Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Dez. 2014 - W 6 K 14.30391
Tenor
I.
Die Nummern 1 und 3 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1.
Die Klägerin ist nach eigenen Angaben eine am ... 1989 geborene iranische Staatsangehörige. Sie reiste angeblich am
Mit Bescheid vom
2.
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
3.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
4.
Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 7. Oktober 2014
Mit Beschluss vom 10. Oktober 2014
Der Klägerbevollmächtigte beantragte in der mündlichen Verhandlung am
die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
hilfsweise der Klägerin den subsidiären Schutz zuzuerkennen;
hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Das Gericht hörte die Klägerin informatorisch an. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
5.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
1.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG. Unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens sowie unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisquellen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in den Iran flüchtlingsrelevante Verfolgungsmaßnahmen drohen. Nach der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung und insbesondere aufgrund des persönlichen Eindrucks des Gerichts von der Klägerin hat die Klägerin ihr Heimatland aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung verlassen. Gleichermaßen besteht für die Klägerin eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran. Die Würdigung der Angaben der Klägerin ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylVfG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U. v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150, 154;
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylVfG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 16.4.1985 - 9 C 106.84 - BVerwGE 71, 180).
2.
Der Klägerin ist es gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Gerade durch die persönlichen glaubhaften Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung über ihr Vorfluchtschicksal hat das Gericht keine Zweifel, dass die Klägerin ihr Heimatland wegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung verlassen hat.
Die Klägerin hat im Gerichtsverfahren, insbesondere im Rahmen der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung ihr Vorfluchtschicksal glaubhaft geschildert. Dazu ist zu anzumerken, dass im Lichte der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 2.12.2014 - C-148/13, C 149-150/13, C-150/13
Nach Überzeugung des Gerichts bestehen keine Zweifel, dass die Klägerin transsexuell ist, zunächst als Mann im Iran geboren war und sich einer operativen Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. Abgesehen von ihren eigenen glaubhaften Angaben und ihrer iranischen, amtlicherseits neu ausgestellten Geburtsurkunde (Shenasnameh) wird dies durch die beigezogene Ausländerakte bestätigt, der sich entnehmen lässt, dass die Klägerin in Deutschland noch zweimal in eine spezielle Fachklinik nach Frankfurt gefahren ist, um dort bei stationären Aufenthalten weitere Operationen vorzunehmen lassen. Diese Operationen, die sie nach ihren Angaben nun vollständig zur Frau machten, hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt.
Des Weiteren hat das Gericht keine Zweifel, dass die Klägerin im Iran sowohl vor der Operation als auch nach der Operation wiederholt diskriminierenden und erniedrigenden, gewaltsamen Übergriffen (einschließlich sexueller Gewalt) von Angehörigen der Sicherheitskräfte sowie von Privatpersonen ausgesetzt war bis hin zu wiederholten Vergewaltigungen (im Sinne des Deutschen Strafrechts nach § 177 StGB: vollzogener Beischlaf, Eindringen in natürliche Körperöffnungen - wobei nach Angaben der Klägerin bei ihr zwangsweise oraler und analer Geschlechtsverkehr erfolgte). Die Angaben der Klägerin zu der Situation von Transsexuellen allgemein und zu ihrer speziellen Situation decken sich zudem mit den in den beigezogenen Erkenntnisquellen enthaltenen Informationen. Die Aussage im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid, dass die Schilderungen der Klägerin unter der Schwelle der flüchtlingsschutzrechtlich und asylrechtlich relevanten Intensität lägen, ist angesichts der auch schon bei der Bundesamtsanhörung berichteten Vergewaltigungen sowohl durch Privatpersonen als auch durch staatliche Akteure nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin hat bei ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht bloß abstrakt von einem ausgedachten, flüchtlingsrelevanten Sachverhalt berichtet, sondern durchaus in umfangreichen Ausführungen detailreich ihre Vorfluchtgeschichte geschildert. Anders als bei einem erfundenen Schicksal erwähnte die Klägerin dabei auch immer wieder nebensächliche Details und lieferte so eine anschauliche Schilderung ihrer Erlebnisse. Hinzu kommen die dabei gebrauchte Wortwahl sowie die gezeigte Mimik und Gestik auch verbunden mit einem Einblick in ihre Gefühlslage und Gedankenwelt. Teilweise kamen der Klägerin bei den Schilderungen die Tränen, die sie aber augenscheinlich zu unterdrücken suchte. Dies spricht dafür, dass es ihr nicht um eine künstliche emotionale Aufbauschung eines erdachten Ereignisses ging. Die Klägerin zeigte sich persönlich berührt und emotional betroffen. Gerade die nicht verbalen Elemente bei der Aussage (Körpersprache, Gestik, Mimik usw.) sprechen gewichtig für die Ehrlichkeit der Klägerin und für den wahren Inhalt ihrer Angaben. Dabei kommt das Auftreten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und die Art und Weise ihrer Aussage in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung allenfalls ansatzweise zum Ausdruck. Erwähnenswert ist auch noch, dass die Klägerin die Erzählung von den erlittenen Vergewaltigungen zum Teil auch mit einer gewissen Abgestumpftheit hervorbrachte, die aufgrund ihres Lebenswegs nicht gegen, sondern für sie spricht.
So schilderte die Klägerin, dass sie sich schon ab Kindesalter als Mädchen bzw. später als Frau gefühlt und zu Männern hingezogen gefühlt habe. Sie habe sich von Kind auf schon die Fingernägel lang wachsen lassen und die Kleider von ihrer Schwester angezogen. In der Folge sei sie sowohl von ihrer Familie als auch von Mitschülern kritisiert worden bzw. diese hätten sich lustig über sie gemacht. Darüber hinaus hat sie wiederholt körperliche als auch sexuelle Gewalt erlitten. Die Klägerin schilderte weiter ihren mühevollen Weg bis zum Vollzug der Geschlechtsumwandlung, verbunden mit den medizinischen und bürokratischen Hürden im Iran und der ihr zunächst entgegengebrachten ablehnenden Haltung. Wiederholt beschrieb sie Vergewaltigungen sowohl von Lehrern als auch von Schülern oder anderen Privatpersonen sowie auch von Polizisten und anderen staatlichen Akteuren. Dazu gab sie an, dass die Täter vor der Operation aufgrund ihres Verhaltens offenbar davon ausgegangen seien, sie sei homosexuell und wünsche sexuellen Kontakt. Aber auch nach der Operation, als klar gewesen sei, dass sie transsexuell sei, sei sie wiederholt vergewaltigt worden, offenbar sei sie nun auch für eine Prostituierte gehalten worden. Sie vermute, dass sie deshalb Opfer dieser Übergriffe gewesen sei, weil sie teilweise auffällig gekleidet gewesen und auch von der Statur größer sei als eine Frau sonst im Iran. Dazu ist entgegen der Annahme im angefochtenen Bundesamtsbescheid anzumerken, dass die Klägerin gerade nicht wie eine sonstige Iranerin behandelt bzw. bestraft worden ist, die „nur“ gegen die Kleidungsvorschriften oder sonst gegen irgendwelche Moralvorschriften verstoßen hat, sondern dass die Klägerin - im Sinne eines „Politmalus“ - aufgrund ihrer Transsexualität weit über die Anwendung von Strafvorschriften hinausgehend physisch und psychisch gewaltsamen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen ausgesetzt gewesen ist. Verständlich ist die Äußerung der Klägerin, mit der sie sich als selbst als vogelfrei bzw. als Freiwild bezeichnet hat. Die Vertreter staatlicher Stellen im Iran hätten keinen Schutz gewährt, sondern im Gegenteil, anstatt ihr zu helfen, sich selbst an ihr in gewalttätiger Weise sexuell vergangen.
