Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 09. Apr. 2015 - W 5 K 14.250

published on 09/04/2015 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 09. Apr. 2015 - W 5 K 14.250
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Tenor

I.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides der Beklagten vom 17. Juli 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Mit Bescheid vom 20. Februar 2014 verpflichtete die Beklagte den Kläger, seinen Hund der Rasse Golden Retriever innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften nur angeleint mit einer reißfesten Leine (nicht länger als 1,5 m), mit schlupfsicherem Halsband und mit Maulkorb auszuführen. Der Maulkorb müsse so beschaffen sein, dass bei sachgerechter Anwendung ein Beißzwischenfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Der Hund müsse auf Befehl zuverlässig zum Halter oder dem Führer des Hundes kommen (Nr. 1 des Bescheides). Weiterhin wurde angeordnet, dass dieser Hund nur von einer zuverlässigen volljährigen Person ausgeführt werden dürfe. Es wurde untersagt, dass Herr W. den Hund ausführe. Für den Golden Retriever sei durch eine ausbruchsichere Unterbringung (z. B. Zwinger, Schließvorrichtung, Zaun) zu gewährleisten, dass dieser sicher verwahrt werde, d. h. weder das Haltergrundstück unbeaufsichtigt verlassen noch sich dort befugt aufhaltende Personen gefährden könne (Nr. 2). In Nr. 3 des Bescheides wurde die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 angeordnet. Für den Fall der Nichteinhaltung der unter den Nrn. 1 und 2 genannten Anordnungen wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 4). In Nr. 5 und 6 des Bescheids wurden dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt und eine Gebühr von 15,00 EUR sowie Auslagen von 3,45 EUR gefordert.

Zur Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, am 20. Februar 2014 sei der Polizeiinspektion Bad K. fernmündlich mitgeteilt worden, dass am Dienstag, den 18. Februar 2014, gegen 15:45 Uhr im Ortsbereich von P. (Weg ..., Höhe des Anwesens H-straße ...) der Golden Retriever des Klägers, angeleint ausgeführt zum Zeitpunkt dieses Vorfalls von Herrn W., ein sechsjähriges Kind gebissen und das Kind nicht unerheblich verletzt habe. Eine Hilfeleistung sei vom Hundeführer, Herrn W., nach Mitteilung der Polizeiinspektion Bad K., nicht erfolgt. Es sei somit festzustellen, dass vom Golden Retriever des Klägers eine konkrete Gefahr für Leib und Leben von Tier und Mensch ausgehe. Die unter den Nrn. 1 und 2 genannten Maßnahmen seien geeignet und verhältnismäßig. Andere Maßnahmen seien nicht erfolgversprechend. Die Maßnahmen nach Nrn. 1 und 2 seien daher nach Art. 18 Abs. 2 LStVG im Einvernehmen mit dem Landratsamt Bad K. - Gesundheits- und Veterinärverwaltung und Verbraucherschutz - vom 20. Februar 2014 zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit anzuordnen gewesen.

Rechtsgrundlage dieser Anordnungen der Beklagten sei Art. 18 Abs. 2 LStVG. Die Beklagte sei für den Erlass sachlich und örtlich zuständig. Sie werde im übertragenen Wirkungskreis tätig, da diese Anordnungen über das Gemeindegebiet hinaus wirkten, der Hund jederzeit vorübergehend aus dem Markt M. verbracht werden könne und sich die Beurteilung der Gefährdungswirkung grundsätzlich von vornherein auf Gefahren erstrecken müsse, die außerhalb des örtlichen Bereichs auftreten könnten. Der Kläger sei Adressat der Anordnung nach Art. 9 Abs. 2 LStVG. Mache das Verhalten oder der Zustand eines Tieres Maßnahmen nach dem LStVG notwendig, so seien diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Als Hundehalter sei der Kläger Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Von einer Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG habe abgesehen werden können, da diese nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten sei und eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug und im öffentlichen Interesse notwendig gewesen sei (Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG). Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 VwZVG i. V. m. Art. 31 VwZVG und sei der Höhe nach geboten.

