dessen Interesse an einem Zusammenleben mit seinen Familienangehörigen im Auge hat, dass sich nach einer gewissen Zeit aber die Position des Familienangehörigen verselbständigt und er nunmehr als eigenständiger Arbeitnehmer behandelt wird, dessen Rechte auf Stellenbewerbung und Zugang zum Arbeitsmarkt gerichtet sind. Will der Familienangehörige diese Rechte jedoch nicht in Anspruch nehmen, gibt es auch keinen Grund für deren aufenthaltsrechtliche Absicherung. Den weiteren Aufenthalt oder die Aufenthaltsbeendigung regelt dann das nationale Recht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.1995 - 1 B 30/95 -, InfAuslR 1995, 272). Dass das Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nach der Verselbständigung nicht voraussetzungslos fortgilt, zeigt schließlich auch die Rechtsprechung des EuGH. Danach verliert ein Familienangehöriger seine Rechtsstellung - neben der möglichen Beschränkung des Aufenthaltsrechts nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (sog. ordre-public-Vorbehalt, vgl. Harms in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 188 Rn 36) - auch dann, wenn er das Gebiet des Aufnahmestaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlässt. Will er sich später erneut im Aufnahmestaat niederlassen, so können die Behörden des Mitgliedstaats erneut die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug oder zur Arbeitsaufnahme nach Art. 6 ARB 1/80 verlangen (vgl. EuGH, Urteil vom 16.3.2000 , aaO., Rn 45 bis 49; Urteil vom 17.4.1997  , aaO.).
52 
Da der Kläger nach allem nicht in den Schutzbereich des ARB 1/80 fällt, bedarf es keiner Entscheidung der im Zulassungsverfahren aufgeworfenen weiteren Frage, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221 des Rates der EWG vom 25.4.1964 der Ausweisung des Klägers entgegen steht. Denn auch diejenigen, die die Anwendbarkeit dieser für Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union geltenden Regelung (vgl. Art. 1 Abs. 1 RL 64/221/EWG) auch auf türkische Staatsangehörige in Erwägung ziehen (vgl. die (Vorlage-)Entscheidung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.3.2003, InfAuslR 2003, 217), begrenzen diese Überlegungen auf solche türkischen Staatsangehörigen, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zukommt (vgl. dagegen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.5.2002 - 11 S 2554/02 -, VBlBW 2002, 394 = EzAR 037 Nr. 6; s.a. Urteil vom 27.1.2004 - 10 S 1610/03 -). Im Übrigen hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag - 11 S 535/04 - entschieden, dass der Rechtsschutz der deutschen Verwaltungsgerichte gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern den Anforderungen des Art. 9 RL 64/221/EWG entspricht und es daher der Überprüfung durch eine andere „zuständige Stelle“ nicht bedarf.
53 
3. Die Abschiebungsandrohung, gegen deren Rechtmäßigkeit der Kläger nichts eingewendet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
54 
4. Zu der vom Kläger beantragten Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EG sieht sich der Senat nicht verpflichtet, da seine Entscheidung mit der Revision angefochten werden kann und daher kein Fall des Art. 234 Abs. 3 EG gegeben ist.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Gründe

 
31 
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere fristgerecht begründet worden (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO), und die Begründung wird auch den inhaltlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, Darlegung der Berufungsgründe) gerecht (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO).
32 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen. Die vom Regierungspräsidium Tübingen mit Bescheid vom 21.3.2002 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO). Nach dem Maßstab des Ausländergesetzes konnte der Kläger auch unter Berücksichtigung des ihm zustehenden besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden (dazu 1.). Aus dem Assoziationsratsbeschluss vom 19.9.1980 – ARB 1/80 – ergibt sich nichts anderes, da dessen Bestimmungen auf den Kläger infolge der von ihm seit 1997 ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit nicht (mehr) anwendbar sind (dazu 2.). Die Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden (dazu 3.).