Weiter schilderte die Klägerin neben den erlittenen körperlichen Verletzungen (z. B. Kopfverletzungen, Verletzung mit einem Messer am Gesäß, ausgedrückte Zigaretten auf Handrücken) die gesundheitlichen, insbesondere psychischen Auswirkungen, die die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens unterstreichen. Sie müsse Beruhigungstabletten nehmen, um nachts schlafen zu können. Sie habe aufgrund der Vergewaltigungen auch Probleme am After bekommen und habe sich in ärztliche Hände begeben müssen. Sie habe Medikamente und Salben verschrieben bekommen, ebenso habe sie Schmerzmittel erhalten. Bestätigt werden die Aussagen der Klägerin durch das mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2015 vorgelegte fachärztliche Attest vom 26. November 2014, in dem ebenfalls von im Rahmen der Geschlechtsumwandlung erfahrenen Misshandlungen und Vergewaltigungen die Rede ist sowie davon, dass die Klägerin seelisch und körperlich erniedrigt worden sei und immer noch davon träume. Im psychischen Befund ist unter anderem von Vitalstörungen mit Alpträumen und Flashback die Rede. Psychische Symptome beruhten im Wesentlichen auf eine im Herkunftsstaat erlittene Traumatisierung.
Zusammenfassend bestehen für das Gericht nach dem gesamten Eindruck keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Klägerin. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin aus ihrer Sicht die Wahrheit gesagt und aus echter, in der Sache auch begründeter Furcht vor Verfolgung ihr Heimatland verlassen hat sowie bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut mit repressiven Maßnahmen und unzumutbaren (sexuellen) Übergriffen von Vertretern des iranischen Staates bzw. Privatpersonen zu rechnen hätte. Zudem hatte sich die Klägerin vor ihrer Ausreise nach einer Inhaftierung und nach vorübergehender Freilassung gegen Kaution einem weiteren staatlichen Zugriff durch ihre Ausreise entzogen. Das Gericht ist ohne jeglichen Zweifel davon überzeugt, dass es der Klägerin nicht zuzumuten ist, in ihr Heimatland zurückzukehren, weil sie jederzeit erneut mit gewaltsamen und gerade auch sexueller Gewalt sowohl von Privatpersonen als auch von staatlichen Akteuren rechnen müsste.
3.
Die Angaben der Klägerin decken sich mit den Informationen aus den vorliegenden Erkenntnisquellen, die sich zusammengefasst wie folgt darstellen:
Im Iran ist die Transsexualität im Gegensatz zur Homosexualität legalisiert. Die Homosexualität ist eine Todsünde. Die Transsexualität ist im Iran eine Krankheit. Dies ist auf einen entsprechenden Rechtsspruch des früheren Ayatollah Khomeini zurückzuführen, der zu Geschlechtsumwandlungen feststellte: „Die sexuelle Identität jeder Person beruht auf ihrer Wahrnehmung von sich selbst“ (Die Welt vom 13.2.2014 „Iranische Nationalspielerinnen als Männer entlarvt“; Handelsblatt vom 7.9.2009 „Iran: Wo die Geschlechtsumwandlung boomt“).
Jedoch sieht sie Realität im Iran anders aus, zumal Transsexuelle oftmals auch - insbesondere vor der Operation (wie auch von der Klägerin geschildert) - für Homosexuelle gehalten werden. Die Homosexualität ist aber im Iran pönalisiert und mit der Todesstrafe belegt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 11.2.2014, Stand: Oktober 2013). Diskriminierende Gesetze und entsprechendes politisches Vorgehen gegen Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten im Iran erhöhen das Risiko, Opfer von Belästigungen oder sogar von tödlicher Gewalt zu werden; sexuelle Minderheiten im Iran werden sowohl von staatlichen als auch von privaten Akteuren schikaniert. Die Gefahren drohen auch vermeintlichen Homosexuellen (vgl. zur Verfolgung Homosexueller VG Würzburg, U. v. 14.11.2012 - W 6 K 12.30072 - juris m. w. N. sowie VG München, U. v. 6.5.2014 - M 2 K 13.30691 - juris; VG Hamburg, U. v. 2.4.2014 - 10 A 465/12 - juris; VG Köln, U. v. 13.3.2014 - 16 K 5798/12.A - juris; VG Dresden, U. v. 9.5.2013 - A 6 K 1378/11; VG Trier U. v. 21.2.2013 - 2 K 1183/12.Tr; VG Wiesbaden U. v. 8.2.2013 - 6 K 786/12.WI.A; VG Augsburg, U. v. 12.11.2012 - Au 7 K 12.30252 - juris; VG Bayreuth, U. v. 5.3.2012 - B 3 K 11.30113 - juris). GeradeTranssexuelle geraten unter den Verdacht, homosexuell zu sein (vgl. die Zeit vom 10.7.2009 „Roxana fällt auf“).
Sexuelle Minderheiten werden im öffentlichen Raum häufig Opfer von verbalen, gewalttätigen oder gar sexuellen Übergriffen durch Polizisten oder Sicherheitskräfte sowie von Familienmitgliedern oder anderen Privatpersonen. Sie haben dabei keine Möglichkeit gegen diese Übergriffe Schutz zu suchen, was zu einer Straflosigkeit der Täter führt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nufer/Lipp, Zulässigkeit der Wegweisung eines homosexuellen Iraners, Newsletter 30.5.2011).
Transsexualität ist im Iran legalisiert, jedoch ist die Toleranz gegenüber Transsexuellen in der Praxis bei Weitem nicht so ausgeprägt (vgl. Die Welt vom
Des Weiteren ist auf einen Bericht von Accord vom
Auch Human Rights Watch vom
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe vom
Die vorliegenden vorstehend nur teil- bzw. ausschnittsweise referierten Erkenntnisse stehen im Einklang mit dem Vorbringen der Klägerin. Trotz der formal bestehenden Akzeptanz der Transsexualität im Iran hat sie eindrücklich von den soeben zitierten Stigmatisierungen, Diskriminierungen, körperlichen Übergriffen, sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen sowohl von Privatpersonen als auch von staatlichen Akteuren berichtet.
4.
Das von der Klägerin berichtete Vorfluchtschicksal und die erlittene Verfolgung bzw. bei einer Rückkehr drohende Verfolgung haben die Qualität einer relevanten Verfolgung i. S. v. § 3 ff. AsylVfG. Die erlebten Verfolgungshandlungen, konkret die körperlichen Übergriffe und insbesondere die erlittenen Vergewaltigungen (sexuelle Gewalt) von verschiedenen Akteuren, weisen die Qualität von Verfolgungshandlungen i. S. v. § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG auf. Sie knüpfen dabei an Verfolgungsgründe nach § 3b AsylVfG an, konkret an § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AsylVfG. Transsexuelle bilden im Iran, ebenso wie Homosexuelle, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer deutlich abgegrenzten sexuellen Identität eine bestimmte soziale Gruppe. Insofern gelten vergleichbare Erwägungen wie bei Homosexuellen (vgl. dazu EuGH, U. v. 7.11.2013 - C-199/12 bis C-201/12
Die Klägerin hat überzeugend dargelegt, dass es von klein auf ihrer persönlichen Sexualität entspricht, sich wie eine Frau zu geben, wie eine Frau zu kleiden und entsprechend zu leben. Sie hat dabei die Konsequenz einer geschlechtsumwandelnden Operation gezogen. Vor diesem Hintergrund kann es ihr nicht verwehrt werden, nun ihr Frausein auszuleben. Ihr kann nicht angesonnen werden, ihre sexuelle Identität zu verheimlichen oder Zurückhaltung zu üben. Die Klägerin wird gerade deshalb verfolgt, weil sie sich ihrer sexuellen Identität entsprechend verhält und sich auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran erneut wieder so verhalten würde. Der Europäische Gerichtshof (EuGH, U. v. 7.11.2013 - C-199/12 bis C-201/12
Vor diesem Hintergrund kann der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden, die Verfolgung beschränke sich auf nichtstaatliche Akteure. Denn nach § 3c Nr. 3 AsylVfG kann eine Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der iranische Staat wie hier nicht in der Lage und nicht willens ist, hinreichenden Schutz vor Verfolgung zu bieten. Die Klägerin hat zweifelsfrei dargelegt, dass sie im Iran keine staatliche Schutzgewährleistung erhalten hat. Im Gegenteil, anstatt Schutz seitens des iranischen Staates zu erhalten, ist sie bei der Suche nach Schutz gerade von Akteuren des iranischen Staates vergewaltigt worden. Diese Aussage deckt sich mit den ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen (siehe oben unter Nr. 3), wonach der iranische Staat nicht nur keinen Schutz bietet, sondern seine Akteure die Situation zulasten der schutzsuchenden Transsexuellen noch verschlimmern und sich sogar selbst - bei eigener Straflosigkeit - an sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen beteiligen (vgl. etwa Queeramnesty vom 29.12.2013 „Offener Brief an den Präsidenten der Islamischen Republik Iran - Internationale NGOs äußern ihre Besorgnis über die andauernde und systematische staatliche Verfolgung von LGBTI“ und Queeramnesty vom 21.1.2013 „Geschlechtsumwandlungen im Iran“; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nufer/Lipp, Zulässigkeit der Wegweisung eines homosexuellen Iraners, Newsletter 30.5.2011; Human Rights Watch vom 15.12.2010 „Iran: Diskriminierung und Gewalt gegen sexuelle Minderheiten“; Handelsblatt vom 7.9.2009 „Iran: Wo die Geschlechtsumwandlung boomt“).