2. Am 19. März 2014 ließ der Kläger Klage erheben mit dem Antrag,

den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2014 aufzuheben.

Zur Klagebegründung wurde ausgeführt, nach Klageerhebung habe ein Termin mit dem Amtstierarzt stattgefunden. Dieser habe den Hund des Klägers als völlig unauffällig eingestuft. Nach Aussagen des Amtstierarztes sei der Hund ganz normal, eine Gefahr gehe vom Hund des Klägers nicht aus. Trotz der Besichtigung des Hundes durch den Amtstierarzt sei weder der Bescheid vom 20. Februar 2014 aufgehoben noch dieser abgeändert worden. Nach Aussagen des Amtstierarztes seien jedoch keine besonderen Maßnahmen in Bezug auf den Hund erforderlich. Der streitgegenständliche Hund sei in der Vergangenheit nie auffällig gewesen und auch noch nie wegen Beißens in Erscheinung getreten. Er sei stets an der Leine geführt worden. Die von der Beklagten angeordneten Sicherungsmaßnahmen seien völlig überzogen, unangemessen und unverhältnismäßig. Insbesondere sei es nicht notwendig, den Golden Retriever in einer speziellen ausbruchsicheren Unterbringung zu verwahren. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass von Seiten der Beklagten untersagt worden sei, dass Herr W. den Hund weiter ausführe. Ein Maulkorb sei ebenfalls nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall müsse davon ausgegangen werden, dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe. Es sei nicht zu befürchten, dass der Hund über die Maßen aggressiv werde und deshalb noch einmal zubeiße. Nur dann wären die angeordneten Maßnahmen, insbesondere auch der Maulkorbzwang, gerechtfertigt.

Zwischenzeitlich habe in Erfahrung gebracht werden können, dass ein unbeteiligter Zeuge den „Beißvorgang“ beobachtet habe. Dieser habe genau sehen können, wie zwei Kinder von hinten an den angeleinten Hund herangetreten seien und den Hund mit einem Stock oder einer Rute geschlagen hätten. Der Hund habe sich deshalb unvermittelt umgedreht, um nach dem Stock zu schnappen. Dass der Hund dabei ein Kind erwischt habe, sei für den Zeugen nicht ersichtlich gewesen. Auch das Verhalten der Kinder habe nichts Derartiges vermuten lassen. Der Zeuge habe auch keinen Aufschrei des Kindes gehört. Vielmehr seien die beiden Kinder weggegangen und er habe sie noch 20 bis 30 Minuten später beim Spielen gesehen. Der Hund habe sich also, nachdem er mit dem Stock geschlagen worden sei, tiertypisch verhalten. Dieses Verhalten treffe auf alle Hunde zu, die an einer Leine geführt und von hinten mit einem Stock geschlagen würden. Solch ein tiertypisches Verhalten begründe weder einen Maulkorbzwang, noch die übrigen von der Gemeinde angeordneten Maßnahmen. Im Übrigen gehe auch der Amtstierarzt davon aus, dass der Hund keine Anzeichen einer Aggression zeige und Unterordnungsbefehle unverzüglich ausführe. Es solle daher lediglich eine Anleinpflicht innerhalb der Bebauung, d. h. innerhalb der Ortschaft beibehalten werden. Darüber hinaus sei auch keine generelle Maulkorbpflicht für den Hund angezeigt, gegebenenfalls nur bei Personen, die den Hund nicht sicher führen könnten.