33 
1. Der Kläger erfüllt die Ausweisungsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG, da er durch die strafgerichtlichen Urteile des Landgerichts Ansbach vom 30.1.1997 und des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 22.11.2000 wegen vorsätzlicher Straftaten zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt worden ist, so dass er in der Regel ausgewiesen wird. Anhaltspunkte für einen atypischen Ausnahmefall sind weder im Bereich der Tatbegehung noch bei den persönlichen Umständen erkennbar. Der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, die dabei erworbenen Sprachkenntnisse und dass er sich deshalb als Deutscher fühlt, sind Umstände, die bereits in den gesetzlichen Regelungen des Ausländergesetzes über die Ausweisung enthalten sind - vgl. bspw. § 45 Abs. 2 Nr. 1, § 47 Abs. 3 Satz 3 und 4, § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4, § 48 Abs. 2 AuslG - und unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen bei der Entscheidung über die Ausweisung berücksichtigt werden. Sie begründen daher grundsätzlich keinen - vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelten - atypischen Ausnahmefall.
34 
Da der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt und als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist, genießt er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Das bedeutet zum einen, dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Zum anderen wird über die nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG als gesetzliche Regel vorgesehene Ausweisung nach Ermessen entschieden (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Schwerwiegende Gründe im Sinne des § 48 Abs. 1 AuslG liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, hat sich an den spezial- und generalpräventiven Ausweisungszwecken auszurichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 = NVwZ 1997, 1119; Urteile des Senats vom 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EzAR 037 Nr. 8 und vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 -, EzAR 033 Nr. 18).
35 
Für die im vorliegenden Fall spezialpräventiv begründete Ausweisung bedeutet dies, dass zunächst dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommen muss, das sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergeben kann. Dabei ist als Ausweisungsanlass in diesem Sinn nicht lediglich die letzte Straftat ins Auge zu fassen, die im Fall des Klägers für sich genommen eine Ausweisung wohl nicht gerechtfertigt hätte; vielmehr ist der gesamte ausweisungsrelevante Sachverhalt zu gewichten. Insoweit ist zum einen von Bedeutung, dass der Kläger in einem Zeitraum von zwölf Jahren neunmal verurteilt werden musste. Diese Häufigkeit der Straftaten stellt einen hinreichend gewichtigen Ausweisungsanlass dar, besonders wenn man berücksichtigt, dass der Kläger vor der die Ausweisung auslösenden letzten Verurteilung bereits zweimal in Haft war und auch zweimal ausländerrechtlich verwarnt worden ist, ohne dass sich dies erkennbar in seinem Verhalten niedergeschlagen hätte. Hinzu kommt die Schwere einzelner Straftaten, die sich insbesondere durch ihren Gewaltcharakter hervorheben, wie die 1995 begangene Vergewaltigung, die ebenfalls für sich genommen bereits einen schwerwiegenden Ausweisungsanlass darstellt, und die gefährliche Körperverletzung, wegen der 2001 ein Ermittlungsverfahren anhängig war, auch wenn dies nach Aktenlage zu keiner Anklageerhebung führte. Nach Deliktscharakter und Art der Begehung ebenfalls in den Bereich der zumindest mittleren Kriminalität gehören die weiteren, durch mehrmonatige Freiheitsstrafen geahndeten Delikte wie die vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung, die vorsätzliche Strafvereitelung und das mit einer Trunkenheitsfahrt verbundene vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis (s.a. Beschluss vom 17.6.2003 - 14 S 1549/02 -).