Ausgehend von den gesetzlich terminierten Vorgaben fällt die Verfolgungsprognose konkret bezogen auf die Klägerin zu ihren Gunsten aus. Die Klägerin war vor ihrer Flucht aus dem Iran Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a AsylVfG ausgesetzt, die wiederum an einen Verfolgungsgrund des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG anknüpfen und die ihr bei einer Rückkehr in den Iran erneut drohen würden. Die Klägerin war im Iran gerade wegen ihrer Transsexualität sowohl nach als auch vor ihrer geschlechtsumwandelnden Operation wiederholt sexueller Gewalt, Vergewaltigungen und sonstigen körperlichen und seelischen Übergriffen von staatlichen Akteuren und nichtstaatlichen Akteuren ausgesetzt. Einen Schutz hat der iranische Staat hiergegen nicht geboten. Eine Rückkehr in den Iran ist der Klägerin unter diesen Vorzeichen nicht zumutbar.
Nach alledem war der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen und der angefochtene Bundesamtsbescheid insoweit in seinen Nummern 1 und 3 bis 5 aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylVfG) sowie zur nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden (§ 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG).
5.
Neben der Aufhebung der entsprechenden Antragsablehnung im Bundesamtsbescheid sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung und Ausreisefristbestimmung rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Flüchtlingszuerkennung eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren - wenn auch noch nicht rechtskräftig - festgestellt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Dez. 2014 - W 6 K 14.30391
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Dez. 2014 - W 6 K 14.30391
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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Dez. 2014 - W 6 K 14.30391 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juli 2012 – soweit dieser entgegensteht – verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zuzuerkennen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger, ein 46 Jahre alter iranischer Staatsangehöriger, begehrt im Zuge eines Asylfolgeverfahrens die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
- 2
Nach eigenen Angaben reiste der Kläger im Jahre 1994 in das Bundesgebiet ein und stellte einen ersten Asylantrag, den er damit begründete, er sei für die Volksmudjaheddin aktiv gewesen. Mit Bescheid vom 27. März 1995 (Az. ...) lehnte die Beklagte den Asylantrag ab. Einer hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Chemnitz mit Urteil vom 4. November 1997 insoweit statt, als es die Beklagte im Hinblick auf exilpolitische Aktivitäten des Klägers zur Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG verpflichtete; im Übrigen wies es die Klage ab (A 7 K 30356/95). Dieses Urteil wurde mit Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. September 2000 (A 4 B 4319/98) aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hatte, und die Klage wurde insgesamt abgewiesen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Februar 2001 zurück.
- 3
Am 9. März 2001 stellte der Kläger bei der Beklagten einen ersten Asylfolgeantrag, den er im Wesentlichen erneut auf sein Vorfluchtvorbringen stützte und im Übrigen mit der Teilnahme an oppositionellen Aktionen im gesamten Bundesgebiet begründete. Mit Bescheid vom 23. August 2001 (Az. ...) lehnte die Beklagte unter Ziff. 1 den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie unter Ziff. 2 den Antrag auf Abänderung der früheren Entscheidung zu § 53 AuslG ab. Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. August 2002 hob das Verwaltungsgericht Hamburg (10 VG A 1574/2001) unter Klagabweisung im Übrigen den Bescheid vom 23. August 2001 zu Ziff. 2 auf und verpflichtete die Beklagte zur Neubescheidung über den Antrag des Klägers auf Abänderung der im Bescheid vom 27. März 1995 getroffenen Entscheidung zu § 53 AuslG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, da der Kläger im gerichtlichen Verfahren glaubhaft vorgetragen hatte, homosexuelle Kontakte zu haben, die auch bekannt geworden seien.
- 4
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2002 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Er bitte nochmals um Überprüfung seiner Asylsache. Die vom Iran ausgehende politische Verfolgung bestehe noch immer. Er sei politisch verfolgt gewesen, die Beweise habe er vorgelegt. Mit Bescheid vom 28. Februar 2003 (Az. ...) lehnte die Beklagte die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab, da die gesetzlichen Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen.
- 5
Mit weiterem Bescheid vom 28. Februar 2003 (Az. ...) änderte die Beklagte den Bescheid vom 27. März 1995 zu Ziff. 3 ab und stellte fest, dass ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG i. V. m. Art. 3 EMRK hinsichtlich des Iran vorliegt. Im Übrigen lägen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vor.
- 6
Die gegen beide Bescheide vom 28. Februar 2003, soweit entgegenstehend, gerichtete Klage, wiederum gestützt auf politische Aktivitäten im Iran und im Bundesgebiet sowie auf das Vorbringen, es gebe keinen muslimischen Staat, in dem Homosexualität nicht bestraft würde, wies das Verwaltungsgericht Hamburg mit Urteil vom 30. Juli 2004 ab (10 A 402/03). Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Einlegung eines Rechtsmittels lehnte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. September 2004 ab (1 Bf 317/04.A).
- 7
Am 18. Oktober 2004 stellte der Kläger einen weiteren Asylantrag, den er erneut auf exilpolitische Aktivitäten im Bundesgebiet stützte. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2004 (Az. ...) lehnte die Beklagte den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 28. Februar 2003 zu § 53 AuslG ab. Die hiergegen erhobene Klage, die der Kläger ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren mit psychischen Problemen begründete, wies das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 7. September 2006 ab (10 A 1987/04).
- 8
Nachdem der Kläger bereits zuvor mehrfach straffällig geworden war, wurde er wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. Februar 2009 (3090 Js 3/08, 628 Kls 14/08) unter Einbeziehung einer mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 28. Mai 2008 (3001 Js 547/07, 243-194/07) ausgesprochenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, wobei das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 3. Dezember 2009 nachträglich eine Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe bildete. Bis etwa September 2012 saß der Kläger in Haft.
- 9
Noch aus der Haft heraus stellte der Kläger mit Schreiben vom 18. Juni 2012 einen weiteren Asylfolgeantrag unter Bezugnahme auf § 60 AufenthG. Es lägen neue Gründe „wegen seiner Religion“ vor. Vom zwölften bis zum 26. Lebensjahr hätte der sich den Derwischen (Erfan) angeschlossen. In der Haft habe er katholische Gottesdienste besucht und im Kirchenchor der evangelischen Gemeinde gesungen.
- 10
Mit Bescheid vom 11. Juli 2012 (Az. ...), zugestellt am 16. Juli 2012, lehnte die Beklagte die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie den Antrag auf Abänderung der im Bescheid vom 28. Februar 2003 getroffenen Feststellung bezüglich § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab. Die Sach- und Rechtslage habe sich nicht im Sinne des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zugunsten des Klägers geändert. Soweit er seinen Antrag auf Kontakte im Iran zur Erfan-Gemeinschaft stütze, hätte dieses Vorbringen bereits in den früheren Asylverfahren geltend gemacht werden müssen. Die Teilnahme an Gottesdiensten führe ebenfalls zu keiner anderen Entscheidung, da nicht davon auszugehen sei, dass der iranische Staat Kenntnis von diesen Aktivitäten habe. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG seien nicht gegeben. Durch die Feststellung zu § 53 Abs. 4 AuslG i. V. m. Art. 3 EMRK hinsichtlich des Irans sei der Kläger bereits hinreichend geschützt. Im Übrigen lasse die Teilnahme am Kirchenchor nicht auf einen Religionswechsel schließen. Als Religionszugehörigkeit habe der Kläger Erfan angegeben. Dieser religiösen Gruppierung wolle er bis zum 26. Lebensjahr angehört haben, ohne dass daraus im Iran eine Verfolgungssituation entstanden sei.
