Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Juni 2016 - 11 K 2156/16

bei uns veröffentlicht am28.06.2016

Tenor

Der Bescheid des Landratsamts Heilbronn vom 10.08.2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.03.2016 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war notwendig.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung.
Der am … 1975 geborene Kläger ist indischer Staatangehöriger. Er reiste am 01.11.1995 in das Bundesgebiet ein. Seit dem 14.07.2008 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Am 11.12.2013 beantragte der Kläger die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Nach einem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 23.03.2015 wurde der Kläger vom Amtsgericht Heilbronn in zwei Entscheidungen zu je einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen (wegen fahrlässige Trunkenheit im Verkehr bzw. vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis) verurteilt. Am 08. Juni 2015 teilte die Staatsanwaltschaft Heilbronn dem Landratsamt Heilbronn mit, dass das Amtsgericht Heilbronn mit Urteil vom 15.05.2015 gegen den Kläger eine weitere Geldstrafe in Höhe von 60 Tages-sätzen verhängt hat.
Am 09.06.2015 erteilte das Landratsamt Heilbronn dem Kläger eine bis zum 08.06.2017 gültige Einbürgerungszusicherung. Mit Schreiben vom 26.06.2015 teilte das indische Generalkonsulat in München mit, dass der Kläger im Hinblick auf seine indische Staatsbürgerschaft eine Niederlegungserklärung gemäß Abschnitt 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1955 eingereicht habe und sein indischer Reisepass entwertet worden sei.
Mit Bescheid vom 10.08.2015 nahm das Landratsamt Heilbronn die dem Kläger erteilte Einbürgerungszusicherung mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und führte zur Begründung aus, die Einbürgerungsbehörde sei zum Zeitpunkt der Ausstellung der Einbürgerungszusicherung aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen von 100 Tagessätzen ausgegangen. Bei der Einbürgerung könnten jedoch nur Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen außer Betracht bleiben. Bei einer Gesamtsumme von 140 Tagessätzen liege keine geringfügige Überschreitung vor. Die Einbürgerungszusicherung könne nach § 48 Abs. 1 und 3 LVwVG zurückgenommen werden. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthalte im Hinblick auf die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung keine spezielle Rechtsgrundlage. Die dem Kläger erteilte Einbürgerungszusicherung sei im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen, da die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG blieben nur Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen außer Betracht. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sei eine Abwägung vorzunehmen zwischen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Vertrauensschutz des Klägers. Die Verurteilung eines Ausländers wegen rechtswidrig begangener Straftaten stehe einer Einbürgerung entgegen. Der Vertrauensschutz trete hinter den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurück, da eine Einbürgerung noch nicht stattgefunden habe. Da die Einbürgerungszusicherung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, werde diese mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 14.08.2015 Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, die Bindungswirkung der Zusicherung sei nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen. Die entscheidungserhebliche Sachlage habe sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung nicht geändert. Das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 23.05.2015 habe dem Beklagten zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung vorgelegen. Er habe seine Einbürgerungszusicherung auch nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt. Der Vertrauensschutz stehe der Rücknahme entgegen. Er habe keinen indischen Reisepass mehr und die indischen Behörden seien auch nicht bereit, ihn wieder einzubürgern. Außerdem könne er ohne indischen Reisepass seine in Indien lebende Verlobte nicht heiraten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2016 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, bei der Ausstellung der Einbürgerungszusicherung hätten die Einbürgerungsvoraussetzungen nicht vorgelegen. Die gegen den Kläger verhängten Strafen könnten nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben. Die Geringfügigkeitsschwelle sei deutlich überschritten. Auch nach § 8 StAG komme eine Einbürgerung nicht in Betracht. Ein Ausnahmefall nach § 8 Abs. 2 StAG liege nicht vor. Gemäß § 38 Abs. 2 LVwVfG finde § 48 LVwVfG Anwendung. Das Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Einbürgerungszusicherung sei nicht schutzwürdig. Beim Kläger liege Staatenlosigkeit nicht vor. Ein Verlust der indischen Staatsangehörigkeit trete erst mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ein. Der Kläger könne sich erneut einen indischen Nationalpass ausstellen lassen.
Am 13.04.2016 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, er habe sich mit dem indischen Generalkonsulat in Verbindung gesetzt. Dieses habe ihm im Dezember 2015 mitgeteilt, seine gesamte Akte sei gelöscht und nach Indien geschickt worden. Die indischen Behörden in Deutschland könnten nichts mehr machen. Herr J vom indischen Generalkonsulat habe ihm am 23.03.2016 mitgeteilt, den indischen Reisepass könne er nicht wiedererlangen. Seit der Abgabe der Ausbürgerungserklärung vor dem indischen Konsulat sei er staatenlos. Die Staatenlosigkeit sei nach dem Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit ein unerwünschter Zustand. Deutschland sei Vertragsstaat dieses Übereinkommens. Deutschland verstoße gegen Art. 7 Abs. 2 des Übereinkommens, da es den Zustand der Staatenlosigkeit billigend in Kauf nehme. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung lägen nicht vor. § 48 VwVfG finde keine Anwendung; die Rücknahme hätte allenfalls auf § 35 StAG analog gestützt werden können. Er könne außerdem im Ermessenswege nach § 8 StAG eingebürgert werden. Bis zum 28.08.2007 sei die Verurteilung zu 180 Tagessätzen einbürgerungsunschädlich gewesen. Der Beklagte habe bei seiner Ermessensentscheidung übersehen, dass er durch die Rücknahme der Einbürgerungszusicherung die Anwartschaft auf die deutsche Staatsangehörigkeit und die Anwartschaft auf die Unionsbürgerschaft verliere. Er habe außerdem ein Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit. Für die Integration des Kindes sei es hilfreich, wenn er auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalte. Trotz Besitzes einer Niederlassungserlaubnis sei er nicht in der Lage, in das Ausland zu reisen oder sich auszuweisen. Die Ausländerbehörde sei auch nicht bereit, ihm einen Ausweisersatz zu erteilen. Bei der Ermessensentscheidung sei auch zu berücksichtigen, dass er sich die Einbürgerungszusicherung nicht erschlichen habe.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Landratsamts Heilbronn vom 10.08.2015 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.03.2016 aufzuheben.
11 
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
13 
Er trägt vor, die Einbürgerungszusicherung sei zu Unrecht erteilt worden, da zum Zeitpunkt ihrer Erteilung die Einbürgerungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Die Rücknahme beruhe auf § 38 Abs. 2 LVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 und 3 LVwVfG. Das Interesse des Klägers auf Fortbestand der Einbürgerungszusicherung sei gegen das Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgewogen worden. Zwar habe der Kläger bereits seinen indischen Reisepass zurückgegeben. Dennoch überwiege das öffentliche Interesse, dass ein Straftäter nicht eingebürgert werde, der aufgrund von Strafen, die in ihrer Summe die Unbeachtlichkeitsgrenze mehr als geringfügig überschritten, verurteilt worden sei.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
16 
Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 10.08.2015 beruht zwar auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage (1.). Auch liegen die Rechtsvoraussetzungen für eine Rücknahme der dem Kläger erteilten Einbürgerungszusicherung vor (2.). Der Beklagte hat jedoch das ihm eingeräumte Ermessen ermessensfehlerhaft ausgeübt (3.).
17 
1. Die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerungszusicherung findet ihre Rechtsgrundlage in der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG (§ 38 Abs. 2 LVwVfG). Die im Staatsangehörigkeitsrecht vorhandene punktuelle Regelung über die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung oder einer rechtswidrigen Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 35 StAG) stellt kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Dies wird bestätigt durch die Äußerung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren, wonach die Anwendung von verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen außerhalb der Spezialregelung des § 35 StAG unberührt bleibt (vgl. BT-Drucks. 16/10528 S. 6, 7). Dementsprechend kann die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung oder einer Feststellung nach § 30 StAG weiterhin auf § 48 LVwVfG gestützt werden (vgl. Schnöckel, HTK-StAR / § 35 StAG / Allgemeines, Stand: 01.01.2015, Rn. 13).
18 
Die Rücknahme der Einbürgerungszusicherung ist auch nicht aufgrund höherrangigen Rechts generell unzulässig. Art. 16 Abs. 1 GG verhält sich nur zum Entzug und zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Diese geht durch die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung jedoch gerade nicht verloren.
19 
2. Die Rechtsvoraussetzungen für die Rücknahme der dem Kläger erteilten Einbürgerungszusicherung liegen vor. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich bei dem Verwaltungsakt - wie hier - um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist eine Rücknahme allerdings gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG nur unter den sich aus den Abs. 2 bis 4 ergebenden Einschränkungen möglich. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist demnach nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, welche die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen (§ 48 Abs. 4 LVwVfG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
20 
Die zurückgenommene Einbürgerungszusicherung vom 09.06.2015 wurde rechtswidrig erteilt. Ob die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig ist, bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erteilung. Der Beklagte hätte dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung nicht erteilen dürfen, weil das Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt ist. Der Kläger wurde vor Erteilung der Einbürgerungszusicherung vom Amtsgericht Heilbronn rechtskräftig in mehreren Entscheidungen zu Geldstrafen mit insgesamt 140 Tagessätzen verurteilt. Diese Geldstrafen bleiben nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG außer Betracht und überschreiten die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. HTK-StAR / § 12a StAG / zu Abs. 1 Satz 3 und 4, Stand: 10.03.2016, Rn. 8 m.w.N.). Auch für das Vorliegen eines Ausnahmefalls nach § 8 Abs. 2 StAG war zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung nichts ersichtlich. Dass die erteilte Einbürgerungszusicherung rechtswidrig ist, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) in Abrede gestellt.
21 
§ 48 Abs. 2 LVwVfG findet vorliegend keine Anwendung. Diese Bestimmung gilt seinem klaren Wortlaut nach nur für bestimmte vermögensrelevante Verwaltungsakte - unter anderem Verwaltungsakte, die eine einmalige oder laufende Geldleistung gewähren - und erfasst daher nicht den Fall der Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG ist auch nicht analog anwendbar. Zwar war die Rücknahme einer Einbürgerung auf der Grundlage des § 48 LVwVfG vor Inkrafttreten des § 35 StAG zur Vermeidung einer verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 GG) nur zulässig, wenn sie zeitnah erfolgte und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise, etwa durch Bestechung oder Bedrohung, erwirkt worden ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24; BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19/02 - BVerwGE 118, 216 und Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132/07 - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 17.09.2007 - 13 S 2794/06 - InfAuslR 2008, 173). Das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit steht aber der Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerungszusicherung nicht entgegen; denn der Ausländer hat in diesem Verfahrensstadium die deutsche Staatsangehörigkeit noch nicht erworben, so dass sie durch die Rücknahme der Einbürgerungszusicherung auch nicht entzogen werden kann. Die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung setzt deshalb nicht voraus, dass diese durch Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten, etwa durch Bestechung oder Bedrohung, rechtswidrig erwirkt worden ist (a.A. VGH Mannheim, Urt. v. 08.05.2013 - 1 S 2046/12 - InfAuslR 2013, 343, jedoch ohne Begründung). Auch der Grundsatz in Art. 8 Abs. 2 des für die Bundesrepublik Deutschland mit Vertragsgesetz vom 29. Juli 1977 (BGBl 1977 II S. 597) ratifizierten Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, wonach ein Vertragsstaat keiner Person seine Staatsangehörigkeit entziehen darf, wenn diese dadurch staatenlos wird, kommt nicht zur Anwendung, da die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung - wie bereits ausgeführt - nicht zum Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit führt.
22 
Die Rücknahme erfolgte innerhalb der Frist des § 48 Abs. 4 LVwVfG. Die in dieser Bestimmung normierte Jahresfrist beginnt erst zu laufen, sobald die Rücknahmebehörde die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - 1 u. 2/84 - BVerwGE 70, 356). Dazu gehören die Umstände, deren Kenntnis es der Behörde objektiv ermöglicht, ohne weitere Sachaufklärung unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme zu entscheiden. Die am 10.08.2015 ausgesprochene Rücknahme der Einbürgerungszusicherung ist unstreitig fristgerecht erfolgt.
23 
3. Der Beklagte hat jedoch das ihm im Rahmen des § 48 Abs. 1 LVwVfG zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die Behörde hat bei der Abwägung der für und gegen eine Rücknahme sprechenden öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.2010 - 5 C 12/10 - NVwZ 2011, 760). Eine Ermessensentscheidung ist u.a. fehlerhaft, wenn die Behörde in ihre Ermessenserwägungen nicht alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat oder wenn sie von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2006 - 5 B 171/06 - juris; VGH Mannheim, Urt. v. 09.05.1994 - 7 S 2294/92 - juris - und Urt. v. 05.07.1989 - 6 S 1739/87 - juris -). Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Maßgebend sind insoweit die Erwägungen im Widerspruchsbescheid. Dies gilt auch dann, wenn der Widerspruchsbescheid inhaltliche Fehler aufweist, die im Ausgangsbescheid noch nicht enthalten waren. Denn eine behördliche Entscheidung, deren Recht- und Zweckmäßigkeit durch die Widerspruchsbehörde nachgeprüft werden kann, erhält gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst durch den Widerspruchsbescheid ihre für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.2013 - 5 C 10/12 - NVwZ-RR 2013, 689; OVG Bautzen, Urt. v. 18.04.2001 - 1 B 543/00 - NVwZ-RR 2002, 409).
24 
Ob die Ermessensausübung im Ausgangsbescheid fehlerhaft ist, weil jegliche Hinweise darauf fehlen, welche konkreten privaten Interessen des Klägers außerhalb des berücksichtigten Vertrauensschutzes in die Abwägung eingestellt wurden, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls sind die Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid zu beanstanden. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat im Widerspruchsbescheid seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass beim Kläger eine Staatenlosigkeit nicht vorliegt und ein Verlust der indischen Staatsangehörigkeit erst mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband erfolgt. Dabei hat die Widerspruchsbehörde übersehen, dass ein Verlust der indischen Staatsangehörigkeit auch durch freiwilligen Verzicht gemäß Sec 8 (1) des indischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 57 v. 30.12.1955 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht) eintreten kann. Der Kläger hat durch Vorlage einer Bescheinigung des indischen Generalkonsulats in München vom 26. Juni 2015 nachgewiesen, dass beim Generalkonsulat eine Niederlegungserklärung der indischen Staatsbürgerschaft durch den Kläger gemäß Abschnitt 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1955 eingegangen ist und ihm daraufhin sein indischer Reisepass entwertet wurde. Mit der Eintragung der Erklärung beim Generalkonsulat von Indien hat der Kläger die indische Staatsangehörigkeit verloren (Sec 8 (1) des indischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 57 v. 30.12.1955). Dies wird bestätigt durch die Verbalnote der Botschaft der Republik Indien vom 24. Mai 2010. Danach wird indischen Staatsangehörigen nach Abgabe des Reisepasses bei der Botschaft oder bei Konsulaten eine Bescheinigung über den Verzicht auf die indische Staatsangehörigkeit ausgestellt. Seit dem Jahr 2003 setzt der Verlust der indischen Staatsangehörigkeit gemäß Sec 8 (1) nicht das Vorhandensein einer anderweitigen Staatsangehörigkeit voraus (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., Stichwort Indien S. 21). Das Regierungspräsidium Stuttgart hätte folglich in die Ermessensentscheidung über die Rücknahme der Einbürgerungszusicherung die bereits eingetretene Staatenlosigkeit des Klägers einstellen und gegen das öffentliche Interesse an der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abwägen müssen. Da das Regierungspräsidium Stuttgart die Staatenlosigkeit des Klägers verneint hat, ging es in einem wesentlichen Punkt von einem unrichtigen Sachverhalt aus. Die fehlerhafte Ermessensentscheidung der Widerspruchsbehörde wurde nicht während des gerichtlichen Verfahrens durch das Nachschieben von Gründen gemäß § 114 Satz 2 VwGO geheilt.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
26 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Gründe