36 
Neben dem besonders gewichtigen Ausweisungsanlass müssen außerdem Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue (einschlägige oder im Gewicht vergleichbare) Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.6.1996 – 1 C 24.94 -, Buchholz  402.240 § 48 AuslG Nr. 9; BVerfG, 2. Kammer, Beschluss vom 1.3.2000 – 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67 = InfAuslR 2001, 113). Dies bedeutet nach der Entscheidungspraxis des Senats, die auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zurückgeht, dass für den durch besonderen Ausweisungsschutz privilegierten Ausländer ein hinreichender Grad an Wiederholungsgefahr bestehen muss - sog. qualifizierte Wiederholungsgefahr -, bei dessen Ermittlung auch dem normativen Bewertungskriterium (Gewicht, Gefährlichkeit und Schaden der Straftat) eine gewisse Bedeutung zukommen kann (vgl. Senatsurteil vom 9.7.2003, aaO.). Im Fall des Klägers bestand zu dem nach nationalem Recht maßgeblichen (vgl. etwa Senatsurteile vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 und vom 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EzAR 037 Nr. 8 mwN.) Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer wiederholten Delinquenz. Wie bereits erwähnt, blieben die Verurteilungen auf Bewährung, die mehrmonatigen Inhaftierungen und die mit der Androhung der Ausweisung verbundenen ausländerrechtlichen Verwarnungen ohne erkennbaren Einfluss auf das strafrechtlich relevante Verhalten des Klägers. Dabei hat der Kläger schon mehrfach konkrete Versprechungen gebrochen und von ihm geweckte Erwartungen enttäuscht (zu Einzelheiten kann auf die Ausführungen im Beschluss vom 17.6.2003 - 14 S 1549/02 -, BA S. 5 f. verwiesen werden). Zwar mag – wie der Kläger vorträgt - seine Alkoholsucht bei all dem eine gewisse Rolle gespielt haben, wenn sich dies anhand der Aktenlage auch nicht bei allen Verurteilungen nachvollziehen lässt (bspw. war bei der besonders ins Gewicht fallenden Vergewaltigung in den Gründen des strafrichterlichen Urteils von Alkohol keine Rede). Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn auch wenn die Ursache der wiederholten Straftaten Alkoholmissbrauch war, ändert dies nichts an der nach Aktenlage zutreffenden Einschätzung der Wiederholungsgefahr durch die Ausländerbehörde im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung.
37 
Die somit nach § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG zu treffende Ermessensentscheidung lässt Rechtsfehler nicht erkennen, der Kläger hat solche zuletzt auch nicht mehr geltend gemacht. Der Senat verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils (UA S. 6), das sich u.a. auch auf die ebenfalls rechtlich unbedenkliche und vom Senat geteilte Begründung im Beschluss vom 18.6.2002 bezieht.
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2. An diesem Ergebnis ändern auch nichts die vom Kläger in den Vordergrund seiner Berufungsbegründung gestellten assoziationsrechtlichen Erwägungen. Es besteht insbesondere kein Anlass, den für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt so zu verschieben, dass die Feststellungen des nach Erlass der Verfügung erstellten MPU-Gutachtens vom 14.5.2003 bei der Wiederholungsgefahrprognose berücksichtigt werden müssten. Der Kläger meint zwar, dass sich die Notwendigkeit einer solchen Verschiebung des Zeitpunkts aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (künftig: EuGH) in den verbundenen Rechtssachen C-482/01 und C-493/01 vom 29.4.2004 ergebe. Tatsächlich lautet der dritte Entscheidungssatz dieses Urteils (EuZW 2004, 402) wie folgt:
39 
„3. Art. 3 der Richtlinie 64/221 steht einer innerstaatlichen Praxis entgegen, wonach die innerstaatlichen Gerichte nicht verpflichtet sind, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein längerer Zeitraum zwischen dem Erlass der Entscheidung über die Ausweisung und der Beurteilung dieser Entscheidung durch das zuständige Gericht liegt.“