- 11
Hiergegen hat der Kläger am 19. Juli 2012 Klage erhoben, die er im Wesentlichen auf seine Homosexualität, Aktivitäten für die Volksmudjaheddin und seine Religion Erfan stützt. Wegen der weiteren Begründung der Klage wird auf die Klageschrift (Bl. 1 ff. d. A.) und das Schreiben vom 8. Oktober 2012 samt Anlagen (Bl. 17 ff. d. A.) Bezug genommen.
- 12
Der Kläger beantragt,
- 13
unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Juli 2012 die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
- 14
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
- 15
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
- 16
die Klage abzuweisen.
- 17
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
- 18
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll vom 2. April 2014 (Bl. 124 ff. d. A.) verwiesen. Die Asylakten der Beklagten, auch zu den vorangegangenen Asylverfahren, die Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts 10 VG A 1574/2001, 10 A 402/2003 und 10 A 1987/04 sowie die Erkenntnisquellen, die in den mit Verfügung vom 26. Februar 2014 übersandten Listen aufgeführt sind, haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
I.
- 19
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil sie mit der Ladung auf diese Folge des Ausbleibens hin-gewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO.
II.
- 20
Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Soweit der Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, ist seine Klage unbegründet (hierzu unter 1.). Mit seinem auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gerichteten Hilfsantrag hingegen hat die Klage in der Sache Erfolg (hierzu unter 2.).
- 21
1. Hinsichtlich der Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist der Bescheid vom 11. Juli 2012 zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit seinem Folgeantrag begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474; im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz), vgl. § 113 Abs. 5 VwGO. Es liegen schon nicht die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens vor. Im Einzelnen gilt Folgendes:
- 22
Soweit der Kläger seinen streitgegenständlichen Folgeantrag auf seine Religion gestützt hat und insoweit zum einen auf die Glaubensgemeinschaft Erfan – (wohl) eine Strömung des Sufismus – und zum anderen auf das Christentum Bezug genommen hat, hat er in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er ausschließlich Anhänger der Gemeinschaft Erfan und nicht zum Christentum konvertiert sei (S. 3 des Sitzungsprotokolls, Bl. 126 d. A.). Mit dem geltend gemachten Bekenntnis zur Glaubensgemeinschaft Erfan vermag der Kläger indes die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht zu erfüllen. Dem steht jedenfalls die Regelung des § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen. Danach ist der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor:
- 23
Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, wieso der Kläger erst in seinem vierten Folgeantrag und knapp 18 Jahre nach seiner Einreise ins Bundesgebiet geltend macht, einer Strömung des Sufismus anzugehören. Im Rahmen seiner Anhörung durch die Beklagte hat der Kläger angegeben, sich schon mit zwölf Jahren den Derwischen angeschlossen und bis zu seinem 26. Lebensjahr mit ihnen im Norden des Irans zusammengelebt zu haben und Mitglied der Gemeinschaft geworden zu sein (Bl. 52 d. SA). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erneut erklärt, schon im Iran Erfan-Anhänger gewesen zu sein (S. 2 des Sitzungsprotokolls, Bl. 125 d. A.). Es habe Konflikte mit den Bassidj und Pasdaran gegeben, sein Meister sei verhaftet und umgebracht worden. Dies sei mit ein Grund für seine Flucht aus dem Iran gewesen (S. 2 des Sitzungsprotokolls, Bl. 125 d. A.). Bei dieser Sachlage hätte es sich dem Kläger geradezu aufdrängen müssen, seine Zugehörigkeit zu den Derwischen schon bei seinem allerersten Asylantrag geltend zu machen.
- 24
Soweit der Kläger in seiner Klageschrift auch seine Homosexualität sowie Aktivitäten für die Volksmudjaheddin zur Sprache gebracht hat (Bl. 1 ff. d. A.), handelt es sich hierbei schon nicht um eine nachträgliche Änderung der Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Insoweit bezieht sich der Kläger mit seinem Vortrag auf Umstände, die er bereits in den früheren Asylverfahren vorgebracht hat. Die Aktivitäten des Klägers für die Volksmudjaheddin waren schon Gegenstand seines ersten Asylverfahrens mit dem Az. ... und die Homosexualität Gegenstand des ersten Folgeantrags (Az. ...). Neue Beweismittel, die sein Vorbringen in einem neuen Licht erscheinen ließen (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG), hat der Kläger nicht vorgelegt.
- 25
2. Soweit die Beklagte dem Kläger die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG versagt hat, ist der Bescheid vom 11. Juli 2012 zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Insoweit ist der Bescheid aufzuheben und die entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrte Zuerkennung zu. Denn es steht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit fest, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG droht.
- 26
Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, Rn. 32 – zitiert nach juris). Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. 6.2011, 10 C 25/10, BVerwGE 140, 22, 33, Rn. 24; Urt. v. 5.11.1991, 9 C 118/90, BVerwGE 89, 162, 169 f.).
- 27
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, ist unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags des Klägers, der von ihm vorgelegten Unterlagen, der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen und des Inhalts der beigezogenen Behördenakten festzustellen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG droht.
- 28
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt u. a. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG) sowie Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG). Vorliegend kann dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich ein überzeugter Anhänger der religiösen Strömung Erfan ist und ihm deshalb bei einer Rückkehr in den Iran zumindest eine erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (vgl. zur Verfolgung der Derwische im Iran den Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Islamischen Republik Iran vom 11. Februar 2014, S. 22). Denn es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ihm jedenfalls aufgrund seiner – unstreitig gegebenen – Homosexualität zumindest erniedrigende Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG, wenn nicht sogar die Verhängung bzw. Vollstreckung der Todesstrafe droht. Im Iran werden homosexuelle Handlungen zwischen Männern strafrechtlich verfolgt, wobei als Regelfall die Todesstrafe vorgesehen ist. Die letzten, dem Auswärtigen Amt bekannten und durch die iranische Justizverwaltung bestätigten Hinrichtungen wegen homosexueller Handlungen erfolgten noch im September 2011. In „weniger schweren Fällen“ (z. B. Küssen oder Umarmen) sind geringere Strafen in Form von Peitschenhieben vorgesehen. Nach Art. 234 des neuen iranischen StGB droht auch dem „aktiven“ Part nicht mehr die Todesstrafe, sofern er unverheiratet ist; stattdessen wird er mit 100 Peitschenhieben bestraft (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a. a. O., S. 26).
- 29
Die von dem Kläger in der Vergangenheit begangenen Straftaten stehen der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht entgegen. Zwar ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG ein Ausländer von der Zuerkennung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Sinn und Zweck dieser Regelung besteht – der Zielsetzung der Regelung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU entsprechend, deren Umsetzung § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG dient (BT-Drucks. 17/13063, S. 20) – darin, solche Personen von der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auszunehmen, die als dieses Schutzes unwürdig anzusehen sind (vgl. zu dieser Auslegung EuGH, Urt. v. 9.11.2010, C-57/09 u. a., Rn. 104 zu der Parallelregelung für den Ausschluss des Flüchtlingsstatus in Art. 12 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG; VGH München, Urt. v. 20.3.2013, 19 BV 11.288, Rn. 55 – jeweils zitiert nach juris). Hiervon ist auszugehen, wenn die von dem Ausländer begangene Straftat im Ergebnis den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit berührt, wobei die Einstufung als Verbrechen für sich allein noch nicht ausreicht, um diese Voraussetzung zu erfüllen (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 10.5.2011, 1 A 306/10 u. a., Rn. 112 m. w. Nachw. – zitiert nach juris). Dies kann etwa bei Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag, daneben aber auch Raub und Kindesmissbrauch, Entführung, schwere Körperverletzung und Drogenhandel anzunehmen sein. Allerdings darf dabei der in den Strafvorschriften jeweils enthaltene Strafrahmen nicht unberücksichtigt bleiben. Ist dieser weit und schöpft der Strafrichter ihn aufgrund der konkreten Umstände des Falles nur in geringem Umfang aus, kann nicht von einer schweren Straftat ausgegangen werden (OVG Bremen, a. a. O.).