3. Die Beklagte ließ beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ließ die Beklagte mitteilen, der Bescheid werde hinsichtlich der Nummerierung der einzelnen Ziffern geändert und in Nr. 5 des Bescheides werde für den Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtungen jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht. Der angegriffene Bescheid in der geänderten Fassung sei rechtmäßig, verhältnismäßig und verletze die Rechte des Klägers nicht. Offensichtlich habe Herr W. zum Zeitpunkt der Beißattacke als Hundeführer den Hund nicht zu lenken vermocht. Ferner habe er sich nicht um das sechsjährige verletzte Kind gekümmert, obwohl dieses Kind offensichtlich geblutet habe. Die Körperverletzung und die unterlassene Hilfeleistung hätten zur polizeilichen Anzeige geführt. Die Beklagte müsse unterbinden, dass eine solche Gefahrenlage noch einmal auftreten könne. Die Beklagte habe zu Recht die Anleinpflicht und Maulkorbpflicht auch innerhalb geschlossener Ortschaften angeordnet, da der Beißzwischenfall im Ortsbereich von P. geschehen sei. Die Beklagte habe mit der Anlein- und Maulkorbpflicht Anordnungen getroffen, die lediglich auf den Hund einwirkten, nicht aber den Kläger belasteten. Da Herr W. als älterer Herr dem Hund nicht gewachsen gewesen sei und da nicht zu erwarten sei, dass sich dies in Zukunft ändern werde, sei zu Recht auch angeordnet worden, dass Herr W. den Hund nicht mehr ausführen dürfe. Die Anlein- und Maulkorbpflicht wäre sinnlos, wenn der Hund auf dem Haltergrundstück nicht sicher verwahrt wäre, daher sei auch die Anordnung einer ausbruchsicheren Unterbringung rechtmäßig und angemessen. Der Kläger sei als Hundehalter immer in der Pflicht, seiner Aufsichtspflicht nachzukommen, um Schäden bei Mensch und Tier zu verhindern. In der Vergangenheit sei dies dem Kläger offensichtlich nicht gelungen, sonst wäre es nicht zu dem Beißzwischenfall gekommen. Die Beklagte habe diese Überlegungen beim Erlass der Anordnung treffen müssen, habe damit ihr Ermessen ausgeübt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Für Einzelanordnungen i. S. v. Art. 18 Abs. 1 LStVG sei es nicht einmal zwingend erforderlich, dass ein Hund bereits durch Beißen von Menschen oder Tieren oder durch sonst aggressives Verhalten auffällig geworden sei. Erforderlich sei das Vorliegen einer konkreten Gefahr. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof habe in einem vergleichbaren Fall am 20. Januar 2011 (Nr. 10 B 09.2966) entschieden, dass ein Sachverständigengutachten oder ein sogenannter Wesenstest nur eine Momentaufnahme darstelle und das künftige Verhalten von Hunden generell nicht zuverlässig berechenbar sei.

4. Mit Bescheid vom 17. Juli 2014 änderte die Beklagte den Bescheid vom 20. Februar 2014 hinsichtlich der Nrn. 2 bis 6 wie folgt:

„2. Weiterhin wird angeordnet, dass dieser Hund nur von einer zuverlässigen volljährigen Person ausgeführt wird. Ausdrücklich wird hiermit untersagt, dass Herr W., …, den Hund ausführt.

3. Für den Golden Retriever ist durch eine ausbruchsichere Unterbringung (z. B. Zwinger, Schließvorrichtung, Zaun) zu gewährleisten, dass dieser sicher verwahrt wird, d. h. weder das Haltergrundstück, M-gasse ..., M., GT P., auf dem er gehalten wird, unbeaufsichtigt verlassen, noch sich dort befugt aufhaltende Personen gefährden kann.

4. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 bis 3 wird angeordnet.

5. Für den Fall der Nichteinhaltung der unter den Nrn. 1, 2

oder 3 genannten Anordnungen wird ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 250,00 EUR angedroht.

Die Nrn. 5 und 6 des Bescheides vom 20. Februar 2014 Nr. VG/10 werden zu Nr. 6. und 7.“

Eine Begründung war dem Bescheid nicht beigefügt.

5. Mit Schreiben vom 30. Juli 2014 ließ der Kläger nunmehr beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2014 i. d. F. vom 17. Juli 2014 aufzuheben.

Die Beklagte ließ beantragen,

die Klage abzuweisen.