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Daraus ist abzuleiten, dass bei der europarechtlichen Beurteilung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nach einem „längeren Zeitraum“ zwischen dem Eintritt der Wirksamkeit der Ausweisung und dem Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch eine Veränderung der Sachlage zu berücksichtigen ist, die nach der Behördenentscheidung eingetreten ist - und zwar zu Gunsten wie auch zu Lasten des Unionsbürgers (vgl. Senatsurteil vom 21.7.2004 - 11 S 535/04 -). Fraglich ist aber, ob dies auch für den Kläger gilt. Voraussetzung wäre, dass Art. 3 der RL 64/221/EWG vom 25.2.1964 (ABl. S. 850), die sich an die Mitgliedstaaten der EWG richtet, auch auf türkische Staatsangehörige anzuwenden ist. Das käme allenfalls in Betracht nach der aus Art. 12 des Assoziationsabkommens EWG-Türkei vom 12.9.1963 (- AssAbk -, BGBl. II 1964 S. 509), aus Art. 36 des Zusatzprotokolls vom 23.11.1970 (- ZP -, BGBl. II 1972 S. 385) und aus dem Zweck des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 vom 19.9.1980 (ARB 1/80) hergeleiteten Rechtsprechung des EuGH, wonach die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EWGV geltenden Grundsätze auf die vom ARB 1/80 begünstigten türkischen Arbeitnehmer „soweit wie möglich...übertragen werden sollen“ (vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.1995 - C-434/93 - , NVwZ 1995, 1093, Rn 14, 19 und 20; Urteil vom 23.1.1997 - C-171/95 - , InfAuslR 1997, 146 = NVwZ 1997, 677, Rn 20 und 28; Urteil vom 26.11.1998 - C-1/97 - , InfAuslR 1999, 6 = NVwZ 1999, 1099, Rn 23; Urteil vom 10.2.2000 - C-340/97 - , InfAuslR 2000, 161 = NVwZ 2000, 1029, Rn 50 bis 55). Eine entsprechende Anwendung des zitierten Entscheidungssatzes des EuGH käme freilich auch dann nur unter der Grundvoraussetzung in Betracht, dass der Kläger assoziationsrechtlich überhaupt privilegiert wäre. Das ist er jedoch nicht (mehr). Der Kläger erfüllt weder nach der zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung gegebenen noch nach der gegenwärtigen Sachlage die Voraussetzungen einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 (dazu a.), eine vormals gegebenenfalls erworbene Rechtsstellung nach diesen Vorschriften hat er inzwischen jedenfalls wieder verloren (dazu b.).
41 
a. Nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat - zeitlich gestaffelt nach der Dauer ordnungsgemäßer Beschäftigung - bestimmte beschäftigungsrechtliche Ansprüche bzw. Rechte. Voraussetzung ist, dass der Betreffende „Arbeitnehmer“ ist, d.h. eine Beschäftigung im „Lohn- oder Gehaltsverhältnis“ ausübt (vgl. zu dieser Formulierung Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80). Zum Begriff des Arbeitnehmers hat der EuGH in seinem Urteil vom 19.11.2002 - C-188/00 - (DVBl 2003, 451) u.a. ausgeführt, dass das wesentliche Merkmal des den Arbeitnehmerbegriff kennzeichnenden Arbeitsverhältnisses darin besteht, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Diese Voraussetzungen liegen bei einem selbständig Tätigen wie dem Kläger nicht vor (ebenso HessVGH, Beschluss vom 9.2.2004, DÖV 2004, 539). Dies wird vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt.
42 
Nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, zeitlich gestaffelt nach der Dauer des ordnungsgemäßen Wohnsitzes, ebenfalls bestimmte beschäftigungsrechtliche Ansprüche bzw. Rechte. Voraussetzung ist, dass der Betreffende „Familienangehöriger“ ist. Zu den Familienangehörigen gehören ohne Zweifel Abkömmlinge, auch ist der Begriff nicht durch ein bestimmtes Lebensalter der Begünstigten begrenzt (vgl. EuGH, Urteil vom 16.3.2000 - C-329/97 - , InfAuslR 2000, 217; Kloesel/Christ, Deutsches Ausländerrecht, ARB 1/80 Art. 7 Rn 17). Jedoch kann die Rechtsstellung der nach dem ARB 1/80 Begünstigten nicht weiter gehen, als sie Angehörigen der Europäischen Union eingeräumt wird. Insoweit bestimmt aber § 1 Abs. 2 Satz 2 AufentG/EWG, dass Familienangehörige Verwandte in absteigender Linie sind, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen freizügigkeitsberechtigte Personen oder ihre Ehegatten Unterhalt gewähren (vgl. Kloesel/Christ, aaO. Rn 18 mwN.; Schlussantrag Geelhoed in der Rs. - C-275/02 - , Rn 52). Zu diesem Personenkreis gehört der 32 Jahre alte Kläger, der von den Erträgen seiner selbständigen Tätigkeit lebt, gegenwärtig aber nicht.