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Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist keine der zahlreichen von dem Kläger begangenen Straftaten – der Bundeszentralregisterauszug vom 13. Juli 2012 weist 22 Eintragungen aus – als den subsidiären Schutz ausschließende schwere Straftat anzusehen. Insbesondere der in der Nacht zum 10. September 2007 begangene Raub in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, für den der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 28. Mai 2008 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden ist, vermag eine solche Annahme nicht zu rechtfertigen. Bei dem Raub handelt es sich zwar um ein Verbrechen (vgl. §§ 249 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB); das Strafgericht hat den vorgesehenen Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren (vgl. § 38 Abs. 2 StGB) indes bei weitem nicht ausgeschöpft. Auch die Umstände der Tat – der Kläger hatte in einem Lokal einem Kellner aufgrund eines spontanen Entschlusses einen heftigen Faustschlag in die untere Gesichtshälfte versetzt und ihm ein Geldbündel im Wert von 635,- EUR aus der Hand gerissen, um es für sich zu behalten; der Geschädigte hatte erhebliche Schmerzen erlitten, ein großflächiges Hämatom und eine lang andauernde Schwellung davongetragen und war nach der Tat zwei Monate arbeitsunfähig gewesen – führen nicht dazu, dass der Kläger als der Zuerkennung des subsidiären Schutzes unwürdige Person anzusehen ist.
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Auch der Umstand, dass die Homosexualität des Klägers bereits Gegenstand eines früheren Folgeverfahrens gewesen und die Beklagte in dieser Hinsicht mit Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 13. August 2002 (10 VG A 1574/2001) verpflichtet worden ist, über den Antrag auf Abänderung der im Bescheid vom 27. März 1995 getroffenen Entscheidung zu § 53 AuslG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, steht der mit dem vorliegenden Urteil ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zuzuerkennen, nicht entgegen. Insbesondere die Regelung des § 121 VwGO hindert das erkennende Gericht nicht, die Beklagte mit dem vorliegenden Urteil zu verpflichten, dem Kläger unter Zugrundelegung desselben Vorbringens wie im damaligen gerichtlichen Verfahren nunmehr einen für ihn günstigeren Status zuzuerkennen. Denn ein formell rechtskräftiges Urteil erwächst nur in den durch § 121 festgelegten Grenzen in materielle Rechtskraft, nämlich „soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist“ (Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 25. Erg.lieferg. 2013, § 121 Rn. 45). Der mit der vorliegenden Klage hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG war indes noch gar nicht Gegenstand des Urteils vom 13. August 2002 in der Sache 10 VG A 1574/2001. Dieser Streitgegenstand ist vielmehr erst mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes kraft Gesetzes und unabhängig vom Handeln der Verfahrensbeteiligten im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren angewachsen (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.2011, 10 C 14/10, Rn. 9 – zitiert nach juris). Hieraus wiederum folgt, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als maßgeblichem Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht ungeprüft bleiben darf, ob dem Kläger im Hinblick auf seine Homosexualität ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes zusteht. Dies leitet das erkennende Gericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur gesetzlichen Erweiterung des Streitgegenstandes der Asylklage um die Prüfung der Voraussetzungen des flüchtlingsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (BVerwG, Urt. v. 18.2.1992, 9 C 59/91, Rn. 8 ff. – zitiert nach juris) bzw. um die Prüfung der Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots (BVerwG, Urt. v. 8.9.2011, 10 C 14/10, Rn. 9 ff.; Urt. v. 27.4.2010, 10 C 4/09, Rn. 16; Urt. v. 29.6.2010, 10 C 10/09, Rn. 6 – jeweils zitiert nach juris) her:
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Mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 28. August 2013 am 1. Dezember 2013 (vgl. Art. 7 Richtlinienumsetzungsgesetz) ist der Inhalt des Asylantrags und damit der Gegenstand des Asylverfahrens erweitert worden. Nach § 13 Abs. 1 AsylVfG in der seit 1. Dezember 2013 geltenden Fassung liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG droht. Nach § 13 Abs. 2 AsylVfG wird mit jedem Asylantrag die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG – zu dem auch die Zuerkennung subsidiären Schutzes zählt – beantragt. Aufgrund der Neufassung des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG ist ein Asylantrag somit ab 1. Dezember 2013 dahin auszulegen, dass damit nicht nur die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern auch die Zuerkennung subsidiären Schutzes begehrt wird. Dementsprechend ist die Beklagte verpflichtet, ausdrücklich – von Amts wegen – auch über diesen Teil des Asylantrags zu befinden. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ist in Entscheidungen über beachtliche Asylanträge ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft „oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird“ und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. Das Begehren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes, das auf Anerkennung als Asylberechtigter und das auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind damit drei Bestandteile eines einheitlichen Asylbegehrens. Der Streitgegenstand der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist in einem Übergangsfall wie dem vorliegenden, in dem die Beklagte über die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG entschieden hat und hiergegen Klage erhoben wurde, mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Dezember 2013 im anhängigen Gerichtsverfahren kraft Gesetzes angewachsen. Es ist nicht erkennbar, dass die Neubestimmung des Asylantragsbegriffs für Anträge, die bereits vor dem 1. Dezember 2013 (noch nicht bestandskräftig) beschieden worden sind und im Zeitpunkt der Gesetzesänderung bei Gericht rechtshängig waren, noch nicht gelten soll.
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Unerheblich in diesem Zusammenhang ist, ob im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt sind, insbesondere ob es sich bei der Neufassung des § 4 Abs. 1 AsylVfG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 28. August 2013 um eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Klägers (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) handelt. Denn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG müssten nur dann erfüllt sein, wenn es sich bei dem unter dem 18. Juni 2012 verfassten „Asylfolgeantrag“ des Klägers tatsächlich um einen Folgeantrag im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG handelte. Dies ist jedoch im Hinblick auf den auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gerichteten Bestandteil des Asylantrags nicht der Fall. Insoweit ist der „Asylfolgeantrag“ des Klägers vielmehr als Erstantrag zu behandeln und, ohne dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorliegen müssten, zu bescheiden. Ein Folgeantrag liegt nach der Legaldefinition des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur dann vor, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt. Die früheren Asylanträge des Klägers sind indes nur im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar abgelehnt worden. Über den Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes hingegen ist – da dieser wie ausgeführt erst mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 1. Dezember 2013 Bestandteil des Asylantrags geworden ist, vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F. – bislang noch zu keinem Zeitpunkt unanfechtbar entschieden worden.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger wurde am 00.00.0000 in Teheran / Iran geboren und ist iranischer Staatsangehöriger mit aserbeidschanischer Volkszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste der Kläger am 16. Mai 1996 von Istanbul kommend mit einem Flugzeug nach Frankfurt/Main in die Bundesrepublik Deutschland ein.
3Am 20. Mai 1996 stellte der Kläger einen Asylantrag und gab hierzu an, im Iran Mitglied der Gruppe Khalgh-e Mosalman, einer Vereinigung türkisch sprechender Aserbeidschaner, die sich für Türkisch als Amtssprache einsetze, gewesen zu sein. Er habe Flugblätter transportiert und sei wegen seiner Teilnahme an einem Aufstand vorrübergehend inhaftiert worden. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – im Folgenden: Bundesamt – vom 9. August 1996 lehnte die Beklagte den Asylantrag ab, stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 Ausländergesetz a.F. nicht vorliegen, und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Iran zur Ausreise aus der Bundesrepublik auf. Der Kläger habe nicht glaubhaft dargelegt, in seiner Heimat politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Die hiergegen außerhalb der Klagefrist erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln – 1 K 8248/96.A – nahm der Kläger am 25. April 1997 zurück.
4Am 16. Juni 1997 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung gab der Kläger an, er sei exilpolitisch tätig und habe insbesondere an Demonstrationen u.a. vor der iranischen Botschaft in Bonn teilgenommen. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21. August 1997 lehnte die Beklagte den Asylfolgeantrag ab. Ein erneutes Asylverfahren sei nicht durchzuführen, weil auch unter Berücksichtigung der nunmehr angeführten Umstände eine positive Entscheidung über den Asylantrag des Klägers nicht möglich erscheine. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 2. April 2011 – 16 K 8003/97.A – ab.