 
15 
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
16 
Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 10.08.2015 beruht zwar auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage (1.). Auch liegen die Rechtsvoraussetzungen für eine Rücknahme der dem Kläger erteilten Einbürgerungszusicherung vor (2.). Der Beklagte hat jedoch das ihm eingeräumte Ermessen ermessensfehlerhaft ausgeübt (3.).
17 
1. Die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerungszusicherung findet ihre Rechtsgrundlage in der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG (§ 38 Abs. 2 LVwVfG). Die im Staatsangehörigkeitsrecht vorhandene punktuelle Regelung über die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung oder einer rechtswidrigen Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 35 StAG) stellt kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Dies wird bestätigt durch die Äußerung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren, wonach die Anwendung von verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen außerhalb der Spezialregelung des § 35 StAG unberührt bleibt (vgl. BT-Drucks. 16/10528 S. 6, 7). Dementsprechend kann die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung oder einer Feststellung nach § 30 StAG weiterhin auf § 48 LVwVfG gestützt werden (vgl. Schnöckel, HTK-StAR / § 35 StAG / Allgemeines, Stand: 01.01.2015, Rn. 13).
18 
Die Rücknahme der Einbürgerungszusicherung ist auch nicht aufgrund höherrangigen Rechts generell unzulässig. Art. 16 Abs. 1 GG verhält sich nur zum Entzug und zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Diese geht durch die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung jedoch gerade nicht verloren.
19 
2. Die Rechtsvoraussetzungen für die Rücknahme der dem Kläger erteilten Einbürgerungszusicherung liegen vor. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich bei dem Verwaltungsakt - wie hier - um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist eine Rücknahme allerdings gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG nur unter den sich aus den Abs. 2 bis 4 ergebenden Einschränkungen möglich. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist demnach nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, welche die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen (§ 48 Abs. 4 LVwVfG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
20 
Die zurückgenommene Einbürgerungszusicherung vom 09.06.2015 wurde rechtswidrig erteilt. Ob die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig ist, bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erteilung. Der Beklagte hätte dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung nicht erteilen dürfen, weil das Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt ist. Der Kläger wurde vor Erteilung der Einbürgerungszusicherung vom Amtsgericht Heilbronn rechtskräftig in mehreren Entscheidungen zu Geldstrafen mit insgesamt 140 Tagessätzen verurteilt. Diese Geldstrafen bleiben nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG außer Betracht und überschreiten die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. HTK-StAR / § 12a StAG / zu Abs. 1 Satz 3 und 4, Stand: 10.03.2016, Rn. 8 m.w.N.). Auch für das Vorliegen eines Ausnahmefalls nach § 8 Abs. 2 StAG war zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung nichts ersichtlich. Dass die erteilte Einbürgerungszusicherung rechtswidrig ist, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) in Abrede gestellt.
21 
§ 48 Abs. 2 LVwVfG findet vorliegend keine Anwendung. Diese Bestimmung gilt seinem klaren Wortlaut nach nur für bestimmte vermögensrelevante Verwaltungsakte - unter anderem Verwaltungsakte, die eine einmalige oder laufende Geldleistung gewähren - und erfasst daher nicht den Fall der Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG ist auch nicht analog anwendbar. Zwar war die Rücknahme einer Einbürgerung auf der Grundlage des § 48 LVwVfG vor Inkrafttreten des § 35 StAG zur Vermeidung einer verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 GG) nur zulässig, wenn sie zeitnah erfolgte und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise, etwa durch Bestechung oder Bedrohung, erwirkt worden ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24; BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19/02 - BVerwGE 118, 216 und Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132/07 - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 17.09.2007 - 13 S 2794/06 - InfAuslR 2008, 173). Das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit steht aber der Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerungszusicherung nicht entgegen; denn der Ausländer hat in diesem Verfahrensstadium die deutsche Staatsangehörigkeit noch nicht erworben, so dass sie durch die Rücknahme der Einbürgerungszusicherung auch nicht entzogen werden kann. Die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung setzt deshalb nicht voraus, dass diese durch Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten, etwa durch Bestechung oder Bedrohung, rechtswidrig erwirkt worden ist (a.A. VGH Mannheim, Urt. v. 08.05.2013 - 1 S 2046/12 - InfAuslR 2013, 343, jedoch ohne Begründung). Auch der Grundsatz in Art. 8 Abs. 2 des für die Bundesrepublik Deutschland mit Vertragsgesetz vom 29. Juli 1977 (BGBl 1977 II S. 597) ratifizierten Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, wonach ein Vertragsstaat keiner Person seine Staatsangehörigkeit entziehen darf, wenn diese dadurch staatenlos wird, kommt nicht zur Anwendung, da die Rücknahme einer Einbürgerungszusicherung - wie bereits ausgeführt - nicht zum Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit führt.
22 
Die Rücknahme erfolgte innerhalb der Frist des § 48 Abs. 4 LVwVfG. Die in dieser Bestimmung normierte Jahresfrist beginnt erst zu laufen, sobald die Rücknahmebehörde die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - 1 u. 2/84 - BVerwGE 70, 356). Dazu gehören die Umstände, deren Kenntnis es der Behörde objektiv ermöglicht, ohne weitere Sachaufklärung unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme zu entscheiden. Die am 10.08.2015 ausgesprochene Rücknahme der Einbürgerungszusicherung ist unstreitig fristgerecht erfolgt.
23 
3. Der Beklagte hat jedoch das ihm im Rahmen des § 48 Abs. 1 LVwVfG zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die Behörde hat bei der Abwägung der für und gegen eine Rücknahme sprechenden öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.2010 - 5 C 12/10 - NVwZ 2011, 760). Eine Ermessensentscheidung ist u.a. fehlerhaft, wenn die Behörde in ihre Ermessenserwägungen nicht alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat oder wenn sie von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2006 - 5 B 171/06 - juris; VGH Mannheim, Urt. v. 09.05.1994 - 7 S 2294/92 - juris - und Urt. v. 05.07.1989 - 6 S 1739/87 - juris -). Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Maßgebend sind insoweit die Erwägungen im Widerspruchsbescheid. Dies gilt auch dann, wenn der Widerspruchsbescheid inhaltliche Fehler aufweist, die im Ausgangsbescheid noch nicht enthalten waren. Denn eine behördliche Entscheidung, deren Recht- und Zweckmäßigkeit durch die Widerspruchsbehörde nachgeprüft werden kann, erhält gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst durch den Widerspruchsbescheid ihre für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.2013 - 5 C 10/12 - NVwZ-RR 2013, 689; OVG Bautzen, Urt. v. 18.04.2001 - 1 B 543/00 - NVwZ-RR 2002, 409).
24 
Ob die Ermessensausübung im Ausgangsbescheid fehlerhaft ist, weil jegliche Hinweise darauf fehlen, welche konkreten privaten Interessen des Klägers außerhalb des berücksichtigten Vertrauensschutzes in die Abwägung eingestellt wurden, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls sind die Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid zu beanstanden. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat im Widerspruchsbescheid seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass beim Kläger eine Staatenlosigkeit nicht vorliegt und ein Verlust der indischen Staatsangehörigkeit erst mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband erfolgt. Dabei hat die Widerspruchsbehörde übersehen, dass ein Verlust der indischen Staatsangehörigkeit auch durch freiwilligen Verzicht gemäß Sec 8 (1) des indischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 57 v. 30.12.1955 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht) eintreten kann. Der Kläger hat durch Vorlage einer Bescheinigung des indischen Generalkonsulats in München vom 26. Juni 2015 nachgewiesen, dass beim Generalkonsulat eine Niederlegungserklärung der indischen Staatsbürgerschaft durch den Kläger gemäß Abschnitt 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1955 eingegangen ist und ihm daraufhin sein indischer Reisepass entwertet wurde. Mit der Eintragung der Erklärung beim Generalkonsulat von Indien hat der Kläger die indische Staatsangehörigkeit verloren (Sec 8 (1) des indischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 57 v. 30.12.1955). Dies wird bestätigt durch die Verbalnote der Botschaft der Republik Indien vom 24. Mai 2010. Danach wird indischen Staatsangehörigen nach Abgabe des Reisepasses bei der Botschaft oder bei Konsulaten eine Bescheinigung über den Verzicht auf die indische Staatsangehörigkeit ausgestellt. Seit dem Jahr 2003 setzt der Verlust der indischen Staatsangehörigkeit gemäß Sec 8 (1) nicht das Vorhandensein einer anderweitigen Staatsangehörigkeit voraus (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., Stichwort Indien S. 21). Das Regierungspräsidium Stuttgart hätte folglich in die Ermessensentscheidung über die Rücknahme der Einbürgerungszusicherung die bereits eingetretene Staatenlosigkeit des Klägers einstellen und gegen das öffentliche Interesse an der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abwägen müssen. Da das Regierungspräsidium Stuttgart die Staatenlosigkeit des Klägers verneint hat, ging es in einem wesentlichen Punkt von einem unrichtigen Sachverhalt aus. Die fehlerhafte Ermessensentscheidung der Widerspruchsbehörde wurde nicht während des gerichtlichen Verfahrens durch das Nachschieben von Gründen gemäß § 114 Satz 2 VwGO geheilt.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
26 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Juni 2016 - 11 K 2156/16

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Juni 2016 - 11 K 2156/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Juni 2016 - 11 K 2156/16 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 10


(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit gekl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 79


(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 8


(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er 1. handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich v

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16


(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. (2) Ke

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 30


(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 12a


(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht: 1. die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,2. Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und3. Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monat

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 35


(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzl

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Juni 2016 - 11 K 2156/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 28. Juni 2016 - 11 K 2156/16 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 08. Mai 2013 - 1 S 2046/12

bei uns veröffentlicht am 08.05.2013

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine neue, auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.Im

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 14. März 2013 - 5 C 10/12

bei uns veröffentlicht am 14.03.2013

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die mit der Aufhebung vorangegangener Bewilligungsbescheide verbundene Rückforderung von Ausbildungsförderung.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 11. Nov. 2010 - 5 C 12/10

bei uns veröffentlicht am 11.11.2010

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 17. Sept. 2007 - 13 S 2794/06

bei uns veröffentlicht am 17.09.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29