6. Mit Beschluss vom 24. Februar 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

7. In der mündlichen Verhandlung am 9. April 2015 wiederholten die Klägerbevollmächtigte und die Beklagtenbevollmächtigte ihre schriftlich gestellten Anträge. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

8. Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2014 i. d. F. des Änderungsbescheids vom 17. Juli 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zwar ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass von der Hundehaltung des Klägers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so dass die Voraussetzungen für ein sicherheitsbehördliches Einschreiten vorliegen. Der Bescheid der Beklagten erweist sich jedoch insgesamt als ermessensfehlerhaft und seine Anordnungen sind teilweise nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt bzw. stellen sich, insbesondere im Gesamtgefüge, als unverhältnismäßig dar.

1. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Danach können die Gemeinden zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn im zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Letzteres ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einem Schaden, d. h. einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter, kommt. Hierbei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden ist. Es ist für die Bejahung einer konkreten Gefahr nicht erforderlich, dass vor dem Erlass entsprechender Anordnungen bereits (Beiß-)Zwischenfälle stattgefunden haben (st. Rspr. d. BayVGH, s. U. v. 21.12.2011 Nr. 10 B 10.2806). Ist es jedoch bereits zu einem Beißvorfall oder einem sonstigen Vorfall gekommen, bei dem ein Hund eine Person oder einen anderen Hund angegriffen hat, so hat sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert. Es besteht dann die konkrete Gefahr weiterer derartiger Vorfälle, die Gefährlichkeit des Hundes bedarf dann keiner weiteren Nachprüfung mehr, etwa durch ein Gutachten (Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 18 Rn. 40, 42). Eine vollständige Aufklärung des tatsächlichen Ablaufs eines Vorfalls ist als Voraussetzung für ein sicherheitsbehördliches Einschreiten nicht erforderlich (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 53, m. w. N.).

Für die Bejahung einer konkreten Gefahr kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des erkennenden Gerichts nicht darauf an, ob von dem Hund eine gesteigerte Aggressivität gegen Menschen oder andere Hunde ausgeht oder ob es sich um ein hundetypisches Verhalten handelt (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 20.1.2011 Nr. 10 B 09.2966, m. w. N.). Sinn der Ermächtigung des Art. 18 Abs. 2 LStVG ist es, den Gemeinden die Befugnis zu geben, zur Verhütung jeglicher Gefahren für die in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG genannten Rechtsgüter Anordnungen zur Haltung von Hunden zu treffen, unabhängig davon, in welcher Weise diese von Hunden verursacht werden. Die Mehrheit der von Hunden ausgehenden Gefahren beruht nämlich gerade auf hundetypischem Verhalten. Auch wenn ein Schaden durch den Hund dadurch herbeigeführt wird, dass er durch ein „Fehlverhalten“ oder eine „Fehlreaktion“ einer anderen Person entstanden ist, sind nach der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung solche Vorfälle dennoch dem Hund zuzurechnen, da die Gefahr ausschließlich von diesem ausgeht (vgl. BayVGH, a. a. O. und U. v. 15.3.2005 Nr. 24 BV 04.2755 sowie B. v. 31.7.2014 Nr. 10 ZB 14.688). Von Passanten wird kein hundegerechtes Verhalten erwartet, vielmehr steht der Hundehalter in der Pflicht, wenn er seinen Hund in der Öffentlichkeit ausführt (BayVGH, B. v. 31.7.2014 Nr. 10 ZB 14.688). Nur das bewusste und gezielte Reizen eines Hundes stellt kein (Fehl-)Verhalten eines Passanten dar, mit dem der Hundehalter jederzeit hätte rechnen und die Reaktion seines Hundes hierauf hätte verhindern müssen (vgl. BayVGH, B. v. 31.7.2014 Nr. 10 ZB 14.688).

Bei der Aufklärung des Sachverhalts darf die Sicherheitsbehörde grundsätzlich von der Richtigkeit von Zeugenaussagen ausgehen, insbesondere dann, wenn die Aussage den Vorfall detailliert und nachvollziehbar schildert und wenn mehrere Aussagen verschiedener Zeugen übereinstimmen (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn.35). Sie darf auch polizeiliche Erkenntnisse heranziehen, ist allerdings an die im Ermittlungsverfahren getroffene Beurteilung nicht gebunden (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn.39).