5Am 11. Oktober 2001 stellte der Kläger erneut einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung gab der Kläger unter Vorlage entsprechender Kopien an, dass ihn nunmehr eine Ladung erreicht habe, in der er aufgefordert werde, vor dem Islamischen Revolutionsgericht in Teheran zu erscheinen. Für den Fall der Nichtbefolgung sei der Erlass eines Haftbefehls angekündigt. Durch Dritte sei der Kläger zudem in den Besitz einer Urteilsabschrift gelangt, wonach er wegen seiner politischen Vergangenheit zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren verurteilt worden sei. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22. Oktober 2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Iran zur Ausreise aus der Bundesrepublik auf. Insbesondere seien die vorgelegten Kopien wegen totaler Manipulierbarkeit beweiswertlos. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 15. April 2004 – 16 K 7956/01.A – ab.
6Am 3. Mai 2012 beantragte der Kläger bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – im Folgenden ebenfalls: Bundesamt – eine auf die isolierte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- a.F. sowie die Aufhebung der mit dem Bescheid vom 22. Oktober 2001 ausgesprochenen Abschiebungsandrohung beschränkte Wiederaufnahme des Verfahrens. Hierzu gab der Kläger an, homosexuell zu sein. Er habe in seinen früheren Asylverfahren nicht den Mut gehabt, sich zu seiner sexuellen Veranlagung zu bekennen. Durch seinen langjährigen Aufenthalt in Deutschland bekenne sich der Kläger nun mehr zu seiner Homosexualität. Er lebe sie nicht mehr wie früher im Iran und nach seiner Einreise in Deutschland im Verborgenen aus. Er bekenne sich zu ihr und habe in Kauf genommen, dass sich einige seiner Landsleute von ihm abgewandt hätten und über ihn redeten. Da der Kläger seine Homosexualität bereits in einem früheren Asylverfahren hätte geltend machen können, sei der Antrag entsprechend beschränkt worden. Außerdem legte der Kläger mehrere zwischen dem 10. Januar 2011 und dem 22. November 2011 ausgestellte ärztliche Bescheinigungen vor, mit denen dem Kläger eine depressive Symptomatik attestiert wird.
7Mit Bescheid des vom 7. September 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens seien nicht erfüllt, da der Vortrag des Klägers sowohl hinsichtlich seiner homosexuellen Veranlagung als auch in hinsichtlich seiner psychischen Erkrankung nicht innerhalb von drei Monaten erfolgt und damit nach Maßgabe von § 51 Abs. 2, 3 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG- verspätet sei. Die Bescheide vom 9. August 1996 und 22. Oktober 2011 seien im beantragten Umfang auch nicht nach Maßgabe von § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG in Ausübung pflichtgemessen Ermessens aufzuheben. Die getroffenen Entscheidungen erwiesen sich auch unter Berücksichtigung des neuen Vortrags als rechtmäßig. Der Kläger müsse im Fall einer Rückkehr in den Iran wegen seiner Homosexualität keine Verfolgung befürchten, die zu einem Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. führe. Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes drohten im Iran bei einer homosexuellen Betätigung dann keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmenden asylrelevanten Maßnahmen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure, wenn die Betätigung auf den Bereich des engsten persönlichen Umfeldes beschränkt werde und die Veranlagung nicht nach außen hin bekannt werde. Ein zurückhaltendes Ausleben der Homosexualität sei angesichts der von der öffentlichen Moral gedeckten Verbotslage im Iran auch zumutbar. Auch aufgrund der psychischen Erkrankung des Klägers könne kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG a.F. angenommen werden. Die vorgelegten Atteste ließen keinen Rückschluss darauf zu, dass die geschilderten Symptome an die Verhältnisse im Iran anknüpften. Als Ursachen würden vielmehr die fehlende Arbeitserlaubnis, der ungeklärte Aufenthaltsstatus sowie die Isolation und fehlende Tagesstruktur genannt. Eine beachtliche Gefahr einer Selbsttötung im Fall einer Abschiebung werde nicht attestiert; zudem handele sich hierbei nicht um ein zielstaatsbezogenes, sondern an die Abschiebung als solche anknüpfendes Abschiebungshindernis. Die Erkrankung des Klägers sei auch im Iran behandelbar.
8Am 5. Oktober 2012 hat der Kläger Klage erhoben.
9Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger insbesondere die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- vom 7. November 2013 in den Verfahren C-199/12, C-200/12 und C-201/12 an, nach der die rechtliche Annahme des Bundesamtes, ein zurückhaltendes Ausleben der Homosexualität sei in Anbetracht der Abschiebungshindernisse des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. zumutbar, nicht länger aufrechterhalten werden könne. Außerdem gibt der Kläger nunmehr an, mit dem Zeugen G. I. eine gleichgeschlechtliche Beziehung zu unterhalten.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 7. September 2012 zu verpflichten,
12- 13
1. unter Abänderung des Bescheides des Bundesamtes vom 9. August 1996 festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz -AsylVfG- (subsidiärer Schutz) vorliegen,
hilfsweise
15festzustellen, das nationale Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen,
16- 17
2. die mit dem Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2011 erlassene Abschiebungsandrohung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte tritt der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheides entgegen.
21Das Gericht hat durch Vernehmung des Zeugen G. I. Beweis erhoben. Hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung übertragen hat.
24Das Gericht hat trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden können, weil die Beklagte gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- ordnungsgemäß unter Hinweis auf diese Möglichkeit zum Termin geladen worden ist.
25Die zulässige Klage ist unbegründet.
26Der Bescheid des Bundeamtes vom 7. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27Der Kläger hat nach der gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden, insbesondere durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) mit Wirkung zum 1. Dezember 2013 geänderten Rechtslage keinen Anspruch, auf die Feststellung der Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG (subsidiärer Schutz) unter Abänderung des Bescheides des Bundesamtes vom 9. August 1996.
28Nach § 60 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt hiernach (1.) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Weitere Einzelheiten zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren und der Berücksichtigung inländischer Fluchtalternativen im Herkunftsland ergeben sich aus den Vorschriften der §§ 3c – d AsylVfG, die gemäß § 4 Abs. 3 AsylVfG entsprechend gelten, wobei an die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens und an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft der subsidiäre Schutz treten.
29Bei dem auf die Feststellung der Voraussetzungen für die Gewährung internationalen (subsidiären) Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG gerichteten Begehren handelt es sich um einen Teil des Asylantrags, über den das Bundesamt nicht wie über die nationalen Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gemäß § 24 Abs. 2 AsylVfG lediglich in Folge eines Asylantrags, sondern als integraler Bestandteil des Asylverfahrens entscheidet. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 2 AsylVfG, wonach mit jedem Asylantrag die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG beantragt wird. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG bezieht sich seinerseits auf den internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9). Der internationale Schutz umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge – Genfer Flüchtlingskonvention – sowie den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie. Die Entscheidung des Bundesamt über die Gewährung des internationalen (subsidiären) Schutzes ist nach §§ 60 Abs. 2, Abs. 1 Satz 4 AufenthG nur nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes anfechtbar.
30Wird – wie hier – nach Abschluss eines Asylverfahrens ein erneuter Asylantrag gestellt, so ist ein weiteres Asylverfahren gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn (1.) sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, (2.) neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder (3.) Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung -ZPO- gegeben sind. Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Ein mit dem Antrag des Klägers gegenüber dem Bundesamt sinngemäß geltend gemachter Anspruch auf eine pflichtgemäßem Ermessen entsprechende Entscheidung des Bundesamtes über eine Aufhebung des Bescheides vom 9. August 1996 hinsichtlich der dort getroffenen Feststellungen zu den europarechtlichen Abschiebungshindernissen aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG a.F. nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG besteht damit nach der nunmehr geltenden Rechtslage nicht mehr.