Referenzen

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am 10.2.1958 geborener ehemaliger libanesischer Staatsangehöriger, reiste im Sommer 1986 zusammen mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 21.10.1987 ab. In der Folgezeit erhielt der Kläger erstmalig am 19.9.1991 eine Aufenthaltsbefugnis, welche fortlaufend verlängert wurde; seit dem 21.6.2001 verfügte er über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 9.2.2001 beantragte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den in den Jahren 1987, 1989 und 1991 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens gab der Kläger gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart eine Loyalitätserklärung ab, wonach er keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Am 22.5.2003 wiederholte der Kläger gegenüber der Beklagten diese Loyalitätserklärung. Vor Bescheidung des Einbürgerungsantrags stellte die Beklagte Ermittlungen an, ob der Einbürgerung öffentliche Belange entgegenstehen; sie richtete hierzu mehrere Anfragen an Sicherheitsbehörden. Hierauf teilte die Landespolizeidirektion Stuttgart II unter dem 4.4.2001 mit, dass gegen den Kläger bzw. seine Ehefrau weder Ermittlungsverfahren anhängig seien noch sonst in polizeilicher Hinsicht nachteilige Erkenntnisse bestünden. Bereits mit Schreiben vom 3.4.2001 bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg die Landeshauptstadt Stuttgart um Übersendung der bei ihr über den Kläger geführten Ausländerakten. Auf telefonische Nachfrage teilte das Landeskriminalamt - wie in einem Aktenvermerk festgehalten ist - mit, die Akten würden aufgrund der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppen benötigt. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg erteilte auf die durchgeführte Sicherheitsanfrage im Falle des Klägers - anders als hinsichtlich seiner Familienangehörigen - am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfung noch nicht habe abgeschlossen werden können. Mit Urkunde der Landeshauptstadt Stuttgart vom 20.5.2003, ausgehändigt am 22.5.2003, wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
Mit Schreiben vom 19.4.2005 teilte das Innenministerium Baden-Württemberg der Landeshauptstadt Stuttgart mit, dass über den Kläger beim Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse im Zusammenhang mit der „Hizb Allah“ (Partei Gottes) vorlägen. Danach habe der Kläger von deutschem Boden aus diese Organisation unterstützt, welche einen islamischen Gottesstaats befürworte und deren Bestrebungen auf die Vorbereitung der Anwendung von Gewalt gegen Israel gerichtet seien. Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9.5.2005 zu der beabsichtigten Rücknahme seiner Einbürgerung an, worauf er sich nicht äußerte.
Mit Bescheid vom 31.8.2005 nahm die Landeshauptstadt Stuttgart die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 mit Wirkung ab Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück und forderte ihn zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde auf. Zur Begründung der auf § 48 LVwVfG gestützten Rücknahme der Einbürgerung führte die Landeshauptstadt aus, der Kläger habe seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erwirkt, da er über seine Aktivitäten für extremistische Organisationen getäuscht habe. Auch habe der Kläger vor Vollzug der Einbürgerung eine falsche Loyalitätserklärung abgegeben, welche nicht von seiner inneren Überzeugung getragen gewesen sei. Die Einbürgerung des Klägers sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da ein Ausschlussgrund gemäß § 86 Nr. 2 AuslG bestanden habe. Ausweislich einer Mitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg sei der Kläger dem Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der verfassungsfeindlichen „Hizb Allah“ bekannt geworden. So habe er in dem Zeitraum vom 4. April 1999 bis zum 24. Mai 2003 an zahlreichen, in der Verfügung im Einzelnen aufgeführten, Veranstaltungen der „Hizb Allah“ teilgenommen, auf welchen verfassungsfeindliche, vor allem gegen das Existenzrecht Israels gerichtete Reden gehalten worden seien. Auch sei der Kläger auf einer Vollversammlung der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. in Leonberg am 2.5.1999 als deren Schatzmeister in den Vorstand gewählt worden, im Jahre 2001 habe man ihn in diesem Amt bestätigt. Bei der im Jahre 1982 gegründeten „Hizb Allah“ handle es sich um eine islamistisch-schiitische Organisation, welche im Libanon inzwischen eine herausragende politische Rolle spiele. Ihre Miliz habe sich im südlichen Libanon als militärische Macht etabliert, wobei zu ihren Aktivitäten auch die Entführung israelischer Soldaten, Selbstmordattentate und Geiselnahmen gehörten. Durch eine bewusst militante Prägung ihrer männlichen Anhänger schaffe sie sich ein gewaltbereites Potential, das vor allem gegen Israel zum Einsatz komme. Bei den Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in Deutschland stünden diese antiisraelischen und antijüdischen Zielsetzungen sowie die finanzielle und moralische Unterstützung der Kämpfer gegen Israel im Vordergrund. Die „Hizb Allah“ vertrete das Konzept eines konstitutionellen Gottesstaates mit herrschendem schiitischem Klerus nach iranischem Vorbild und lehne die Wertordnung des Grundgesetzes ab. An den inkriminierten Bestrebungen und Aktivitäten der „Hizb Allah“ nehme auch ein dieser Organisation nahestehender Ortsverein teil, was auch dann gelte, wenn dessen Tätigkeit nicht ausschließlich darin bestehe, die Ziele der „Hizb Allah“ mitzutragen.
Der Kläger habe sich aktiv als Vorstandsmitglied in einem derartigen Verein betätigt und über einen längeren Zeitraum zustimmend oder jedenfalls ohne Widerspruch an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen. Dies stelle eine Bestrebung dar, über welche der Kläger die Einbürgerungsbehörde getäuscht habe. Die am 22.5.2003 erfolgte Einbürgerung stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erfolgten Einbürgerung überwiege das Interesse des Klägers am weiteren Fortbestand seiner deutschen Staatsangehörigkeit. In das Ermessen werde dabei vor allem auch eingestellt, dass der Kläger durch die Rücknahme der Einbürgerung nicht staatenlos werde. Seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband sei unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit erfolgt, weil die libanesischen Behörden die Entlassung aus der libanesischen Staatsangehörigkeit regelmäßig verweigerten.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, welchen das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Ausgangsbescheids zurückwies.
Die am 6.12.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil des Einzelrichters (§ 6 VwGO) vom 25.9.2006 abgewiesen.
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In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die angegriffene Rücknahme der Einbürgerung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 LVwVfG. Diese allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung sei mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz im Falle einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung jedenfalls dann anwendbar, wenn diese durch bewusste Täuschung erwirkt worden sei und die Rücknahme zeitnah erfolge. Der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erlangten Einbürgerung stehe weder das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG noch grundsätzlich das Verbot des Verlustes der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen entgegen. Die auf § 85 AuslG a.F. gestützte Einbürgerung des Klägers stelle sich als von Anfang an rechtswidrig dar. Der Kläger habe nicht, wie von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefordert, ein von innerer Überzeugung getragenes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben. An den in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG normierten Voraussetzungen habe es bereits im Einbürgerungszeitpunkt gefehlt, da der Kläger entgegen der von ihm am 2.7.2001 und am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen Bestrebungen unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet hätten. Die dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgehaltenen Veranstaltungsteilnahmen stellten inkriminierte Bestrebungen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG dar, da sie die verfassungsfeindlichen Ziele der Bestrebung förderten und ihre potentielle Gefährlichkeit erhöhten. Der Kläger habe über Jahre hinweg zum Unterstützungskreis der „Hizb Allah“ gehört; er habe nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung an der Gründung der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart mitgewirkt und von 1999 bis zum Jahre 2004 dem Vorstand dieses Vereins angehört. Die „Hizb Allah“ habe die islamische Kulturgemeinschaft Stuttgart dazu benutzt, ihre eigenen verfassungsfeindlichen Ziele zu propagieren und durchzusetzen. Die islamische Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart weise eine derartige Nähe zur „Hizb Allah“ auf, dass der Verein als von der „Hizb Allah“ beeinflusst und gesteuert anzusehen und seine Aktivitäten als „Hizb Allah“-Aktivitäten zu qualifizieren seien. Auch verfolge die im Jahre 1982 gegründete „Hizb Allah“ Bestrebungen, welche durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichteten Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die „Hizb Allah“ gelte als gewaltbereite Terrororganisation mit dem erklärten Ziel der Vernichtung Israels.
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Der Kläger habe auch vor seiner Einbürgerung nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der Bestrebungen der „Hizb Allah“ abgewandt zu haben. Ein derartiges Abwenden habe er weder in seinen Erklärungen vom 2.7.2001 bzw. 22.5.2003 noch in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltend gemacht. Da es somit an der gesetzlichen Einbürgerungsvoraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefehlt habe, hätte die Beklagte die begehrte Einbürgerung zwingend ablehnen müssen. Der Kläger habe seine von Anfang an rechtswidrige Einbürgerung durch bewusste Täuschung erlangt. Er habe es in seinen Bekenntniserklärungen vom 2.7.2001 und 22.5.2003 bewusst unterlassen, Angaben über seine Tätigkeit in der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart und seine weiteren Unterstützungshandlungen für die „Hizb Allah“ zu tätigen. Er habe in seinen Loyalitätserklärungen bewusst wahrheitswidrig versichert, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unterstützen. Als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. und als Teilnehmer an zahlreichen Veranstaltungen habe ihm die Unterstützung inkriminierter Bestrebungen bewusst sein müssen. Daher leide die von der Landeshauptstadt Stuttgart verfügte Rücknahme der rechtswidrigen Einbürgerung nicht an einem Ermessensfehler bzw. stelle sich nicht als unverhältnismäßig dar.
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Gegen das am 17.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2006 die bereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene Berufung eingelegt; er hat innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof verlängerten Berufungsbegründungsfrist beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 zu ändern und die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben.
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Zur Begründung der Berufung hat der Kläger ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme seiner Einbürgerung dar. Das angegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begründung fälschlicherweise davon aus, er habe eine rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige bzw. bewusste Täuschung erwirkt. Die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung, nämlich eine rechtswidrige Täuschungshandlung zur Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums, lägen nicht vor. Zutreffenderweise gehe die angegriffene Verfügung zwar davon aus, dass er als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart tätig geworden sei. Dieser Umstand sei der Beklagten jedoch lange vor Verfügung der Einbürgerung bekannt gewesen, da seine Bestellung zum Schatzmeister dem Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart bereits am 2.6.1999 angezeigt worden sei. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens habe die Beklagte auch von den Bedenken des Landeskriminalamts hinsichtlich seiner vermuteten Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppierungen Kenntnis erlangt. In Übereinstimmung hiermit habe das Landesamt für Verfassungsschutz auf die Anfrage der Beklagten vom 17.2.2003 hin lediglich eine Zwischennachricht erteilt, wonach seine sicherheitsmäßige Überprüfung nicht abgeschlossen sei. Sämtliche für die Einbürgerung relevanten Erkenntnisse hätten sich im Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde in der Akte der Beklagten befunden und seien dieser daher bewusst gewesen. Bereits aus diesem Grund könne nicht davon ausgegangen werden, dass er einen Irrtum erregt oder aufrechterhalten habe, welcher für die Einbürgerung kausal gewesen sei. Der Beklagten sei es verwehrt, die Rücknahmeentscheidung auf diese Umstände zu stützen, da sie die Einbürgerung in Kenntnis des konkreten und bekannten Sachverhalts verfügt habe. Unzutreffenderweise setze das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts seine Tätigkeit als Kassierer bei der islamischen Kulturgemeinschaft mit einer Unterstützung radikaler Ziele der „Hizb Allah“ gleich. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der „Hizb Allah“ tatsächlich um eine Organisation handle, welche durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichteter Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährde. Entgegen der Annahme der Beklagten gebe es die „Hizb Allah“ als solche nicht, vielmehr seien bei dieser Organisation verschiedene Flügel und Richtungen erkennbar. Die „Hizb Allah“ sei im heutigen Libanon, dem wohl demokratischsten Staat im Nahen Osten, als größte Organisation der Muslime im Parlament vertreten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie den Versuch unternommen, den Libanon in einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu verwandeln, vielmehr erkenne sie das pluralistische System des Libanon ausdrücklich an. Im Übrigen verfolge die „Hizb Allah“ nicht ausschließlich politische Ziele, sondern unterhalte im Libanon sehr viele soziale Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser. Es sei daher verfehlt, die „Hizb Allah“ auf das angebliche Ziel der Vernichtung Israels und der Verübung von Gewalttaten zu reduzieren. Jedenfalls gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die „Hizb Allah“ außerhalb des Libanon oder gar in Deutschland antidemokratische und verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Unabhängig hiervon stelle das angegriffene Urteil die ihm unterstellte Verbindung als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft zum vermeintlich gewaltbereiten Teil der „Hizb Allah“ nicht dar. Eine Verbindung zwischen dem Kulturverein und den Rednern, welche angeblich der „Hizb Allah“ nahestünden, lasse in keiner Weise erkennen, aufgrund welcher Tatsachen ihm verfassungsfeindliche Ziele unterstellt würden. Er selbst habe die Teilnahme an den vorgehaltenen Veranstaltungen des islamischen Kulturvereins nie bestritten, diese sei jedoch lediglich in seiner Funktion als Kassierer erfolgt. Er habe an diesen Veranstaltungen teilgenommen, um Mitgliedsbeiträge von den Mitgliedern des Kulturvereins zu erheben, wofür man ihn als Kassierer gewählt habe. Die gesammelten Gelder würden benötigt, um den Verein und dessen kulturelle Veranstaltungen zu finanzieren. Er selbst habe auf keiner einzigen Veranstaltung das Wort ergriffen oder eine Meinung kundgetan, aus der auf eine verfassungswidrige Haltung geschlossen werden könne. Aus seiner bloßen Anwesenheit bei den in der angegriffenen Verfügung aufgeführten Veranstaltungen lasse sich in keiner Weise schließen, dass er den Inhalt der Reden geteilt und damit selbst verfassungswidrige Zielsetzungen unterstützt habe. Lediglich hilfsweise sei zu beachten, dass er sich durch die Widerspruchsbegründung, die Klagebegründung und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts von ihm unterstellten verfassungsfeindlichen Bestrebungen distanziert habe.
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Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hebt hervor, die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle im Falle einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass der Kläger wahrheitswidrig eine Erklärung hinsichtlich seiner Verfassungstreue abgegeben habe. Sein Vortrag im gerichtlichen Verfahren, er habe die inhaltliche Ausrichtung und die Ziele der islamischen Kulturgemeinschaft nicht geteilt, sei als unglaubhaft und verfahrensangepasst zu bewerten. Gerade in Anbetracht seiner Funktion als Schatzmeister sei nicht nachzuvollziehen, dass er über die Ausrichtung dieser Vereinigung nicht in Kenntnis gewesen sei; dies gelte auch hinsichtlich der Ausführungen bezüglich einer Aufsplitterung der „Hizb Allah“ in verschiedene mehr oder weniger gewaltbereite Flügel.
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Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Landeshauptstadt Stuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
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1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
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Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
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Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
30 
Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
35 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
36 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
23 
1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
27 
Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
28 
Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
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Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
35 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
36 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine neue, auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt ein Viertel, die Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Hinsichtlich der Entscheidung über die Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung wird für die Beklagte die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am ... geborener türkischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1978 im Wege des Familiennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, besitzt seit 1986 ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Im Jahr 1987 erlangte er den Hauptschulabschluss. Aus seiner am 20.06.1990 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind drei 1993, 1998 und 2008 geborene Kinder hervorgegangen.
Am 14.06.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung. Hierbei gab er u.a. die geforderte Loyalitätserklärung ab. Nachdem die Beklagte das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 85 AuslG festgestellt und insbesondere das Landesamt für Verfassungsschutz ihr unter dem 13.07.2000 mitgeteilt hatte, dass die Einbürgerung unbedenklich sei, erteilte sie dem Kläger am 15.08.2000 eine bis zum 14.08.2002 befristete Zusage der Einbürgerung für den Fall, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Am 27.09.2001 ging der Beklagten die dem Kläger am 19.09.2001 erteilte Erlaubnis der türkischen Behörden zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit zu.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Landesamt für Verfassungsschutz am 12.12.2001 mit, dass es den Einbürgerungsvorgang dem Innenministerium Baden-Württemberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt habe.
Am 18.02.2002 gab der Kläger auf Aufforderung der Beklagten erneut ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und eine entsprechende Loyalitätserklärung ab.
Unter dem 29.08.2003 teilte das Innenministerium dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass es der Einbürgerung des Klägers zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zustimme, da dieser sich in der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ - IGMG - engagiere und zumindest im Jahr 2000 dem Vorstand dieser Gemeinschaft in Mannheim angehört habe.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 15.01.2004 (Bl. 159 der Einbürgerungsakten) gab der Kläger bei einer Vorsprache auf der Einbürgerungsbehörde an, sich seit Jahren in der IGMG in Mannheim zu engagieren und sich mit deren Gedankengut zu identifizieren. Ein Austritt käme für ihn allenfalls bei einem Verbot des Vereins in Frage.
Mit Verfügung vom 15.01.2004 lehnte die Beklagte nach vorheriger Anhörung die Einbürgerung des Klägers ab, da es an der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG fehle und ein Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 2 AuslG bestehe.
Den gegen diese Verfügung am 12.02.2004 eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe, nachdem das Widerspruchsverfahren zunächst einvernehmlich geruht hatte, mit Bescheid vom 21.02.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Einbürgerung sei nach den §§ 10 ff. StAG, hilfsweise nach § 8 StAG zu bewerten. Nach § 40 c StAG seien die §§ 8 - 14 in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthielten als die Neufassung. Der Kläger erfülle die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. nicht, zudem liege der Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. vor. Er habe die IGMG durch seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied in Mannheim zu einer Zeit unterstützt, als diese noch als homogene verfassungsfeindliche Organisation zu betrachten gewesen sei. Die späteren inneren Veränderungen, die die IGMG heute im Hinblick auf ihre Verfassungsfeindlichkeit als inhomogene Organisation erscheinen ließen, seien für die Bewertung des vorliegenden Einbürgerungsbegehrens ohne Belang. Aufgrund der Unterstützung der IGMG, die nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. die Einbürgerung ausschließe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich vorbehaltlos zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne. Eine Abwendung von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen sei nicht erfolgt.
10 
Am 03.03.2011 erhob der Kläger Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe, zu deren Begründung er u.a. vortrug, er habe nie Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten. Im Jahr 2000 sei er Mitglied des Vorstandes der IGMG in Mannheim gewesen. Der Vorstand habe aus neun bis zwölf Personen bestanden. Er sei insbesondere für Hausaufgabenbetreuung verantwortlich gewesen. Schon damals sei er gegen die insbesondere von der Gründergeneration vertretene „Erbakan-Linie“ gewesen. Er sei gegen jeden Absolutheitsanspruch der islamischen Religion gewesen und für ein tolerantes Zusammenleben mit anderen Religionen eingetreten. Etwa seit 2006 habe er keinen Kontakt mehr zur IGMG. Er besuche zwar manchmal das Freitagsgebet, aber keine Mitgliederversammlungen und nehme auch sonst nicht an Aktivitäten der Organisation teil. Er befürworte den Vorrang der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats vor etwaigen islamischen Ge- oder Verboten und sehe keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen den westlichen Werten und den Werten der islamischen Religion.
11 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte aus, die Ausführungen des Klägers zum Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und zur Abwendung von etwaigen verfassungsfeindlichen Bestrebungen seien nicht überzeugend.
12 
Mit Urteil vom 07.03.2012 - 1 K 576/11 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15.01.2004 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.02.2011 verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. vorlägen und ob der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. der Einbürgerung entgegenstehe. Der Kläger habe jedenfalls einen Anspruch auf Einbürgerung aus der ihm erteilten Einbürgerungszusage. In dieser Zusage habe die Beklagte sich für den Fall, dass der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachweise, verpflichtet, ihn einzubürgern. Dabei habe sie die Bindungswirkung auf den 14.08.2002 befristet. Da der Kläger am 27.09.2001 den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen und die Bindungswirkung zu diesem Zeitpunkt noch bestanden habe, ergebe sich aus der Zusage weiterhin ein Anspruch auf Einbürgerung. Die Bindungswirkung sei weder nach § 38 Abs. 3 LVwVfG noch nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG entfallen.
13 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 08.10.2012 - 1 S 939/12 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Der Kläger könne sich aus mehreren Gründen nicht mehr auf die ihm am 15.08.2000 erteilte Einbürgerungszusicherung berufen. Zum einen sei die Bindungswirkung der Zusicherung mit Ablauf des 14.08.2002 entfallen. Zum anderen sei die Zusicherung unter dem Vorbehalt erteilt worden, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage bis zur Einbürgerung nicht ändere. Hier sei die Bindungswirkung nach § 38 Abs. 3 LVwVfG durch Änderung der Sachlage entfallen. Zwar sei der Kläger bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Zusicherung Mitglied der IGMG gewesen, doch hätten die für die Entscheidung zuständigen Behörden keine Kenntnis davon gehabt, weil der Kläger im Einbürgerungsverfahren diesbezüglich falsche Angaben gemacht habe. Die Zusage wäre nämlich nicht erteilt worden, wenn der Kläger bei Abgabe der Loyalitätserklärung seine Mitgliedschaft bzw. Funktionärstätigkeit in der IGMG angegeben hätte. Diese Vereinigung sei vom Verfassungsschutz bereits damals als extremistisch eingestuft worden, weil sie auf die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abziele. Die erst durch eine erneute Überprüfung bekannt gewordenen Tatsachen für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. bedingten somit eine Änderung der Sachlage und führten zum Wegfall der Bindungswirkung. Ebenfalls zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger innerhalb der Geltungsdauer der Zusicherung deren Bedingung erfüllt habe. Bei der von ihm vorgelegten Entscheidung der türkischen Behörden vom 19.09.2001 handele es sich nicht um eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, sondern lediglich um eine Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen und zur Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit. Diese Erlaubnisbescheinigung habe nur eine Geltungsdauer von drei Jahren gehabt und sei daher nicht mehr gültig. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung des Klägers unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit lägen nicht vor. Ein Einbürgerungsanspruch ergebe sich wegen Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und Nichterfüllung der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. auch nicht aus der gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 10 StAG.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen,
18 
hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine neue Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
19 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Mit Vorlage der Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit habe er die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt. Die eigentliche Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit erfolge stets erst nach erfolgter Einbürgerung in einen anderen Staatsverband. Unabhängig von der Einbürgerungszusicherung habe er jedenfalls einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung, hilfsweise auf erneute Einbürgerungszusicherung, weil alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien. Insbesondere liege der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. nicht vor.
20 
Wegen der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
21 
Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungsakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2