43 
Der Kläger gehört auch nicht zu den nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 begünstigten Kindern türkischer Arbeitnehmer, da er keine in Deutschland abgeschlossene Berufsausbildung hat, die begonnene Maurerlehre hat er - aus welchen Gründen auch immer - abgebrochen.
44 
Unabhängig davon hat der Kläger aber auch bis heute gar nicht geltend gemacht, dass er von den in Art. 7 ARB 1/80 eingeräumten Rechten - Art. 7 Satz 1 1. Spiegelstrich und Satz 2 ARB 1/80: Bewerbungsrecht; Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80: Zugangsrecht - Gebrauch machen will. Der ARB 1/80 regelt in Art. 6 und 7 lediglich das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt, das Aufenthaltsrecht ergibt sich nur als Annex zur beschäftigungsrechtlichen Position. Das Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 ist also lediglich eine Folge des dort garantierten Rechts auf „Zugang zum Arbeitsmarkt“, d.h. auf Aufnahme einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, also „als Arbeitnehmer“ (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 5.10.1994 - C-355/93 - , NVwZ 1995, 53; Urteil vom 16.3.2000 , aaO.; Senatsurteil vom 11.12.1996 - 11 S 1639/96 -, InfAuslR 1997, 229; BayVGH, Urteil vom 29.10.2002, InfAuslR 2003, 46). Will der türkische Staatsangehörige aber von den beschäftigungsbezogenen Rechten überhaupt keinen Gebrauch machen, kann er sich auch nicht auf die diese Privilegierung absichernden aufenthaltsrechtlichen Folgewirkungen berufen.
45 
b. Der Kläger fällt auch nicht ungeachtet der gegenwärtig nicht mehr erfüllten Voraussetzungen deshalb in den Schutzbereich des ARB 1/80, weil er früher einmal eine Rechtsstellung nach Art. 6 (dazu bb.) oder Art. 7 (dazu aa.) ARB 1/80 erworben hatte. Denn diese einmal erworbene Position verleiht ihm heute keine Rechte mehr (dazu cc.).
46 
aa. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger durch seine erlaubte Einreise zur Familienzusammenführung 1979 und die ihm daraufhin erteilten Aufenthaltserlaubnisse das Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben hat. Da der zum Zeitpunkt der Einreise 8 Jahre alte Kläger danach zumindest bis zur Aufnahme einer eigenen ordnungsgemäßen Beschäftigung ununterbrochen und mehr als drei Jahre lang bei seinen Eltern bzw. seinem Vater lebte (vgl. zu diesen Anforderungen EuGH, Urteil vom 16.3.2000, , aaO.; Urteil vom 22.6.2000 - C 65/98 - , InfAuslR 2000, 329; Urteil vom 17.4.1997 - C-351/95 - , InfAuslR 1997, 281, Rn 41, 44) und damit auch länger als fünf Jahre seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Deutschland hatte, hatte er die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Kläger hatte mithin freien Zugang zu  jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis einschließlich eines Anspruch auf Verlängerung des zu dessen wirksamer Ausübung erforderlichen Aufenthaltsrechts; insofern hat Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 - unmittelbare Wirkung (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 20.9.1990 - C 192/89 - , NVwZ 1991, 255; Urteil vom 23.1.1997 - C 171/95 - , InfAuslR 1997, 146 = NVwZ 1997, 677 - zu Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich; Urteil vom 16.3.2000 , aaO. und Urteil vom 22.6.2000 , aaO., Rn 25 - zu Art. 7 Satz 1; Urteil vom 5.10.1994 - C 355/93 - NVwZ 1995, 53 und Urteil vom 19.11.1998 - C 210/97 - , NVwZ 1999, 281 - zu Art. 7 Satz 2; BVerwG, Urteil vom 22.2.1995 - 1 C 11.94 -, NVwZ 1995, 1113 = VBlBW 1996,49 = InfAuslR 1995, 265; Urteil vom 24.1.1995 - 1 C 2.94 -, InfAuslR 1995, 223).