31Nach Maßgabe von § 71 Abs. 1 AsylVfG hat der Kläger keinen Anspruch auf die Durchführung eines erneuten Asylverfahrens. Dies gilt schon deshalb, weil der Kläger die hierfür angeführten Gründe, die sich mit Blick auf den Schutzgehalt des internationalen (subsidiären) Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG hier allein auf die Furcht vor einer bei einer Rückkehr in den Iran drohenden strafrechtlichen Verfolgung wegen homosexueller Handlungen beziehen können, bereits in seinem früheren Asylverfahren hätte geltend machen können (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Kläger betrachtet sich nach eigenen Angaben bereits seit vielen Jahren als homosexuell. Schon während seines Aufenthalts im Iran habe er seine Homosexualität – wenn auch im Verborgenen – ausgelebt. Umstände, aufgrund derer der Kläger auch nach Ankunft in der Bundesrepublik ohne grobes Verschulden daran gehindert gewesen wäre, seine Homosexualität in seinem früheren Asylverfahren anzugeben, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Sie liegen auch nach der eigenen, zur Begründung des auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. beschränkten Antrags angeführten Rechtsauffassung des Klägers nicht vor.
32Aber auch einen Anspruch auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens unterstellt hat der angefochtene Bescheid im Ergebnis Bestand, weil der Kläger jedenfalls in der Sache,
33vgl. zur Verpflichtung des Verwaltungsgerichts im Falle einer fehlerhaften Ablehnung der Durchführung eines erneuten Asylverfahrens in der Sache zu entscheiden zuletzt etwa in stRspr. Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 7. März 1995 – BVerwG 9 C 264.94 – Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 m.w.N.,
34keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG (subsidiärer Schutz) hat. Denn der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne der vorgenannten Vorschriften, insbesondere die Verhängung bzw. Vollstreckung der Todesstrafe oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, droht.
35Dabei geht das Gericht hinsichtlich der Verfolgungslage für Homosexuelle im Iran auf Grund der vorliegenden Erkenntnislage davon aus, dass zwar nicht eine homosexuelle Veranlagung als solche, wohl aber offen gelebte Homosexualität insbesondere unter Männern im Iran ein erhebliches, in jüngster Zeit eher ansteigendes Gefährdungspotenzial für vornehmlich staatliche Verfolgung birgt und sich dieses Potenzial gerade im Kontext mit sonstigen unerwünschten Personen zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asylrelevanter Bedrohung bis hin zur Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe verdichten kann. Dabei stützt sich das Gericht maßgeblich auf die Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes,
36vgl. zuletzt Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 11. Februar 2014 – Gz. 508-516.80/3 IRN –,
37nach denen homosexuelle Handlungen zwischen Männern im Iran weiterhin unter Strafe stehen (Art. 232-241 des iranischen Strafgesetzbuchs). Als Regelstrafe ist die Todesstrafe vorgesehen. Geringere Strafen in Form von Peitschenhieben sind in weniger schweren Fällen, z.B. Küssen und Umarmen, vorgesehen. Gemäß Art 234 des iranischen Strafgesetzbuchs droht dem „aktiven“ Part allerdings nicht mehr die Todesstrafe, sofern er unverheiratet ist bzw. aus anderen Gründen keinen Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau haben kann; stattdessen wird er mit 100 Peitschenhieben bestraft. Homosexuelle Handlungen zwischen Frauen werden mit bis zu 100 Peitschenhieben, bei der vierten Verurteilung mit der Todesstrafe geahndet (Art. 237 des iranischen Strafgesetzbuchs). Die letzten, dem Auswärtigen Amt bekannten und durch die iranische Justizverwaltung bestätigten Fälle, sind die am 4. September 2011 in Ahvaz wegen homosexueller Handlungen erfolgten Hinrichtungen von drei Männern, deren Namen nicht veröffentlicht wurden. Ihnen sei darüber hinaus auch Entführung und Raub vorgeworfen worden. Derzeit sitzen in einem iranischen Gefängnis vier Männer ein, denen die Hinrichtung wegen des Vorwurfs homosexueller Handlungen droht. Nach Informationen des Auswärtigen Amtes wurden in den vier Fällen noch keine Hinrichtungstermine festgelegt. Die Todestrafen für die vier Personen wurden aber im Mai 2012 vom obersten Gerichtshof bestätigt. Im Ergebnis geht das Gericht damit von einer Verfolgungssituation aus, wie sie auch von anderen Gerichten auf der Grundlage u.a. von Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des UNHCR und des Deutschen Orient-Instituts sowie Zeitungsberichten angenommen wird;
38vgl. etwa zuletzt Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 8. Februar 2013 – 6 K 786/12.WI.A –; Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 14. November 2012 – W 6 K 12.30072 –; Verwaltungsgericht Bayreuth, Urteil vom 5. März 2012 – B 3 K 11.3013 –; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 5. September 2005 – 5 K 6084/04.A –, jeweils zitiert nach juris.
39Bei dieser Sachlage droht dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran kein im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylVfG beachtlicher Schaden. Denn das Gericht hat bei der gebotenen freien richterlichen Beweiswürdigung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht die notwendige Überzeugung davon gewinnen können, dass der Kläger wie mit seinem Antrag gegenüber dem Bundesamt erstmals behauptet tatsächlich homosexuell veranlagt ist und diese homosexuelle Veranlagung auch tatsächlich auslebt. Der Vortrag des Klägers, er sei homosexuell, er habe seine Homosexualität bereits während seines Aufenthalts im Iran – wenn auch im Verborgenen – ausgelebt, er bekenne sich nach seinem langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik nun mehr auch öffentlich zu seiner Homosexualität und er unterhalte zudem eine gleichgeschlechtliche Beziehung, erweist sich insgesamt als unglaubhaft.
40Erhebliche Zweifel an den Angaben des Klägers ergeben sich insoweit schon aus seinem dürftigen, weitgehend unsubstantiierten Vorbringen zu seiner Homosexualität. Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat der Kläger die Gründe für sein Verfolgungsschicksal schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylVfG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen;
41vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 – 9 C 106.84 –, Buchholz, 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 32.
42Diesen Vorgaben entspricht das Verhalten des Klägers in keiner Weise. Seine Angaben gegenüber dem Bundesamt in seinem durch seinen Prozessbevollmächtigten verfassten Antrag vom 3. Mai 2012 bleiben hinsichtlich seiner behaupteten Homosexualität vage und oberflächlich. Konkrete und auch hinsichtlich des Randgeschehens detailreiche Schilderungen dazu, wann und unter welchen Umständen der Kläger seine Homosexualität entdeckt, wann und wie er seine Homosexualität im Iran im Verborgenen ausgelebt und seit wann, auf welche Weise und wem gegenüber er sich nunmehr in der Bundesrepublik zu seiner Homosexualität bekennt, fehlen gänzlich. Der Kläger hat sich vielmehr auf die Mitteilung beschränkt, homosexuell zu sein und in seinen früheren Asylverfahren nicht den Mut gehabt zu haben, sich zu seiner sexuellen Veranlagung zu bekennen. Durch seinen langjährigen Aufenthalt in Deutschland bekenne sich der Kläger nun mehr zu seiner Homosexualität. Er lebe sie nicht mehr wie früher im Iran und nach seiner Einreise in Deutschland im Verborgenen aus. Er bekenne sich zu ihr und habe in Kauf genommen, dass sich einige seiner Landsleute von ihm abgewandt hätten und über ihn redeten. Auch zur Begründung seiner vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger seine diesbezüglichen Angaben – von dem erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Hinweis auf eine gleichgeschlechtliche Beziehung zum Zeugen G. I. abgesehen – nicht weiter substantiiert. Stattdessen hat der Kläger lediglich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen und sich auf rechtliche Ausführungen zur Begründung seines Klagevortrags beschränkt, obwohl der Kläger mit der Klageeingangsbestätigung des Gerichts vom 8. Oktober 2012 ausdrücklich auf seine sich bereits aus § 74 Abs. 2 AsylVfG ergebende gesetzliche Verpflichtung hingewiesen worden ist, die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes anzugeben. Schließlich hat der Kläger auch die mündliche Verhandlung, zu der er persönlich erschienen ist, nicht genutzt, um seine Angaben aus dem Verwaltungsverfahrens näher zu erläutern. Der Kläger hat sich hier darauf beschränkt, lediglich die gezielten Fragen des Gerichts zu seiner behaupteten Beziehung zum Zeugen G. I. – und auch dies nur in knappen Worten – zu beantworten.
43Das Gericht ist zudem nach Würdigung der informatorischen Befragung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung und der Ergebnisse der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen G. I. nicht davon überzeugt, dass der Kläger mit dem Zeugen eine gleichgeschlechtliche Beziehung unterhält. Vielmehr ziehen die Ergebnisse der Befragungen die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags insgesamt ernsthaft und nachhaltig in Zweifel.