Der Kläger wurde 1956 in Graz (Österreich) geboren und war bis zu seiner Einbürgerung österreichischer Staatsangehöriger. Nachdem im Juni 1995 von der Bundespolizeidirektion Graz gegen den Kläger Ermittlungen wegen des (von ihm bestrittenen) Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betruges eingeleitet worden waren, reiste er aus Österreich aus und nahm seinen Wohnsitz in München. Dort war er als selbstständiger Unternehmensberater tätig. Im Februar 1997 erließ das Landesgericht für Strafsachen in Graz einen nationalen Haftbefehl gegen den Kläger.

3

Im Februar 1998 beantragte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. In dem hierfür verwendeten, von ihm unterschriebenen Antragsformular ist in der Rubrik "Angaben über anhängige Ermittlungsverfahren" handschriftlich eingetragen "keine". Die Einbürgerungsurkunde vom 25. Januar 1999 wurde dem Kläger am 5. Februar 1999 ausgehändigt.

4

Im August 1999 erfuhr die Staatsangehörigkeitsbehörde, dass der Kläger in Österreich per Haftbefehl gesucht werde und im September 1999, dass er bereits im Juli 1995 vom Landesgericht für Strafsachen in Graz als Beschuldigter vernommen worden sei. Daraufhin nahm der Beklagte nach Anhörung des Klägers die Einbürgerung mit Bescheid vom 4. Juli 2000 rückwirkend zurück, weil der Kläger das österreichische Ermittlungsverfahren verschwiegen und dadurch die Einbürgerung erschlichen habe.

5

Klage und Berufung blieben erfolglos. Auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juni 2002 wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (vgl. Urteil vom 3. Juni 2003 - BVerwG 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216).

6

Im Folgenden überprüfte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die noch offenen Fragen und holte in Bezug auf das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht eine Rechtsauskunft des zuständigen Amtes der steiermärkischen Landesregierung ein. Dieses teilte mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 und 22. März 2005 mit, die österreichische Staatsbürgerschaft lebe bei rückwirkender Rücknahme der deutschen Staatsangehörigkeit nicht automatisch wieder auf. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung lägen beim Kläger nicht vor.

7

Daraufhin ergänzte der Beklagte mit Schreiben vom 3. Mai 2005 seine Ermessenserwägungen. Auch bei Abwägung der dem Kläger drohenden Staatenlosigkeit und des zu erwartenden Verlusts der Unionsbürgerschaft überwiege das öffentliche Interesse an der Rücknahme der erschlichenen deutschen Staatsangehörigkeit. Dabei ging der Beklagte davon aus, dass der Kläger auch als mit einer Deutschen verheirateter Staatenloser eine Aufenthaltserlaubnis und Ausweispapiere für Geschäftsreisen erhalten könne.

8

Mit Urteil vom 25. Oktober 2005 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers abermals zurück. Die Rücknahme der durch eine bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung sei rechtmäßig. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Danach könne ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die im Februar 1999 wirksam gewordene Einbürgerung des Klägers sei objektiv rechtswidrig gewesen, weil gegen den Kläger seit 1995 ein österreichisches Ermittlungsverfahren und seit 1998 ein deutsches Ermittlungsverfahren durchgeführt worden seien, die er gegenüber der Staatsangehörigkeitsbehörde nicht angezeigt habe. Im Hinblick darauf hätte die Einbürgerung nicht erfolgen dürfen, sondern ausgesetzt werden müssen. Über diese Ermittlungsverfahren habe der Kläger die Einbürgerungsbehörde auch in subjektiver Hinsicht bewusst und arglistig getäuscht. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Abwägungsergebnis halte sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen des eröffneten Rücknahmeermessens.

9

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass der Beklagte seine ursprünglichen Ermessenserwägungen unter Verletzung von § 114 Satz 2 VwGO nicht lediglich ergänzt, sondern in ihrem Wesen verändert und weitgehend ausgetauscht habe. Eine nachträgliche Ergänzung der Ermessenserwägungen sei auch wegen § 144 Abs. 6 VwGO nach Abschluss des Revisionsverfahrens nicht mehr zulässig gewesen. Für die Rücknahme der Einbürgerung fehle jedenfalls im vorliegenden Fall eine ausreichende Rechtsgrundlage. Ferner sei die Rücknahme wegen des Verlustes der Unionsbürgerschaft unverhältnismäßig und verletze Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK und Art. 17 EG (= Art. 18 AEUV). Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mache es insbesondere erforderlich, dass der Kläger vor Wirksamwerden der Rücknahmeentscheidung eine angemessene Frist erhalte, um die Staatsbürgerschaft seines österreichischen Herkunftslandes wiederzuerlangen. Die an sich erforderliche Aussetzung des deutschen staatsangehörigkeitsrechtlichen Verwaltungsverfahrens habe es nicht gegeben. Daher müsse jedenfalls das gerichtliche Verfahren bis zur Entscheidung des Amtes der steiermärkischen Landesregierung über den im September 2010 gestellten Statusfeststellungsantrag ausgesetzt werden.

10

Der Beklagte tritt der Revision und der beantragten Aussetzung des Verfahrens entgegen. Der Kläger habe in der Vergangenheit ausreichend Zeit gehabt, eine Wiedereinbürgerung oder Statusfeststellung zu beantragen. Nach geltendem österreichischem Recht habe der Kläger nur geringe Chancen auf Wiedereinbürgerung. Er sei vom Landgericht München mit Urteil vom 30. Juli 2008 wegen Betruges in 60 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden und erfülle daher nicht das Unbescholtenheitserfordernis des § 10 des Österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes. Daher sei es allenfalls denkbar, dass der Kläger nach Wirksamkeit der deutschen Rücknahmeentscheidung in Österreich aufgrund geschriebenen oder ungeschriebenen Rechts die ursprüngliche österreichische Staatsangehörigkeit wiedererlange. Hierfür sei aber eine Aussetzung des Revisionsverfahrens nicht erforderlich.

11

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. Februar 2008 - BVerwG 5 C 13.07 - (Buchholz 451.9 Art. 17 EG-Vertrag Nr. 1) das Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Die Große Kammer des Gerichtshofs hat mit Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - (NVwZ 2010, 509) über die maßgeblichen unionsrechtlichen Fragen entschieden. Den Antrag des Klägers, das Verfahren erneut bis zur Entscheidung der österreichischen Behörden über den dortigen Statusfeststellungsantrag auszusetzen, hat der Senat mit Beschluss vom 11. November 2010 mangels Vorgreiflichkeit abgelehnt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

13

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 4. Juli 2000 auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage beruht. Zwar gab es bei Erlass des angefochtenen Bescheides die speziell für den Fall einer erschlichenen Einbürgerung geschaffene Rücknahmevorschrift des § 35 StAG, deren Voraussetzungen nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls erfüllt sind, noch nicht. Sie wurde erst während des Revisionsverfahrens durch das Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 158) mit Wirkung vom 12. Februar 2009 eingeführt. Zuvor konnten die Staatsangehörigkeitsbehörden jedoch auf die allgemeinen Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder - hier: Art. 48 BayVwVfG - zurückgreifen, wenn die Einbürgerung durch bewusste Täuschung erwirkt worden war (vgl. Urteil vom 3. Juni 2003 - BVerwG 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216 <218 ff.>; BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24). Die Rücknahmevoraussetzungen nach § 35 StAG und Art. 48 BayVwVfG unterscheiden sich für den vorliegenden Fall der erschlichenen Einbürgerung nicht. Es bedarf deshalb keiner abschließenden Prüfung, ob im Revisionsverfahren schon das neue Bundesrecht (§ 35 StAG) anzuwenden ist.

14

Die Rücknahme der Einbürgerung ist auch nicht - wie der Kläger meint - aufgrund höherrangigen Rechts generell unzulässig. Der Rücknahme erschlichener Einbürgerungen steht weder das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit noch der in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Schutz vor Staatenlosigkeit entgegen (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 a.a.O. Rn. 50 f.). Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK ist entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls nicht berührt, da die Rücknahme der Einbürgerung nicht auf den Vorwurf gestützt ist, der Kläger habe eine Straftat begangen (Urteil vom 3. Juni 2003 a.a.O. <226>).

15

2. Der Verwaltungsgerichtshof ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, die in dem hier entscheidungserheblichen Kern mit jenen des § 35 StAG übereinstimmen, vorlagen.