47 
bb. Darüber hinaus hat der Kläger nach Beendigung der Schule bis zur Aufnahme des selbständigen Gewerbes 1997 (Anmeldung am 28.4.1999) wohl auch immer wieder unselbständig als Hilfsarbeiter gearbeitet, so dass ihm auch das - originäre - assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C 237/91 -, , InfAuslR 1993, 41) zustand. Ob ihm dabei eine den weitreichenden Rechten des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 vergleichbare Position nach Art. 6 Abs. 1 2. bzw. 3. Spiegelstrich ARB 1/80 zugewachsen war, kann dahinstehen (vgl. zum Zusammenhang der einzelnen Anspruchsstufen nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 BVerwG, (Vorlage-)Beschluss vom 18.3.2003 - 1 C 2.02 -, BVerwGE 118, 61).
48 
cc. Denn sowohl die nach Art. 6 Abs. 1 wie auch die nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworbenen Rechte hat der Kläger jedenfalls inzwischen wieder verloren.
49 
Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 ergibt sich, dass die auf Grund der in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 genannten Beschäftigungszeiten erworbenen Ansprüche nicht unbegrenzt fortgelten, sondern nur in den im Einzelnen aufgeführten Fällen unberührt bleiben, im Übrigen aber - wie gedanklich zu ergänzen ist - vom Fortbestehen der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80, insbesondere also von der Arbeitnehmereigenschaft und der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt, abhängen. Für die Ansprüche und Rechte unschädlich sind danach nur die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellten Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit sowie die Abwesenheit (vom Arbeitsmarkt) wegen langer Krankheit. Demgegenüber gehört die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die mit der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt verbunden ist, nicht zu den besonders aufgeführten Tatbeständen, die aufgrund vorangegangener Beschäftigung erworbene Ansprüche unberührt ließen. Ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht unabhängig von einem Beschäftigungsverhältnis, also ein allgemeines Verbleiberecht besteht - wie ausgeführt - nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.1995 - C-434/93 - , NVwZ 1995, 1093), weshalb eine einmal erreichte Beschäftigungsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erlischt, wenn der Bezug zu einem Beschäftigungsverhältnis bzw. zu der Beschäftigungssuche - durch endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt - dauerhaft beendet (vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.1995, , aaO.) oder mehr als nur unwesentlich unterbrochen wird (vgl. HessVGH, aaO.; EuGH, Urteil vom 23.1.1997 - C-171/95 - , InfAuslR 1997, 146 = NVwZ 1997, 677 und Urteil vom 10.2.2000 - C-340/97 - , InfAuslR 2000, 161 = NVwZ 2000, 1029, Rn 44; vgl. zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für den Zeitraum, der einem Arbeitssuchenden zur Beschäftigungssuche eingeräumt werden muss, EuGH, Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89 - , InfAuslR 1991, 151). Der Wiedererwerb der beschäftigungsrechtlichen Position nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre erst nach einem erneuten Zuzug möglich, dessen Voraussetzungen aber durch den nationalen Gesetzgeber festgelegt werden und die sich in Deutschland nach dem Ausländergesetz richten (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - , InfAuslR 1993, 41; Urteil vom 16.3.2000 - C-329/97 - , InfAuslR 2000, 217, Rn 42).