Nach diesen Maßgaben ist die Gefahrenprognose der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Änderung des Bescheids nicht zu beanstanden. Von dem streitgegenständlichen Hund geht eine konkrete Gefahr jedenfalls für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit von Menschen aus. Der Hund hat am 18. Februar 2014 ein Kind in den rechten Oberarm gebissen. Es lagen der Sicherheitsbehörde bei Bescheiderlass bzw. -änderung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Hund zuvor von dem verletzten Kind bewusst geärgert worden wäre und es sich deshalb lediglich um einen für das Tier atypischen Ausnahmefall gehandelt hätte. Nach den Ermittlungen der Polizei konnte - auch nach der Aussage des beteiligten Hundeführers - höchstens von fahrlässigem „Fehlverhalten“ des geschädigten Kindergartenkindes gegenüber dem Hund ausgegangen werden, mit dem ein Hundeführer jederzeit rechnen muss.

Es kann dahinstehen, ob bei der erforderlichen Gefahrenprognose allein auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen ist oder ob es sich bei der sicherheitsbehördlichen Anordnung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, für dessen gerichtliche Überprüfung auch hinsichtlich der Gefahrenprognose der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (offen gelassen in BayVGH, U. v. 26.11.2014 Nr. 10 B 14.1235), denn auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist von einer weiter vom klägerischen Hund ausgehenden konkreten Gefahr auszugehen: Die vom streitgegenständlichen Hund ausgehende Gefahr ist nicht bereits deshalb entfallen, weil es seitdem zu keinen weiteren Zwischenfällen mehr gekommen ist. Von einem Wegfall der konkreten Gefahr kann allenfalls dann ausgegangen werden, wenn über den bloßen Zeitablauf hinaus Tatsachen vorliegen, aus denen der sichere Schluss gezogen werden kann, dass von dem Hund inzwischen keine Gefahr mehr ausgeht (BayVGH, U. v. 26.11.2014 Nr. 10 B 14.1235). Solche konkreten Tatsachen sind im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich.

2. Damit ist die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Einzelfallanordnungen gegenüber dem Kläger zu erlassen. Allerdings ist nach Auffassung des Gerichts der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2014 i. d. F. vom 17. Juli 2014 deswegen rechtswidrig, weil sein Regelungsgehalt teilweise nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt ist und im Hinblick auf einzelne Regelungen des Bescheids und das Gesamtgefüge der Regelungen eine nachvollziehbare Ermessensausübung nicht erkennbar ist. Der Bescheid verstößt auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG).

a) Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden nach Art. 18 Abs. 2 LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Liegt eine konkrete Gefahr vor, sind an die Begründung des Entschließungsermessens regelmäßig keine hohen Anforderungen zu stellen (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 61). Weiterhin müssen die getroffenen Anordnungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) genügen, d. h., sie müssen zur Abwehr der festgestellten Gefahr erforderlich und geeignet sowie verhältnismäßig im engeren Sinne sein, d. h. angemessen und zumutbar (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 63).

Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 RdNrn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt.

Die Beklagte hat ihr Ermessen beim Erlass der Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht ausgeübt. Die Formulierung im Bescheid vom 20. Februar 2014 „Die Maßnahmen nach Nummern 1 und 2 waren daher nach Art. 18 Abs. 2 des LStVG im Einvernehmen mit dem Landratsamt Bad K. - Gesundheits- und Veterinärverwaltung und Verbraucherschutz - vom 20.2.2014 zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit anzuordnen“ lässt bereits den Schluss zu, dass die Beklagte nicht erkannt hat, dass sie auch bei Vorliegen einer konkreten Gefahr im Sinne des Art. 18 Abs. 2 LStVG das ihr nach dieser Bestimmung zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausüben muss. Dieser Ermessensnichtgebrauch (§ 114 Satz 1 VwGO) macht die streitgegenständlichen Anordnungen rechtswidrig (vgl. zu der gleichen Formulierung in einem früheren Bescheid der Beklagten BayVGH, B. v. 19.7.2012 Nr. 10 CS 12.958).

