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| Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der durch Zeitablauf erledigten Verbotsverfügung der Beklagten vom 19.06.2008 ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2004, - 1 S 2218/03 -, mit weiteren Nachweisen) und auch sonst zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht das Feststellungsinteresse, das in Fällen wie dem Vorliegenden aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. dazu schon BVerwG, Urteil vom 29.04.1997, - ) und aus dem schützenswerten Rehabilitationsinteresse des Klägers, der durch die der Verfügung zugrunde gelegte Prognose krimineller Handlungen bezichtigt wurde, herrührt. |
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| Die Klage ist auch begründet. Die Verfügung, mit welcher dem Kläger am 19.06.2008 die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer bis zum 30.06.2008 untersagt worden war, war rechtswidrig und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt. |
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| Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG. |
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| Jedoch lagen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Ausreiseverbot nicht vor, so dass schon nicht das Ermessen der Beklagten eröffnet war. |
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| Nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Diese Bestimmung schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.01.1957, BVerfGE 6, 32). |
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| Vorliegend war schon unklar, auf welche der genannten Alternativen die Beklagte die Verbotsverfügung überhaupt gestützt hat. Im Begründungsteil der schriftlichen Anordnung (s. dort auf S. 2 im 3. Absatz) sind "vorsichtshalber" alle drei Alternativen aufgeführt, allerdings mit den Verknüpfungen "und" sowie "und/oder", so dass offenbar ein universeller Textbaustein verwendet wurde, der zum jeweiligen Einzelfall durch Streichung passend zu machen gewesen wäre. Das ist unterblieben und so leidet die Verfügungsbegründung unter einer gewissen Unbestimmtheit. Da dem Ausreiseverbot die Absicht zugrunde lag, einen vermeintlichen Hooligan an der Ausreise zu hindern, damit er im Ausland nicht durch gewalttätige Aktionen auffällt, spricht einiges dafür, dass die Beklagte die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland stützen wollte (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). |
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| Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Unter sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG sind solche Interessen zu verstehen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 29.08.1968, DÖV 1969, 74 und Beschluss vom 17.09.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.1968 a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so rechtfertigt dies als Vorsorgemaßnahme gegenüber einer solchen Gefahr den Erlass eines Ausreiseverbots, die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes/Personalausweises oder den Erlass einer Meldeauflage (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, BVerwGE 129, 142; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.1994, DVBl. 1995, 360; Beschluss vom 07.06.1995, NVwZ-RR 1996, 420; Beschluss vom 14.06.2000, NJW 2000, 3658 und Urteil vom 07.12.2004, VBlBW 2005, 231; OVG Bremen, Beschluss vom 28.06.2000, NordÖR 2001, 107). |
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| Wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, konnte und durfte die Beklagte im Grundsatz zu Recht davon ausgegangen, dass das gewalttätige Auftreten deutscher Hooligans im Ausland das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigt. Diese Annahme ist schon dadurch gerechtfertigt, dass deutsche Hooligans anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich einem französischen Polizisten schwerste Verletzungen mit dauerhaften Folgeschäden zugefügt haben. Bei Hooligans handelt es sich um Personen, die in Gruppen Fußballspiele zum Anlass für gewalttätige Auseinandersetzungen nehmen und dabei auch schwere Straftaten begehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.06.2000, - 1 S 1271/00 -, ). Auch im Zusammenhang mit der Fußballeuropameisterschaft 2008 in der Schweiz und in Österreich war - wie das Gericht schon mit Urteil vom 27.06.2008 - 11 K 2506/08 - in einem Verfahren unter Beteiligung der Beklagten entschieden hat - nach allgemeiner Auffassung mit gewalttätigen Ausschreitungen deutscher Hooligans zu rechnen. Diese wären geeignet gewesen, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft zu schädigen. |
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| Es lagen jedoch keine bestimmten Tatsachen vor, die hätten nahe legen können, dass der Kläger sich an solchen Ausschreitungen beteiligen würde. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Kläger selbst gerade zu dem Personenkreis gehörte, von dem bei einem Aufenthalt in der Schweiz vor, während oder nach der Fussball-EM 2008 in der Schweiz oder in Österreich ernsthaft eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland zu befürchten war. Unter Anwendung der Grundsätze zur sog. „Anscheinsgefahr“ (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 07.12.2004, a.a.O.) ist es hierbei entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.07.2004, - 1 S 410/03 -, NJW 2005, 88; Urteil vom 10.05.1990, - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469 und Beschluss vom 16.10.1990, - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). |