50 
Der Kläger konnte daher mit Aufgabe der Tätigkeit als Arbeitnehmer bzw. mit Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreichte beschäftigungs- und aufenthaltsrechtliche Position nicht aufrechterhalten. Er steht seit 1997 in keinem Arbeitsverhältnis mehr und hat seitdem auch keine neue Arbeit mehr gesucht. Die dadurch bewirkte willentliche Abwesenheit vom Arbeitsmarkt erfüllt auch nicht die Ausnahmevoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80. Der Kläger hat sich vielmehr bewusst unter das Regime der assoziationsrechtlichen Rechte als Selbstständiger begeben (Dienstleistungsfreiheit, vgl. Art. 14 AssAbk, Art. 41 ff. ZP).  Insofern stehen ihm aber keine individuellen, unmittelbar wirkenden Schutzrechte auf Aufenthalt zu. Denn dem ARB 1/80 entsprechende Regeln des Assoziationsrats zur schrittweisen Beseitigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, zu denen Art. 41 Abs. 2 ZP ermächtigt, sind bislang nicht ergangen. Auch entfalten Art. 13 AssAbk - Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit - und Art. 41 Abs. 2 ZP keine unmittelbare Wirkung. Lediglich das in Art. 41 Abs. 1 ZP geregelte Verschlechterungsverbot (sog. Standstill-Klausel) ist hinreichend bestimmt und wirkt unmittelbar zugunsten Einzelner (vgl. EuGH, Urteil vom 11.5.2000 - C-37/98 - , InfAuslR 2000, 326, Rn 39 ff. und 46 ff.; Urteil vom 21.10.2003 - C-317/01 - und C-369/01 - , InfAuslR 2004, 32); darum geht es aber vorliegend nicht, da die Ausweisung des Klägers nach Ermessen erfolgte und daher für ihn keine Verschlechterung gegenüber der Rechtslage nach § 10 AuslG a.F. eingetreten ist.
51 
Dem Kläger ist mit dem Wechsel zu einer selbständigen Tätigkeit auch die Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht erhalten geblieben. Auch diese Vorschrift verschafft dem Begünstigten kein Verbleiberecht unabhängig von der Beschäftigungssituation. Wie ausgeführt, gilt der ARB 1/80 nur für „im Lohn- oder Gehaltsverhältnis“ stehende Arbeitnehmer. Dies ergibt sich nicht nur aus den Formulierungen in den einschlägigen Bestimmungen, sondern auch aus den Rechtsgrundlagen des Beschlusses (Art. 12 AssAbk., Art. 36 ZP, Art. 48 bis 50 EGV; vgl. auch Senatsurteil vom 11.12.1996 - 11 S 1639/96 -, InfAuslR 1997, 229; BVerwG, Urteil vom 24.1.1995 - 1 C 2/94 -, InfAuslR 1995, 223; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.3.2002 - 13 S 442/02 -, NVwZ-RR 2002, 779). Schon daraus folgt, dass mit dem Ende der Arbeitnehmereigenschaft auch die Begünstigung durch den ARB 1/80 endet. Darüber hinaus gilt für Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 aber auch, dass der Nachzug bzw. die Familienzugehörigkeit zwar die Anknüpfungspunkte für die beschäftigungsrechtliche Privilegierung sind, sie aber nicht den maßgeblichen Grund für die Gewährung des Aufenthaltsrechtes bilden. Richtig ist, dass das Recht nach Art. 7 ARB 1/80, das zunächst den erlaubten Zuzug zu einem dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmer - dem Stammberechtigten - voraussetzt, nach der Rechtsprechung des EuGH insoweit eine gewisse Verselbständigung erfährt, als der Familienangehörige nach drei Jahren nicht mehr mit dem Stammberechtigten in familiärer Gemeinschaft zusammenleben (vgl. EuGH, Urteil vom 22.6.2000 - C 65/98 - , InfAuslR 2000, 329) und der Stammberechtigte dann auch nicht mehr Arbeitnehmer sein muss (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.1998 - C-210/97 - , InfAuslR 1999, 3 = NVwZ 1999, 281; Urteil vom 16.3.2000 , aaO., Rn 44). Der EuGH folgert dies aus dem Zweck des ARB 1/80, im sozialen Bereich die rechtliche Situation zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern, um schrittweise die Freizügigkeit der Arbeitnehmer herzustellen. Dieser Zweck werde nicht erreicht, wenn ein Mitgliedstaat durch aufenthaltsbeschränkende Vorschriften die Rechte aus dem „bedingungslos“ gewährten Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 in dem Augenblick nehme, in dem er aufgrund des Zugangs zu einer von ihm gewählten Beschäftigung die Möglichkeit habe, sich dauerhaft in den Aufnahmestaat zu integrieren (vgl. EuGH, Urteil vom 16.3.2000 , aaO. Rn 43). An anderer Stelle heißt es, dass die Regelung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat schaffen solle, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet werde, bei dem Stammberechtigten zu leben, und ihre Stellung später durch die Verleihung des Rechts gestärkt werde, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 17.4.1997 - C-351/95 - , InfAuslR 1997, 281, Rn 34 f.). Dies