44So ist für das Gericht schon nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger den Umstand einer – nach eigenen Angaben – bereits seit ca. sechs Jahren bestehenden Beziehung mit dem Zeugen weder bei seiner Antragstellung gegenüber dem Bundesamt am 3. Mai 2012, noch bei seiner Klageerhebung am 5. Oktober 2012 erwähnt, sondern erstmals mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10. März 2014 und damit nur drei Tage vor der mündlichen Verhandlung angegeben hat. Eine plausible Erklärung hierfür hat der Kläger nicht geliefert. Für das Gericht steht damit der Verdacht im Raum, dass der Vortrag gerade mit Blick auf die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags mit Beschluss vom 27. Januar 2014 und die damit verbundene Einschätzung des Gerichts, nach der für die Klage aufgrund des bisherigen Vortrags keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe, allein prozesstaktischen Motiven geschuldet ist.
45Zudem hat das Gericht aus den Einlassungen des Klägers und den Bekundungen des Zeugen den Eindruck gewonnen, dass beide nicht von tatsächlich Erlebtem berichtet, sondern eine vorab (nur) in den Grundzügen abgesprochene, frei erfundene Geschichte erzählt haben. Es ist weder dem Kläger, noch dem Zeugen im Rahmen ihrer Befragungen gelungen ist, konkret und nachvollziehbar von der behaupteten gemeinsamen Beziehung zu erzählen. Vielmehr haben sie sich – trotz mehrfacher Nachfragen des Gerichts – auf knappe und im Wesentlichen abstrakte Angaben beschränkt, die leicht abzusprechen sind, ohne dass es bei einer zu erwartenden getrennten Befragung durch das Gericht zu Widersprüchen kommt. So hat der Kläger auf die Frage, wann und unter welchen Umständen er seinen vermeintlichen Lebensgefährten kennengelernt hat, lediglich angegeben, dass dies vor ca. 6 Jahren gewesen sei. Sein Lebensgefährte habe seinerzeit in Bonn ein persisches Restaurant gehabt, wo man sich kennengelernt habe. Er sei in das Restaurant gegangen. Sie seien sich nach und nach näher gekommen und hätten sich angefreundet. Sinngemäß hat der Zeuge bekundet, den Kläger vor ca. sechs Jahren kennengelernt zu haben. Dies sei in seinem Restaurant gewesen. Er sei dahin gekommen. Am Anfang habe er ihm seelisch und emotional geholfen. Nähere Angaben hierzu haben weder der Kläger, noch der Zeuge gemacht. Auch haben beide nicht nachvollziehbar erläutern können, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. So hat der Kläger auf die Bitte des Gerichts näher zu erläutern, was er mit dem Begriff der Beziehung meine, lediglich ausweichend geantwortet, dass er das so liebe und es genieße. Mehr könne er nicht sagen, da dies Privatsache sei. Der Zeuge hat sich nur insoweit eingelassen, dass der Kläger jünger sei und er für ihn ein Zufluchtsort sei. Abgesehen von sexuellen Sachen sei es bei seinem Partner so, dass er Zuflucht bei ihm suche und Respekt vor ihm habe. Auf die Frage des Gerichts, anhand der vergangenen Woche konkret und chronologisch von Montag bis Sonntag zu schildern, was beide gemeinsam gemacht haben, ist der Kläger immer wieder ins Allgemeine ausgewichen und hat konkrete, nachprüfbare Angaben vermieden. So hat er wörtlich angegeben: „Ich rufe ihn an. Wir sprechen immer miteinander. Von Freitag bis Sonntagmorgen sind wir zusammen“. Erst auf die Nachfrage, wann und wie oft er mit dem Zeugen in der letzten telefoniert habe, hat der Kläger angegeben, wie immer zweimal abends mit dem Zeugen telefoniert zu haben, wobei er sich an die konkreten Wochentage wiederum nicht erinnern konnte. Ein ähnliches Aussageverhalten lässt sich bei dem Zeugen erkennen. Auch dieser ist mit seiner Antwort auf die sinngemäß wiederholte Frage zunächst im Allgemeinen geblieben und hat bekundet, oft abends mit dem Kläger zu telefonieren. Sein Lebensgefährte habe eine Satellitenanlage und berichte ihm dann über die Nachrichten. Manchmal telefonierten sie zehn Nächte hintereinander, dann wieder nicht. Es gebe keine festen Zeiten. Erst auf Nachfrage hat der Zeuge sodann angegeben, in der vergangenen Woche wohl zweimal mit dem Kläger telefoniert zu haben, ohne allerdings – wie der Kläger – genau sagen zu können, wann dies gewesen sei. Dass sich weder der Kläger, noch der Zeuge an auch nur einen konkreten Wochentag der gerade erst vergangenen Woche haben erinnern können, hält das Gericht für mehr als unwahrscheinlich.
46Schließlich haben sich der Kläger und der Zeuge auf weitere, der Konkretisierung der gemeinsamen Aktivitäten in der vergangenen Woche dienende Nachfragen des Gerichts in unauflösbare Widersprüche verwickelt. So hat der Kläger sinngemäß angegeben, die Zeit von Freitag bis Sonntagmorgen in der Wohnung des Zeugen verbracht zu haben. Sie hätten zusammen gekocht, ferngesehen und gegessen. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger ausdrücklich bestätigt, die gesamte Zeit mit seinem Lebensgefährten in dessen Wohnung verbracht zu haben. Dem gegenüber hat der Zeuge ausgesagt, dass der Kläger ihn lediglich von Freitag bis Samstagnachmittag besucht habe. Am Samstagnachmittag sei er wieder gefahren. Außerdem hat der Zeuge angegeben, sie hätten in Bonn in einem chinesischen Restaurant zusammen gegessen. Mit diesen Widersprüchen durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers nachdrücklich konfrontiert haben der Kläger und der Zeuge keine nachvollziehbare Erklärungen für ihre unterschiedlichen Aussagen liefern können, sondern sich stattdessen allgemein auf ihre Vergesslichkeit bzw. Depressionen berufen. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Angaben des Klägers und des Zeugen, das letzte Wochenende gemeinsam verbracht zu haben, unwahr sind.
47Zuletzt liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der gesamte Vortrag des Klägers zu seiner Homosexualität lediglich asyltaktischen Gründen geschuldet ist. Das gesamte asylrechtliche Vorbringen des Klägers in seinen nunmehr insgesamt vier Asyl(-folge)anträgen erweckt den Eindruck, dass der Kläger mit jeweils wechselndem, konstruiertem Vorbringen versucht, sein Ziel der Verbesserung seines aufenthaltsrechtlichen Status in der Bundesrepublik zu erreichen.
48Die durch den Kläger zur Begründung seiner Klage angeführte neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der die Mitgliedstaaten bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von dem Antragsteller nicht erwarten können, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland wegen einer dort drohenden strafrechtlichen Verfolgung geheim hält oder zumindest Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt,
49vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12, C-200/12 und C-201/12 –, NVwZ 2014, 132-135,
50die sich ohnehin unmittelbar nur als Auslegungsmaßstab zur Bestimmung der Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylVfG (Flüchtlingseigenschaft) heranziehen lässt, erweist sich nach alledem als nicht entscheidungserheblich.
51Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen nationaler Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG unter Abänderung des Bescheides des Bundesamtes vom 9. August 1996 zu.
52Der Kläger hat in Anbetracht der von ihm behaupteten Homosexualität aus den vorstehend dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen wird, weder einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens aus § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, noch ist sein Anspruch aus § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48 und 49 VwVfG auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Beklagten über eine Rücknahme bzw. einen Widerruf des Bescheides vom 9. August 1996 durch den angefochtenen Bescheid verletzt.
53Ein solcher Anspruch ergibt sich schließlich wegen der Relevanz allein zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse auch nicht aus der durch den Kläger durch Vorlage verschiedener ärztlicher Atteste glaubhaft dargelegten psychischen Erkrankung. Insoweit verweist das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes und sieht von einer Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab.
54Die die mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 22. Oktober 2011 erlassene Abschiebungsandrohung ist nach alledem rechtmäßig.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AyslVfG.
56Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.