16

a) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 18. Februar 2008 (a.a.O.) ausgeführt hat, hat der Kläger nach den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 25. Oktober 2005 über das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht und damit die Einbürgerung erschlichen. Sie war von Anfang an rechtswidrig und konnte nach dem pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des Beklagten zurückgenommen werden. Unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren nachgeschobenen umfangreichen Ermessenserwägungen ist die getroffene Ermessensentscheidung nach dem nationalen Recht auch revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

17

b) Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Klägers fest. Insbesondere ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers in Fällen, in denen das Bundesverwaltungsgericht einen Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), eine Ergänzung von Ermessenserwägungen auch noch nach einer Zurückverweisung möglich. § 114 Satz 2 VwGO erlaubt das Nachschieben von Gründen für eine Ermessensentscheidung ohne zeitliche Begrenzung während des gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welches bei einer Zurückverweisung fortgeführt wird und noch nicht beendet ist. Einer Ergänzung von Ermessenserwägungen durch die Verwaltungsbehörde nach Zurückverweisung steht auch § 144 Abs. 6 VwGO nicht entgegen. Nach § 144 Abs. 6 VwGO hat das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, zwar seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Sache aber in dem erneuten Berufungsverfahren in vollem Umfang zu überprüfen und insbesondere den entscheidungserheblichen Sachverhalt neu zu würdigen. Die Bindung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts steht insoweit unter dem Vorbehalt derselben im Berufungsverfahren erneut zu prüfenden Tatsachenlage. Sie entfällt bei einer wesentlichen Veränderung des zu beurteilenden Sachverhalts infolge neuen Vorbringens oder einer Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Umstände. § 144 Abs. 6 VwGO hindert die Beteiligten nicht an neuem Sachvortrag und lässt einer Behörde Raum, die entscheidungserhebliche Sachlage in den nach § 114 Satz 2 VwGO gezogenen Grenzen durch ergänzende Ermessenserwägungen zu ihren Gunsten zu verändern.

18

c) Die Ermessensergänzung des Beklagten vom 3. Mai 2005 war nach § 114 Satz 2 VwGO zulässig. Die mit Schriftsatz vom 3. Mai 2005 eingeführten Erwägungen zur Staatenlosigkeit, zum Verlust der Unionsbürgerschaft sowie zu den für den Kläger damit verbundenen Folgen führen - ungeachtet ihrer Bedeutung für den Kläger - die grundlegende Argumentationslinie in der angefochtenen Rücknahmeentscheidung fort und lassen deren "Identität" unberührt (vgl. Beschlüsse vom 14. Januar 1999 - BVerwG 6 B 133.98 - NJW 1999, 2912 und vom 30. April 2010 - BVerwG 9 B 42.10 - Buchholz 310 § 114 VwGO Nr. 57). Das die Rücknahme tragende Argument der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände bleibt bestehen. Die abschließende Gewichtung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen ist im Ergebnis unverändert.

19

d) Die zulässiger Weise ergänzte Ermessensentscheidung weist auch keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO auf. Der Beklagte hat bei der Abwägung der für und gegen eine Rücknahme sprechenden öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände berücksichtigt. Er hat die negativen Folgen, die der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit für den Kläger mit sich bringt, in der Ermessensergänzung vom 3. Mai 2005 berücksichtigt und vertretbar gewichtet. Auch wenn eine Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach den Erklärungen der Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht auszuschließen ist, begründet es keinen Ermessensfehler zu Lasten des Klägers, bei der Rücknahme der Einbürgerung von dem für ihn ungünstigsten Fall des Eintritts der Staatenlosigkeit und des Verlusts der Unionsbürgerschaft auszugehen. Die Hinnahme der Staatenlosigkeit ist auch - wie § 35 Abs. 4 StAG zeigt - weder generell noch - wie unten ausgeführt wird - im vorliegenden Fall wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip ermessensfehlerhaft. Für sonstige Ermessensfehler ist nichts ersichtlich (vgl. Urteil vom 3. Juni 2003 a.a.O.).

20

3. Die Rücknahme der Einbürgerung wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Hinblick auf die unionsrechtliche Stellung des Klägers.

21

a) Wird eine Einbürgerung durch Täuschung erschlichen, dann verstößt es nach der im vorliegenden Verfahren eingeholten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union grundsätzlich nicht gegen Unionsrecht - insbesondere Art. 17 EG (= Art. 18 AEUV) -, wenn ein Mitgliedstaat einem Unionsbürger die durch Einbürgerung erworbene Staatsangehörigkeit wieder entzieht, vorausgesetzt, dass die Rücknahmeentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - NVwZ 2010, 509 <512> Rn. 59). Ein Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit durch Täuschung erschlichen wurde, kann hiernach nicht nach Art. 17 EG verpflichtet sein, von der Rücknahme der Einbürgerung allein deshalb abzusehen, weil der Betroffene die Staatsangehörigkeit seines Herkunftsmitgliedstaates nicht wiedererlangt (ebd. Rn. 57).

22

Angesichts der Bedeutung, die das Primärrecht dem Unionsbürgerstatus beimisst, sind - wie der Gerichtshof der Europäischen Union weiter ausgeführt hat - bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Rücknahme die möglichen Folgen zu berücksichtigen, die diese Entscheidung für den Betroffenen und gegebenenfalls für seine Familienangehörigen in Bezug auf den Verlust der Rechte, die jeder Unionsbürger genießt, mit sich bringt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob dieser Verlust gerechtfertigt ist im Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, zur Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, und zur Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. S. 511/512 Rn. 56). Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann es unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände im Einzelfall erforderlich machen, dass dem Betroffenen vor Wirksamwerden einer derartigen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung eine angemessene Frist eingeräumt wird, damit er versuchen kann, die Staatsangehörigkeit seines Herkunftsmitgliedstaats wiederzuerlangen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. S. 512 Rn. 58); ob dies der Fall ist, hat allerdings das nationale Gericht zu beurteilen.

23

Der Gerichtshof der Europäischen Union geht dabei davon aus, dass die Mitgliedstaaten einerseits aufgrund internationaler Konventionen das Erschleichen einer Einbürgerung mit der Entziehung ihrer nationalen Staatsangehörigkeit sanktionieren können, dass aber andererseits eine solche Sanktion bei Personen, die - wie der Kläger - bereits vor der Einbürgerung die Unionsbürgerschaft besessen haben, einen überschießenden Anteil aufweist. Mit der Rücknahme geht aufgrund des Akzessorietätsprinzips in Art. 17 EG neben der erschlichenen nationalen Staatsbürgerschaft auch die nicht erschlichene Unionsbürgerschaft verloren. Dieser "überschießende Rechtsverlust" steht zwar einer Rücknahme nicht generell entgegen. Er kann aber im Einzelfall im Zusammenwirken mit den anderen genannten Umständen (z.B. geringe Schwere des Verstoßes etc.) dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

24

b) Nach diesen Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, die der Senat zugrunde legt, ist unionsrechtlich gerade nicht - wie der Kläger meint - gefordert, dass einem Betroffenen in den oben genannten Fällen stets aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine Frist zur Wiedererlangung der ursprünglichen Staatsbürgerschaft einzuräumen ist.

25

aa) Der eine Einbürgerung zurücknehmende Staat ist nicht ausnahmslos verpflichtet, das Wirksamwerden seiner Entscheidung mit den zuständigen Behörden des anderen EU-Staates von Amts wegen abzustimmen und so zu koordinieren, dass selbst ein vorübergehender Verlust der Unionsbürgerschaft nicht eintreten kann. Eine von den relevanten Umständen des Einzelfalls unabhängige Koordinierungspflicht würde die Rücknahme erschlichener Einbürgerungen erheblich erschweren und den Umstand vernachlässigen, dass der Betroffene durch sein unredliches Verhalten die wesentliche Ursache auch für den "überschießenden Rechtsverlust" gesetzt hat.

26

bb) Die Staatsangehörigkeitsbehörde hat allerdings gegenüber dem betroffenen Bürger zu prüfen, ob sie ihm unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine angemessene Frist für einen Wiedererlangungsversuch gewährt. Ob sie eine solche Frist einzuräumen hat, hängt jedoch von sämtlichen relevanten Umständen des Einzelfalls ab (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. S. 512 Rn. 58).

27

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer abschließenden Klärung aller Umstände, die hierbei zu beachten sein können. Notwendige Voraussetzung für eine Fristeinräumung ist grundsätzlich, dass der Betroffene die Wiedererlangung der früheren Staatsbürgerschaft ernsthaft anstrebt, die erforderlichen Anträge möglichst frühzeitig und gegebenenfalls auch vorsorglich stellt und diese mit Nachdruck verfolgt. Ferner hat die Einräumung einer Frist für einen Wiedererlangungsversuch nur dann einen Sinn, wenn die Rückgewinnung der früheren Staatsbürgerschaft nach dem Recht des Herkunftsstaats nicht offensichtlich aussichtslos ist. Da es jedoch nicht Aufgabe deutscher Behörden oder Gerichte ist, abschließend über fremdes Staatsangehörigkeitsrecht zu befinden, liegt eine hinreichende Erfolgsaussicht schon dann vor, wenn der Antrag nach dem Stand der ausländischen Rechtsprechung und Literatur nicht von vornherein aussichtslos erscheint oder wenn maßgebliche ausländische Behörden - wie hier die österreichische Regierung gegenüber dem Gerichtshof der Europäischen Union - erklären oder erkennen lassen, dass sie den Antrag für nicht aussichtslos halten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann sich insoweit auch daraus ergeben, dass das nationale Recht in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht auszulegen und anzuwenden ist. Das ausländische Recht kann im Einzelfall auch dann gegen die Aussetzung des Rücknahmeverfahrens sprechen, wenn der endgültige Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zweifelsfrei Voraussetzung für die Wiedererlangung der fremden Staatsbürgerschaft und auch der Durchführung eines hierauf gerichteten Verfahrens ist. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sind darüber hinaus vor allem das private Interesse an einem zeitweiligen Erhalt der Unionsbürgerschaftsrechte und das öffentliche Interesse an einer zeitnahen Verbindlichkeit der mit der Rücknahme verbundenen staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einzelfallbezogen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen ist dabei namentlich, wie frühzeitig sich der Betroffene um einen Rückerwerb seiner früheren Staatsbürgerschaft bemüht hat und ob er ihm zumutbare Möglichkeiten zur Wiedererlangung ungenutzt verstreichen ließ.

28

Nach dem innerstaatlichen Recht haben zunächst die Verwaltungsbehörden sicherzustellen, dass dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung getragen wird. Hierzu gehört nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (a.a.O. S. 512 Rn. 58) - wie ausgeführt - künftig auch die Entscheidung, ob dem Betroffenen im Falle des drohenden Verlusts einer bereits vor der erschlichenen Einbürgerung bestehenden Unionsbürgerschaft eine angemessene Frist zur Wiedererlangung der früheren Staatsbürgerschaft einzuräumen ist. Erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine solche Frist, kann im Einzelfall sinnvoll sein, diese bereits vor oder mit dem Erlass der Rücknahmeentscheidung festzusetzen.

29

cc) Da im Falle des Klägers beim Erlass der letzten Behördenentscheidung die unionsrechtlichen Anforderungen insoweit noch nicht geklärt waren, hatte ausnahmsweise erst der erkennende Senat über die Einräumung einer weiteren Frist zur Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu entscheiden.

30

Eine solche Frist ist hier nicht nachträglich einzuräumen, um die Verhältnismäßigkeit der Rücknahme herzustellen oder zu wahren. Sie könnte zwar die Folgen des Staatsangehörigkeitsentzugs im Hinblick auf den überschießenden Verlust der Unionsbürgerschaft zumindest zeitweise abmildern. Mit seinem Statusfeststellungsantrag vom 26. September 2010 strebt der Kläger - dies ist zwischen den Beteiligten nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr streitig - nunmehr auch ein Wiederaufleben der österreichischen Staatsbürgerschaft ernsthaft an. Allerdings bewerten die Beteiligten die Erfolgsaussichten dieses Begehrens unterschiedlich. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es auch nicht offenkundig, dass eine rechtskräftige deutsche Gerichtsentscheidung über die rückwirkende Rücknahme Voraussetzung für eine dem Kläger günstige Entscheidung der österreichischen Staatsbürgerschaftsbehörde ist.

31

Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist eine (weitere) Frist hier schon deswegen nicht einzuräumen, weil sich der Kläger nicht so früh wie möglich in zumutbarer Weise um die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft bemüht und einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Jedenfalls der Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2008 hätte dem Kläger im Hinblick auf die zweite Vorlagefrage Anlass geben müssen, bei den österreichischen Behörden ein Verfahren mit dem Ziel einzuleiten, dass die kraft Gesetzes mit der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erloschene österreichische Staatsangehörigkeit mit der Rücknahme der Einbürgerung wiederauflebt oder er diese sonst wiedererlangt. Spätestens jedoch nach der Erklärung der Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2009 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union war dem Kläger - auch von seinem Rechtsstandpunkt aus - ein entsprechender Antrag bei den österreichischen Behörden zumutbar und abzuverlangen. Dem Kläger stand mithin objektiv selbst dann, wenn nicht der gesamte Zeitraum der Dauer der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe berücksichtigt wird, bereits eine mehr als angemessene Frist für den Versuch zur Verfügung, die österreichische Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen. Dies gilt außerdem selbst dann, wenn erst auf den Erlass des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union am 2. März 2010 abgestellt wird. Auch danach hat der Kläger noch mehr als ein halbes Jahr verstreichen lassen, ehe er einen formell verfahrenseinleitenden Antrag bei dem zuständigen Amt der steiermärkischen Landesregierung gestellt hat.

32

Bei der gebotenen Berücksichtigung und Gewichtung sämtlicher relevanter Umstände ist bei einzelfallbezogener Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit eine (weitere) Frist auch sonst nicht geboten. Nach rund zehnjähriger Prozessdauer überwiegt das öffentliche Interesse an einer zeitnahen Verbindlichkeit und Durchsetzung der Rücknahmeentscheidung.

33

c) Die rückwirkende Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist auch im Übrigen trotz der möglichen Folgen des Staatsangehörigkeitsentzugs auf die unionsrechtliche Stellung des Klägers nicht unverhältnismäßig.