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| Zwar können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie unter Umständen auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.1974, - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O. RdNr. 425). Aber selbst bei Anwendung dieser Grundsätze der Anscheinsgefahr erweist sich der streitgegenständliche Bescheid nicht als rechtmäßig. Der Beamte der Bundespolizei durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Antragstellers bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründeten. |
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| Der streitgegenständliche Bescheid hat ausweislich der Begründung lediglich auf folgendes abgestellt: |
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| "Gegen Herrn E. wurde ein Verfahren wegen des Verdachtes des Landfriedensbruches eingeleitet, welches gem. § 170 II StPO eingestellt wurde, weil diese Tat nicht hinreichend nachweisbar war. Grundlage war eine Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans. |
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| Des Weiteren wurde der Herr E. wegen Beleidigung durch das AG Stuttgart zu 10 TS zu 20 Euro verurteilt. Das Ereignisdatum war der 23.02.2007. |
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| Weiterhin wurde er jetzt bei der versuchten Ausreise über Frankreich in die Schweiz nach Basel festgestellt. |
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| Darüber hinaus erwähnt die Verfügung einleitend auch, dass |
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| alle Reisenden in dem Fahrzeug (…) über keine Eintrittskarten zu dem EM-Fußballspiel am heutigen Tag in Basel (verfügten). |
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| Grundlage dieser Erkenntnisse war, soweit es nicht um eigene Feststellungen im Zusammenhang mit der versuchten Ausreise des Klägers und seiner Begleiter von Frankreich aus in die Schweiz bzw. mit der Überstellung der Personen durch die Schweizer Polizei an die Bundespolizei ging, ausschließlich die Polizei-Datei "Gewalttäter Sport" des Informationssystems der Polizei (INPOL). |
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| Dieser Umstand steht für sich betrachtet der Verwertung von Erkenntnissen, um ein Ausreiseverbot zu rechtfertigen, nicht entgegen. Wie der VGH Bad.-Württ. (Urteil vom 07.12.2004, aaO.) entschieden und das Gericht in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wird die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Anscheinsgefahr nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-)verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger geltend gemacht - zumindest teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bundespolizei bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. |
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| Unabhängig davon reichen die Erkenntnisse jedoch nicht im Ansatz aus, um bestimmte Tatsachen im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG anzunehmen. |
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| Die Aufnahme des Klägers in die polizeiliche Datei "Gewalttäter Sport" und die dem zugrunde liegende Einschätzung von (womöglich) szenekundigen Polizeibeamten allein sind keine solche Tatsachen, sondern allenfalls daraus oder aus anderen Fakten gezogene Schlussfolgerungen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 02.09.2008, - 1 A 161/06 -, , Rz. 70 mit weiteren Nachweisen). Dem entspricht auch die Rechtsprechung der erkennenden Kammer: Wie das Gericht bereits im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel im April 2009 (u.a. mit Beschluss vom 04.04.2009, - 11 K 1293/09 -, ) entschieden hat, kann eine „bestimmte Tatsache“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG nicht schon darin gesehen werden, dass es in einer sicherheitsrelevanten Datei überhaupt „Erkenntnisse“ gibt. Ohne weitergehende Informationen zum Anlass der Speicherung kann ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den abgerufenen INPOL-Daten bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger unter polizeilicher Beobachtung stand und nach Einschätzung einer anderen Polizeidienststelle zum Spektrum „Gewalttäter Sport“ zählt. |
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| Auch die in der Datei vermerkte Eintragung eines gegen den Kläger eingeleiteten und später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs selbst reicht als Tatsachengrundlage für die Verfügung keinesfalls aus. Es fehlen nämlich hinreichend konkrete Hinweise darauf, worauf sich diese Einschätzung gründet. In der Datei ist/war nur der inhaltlich zumindest zweifelhafte Hinweis enthalten, die "Person beteiligte sich an der Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans, Verfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet". Ohne genaue Kenntnis des der Eintragung des Betroffenen in dem Datenbestand INPOL zugrundeliegenden Geschehens ist eine realistische Gefahrenprognose aber nicht möglich (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.04.2009 - 1 S 809/09). |
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| Offenbar hat dies auch der Beamte der Beklagten so gesehen, denn er hat ausweislich der Eintragungen in der sog. Check-Liste", die in den Akten der Beklagten vorliegt und offenbar eine standardisierte Handreichung für den einzelnen Beamten darstellt, mehrfach - erfolglos - versucht, telefonisch Auskünfte über den Kläger beim Polizeirevier und beim Polizeipräsidium Karlsruhe zu bekommen. |
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| Hinzu kommt, dass das Ermittlungsverfahren selbst ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Gefahrenprognose abgeben konnte. Das Verfahren wurde nach Durchführung eines, wie die vom Gericht beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft zeigen, umfänglichen Ermittlungsverfahrens eingestellt mit der Begründung: Es sei nicht ausreichend sicher auszuschließen, dass tatsächlich eine zumindest teilweise Durchmischung der angreifenden Gruppe mit an den Angriffen nicht beteiligten Personen stattgefunden habe. Hierauf deute insbesondere die Auswertung der Filmaufnahmen hin. Nach allem sei es nicht hinreichend sicher auszuschließen und daher zu Gunsten des Klägers anzunehmen, dass er tatsächlich nicht bei der angreifenden Gruppe dabei gewesen sei; eigenes Verhaltung im Sinne der §§ 125, 125a StGB sei ihm deshalb nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. |