Selbst wenn man bei großzügiger Betrachtungsweise von einer Ermessensausübung hinsichtlich des Entschließungsermessens ausgehen sollte, so ist jedenfalls das Auswahlermessen nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt. Diesbezüglich fehlt es im Ausgangsbescheid völlig an einer begründeten Ermessensentscheidung. Der Änderungsbescheid enthält gar keine Begründung. Aus den beigezogenen Akten kann auch nicht auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung hinsichtlich der gewählten Maßnahmen geschlossen werden. Aus der Behördenakte ist nicht erkennbar, dass das Veterinäramt vor Bescheiderlass konkrete Maßnahmen vorgeschlagen hätte und welche dies gewesen sein sollen. Es findet sich weder ein solches Schreiben noch ein entsprechender Aktenvermerk in den Akten der Beklagten. Auch die vom Landratsamt Bad K. beigezogenen E-Mails des Amtstierarztes stammen nicht aus der Zeit vor Erlass des ursprünglichen, bzgl. der Art der Einzelanordnungen nicht geänderten Bescheids, sondern vom 25. März bzw. 19. Mai 2014. Außerdem stützt die E-Mail des Amtstierarztes vom 19. Mai 2014 nicht die von der Beklagten im Bescheid verfügten weitreichenden Anordnungen, sondern führt aus, die Anleinpflicht innerhalb der Bebauung sei beizubehalten und die generelle Maulkorbpflicht sei nur bei Personen angezeigt, die den Hund nicht sicher führen könnten.

Selbst wenn nicht von vollständigem Ermessensausfall auszugehen sein sollte, hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen jedoch auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nachträglich den rechtlichen Anforderungen entsprechend (§ 114 Satz 2 VwGO) ergänzt, so dass sich der Bescheid auch insofern nicht als ermessensfehlerfrei erweist.

Eine Anordnung darf nur dann ergehen, wenn sie erforderlich ist und keine milderen Mittel erkennbar sind. Ebenfalls darf die Maßnahme nicht „über das Ziel hinausschießen“, also einen überzogenen und nicht verhältnismäßigen Schutz anstreben. Dies ist hier jedoch der Fall. Die Beklagte vermochte - auch in der mündlichen Verhandlung - insbesondere nicht darzulegen, warum die streitgegenständlichen Anordnungen im Einzelnen bzw. in Kombination erforderlich sind, um der von dem Hund ausgehenden Gefahr zu begegnen.

b) Nr. 3 des Bescheids vom 20. Februar 2014 i. d. F. vom 17. Juli 2014 ist bereits deshalb aufzuheben, weil die Anordnung im Hinblick auf die Regelung hinsichtlich sich auf dem Haltergrundstück aufhaltender Personen von Art. 18 Abs. 2 LStVG als Rechtsgrundlage nicht gedeckt ist. Nach Auffassung des Gerichts ist auch bei Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG der Anwendungsbereich des Abs. 1 zu beachten, da im Abs. 2 ausdrücklich auf den Schutzbereich des Abs. 1 Bezug genommen wird und zudem Art. 6 LStVG eine gemeindliche Aufgabe als Sicherheitsbehörde nur zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorsieht. Aus der Sicht des Gerichts ermächtigt Art. 18 Abs. 2 LStVG die Gemeinden daher nur zum Erlass von Anordnungen, soweit die Haltung von Hunden in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen im Sinne von Abs. 1 geregelt wird, nicht aber zu Einschränkungen der Hundehaltung auf Privatgrundstücken. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Art. 7 Abs. 1 LStVG Anordnungen der Sicherheitsbehörden, die in Rechte anderer eingreifen, nur zulässt, wenn eine besondere Ermächtigung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorliegt. Nachdem der Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 1 LStVG ausdrücklich beschränkt ist, Abs. 2 auf Abs. 1 Bezug nimmt und zwar die Einschränkung des Anwendungsbereichs nicht wiederholt, jedoch auch nicht ausdrücklich erweitert, ist nach Auffassung des Gerichts Art. 18 Abs. 2 LStVG aufgrund des Erfordernisses einer konkreten gesetzlichen Eingriffsermächtigung restriktiv dahingehend auszulegen, dass die Befugnis für Einzelfallanordnungen ebenfalls nur im Rahmen des Anwendungsbereiches des Art. 18 Abs. 1 LStVG gilt. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, eine Anordnung zu erlassen, nach der der streitgegenständliche Hund innerhalb des klägerischen Grundstücks in bestimmter Art und Weise zu halten ist, soweit es nicht um die Abwehr von Gefahren für Dritte außerhalb des Anwesens durch Entweichen des Hundes o. ä. geht (vgl. VG Bayreuth, U. v. 4.12.2012 Nr. B 1 K 11.5).