34

Bei einem negativen Ausgang des eingeleiteten Wiedererlangungsverfahrens würde der Kläger endgültig staatenlos und auch die Unionsbürgerschaft voraussichtlich auf Dauer verlieren. Dies sind rechtlich gravierende Wirkungen, die neben dem Verlust der unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechte auch den Bereich der über die Staats- bzw. Unionsbürgerschaft vermittelten politischen Teilhabe erfassen und den Kläger als selbstständigen Unternehmensberater nach seiner Entlassung aus der Haft wirtschaftlich hart treffen können.

35

Die Rücknahme hat andererseits keine nachteiligen Folgen auf seine Ehefrau oder etwaige sonstige Familienangehörige. Auch als Staatenloser genießt der Kläger nach nationalem Recht einen hinreichenden Aufenthaltsschutz. Ebenso verbleibt ihm - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - aufgrund seiner Ehe mit einer Deutschen ein relativ gesicherter Aufenthaltsstatus mit Ausreise- und Rückkehrmöglichkeiten. Dies mildert im Ergebnis die mit dem Verlust der Unionsbürgerschaft verbundenen nachteiligen Folgen, die letztlich auf dem eigenen Verhalten des Klägers beruhen.

36

Der von ihm im Einbürgerungsverfahren begangene Pflichtverstoß war entgegen der Auffassung des Klägers von erheblichem Gewicht, das er auch nicht durch Zeitablauf verloren hat. Die Obliegenheit zur Anzeige anhängiger Ermittlungs- und Strafverfahren trägt der Bedingungsfeindlichkeit der Einbürgerung Rechnung, die deswegen auf klare Entscheidungsgrundlagen angewiesen ist (s. Berlit in: GK-StAR, Stand November 2010, § 12a Rn. 78). Sie soll den Staat von der Verpflichtung zur Einbürgerung solcher Ausländer freistellen, die mit Rücksicht auf die Begehung von gewichtigen Straftaten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verdienen oder bei denen dies jedenfalls möglich erscheint (BVerfG , Beschluss vom 22. Dezember 1993 - 2 BvR 2632/93 - NJW 1994, 2016 <2016 f.>). Gesichert wird das Einbürgerungserfordernis der Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG; § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 12a StAG), dem der nationale Gesetzgeber bei der Einbürgerung erhebliches Gewicht beigemessen hat. Der Kläger hat seine Wahrheitspflicht in doppelter Weise verletzt, indem er - wie bereits ausgeführt - sowohl das gegen ihn laufende österreichische als auch das deutsche Ermittlungsverfahren arglistig verschwiegen hat. Die Schwere dieses Rechtsverstoßes ist auch daran zu erkennen, dass ein solches Verhalten nunmehr nach § 42 StAG strafbar wäre. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b, Abs. 3 Europäisches Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl 2004 II S. 578; BGBl 2006 II S. 1351) ist der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder die Verschleierung einer erheblichen Tatsache, die dem Antragsteller zuzurechnen ist, der einzige Fall, in dem ein Vertragsstaat in seinem innerstaatlichen Recht den Verlust der Staatsangehörigkeit auch dann vorsehen darf, wenn der Betreffende dadurch staatenlos wird. Hierauf hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union Bezug genommen (EuGH a.a.O. Rn. 15, 52 und 54). Der Einwand schließlich, dass das österreichische Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK von der dortigen Behörde nicht zu Ende geführt werde und dass das deutsche Verfahren mittlerweile nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, vermag das Gewicht des Rechtsverstoßes im Nachhinein nicht zu relativieren. Zum Zeitpunkt der Einbürgerung im Jahr 1999 lag beim österreichischen Ermittlungsverfahren die behauptete überlange Verfahrensdauer noch nicht vor, und das deutsche Ermittlungsverfahren war noch nicht eingestellt, so dass die Einbürgerung unzweifelhaft zurückzustellen gewesen wäre. Später wurde das Ermittlungsverfahren eingeleitet, das zur Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten führte, so dass er zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig hätte eingebürgert werden können. Angesichts der Schwere des Rechtsverstoßes und der vergleichsweise kurzen Zeitspanne zwischen Einbürgerung und Rücknahme erscheint der Staatsangehörigkeitsentzug auch bei Berücksichtigung der unionsrechtlichen Folgen für den Kläger insgesamt nicht unverhältnismäßig.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die mit der Aufhebung vorangegangener Bewilligungsbescheide verbundene Rückforderung von Ausbildungsförderung.

2

Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 2001/02 Gebäude- und Infrastrukturmanagement an einer sächsischen Hochschule. Hierfür erhielt er antragsgemäß von Dezember 2001 bis August 2003 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. In den entsprechenden Anträgen hatte er jeweils verschwiegen, dass er neben den angegebenen Vermögenswerten auch Inhaber eines auf seinen Namen bei der D. Bank eingerichteten Wertpapierdepots gewesen war, das er am 8. Oktober 2001 auf seine Schwester übertragen hatte. Dieses Konto wies im Zeitpunkt des Eingangs des ersten Antrags auf Gewährung von Ausbildungsförderung am 20. Dezember 2001 ein Guthaben in Höhe von 20 598,20 € und im Zeitpunkt des Eingangs des zweiten Antrags auf Gewährung von Ausbildungsförderung am 25. Juli 2002 ein Guthaben von 21 329,88 € aus.

3

Nachdem der Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, hob er mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 seine Bewilligungsbescheide für den besagten Zeitraum auf und forderte den Kläger auf, die gewährte Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 5 639,76 € zurückzuzahlen.

4

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, bei dem Guthaben des Wertpapierdepots handele es sich nicht um sein Vermögen. Das Geld habe seiner zwischenzeitlich verstorbenen Großmutter gehört. Er habe das Wertpapierdepot für diese treuhänderisch verwaltet. Zudem habe er das Guthaben des Wertpapierdepots auf Anweisung seiner Großmutter auf seine Schwester übertragen und nicht um seine Bedürftigkeit herbeizuführen.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zu Begründung führte er aus, das Guthaben des Wertpapierdepots sei dem Vermögen des Klägers zuzurechnen. Die Übertragung dieses Depots auf seine Schwester vor der erstmaligen Antragstellung sei rechtsmissbräuchlich und damit nichtig. Bei Berücksichtigung dieses Guthabens übersteige das Gesamtvermögen des Klägers den ausbildungsförderungsrechtlichen Freibetrag derart, dass dieser seinen monatlichen Bedarf in dem in Rede stehenden Bewilligungszeitraum vollständig aus seinem anrechenbaren Vermögen habe decken können. Das Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Bewilligungsbescheide sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - nicht schutzwürdig. Daher könnten die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bei der im Rahmen des § 45 Abs. 1 SGB X vorzunehmenden Ermessensentscheidung stünden sich das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide und das öffentliche Interesse an einer möglichst effizienten Vergabe der nur beschränkt vorhandenen Förderungsmittel gegenüber. Letzteres verlange in den Fällen des Fehlens eines schutzwürdigen Vertrauens in aller Regel die Aufhebung einer rechtswidrigen Förderungsentscheidung und damit die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Beträge. Diese Entscheidung entspreche der ständigen Verwaltungsübung, an welche er, der Beklagte, auch aus Gründen der Gleichbehandlung aller Förderungsempfänger gebunden sei.

6

Die Klage des Klägers hatte vor dem Verwaltungsgericht, nicht aber vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Auf die Revision des Klägers hatte das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Denn dieses war abweichend von der ihm im Entscheidungszeitpunkt noch nicht bekannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangenen, ein (verdecktes) Treuhandverhältnis sei ausbildungsförderungsrechtlich unbeachtlich. In dem nunmehr angegriffenen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht der Berufung des Beklagten erneut stattgegeben und die Klage des Klägers abgewiesen.

7

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den vom Bundesverwaltungsgericht für die Annahme einer wirksamen Treuhandabrede im Rahmen der ausbildungsförderungsrechtlichen Vermögensregelungen aufgestellten rechtlichen Maßstab fehlerhaft angewandt. Es habe einerseits Beweisanzeichen, die für den Treuhandcharakter des Wertpapierdepots sprächen, wie etwa die strikte Separierung des Depotguthabens von seinem Vermögen, nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt. Andererseits habe es beispielsweise die fehlende Unterschrift seiner Großmutter auf der von ihm vorgelegten schriftlichen Treuhandvereinbarung zu Unrecht als ein Indiz gegen den Treuhandcharakter angesehen. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht in grober Weise gegen die Denkgesetze verstoßen, soweit es aus dem Umstand, dass der in dem Depot angelegte Geldbetrag nahezu das gesamte Vermögen seiner Großmutter darstellte, gefolgert habe, dass die Unterschrift der Großmutter auf der Treuhandvereinbarung und ein nachvollziehbarer Grund für ihren Abschluss zu erwarten gewesen wären.

8

Des Weiteren rügt der Kläger eine Verletzung des § 45 SGB X. Der Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass er sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, weil er die Bewilligungsbescheide durch arglistige Täuschung erwirkt habe. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts könne ihm lediglich vorgeworfen werden, bei der Antragstellung grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht zu haben. Dieser Irrtum des Beklagten führe zwingend zu einem Ermessensfehler. Die Prüfprogramme der beiden Ermessensvorschriften seien nicht identisch. Abgesehen davon sei das dem Beklagten im Rahmen des § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumte Ermessen in den Fällen des Fehlens eines schutzwürdigen Vertrauens nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auch nicht in Richtung auf die Rücknahme intendiert.

9

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht im Rahmen des § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130) und der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung geltenden Änderung durch Art. 4 Abs. 72 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718) - SGB X - ein sog. intendiertes Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung bejaht, wenn ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt. Es stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die Voraussetzungen für eine Rücknahme vorlagen und der Beklagte sein Rücknahmeermessen rechtsfehlerfrei betätigt hat.

11

Nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 SGB X kann der Leistungsträger einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, wenn der Begünstigte deswegen nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen durfte, weil dieser auf Angaben beruht, die er grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Soweit ein Verwaltungsakt zurückgenommen worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstatten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Bewilligungsbescheide, bei denen es sich um begünstigende Verwaltungsakte handelt, rechtswidrig waren, weil im gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung auch das Guthaben des Wertpapierdepots Vermögen des Klägers war und ihm daher im streitgegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Ausbildungsförderung zustand (1.). Der Kläger hat das Wertpapierdepot und dessen Übertragung auf seine Schwester grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht angegeben (2.), weshalb er sich nicht auf Vertrauen berufen kann und die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) zurückgenommen werden durften. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist eingehalten worden (3.). Der Beklagte hat bei der Rücknahmeentscheidung auch das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt (4.). Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass unter diesen Voraussetzungen die Rückforderung der erbrachten Leistungen, deren Höhe außer Streit steht, nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwingend ist.

12

1. Das Guthaben auf dem Wertpapierdepot ist als Vermögen des Klägers zu berücksichtigen. Es handelt sich insoweit nicht um Treugut (a). Die unentgeltliche Übertragung dieses Depots auf die Schwester des Klägers ist förderungsrechtlich unbeachtlich (b).

13

a) Das Oberverwaltungsgericht hat seiner erneuten Entscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung von Treuhandabreden im Rahmen der ausbildungsförderungsrechtlichen Vermögensregelungen ausdrücklich die vom Senat aufgestellten Rechtsgrundsätze (vgl. Urteile vom 4. September 2008 - BVerwG 5 C 12.08 - BVerwGE 132, 21 = Buchholz 436.36 § 27 BAföG Nr. 4 jeweils Rn. 13 f. und vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 2.10 - juris Rn. 12 f.) zugrunde gelegt. In rechtsfehlerfreier Anwendung dieses Maßstabs hat es den Abschluss einer Treuhandvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Großmutter verneint. Die hiergegen gerichteten Einwände der Revision greifen nicht durch.

14

Soweit die Revision rügt, das Oberverwaltungsgericht habe bei Anwendung der genannten Rechtsgrundsätze einen Rechtsfehler begangen, indem es Beweisanzeichen, die für den Treuhandcharakter des Wertpapierdepots sprächen, wie beispielsweise die strikte Separierung des Depotguthabens von dem Vermögen des Klägers und die Erteilung einer Depotvollmacht an seine Großmutter, unzutreffend bewertet habe, kritisiert sie der Sache nach dessen Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Das Gleiche gilt, soweit die Revision beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe beispielsweise die fehlende Unterschrift der Großmutter des Klägers auf der von ihm vorlegten schriftlichen Treuhandvereinbarung von Juni 1997 zu Unrecht als Indiz gegen den Treuhandcharakter angesehen. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Feststellung und Würdigung der Tatsachen ist nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht entzogen. Dementsprechend ist es dem Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich versagt, die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch eine eigene Würdigung zu korrigieren oder gar zu ersetzen. Es ist insoweit darauf beschränkt zu überprüfen, ob die tatrichterliche Würdigung auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, verletzt (vgl. Urteil vom 16. Mai 2012 - BVerwG 5 C 2.11 - BVerwGE 143, 119 Rn. 18). Das Revisionsvorbringen lässt nicht erkennen, dass die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts einem derartigen Fehler unterliegt.

15

Soweit die Revision im Zusammenhang mit der tatrichterlichen Würdigung des Umstandes, dass es sich bei dem Guthaben des Depots nahezu um das gesamte Vermögen der Großmutter des Klägers gehandelt habe, einen Verstoß gegen Denkgesetze rügt, der im Einzelfall als Verfahrensfehler zu behandeln sein kann (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 74 f.; Beschlüsse vom 2. August 2007 - BVerwG 8 B 23.07 - juris Rn. 4 und vom 26. Juni 2007 - BVerwG 4 BN 24.07 - juris Rn. 4), legt sie diesen nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dar.

16

Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur dann vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht aber schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - BVerwGE 142, 132 Rn. 32 m.w.N.). Sind bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung mehrere Folgerungen denkgesetzlich möglich, so ist es nicht nur nicht fehlerhaft, wenn das Tatsachengericht unter mehreren möglichen eine Folgerung wählt, sondern gerade auch seine ihm durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragene Aufgabe, sich unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung zu bilden (vgl. Beschluss vom 22. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 8.10 - juris Rn. 15 m.w.N.).