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| Unabhängig davon, dass dem Eintrag in der Datei "Gewalttäter Sport" diese im Einstellungsbeschluss vom 07.02.2008 zum Ausdruck kommenden Zweifel an der Beteiligung des Klägers an den von der Polizei im Übrigen verhinderten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fan-Gruppen am 02.06.2007 nicht entnommen werden konnten - die Datei enthält neben dem bereits erwähnten, objektiv zumindest sehr zweifelhaften Eintrag, der eine feststehende Mittäterschaft des Klägers suggeriert, auch den damit insoweit allerdings bedeutsamen weiteren Eintrag: "Einstellung gem. § 170 II StPO - Tat nicht hinreichend sicher nachweisbar" -, hätte allein schon der Umstand der Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO die Bedeutsamkeit des Ermittlungsverfahrens als zentrales Element für die Annahme einer Gefährdungsprognose zulasten des Klägers erheblich relativieren müssen. |
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| Wie der VGH Bad.-Württ. (aaO. unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -) und im Anschluss daran die erkennende Kammer (vgl. Beschluss vom 04.04.2009, aaO.) ausgeführt haben, schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht zwar nicht notwendig aus. Einem solchen „Restverdacht“ kommt jedoch im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu. |
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| Es kommt hinzu, dass die dem Kläger angelastete Verdacht auf Mittäterschaft an einem Landfriedensbruchsdelikt vom 02.06.2007 am 19.06.2008 schon mehr als ein Jahr und damit zu lange zurück lag, als dass er der Prognose noch hätte zugrunde gelegt werden dürfen. Mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers (vgl. dazu BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9) sowie in Ansehung des mit einer Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2004, aaO.). Dafür fehlte es vorliegend an jeglichen Anhaltspunkten. Innerhalb des Jahreszeitraums lag somit überhaupt kein Verhalten des Klägers vor, welches ihm im Rahmen der Prognose hätte zum Nachteil gereichen können, so dass eine Ausdehnung des Jahreszeitraums ausscheiden muss. |
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| Somit ergibt die ex-ante-Betrachtung insoweit, dass der Beamte, dem bekannt war, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, hätte erkennen können und auch erkennen müssen, dass diese Eintragung ebenso wenig wie das Vorhandensein eines den Kläger betreffenden Datensatzes in der Datei "Gewalttäter Sport", für sich betrachtet, keine hinreichende Grundlage für eine Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG darstellen konnte. |
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| Schließlich konnten auch die übrigen dem Kläger in der Verfügung "angelasteten" Umstände - weder in Verbindung mit den gerade benannten Umständen, noch isoliert von diesen - ein Ausreiseverbot nicht begründen. Die dort erwähnte Verurteilung wegen Beleidigung liegt deutlich länger zurück als der dem Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs zugrunde gelegte Sachverhalt und gibt auch überhaupt keinen Hinweis auf eine mutmaßlich gewaltbereite Grundhaltung des Klägers; das Begehen eines Beleidigungsdeliktes könnte sogar eher für eine nicht gewaltbereite Persönlichkeit sprechen. Die Prognoserelevanz der weiter erwähnten Umständen (Einreiseversuch über Frankreich und das Fehlen von Eintrittskarten, Überstellung durch die Schweizer Grenzbehörden) bedarf unter diesen Voraussetzungen keiner weiteren Untersuchung. |
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| Im Übrigen, soweit nämlich in der Klageerwiderung auf weitere Erkenntnisse zur Person des Klägers hingewiesen worden ist (sog. Gefährderbrief, Einschätzung des Polizeipräsidiums Karlsruhe - beides auf welcher tatsächlichen Grundlage beruhend?), handelt es sich um Umstände, die der zuständige Beamte der Beklagten nicht kennen konnte und die deshalb auch nicht der Prognose über die Gefährdung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland durch gewalttätige Handlungen des Klägers in der Schweiz zugrunde gelegt werden konnten. Darauf hat schon der Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend hingewiesen. |
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| Damit war schon das Ermessen nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG nicht eröffnet, Ermessenserwägungen sind in der streitgegenständlichen Verfügung ohnehin nicht erkennbar (vgl. zum Ausschluss eines sog. intendierten Ermessens insoweit OVG Bremen, aaO., Rz. 84). Deshalb braucht die vom Kläger weiterhin aufgeworfene Frage, ob das Verbot einer jeglichen Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland für einen Zeitraum von mehr als 10 Tagen in zeitlicher wie auch räumlicher Beziehung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen hat, nicht entschieden werden. |
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| Insgesamt ergibt sich aus diesen Gründen, dass die vom Kläger begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausreiseverfügung vom 19.06.2008 vom Gericht zu treffen war. |
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| Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie auch die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). |
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