zeigt, dass die durch Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 eingeräumte Begünstigung zunächst zwar den Stammberechtigten und dessen Interesse an einem Zusammenleben mit seinen Familienangehörigen im Auge hat, dass sich nach einer gewissen Zeit aber die Position des Familienangehörigen verselbständigt und er nunmehr als eigenständiger Arbeitnehmer behandelt wird, dessen Rechte auf Stellenbewerbung und Zugang zum Arbeitsmarkt gerichtet sind. Will der Familienangehörige diese Rechte jedoch nicht in Anspruch nehmen, gibt es auch keinen Grund für deren aufenthaltsrechtliche Absicherung. Den weiteren Aufenthalt oder die Aufenthaltsbeendigung regelt dann das nationale Recht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.1995 - 1 B 30/95 -, InfAuslR 1995, 272). Dass das Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nach der Verselbständigung nicht voraussetzungslos fortgilt, zeigt schließlich auch die Rechtsprechung des EuGH. Danach verliert ein Familienangehöriger seine Rechtsstellung - neben der möglichen Beschränkung des Aufenthaltsrechts nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (sog. ordre-public-Vorbehalt, vgl. Harms in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 188 Rn 36) - auch dann, wenn er das Gebiet des Aufnahmestaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlässt. Will er sich später erneut im Aufnahmestaat niederlassen, so können die Behörden des Mitgliedstaats erneut die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug oder zur Arbeitsaufnahme nach Art. 6 ARB 1/80 verlangen (vgl. EuGH, Urteil vom 16.3.2000 , aaO., Rn 45 bis 49; Urteil vom 17.4.1997  , aaO.).
52 
Da der Kläger nach allem nicht in den Schutzbereich des ARB 1/80 fällt, bedarf es keiner Entscheidung der im Zulassungsverfahren aufgeworfenen weiteren Frage, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221 des Rates der EWG vom 25.4.1964 der Ausweisung des Klägers entgegen steht. Denn auch diejenigen, die die Anwendbarkeit dieser für Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union geltenden Regelung (vgl. Art. 1 Abs. 1 RL 64/221/EWG) auch auf türkische Staatsangehörige in Erwägung ziehen (vgl. die (Vorlage-)Entscheidung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.3.2003, InfAuslR 2003, 217), begrenzen diese Überlegungen auf solche türkischen Staatsangehörigen, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zukommt (vgl. dagegen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.5.2002 - 11 S 2554/02 -, VBlBW 2002, 394 = EzAR 037 Nr. 6; s.a. Urteil vom 27.1.2004 - 10 S 1610/03 -). Im Übrigen hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag - 11 S 535/04 - entschieden, dass der Rechtsschutz der deutschen Verwaltungsgerichte gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern den Anforderungen des Art. 9 RL 64/221/EWG entspricht und es daher der Überprüfung durch eine andere „zuständige Stelle“ nicht bedarf.
53 
3. Die Abschiebungsandrohung, gegen deren Rechtmäßigkeit der Kläger nichts eingewendet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
54 
4. Zu der vom Kläger beantragten Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EG sieht sich der Senat nicht verpflichtet, da seine Entscheidung mit der Revision angefochten werden kann und daher kein Fall des Art. 234 Abs. 3 EG gegeben ist.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
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published on 21/07/2004 00:00

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. Januar 2004 - 1 K 560/02 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision
published on 27/01/2004 00:00

Tenor Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. Oktober 2002 - 5 K 4277/01 - ist insoweit, d.h. hinsicht
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published on 18/10/2006 00:00

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. März 2005 - 5 K 132/04 - geändert; die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. Dezember 2003 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten
published on 30/06/2005 00:00

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März 2005 - 11 K 74/05 - geändert; der Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg v
published on 06/06/2005 00:00

Tenor 1. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28. September 2004 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand   1  Der Kläger, ein am 7. Nov
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Annotations

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.