Die Anordnung Nr. 3 ist auch deshalb rechtswidrig und rechtsverletzend für den Kläger, weil sie zu weit geht und daher gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) verstößt.

Die Notwendigkeit der grundstücksbezogenen Anordnungen ergibt sich weder aus dem streitgegenständlichen Beißvorfall, noch aus dem Vortrag der Beklagten. Es wurde weder vorgetragen, dass der Hund jemals das Haltergrundstück unbeaufsichtigt verlassen hätte, noch dass das Haltergrundstück im Hinblick auf Ausbruchsicherheit überhaupt irgendwelche Defizite aufweisen würde.

c) Die ausnahmslose Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlichen Flächen in Nr. 1 des Bescheids erweist sich als unverhältnismäßig.

Eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang verstößt zwar nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ständige Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, B. v. 5.2.2014 Nr. 10 ZB 13.1645). Ein zusätzlicher Maulkorbzwang kann verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist, weil z. B. eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen würde (vgl. VG Augsburg, B. v. 26.4.2012 Nr. Au 5 S 12.316). Nachdem der Beißvorfall sich vorliegend mit dem angeleinten Hund ereignet hat, hatte die Beklagte Anlass, für Bereiche, in denen mit Begegnungen mit Personen zu rechnen ist, eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang in Erwägung zu ziehen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre die Beklagte jedoch auch verpflichtet gewesen zu prüfen, ob geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang ausgenommen werden können, um dem Bewegungsdrang des großen Hundes Rechnung zu tragen, oder ob dieser auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets beschränkt werden kann. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, warum für den Hund auf allen öffentlichen Flächen in jedem Fall ein Anlein- und Maulkorbzwang erforderlich sein soll. Der Kläger darf nach dem Bescheidinhalt den Hund auch außerhalb bewohnter Bereiche nicht ohne (kurze) Leine laufen lassen, was dem Bewegungsbedürfnis des Tieres nicht hinreichend Rechnung trägt.

Welchen Sinn die Anordnung, der Hund müsse auf Befehl zuverlässig zum Halter oder Führer des Hundes kommen, für den Fall eines ausnahmslos angeordneten Leinen- und Maulkorbzwangs machen soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Eine solche Anordnung würde nur Sinn machen, wenn dem Hund nach dem Bescheid Freilauf gewährt werden dürfte.

d) Die Notwendigkeit eines Ausführverbots für Herrn W. in Nr. 2 des Bescheids ist, insbesondere vor dem Hintergrund der weitreichenden Regelung in Nr. 1 des Bescheids, nicht dargetan. Inwieweit dieses neben dem ausnahmslos angeordneten Leinen- und Maulkorbzwang noch erforderlich sein soll, wird von der Beklagten nicht begründet. Andererseits ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, warum neben dem Ausführverbot für Herrn W., wenn dieses zur Gefahrenverhütung notwendig sein sollte, weil dieser Hundeführer sich als unzuverlässig oder ungeeignet erwiesen hat, noch so weitreichende Maßnahmen - wie in Nr. 1 verfügt - erforderlich sein sollen, wenn eine zuverlässige, volljährige andere Person den Hund ausführt.

3. Nachdem die Anordnungen in Nrn. 1 bis 3 des Bescheids vom 20. Februar 2014 i. d. F. vom 17. Juli 2014 rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen, können auch die akzessorischen Regelungen (Zwangsmittelandrohung in Nr. 5 sowie die Nrn. 4, 6 und 7) keinen Bestand haben und der Bescheid war insgesamt aufzuheben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.