17

Die Revision zeigt nicht auf, dass die Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, aufgrund des besagten Umstandes hätte für die treuhänderische Bindung des Klägers ein nachvollziehbarer Grund bestehen müssen und es wäre zu erwarten gewesen, dass auch die Großmutter des Klägers die schriftliche Vereinbarung unterzeichnet hätte, aus logischen Gründen schlechterdings unhaltbar ist. Ebenso wenig ist dem Vorbringen der Revision schlüssig zu entnehmen, dass ihre Schlussfolgerung, der Kläger und seine Großmutter hätten hinsichtlich des Guthabens des Wertpapierdepots eine treuhänderische Bindung vereinbart, denkgesetzlich die einzig mögliche Folgerung aus dem besagten Umstand war.

18

b) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Übertragung des Wertpapierdepots auf die Schwester des Klägers förderungsrechtlich rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich ist und infolgedessen das Guthaben als Vermögen des Klägers zu behandeln ist.

19

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Vermögensübertragung unabhängig von ihrer bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit ausbildungsförderungsrechtlich wegen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich, wenn sie im Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck steht. Dieser Zweck besteht in der Durchsetzung des in § 1 BAföG verankerten Nachrangs der staatlichen Ausbildungsförderung. Danach wird Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nur geleistet, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Eine Vermögensübertragung steht im Widerspruch zu diesem Zweck, wenn der Auszubildende Vermögen überträgt, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen. Von einer entsprechenden Zweckbestimmung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Auszubildende sein Vermögen bzw. Teile desselben auf einen Dritten überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Dritter in diesem Sinne sind auch die Eltern oder ein Elternteil des Auszubildenden. Denn bei einer unentgeltlichen Übertragung von Vermögen steht der Wert des übertragenen Vermögens dem Auszubildenden für seinen Bedarf nicht mehr zur Verfügung. Hätte eine Anrechnung des unentgeltlich übertragenen Vermögens zu unterbleiben, würde die finanzielle Sicherung der Ausbildung in dem im Gesetz vorgesehenen Umfang nicht erreicht. Gerade weil das übertragene Vermögen nicht mehr vorhanden ist, wäre die Durchführung der Ausbildung entgegen der gesetzgeberischen Konzeption durch Gewährung staatlicher Fördermittel und nicht durch das anrechenbare Vermögen des Auszubildenden sicherzustellen. Aus diesem Grund stellt sich eine unentgeltliche Vermögenszuwendung an Dritte ausbildungsförderungsrechtlich grundsätzlich als Rechtsmissbrauch dar (vgl. Urteile vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 103.80 - Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1 S. 4 ff. und vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 2.10 - juris Rn. 12 und Beschluss vom 19. Mai 2009 - BVerwG 5 B 111.08 - juris Rn. 2). Ob die Unentgeltlichkeit der Übertragung genügt, um diese ohne Weiteres als Rechtsmissbrauch zu werten, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 3.09 - Buchholz 436.36 § 27 BAföG Nr. 6 Rn. 47). So kann die Unentgeltlichkeit als Kriterium für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit beispielsweise mit zunehmendem zeitlichem Abstand von der Antragstellung an Gewicht verlieren. Mit Rücksicht darauf ist es gerechtfertigt und gegebenenfalls im Einzelfall auch geboten, zusätzlich zur Unentgeltlichkeit auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der unentgeltlichen Übertragung von Vermögenswerten und der Beantragung von Ausbildungsförderung abzustellen. Denn ein solcher Zusammenhang spricht in gewichtiger Weise für einen Rechtsmissbrauch.

20

Das Oberverwaltungsgericht hat sich von diesen Rechtsgrundsätzen leiten lassen. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen und den Senat bindenden Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist seine rechtliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Übertragung des Wertpapierdepots auf die Schwester des Klägers wegen der Unentgeltlichkeit und des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der am 8. Oktober 2001 erfolgten Vermögensverschiebung und dem am 20. Dezember 2001 gestellten Antrag auf Ausbildungsförderung als rechtsmissbräuchlich zu werten ist.

21

2. Das angefochtene Urteil steht auch mit Bundesrecht in Einklang, soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, dass das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdig ist und die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) zurückgenommen werden durften, weil diese zwar nicht durch eine arglistige Täuschung im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X erwirkt worden sind (a), aber im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf grob fahrlässig gemachten unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhen (b).

22

a) Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Auszubildende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem für die Bewilligung von Ausbildungsförderung maßgeblich beteiligten Bediensteten des Amtes für Ausbildungsförderung einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer für ihn günstigen Entscheidung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Behörde hiernach gefragt hat oder nicht (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 2 C 23.96 - BVerwGE 102, 178 <180 f.> = Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 16 S. 11 f. m.w.N.). Das Verschweigen wahrer Tatsachen ist - in Abgrenzung zu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X - eine Täuschung, wenn das Amt für Ausbildungsförderung nach diesen Tatsachen gefragt hat. Der Frage eines maßgeblich beteiligten Bediensteten des Amtes für Ausbildungsförderung steht es gleich, wenn in einem Vordruck oder Antragsformular erkennbar eine bestimmte Frage aufgeworfen wird, welche dann wahrheitswidrig beantwortet wird.

23

Das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach von diesen rechtlichen Anforderungen ausgegangen. Gemessen daran hat es in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine arglistige Täuschung abgelehnt. Denn nach seinen bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen ist in den Antragsformularen nicht ausdrücklich nach (unentgeltlichen) Vermögensverfügungen gefragt worden, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung gestanden haben.

24

b) Das Vertrauen des Begünstigten ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht schutzwürdig, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, weil schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 a.a.O. Rn. 24 m.w.N.).

25

In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht entschieden, dass der Kläger die unentgeltliche Übertragung des Wertpapierdepots auf seine Schwester grob fahrlässig verschwiegen hat. Nach dem Sachverhalt, wie er sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt, musste es sich dem Kläger aufdrängen, dass er diese Vermögensverfügung anzugeben hatte, ohne dass danach konkret gefragt worden ist. Denn sie konnte für die Entscheidung des Amtes für Ausbildungsförderung erheblich sein. Selbst wenn der Kläger davon ausgegangen sein sollte, dass ihm dieses Vermögen wegen der Übertragung auf seine Schwester nicht (mehr) zuzurechnen war und von ihm nicht zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden musste, hätte er diese Vorgänge zumindest offenlegen müssen, um dem Beklagten eine eigenständige Prüfung und Bewertung der vorgetragenen Verwertungshindernisse zu ermöglichen. Die Nichtangabe des Wertpapierdepots war für die Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide auch kausal (vgl. zu diesem Erfordernis Urteil vom 30. Juni 2010 a.a.O. Rn. 40).

26

3. Des Weiteren ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte den Rücknahmebescheid vom 1. Oktober 2003 gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erlassen hat.

27

Die Jahresfrist beginnt, sobald die Rücknahmebehörde die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 3.09 - juris Rn. 25 m.w.N.). Sie ist hier nicht schon im September 2002 durch den Hinweis des Bundesamtes für Finanzen auf die vom Kläger gestellten Freistellungsaufträge für Kapitaleinkünfte in Lauf gesetzt worden, der den Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hat, sondern erst durch die vom Kläger nach einem entsprechenden Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 31. Januar 2003 vorgelegten Unterlagen. Der Beklagte durfte auch die aus dem Datenabgleich erlangten Informationen verwerten und zum Anlass nehmen, den Kläger zu ergänzenden Angaben zu seinem Kapitalvermögen aufzufordern. Insbesondere rechtfertigt die durch Gesetz vom 2. Dezember 2004 (BGBl I S. 3127) lediglich klarstellende Einfügung des § 41 Abs. 4 BAföG nicht den Umkehrschluss, die Erkenntnisse aus einem bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Datenabgleich unterlägen einem Verwertungsverbot (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 a.a.O.).

28

4. Das Oberverwaltungsgericht hat schließlich im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden ist. Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist zwar seine Auffassung, die Ermessensbetätigung der Ämter für Ausbildungsförderung nach § 45 Abs. 1 SGB X sei in dem Sinne vorgezeichnet, dass sie im Regelfall nur durch eine Entscheidung für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides ausgeübt werden kann (sog. intendiertes Ermessen), wenn einer der Fälle des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt (a). Der Beklagte hat aber das ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (b).

29

a) Die auf § 45 Abs. 1 und 4 SGB X gestützte Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit steht im Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung (vgl. Urteile vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 - BVerwGE 78, 101 <105> = Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 27 S. 13 und - BVerwG 5 C 16.86 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 29 S. 26; s.a. BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 - SozR 3-1300 § 45 Nr. 5). Die Ermessensentscheidung erfordert eine sachgerechte Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände mit dem privaten Interesse des Auszubildenden an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides (vgl. Urteile vom 27. Juni 1991 - BVerwG 5 C 4.88 - BVerwGE 88, 342 <347> = Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 16 S. 20 und vom 8. Juni 1989 - BVerwG 5 C 68.86 - Buchholz 436.36 § 50 Nr. 5 S. 4; s.a. BSG, Urteil vom 11. April 2002 - B 3 P 8/01 R - juris Rn. 21). Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. Dies gilt auch, wenn eine Berufung des Auszubildenden auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausscheidet. Die für diese Fälle vom Oberverwaltungsgericht angenommene Begrenzung des Entscheidungsspielraums der Ämter für Ausbildungsförderung, lässt sich weder unmittelbar aus § 45 SGB X (aa) noch aus dem Bundesausbildungsförderungsrecht und seinen fachspezifischen Wertungen (bb) ableiten.

30

(aa) Die Auslegung der Ermessensvorschrift des § 45 Abs. 1 SGB X ergibt kein intendiertes Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung. Hiergegen sprechen neben dem Wortlaut vor allem systematische Erwägungen.

31

§ 45 Abs. 1 SGB X eröffnet Ermessen ("darf"), ohne danach zu unterscheiden, ob sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 3 SGB X auf Vertrauensschutz berufen kann oder nicht.

32

Die binnensystematische Betrachtung des § 45 SGB X bestätigt diesen Befund. So verbietet § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X für den Fall, dass der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist, die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Für den Fall, dass das Vertrauen des Begünstigten in die Bestandskraft des Verwaltungsakts gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht schutzwürdig ist, fehlt eine vergleichbare Regelung. Dies wiegt um so schwerer, als § 48 Abs. 2 VwVfG, dem § 45 Abs. 2 SGB X weitgehend entspricht, in Satz 4 ausdrücklich bestimmt, dass der Verwaltungsakt in den Fällen des fehlenden Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, weshalb § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG auch als ermessenslenkende Norm anzusehen ist (vgl. Urteile vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <57> = Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25 S. 3 und vom 23. Mai 1996 - BVerwG 3 C 13.94 - Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 S. 13).

33

In dieselbe Richtung weist der systematische Vergleich mit der Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB X, die in Satz 1 eine gebundene Aufhebungsentscheidung vorsieht und in Satz 2 ausdrücklich normiert, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt (mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse) aufgehoben werden "soll". Eine solche Differenzierung findet sich in § 45 SGB X nicht.

34

(bb) Ebenso wenig ist dem einschlägigen Fachrecht zu entnehmen (vgl. zur Zulässigkeit, ein intendiertes Ermessen kraft Fachrechts anzunehmen z.B. Urteil vom 25. September 1992 - BVerwG 8 C 68 u. 70.90 - BVerwGE 91, 82 <90 f.> = Buchholz 454.71 § 3 WoGG Nr. 6 S. 8 f.), dass das Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X in der Weise Vorrang genießt, dass die Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide vorgegeben ist.

35

Eine entsprechende fachgesetzliche Intention lässt sich entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht aus dem in § 1 BAföG normierten Grundsatz des Nachrangs der staatlichen Ausbildungsförderung folgern. Durch diesen soll sichergestellt werden, dass die begrenzten staatlichen Förderungsmittel sinnvoll eingesetzt werden und für förderungsbedürftige Auszubildende zur Verfügung stehen. Auch wenn dies die Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide und die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Ausbildungsförderung nahe legt, ist § 1 BAföG keine ermessenslenkende Bedeutung für die hier in Rede stehende Konstellation beizumessen. Denn die Vorschrift unterscheidet nicht zwischen Auszubildenden, die die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllen, und solchen, die dies nicht tun. Sie beansprucht vielmehr für beide Fallgruppen Geltung. Infolgedessen fehlt es an einer hinreichend aussagekräftigen Grundlage für die Annahme, dass dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X im Regelfall Vorrang vor dem kollidierenden Prinzip der Bestandskraft von Verwaltungsakten zukommt. Der bloße Verstoß gegen den Nachranggrundsatz sagt für sich noch nichts darüber aus, mit welcher Gewichtigkeit diese Belange in die Abwägung einzustellen sind.

36

Gegen die Annahme eines durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz intendierten Ermessens spricht in deutlicher Weise die Vorschrift des § 20 BAföG. Ihr ist eine differenzierte Regelung zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die Aufhebung rechtswidriger Bewilligungsbescheide und die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen der Ausbildungsförderung mit Wirkung für die Vergangenheit in Betracht kommt und welche Entscheidung die Ämter für Ausbildungsförderung dabei jeweils zu treffen haben.

37

Bis zum Inkrafttreten des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469) mit Wirkung zum 1. Januar 1981 enthielt § 20 BAföG eine vollständige und abschließende Regelung über die Aufhebung rechtswidriger Bewilligungsbescheide und die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen der Ausbildungsförderung. Mit dem Inkrafttreten des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wurden die früheren Aufhebungs- und Erstattungstatbestände des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BAföG gestrichen, weil die von ihnen erfassten Sachverhalte durch die §§ 45, 48 und 50 SGB X abgedeckt sind. Durch diese Streichung und den ausdrücklichen Hinweis auf die §§ 44 bis 50 SGB X in § 20 Abs. 1 Satz 1 BAföG wurde klargestellt, dass die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Erstattung der Förderungsleistungen in den von § 20 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB X nicht erfassten Fällen fortan dem Regelungsregime des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch unterstehen und somit an die dort normierten Voraussetzungen und Grundsätze gebunden sind (vgl. Urteile vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 - a.a.O. <104> bzw. S. 12 und - BVerwG 5 C 16.86 - a.a.O. S. 25). Mit Rücksicht darauf besteht ein strikter Aufhebungszwang ("ist ... aufzuheben") nur in den Fällen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 BAföG. In den Fällen des § 48 SGB X ("soll") müssen die Ämter für Ausbildungsförderung die Bewilligungsbescheide nur im Regelfall zurücknehmen und sind nur bei einer atypischen Fallgestaltung zur Ausübung von Ermessen berechtigt und verpflichtet. In den Fällen des § 45 Abs. 1 und 4 SGB X ("darf") steht die Rücknahme stets im Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung (vgl. Urteile vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 - BVerwGE 78, 101 <105> = Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 27 S. 13 und - BVerwG 5 C 16.86 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 29 S. 26). Diese klaren und eindeutigen gesetzlichen Vorgaben würden missachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände von vornherein und unabhängig vom Einzelfall ein Vorrang eingeräumt und ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründet würde.

38

Nichts anderes folgt aus den Urteilen des Senats vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 und 5 C 16.86 - (jeweils a.a.O.). Die dort getroffene Aussage,

"dass beim Vorliegen eines dieser Sachverhalte § 45 abs. 2 satz 3 nr. 1 bis 3 sgb x> die Ermessensbetätigung der Behörde im Normalfall ebenfalls zur Rückgängigmachung des Verwaltungsaktes führen wird" (vgl. a.a.O. <106> bzw. S. 13 und S. 26),

ist im Zusammenhang mit den beiden nachfolgenden Sätzen zu sehen,

"für die weiter in Betracht zu ziehenden Fälle des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X folgt das gleiche kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung daraus, dass die Behörde die Aufhebung, wenn die Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt sind, vornehmen soll und damit, wie schon ausgeführt, zur Aufhebung im Regelfall verpflichtet ist. Hier wie dort sind demnach beim Gesetzesvollzug Ergebnisse zu erwarten, die bei typischer Fallgestaltung denen bei Anwendung des § 20 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BAföG entsprechen" (vgl. a.a.O.).

Aufgrund dieses Kontextes ist die angeführte Erklärung als empirisch-prognostische Einschätzung des Senats zum Ergebnis des Gesetzesvollzugs zu verstehen. Eine weitergehende Aussage dahin, dass die Ermessensentscheidung nach § 45 Abs. 1 und 4 SGB X in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aus normativen Gründen, insbesondere des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, in Richtung Rücknahme intendiert wäre, ist ihr nicht zu entnehmen.

39

b) Die Ausübung des Rücknahmeermessens durch den Beklagten ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Maßgeblich sind insoweit die Erwägungen im Widerspruchsbescheid. Denn eine behördliche Entscheidung, deren Recht- und Zweckmäßigkeit - wie hier - durch die Widerspruchsbehörde nachgeprüft werden kann, erhält gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst durch den Widerspruchsbescheid ihre für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt (vgl. Beschluss vom 26. April 2011 - BVerwG 7 B 34.11 - BRS 77 Nr. 68 und Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - BVerwGE 136, 140 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 Rn. 24).

40

Dem Beklagten war ausweislich des Widerspruchsbescheides bewusst, dass ihm Ermessen zusteht, und er hat dieses erkennbar ausgeübt. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist der Beklagte auch nicht von der falschen Ermessensvorschrift ausgegangen, soweit er im Widerspruchsbescheid die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X (arglistige Täuschung) statt der Nr. 2 dieser Vorschrift (grobe Fahrlässigkeit) angenommen hat. Denn das Ermessen ist ihm nicht durch diese Regelung, sondern durch die Bestimmung des § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumt. Seine Ermessenserwägungen sind auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil er im Widerspruchsbescheid zu Unrecht von einer arglistigen Täuschung des Klägers ausgegangen ist. Denn ein Fehler in der rechtlichen Bewertung ist unschädlich, wenn er sich in den Ermessenserwägungen nicht niederschlägt. Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat seine Ermessensentscheidung nicht auf den Grad des klägerischen Verschuldens gestützt, sondern auf die Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide und den Schutz fiskalischer Interessen abgestellt. Bei der Ausübung des Ermessens hat sich der Beklagte gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch am Zweck der Ermächtigung orientiert. Er hat das Interesse des Klägers an der Beständigkeit der rechtswidrigen Bewilligungen mit dem öffentlichen Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgewogen. Letzteres schließt die Einbeziehung fiskalischer Interessen nicht aus (vgl. Urteile vom 19. Februar 2009 - BVerwG 8 C 4.08 - juris Rn. 46 und vom 31. August 2006 - BVerwG 7 C 16.05 - Buchholz 428 § 31 VermG Nr. 12 Rn. 25). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte von dem Gedanken hat leiten lassen, das Interesse des Klägers, die zu Unrecht erhaltenen Mittel zu behalten, habe hinter das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen und effizienten Vergabe der nur beschränkt vorhandenen Förderungsmittel zurückzutreten. Da der Kläger bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens keine für die Ermessensausübung relevanten Gesichtspunkte vorgetragen hat, konnte sich der Beklagte auch auf diese knappe allgemeine Interessenabwägung beschränken.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am 10.2.1958 geborener ehemaliger libanesischer Staatsangehöriger, reiste im Sommer 1986 zusammen mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 21.10.1987 ab. In der Folgezeit erhielt der Kläger erstmalig am 19.9.1991 eine Aufenthaltsbefugnis, welche fortlaufend verlängert wurde; seit dem 21.6.2001 verfügte er über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 9.2.2001 beantragte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den in den Jahren 1987, 1989 und 1991 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens gab der Kläger gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart eine Loyalitätserklärung ab, wonach er keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Am 22.5.2003 wiederholte der Kläger gegenüber der Beklagten diese Loyalitätserklärung. Vor Bescheidung des Einbürgerungsantrags stellte die Beklagte Ermittlungen an, ob der Einbürgerung öffentliche Belange entgegenstehen; sie richtete hierzu mehrere Anfragen an Sicherheitsbehörden. Hierauf teilte die Landespolizeidirektion Stuttgart II unter dem 4.4.2001 mit, dass gegen den Kläger bzw. seine Ehefrau weder Ermittlungsverfahren anhängig seien noch sonst in polizeilicher Hinsicht nachteilige Erkenntnisse bestünden. Bereits mit Schreiben vom 3.4.2001 bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg die Landeshauptstadt Stuttgart um Übersendung der bei ihr über den Kläger geführten Ausländerakten. Auf telefonische Nachfrage teilte das Landeskriminalamt - wie in einem Aktenvermerk festgehalten ist - mit, die Akten würden aufgrund der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppen benötigt. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg erteilte auf die durchgeführte Sicherheitsanfrage im Falle des Klägers - anders als hinsichtlich seiner Familienangehörigen - am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfung noch nicht habe abgeschlossen werden können. Mit Urkunde der Landeshauptstadt Stuttgart vom 20.5.2003, ausgehändigt am 22.5.2003, wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
Mit Schreiben vom 19.4.2005 teilte das Innenministerium Baden-Württemberg der Landeshauptstadt Stuttgart mit, dass über den Kläger beim Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse im Zusammenhang mit der „Hizb Allah“ (Partei Gottes) vorlägen. Danach habe der Kläger von deutschem Boden aus diese Organisation unterstützt, welche einen islamischen Gottesstaats befürworte und deren Bestrebungen auf die Vorbereitung der Anwendung von Gewalt gegen Israel gerichtet seien. Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9.5.2005 zu der beabsichtigten Rücknahme seiner Einbürgerung an, worauf er sich nicht äußerte.
Mit Bescheid vom 31.8.2005 nahm die Landeshauptstadt Stuttgart die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 mit Wirkung ab Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück und forderte ihn zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde auf. Zur Begründung der auf § 48 LVwVfG gestützten Rücknahme der Einbürgerung führte die Landeshauptstadt aus, der Kläger habe seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erwirkt, da er über seine Aktivitäten für extremistische Organisationen getäuscht habe. Auch habe der Kläger vor Vollzug der Einbürgerung eine falsche Loyalitätserklärung abgegeben, welche nicht von seiner inneren Überzeugung getragen gewesen sei. Die Einbürgerung des Klägers sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da ein Ausschlussgrund gemäß § 86 Nr. 2 AuslG bestanden habe. Ausweislich einer Mitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg sei der Kläger dem Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der verfassungsfeindlichen „Hizb Allah“ bekannt geworden. So habe er in dem Zeitraum vom 4. April 1999 bis zum 24. Mai 2003 an zahlreichen, in der Verfügung im Einzelnen aufgeführten, Veranstaltungen der „Hizb Allah“ teilgenommen, auf welchen verfassungsfeindliche, vor allem gegen das Existenzrecht Israels gerichtete Reden gehalten worden seien. Auch sei der Kläger auf einer Vollversammlung der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. in Leonberg am 2.5.1999 als deren Schatzmeister in den Vorstand gewählt worden, im Jahre 2001 habe man ihn in diesem Amt bestätigt. Bei der im Jahre 1982 gegründeten „Hizb Allah“ handle es sich um eine islamistisch-schiitische Organisation, welche im Libanon inzwischen eine herausragende politische Rolle spiele. Ihre Miliz habe sich im südlichen Libanon als militärische Macht etabliert, wobei zu ihren Aktivitäten auch die Entführung israelischer Soldaten, Selbstmordattentate und Geiselnahmen gehörten. Durch eine bewusst militante Prägung ihrer männlichen Anhänger schaffe sie sich ein gewaltbereites Potential, das vor allem gegen Israel zum Einsatz komme. Bei den Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in Deutschland stünden diese antiisraelischen und antijüdischen Zielsetzungen sowie die finanzielle und moralische Unterstützung der Kämpfer gegen Israel im Vordergrund. Die „Hizb Allah“ vertrete das Konzept eines konstitutionellen Gottesstaates mit herrschendem schiitischem Klerus nach iranischem Vorbild und lehne die Wertordnung des Grundgesetzes ab. An den inkriminierten Bestrebungen und Aktivitäten der „Hizb Allah“ nehme auch ein dieser Organisation nahestehender Ortsverein teil, was auch dann gelte, wenn dessen Tätigkeit nicht ausschließlich darin bestehe, die Ziele der „Hizb Allah“ mitzutragen.
Der Kläger habe sich aktiv als Vorstandsmitglied in einem derartigen Verein betätigt und über einen längeren Zeitraum zustimmend oder jedenfalls ohne Widerspruch an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen. Dies stelle eine Bestrebung dar, über welche der Kläger die Einbürgerungsbehörde getäuscht habe. Die am 22.5.2003 erfolgte Einbürgerung stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erfolgten Einbürgerung überwiege das Interesse des Klägers am weiteren Fortbestand seiner deutschen Staatsangehörigkeit. In das Ermessen werde dabei vor allem auch eingestellt, dass der Kläger durch die Rücknahme der Einbürgerung nicht staatenlos werde. Seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband sei unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit erfolgt, weil die libanesischen Behörden die Entlassung aus der libanesischen Staatsangehörigkeit regelmäßig verweigerten.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, welchen das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Ausgangsbescheids zurückwies.
Die am 6.12.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil des Einzelrichters (§ 6 VwGO) vom 25.9.2006 abgewiesen.
10 
In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die angegriffene Rücknahme der Einbürgerung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 LVwVfG. Diese allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung sei mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz im Falle einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung jedenfalls dann anwendbar, wenn diese durch bewusste Täuschung erwirkt worden sei und die Rücknahme zeitnah erfolge. Der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erlangten Einbürgerung stehe weder das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG noch grundsätzlich das Verbot des Verlustes der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen entgegen. Die auf § 85 AuslG a.F. gestützte Einbürgerung des Klägers stelle sich als von Anfang an rechtswidrig dar. Der Kläger habe nicht, wie von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefordert, ein von innerer Überzeugung getragenes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben. An den in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG normierten Voraussetzungen habe es bereits im Einbürgerungszeitpunkt gefehlt, da der Kläger entgegen der von ihm am 2.7.2001 und am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen Bestrebungen unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet hätten. Die dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgehaltenen Veranstaltungsteilnahmen stellten inkriminierte Bestrebungen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG dar, da sie die verfassungsfeindlichen Ziele der Bestrebung förderten und ihre potentielle Gefährlichkeit erhöhten. Der Kläger habe über Jahre hinweg zum Unterstützungskreis der „Hizb Allah“ gehört; er habe nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung an der Gründung der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart mitgewirkt und von 1999 bis zum Jahre 2004 dem Vorstand dieses Vereins angehört. Die „Hizb Allah“ habe die islamische Kulturgemeinschaft Stuttgart dazu benutzt, ihre eigenen verfassungsfeindlichen Ziele zu propagieren und durchzusetzen. Die islamische Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart weise eine derartige Nähe zur „Hizb Allah“ auf, dass der Verein als von der „Hizb Allah“ beeinflusst und gesteuert anzusehen und seine Aktivitäten als „Hizb Allah“-Aktivitäten zu qualifizieren seien. Auch verfolge die im Jahre 1982 gegründete „Hizb Allah“ Bestrebungen, welche durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichteten Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die „Hizb Allah“ gelte als gewaltbereite Terrororganisation mit dem erklärten Ziel der Vernichtung Israels.
11 
Der Kläger habe auch vor seiner Einbürgerung nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der Bestrebungen der „Hizb Allah“ abgewandt zu haben. Ein derartiges Abwenden habe er weder in seinen Erklärungen vom 2.7.2001 bzw. 22.5.2003 noch in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltend gemacht. Da es somit an der gesetzlichen Einbürgerungsvoraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefehlt habe, hätte die Beklagte die begehrte Einbürgerung zwingend ablehnen müssen. Der Kläger habe seine von Anfang an rechtswidrige Einbürgerung durch bewusste Täuschung erlangt. Er habe es in seinen Bekenntniserklärungen vom 2.7.2001 und 22.5.2003 bewusst unterlassen, Angaben über seine Tätigkeit in der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart und seine weiteren Unterstützungshandlungen für die „Hizb Allah“ zu tätigen. Er habe in seinen Loyalitätserklärungen bewusst wahrheitswidrig versichert, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unterstützen. Als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. und als Teilnehmer an zahlreichen Veranstaltungen habe ihm die Unterstützung inkriminierter Bestrebungen bewusst sein müssen. Daher leide die von der Landeshauptstadt Stuttgart verfügte Rücknahme der rechtswidrigen Einbürgerung nicht an einem Ermessensfehler bzw. stelle sich nicht als unverhältnismäßig dar.
12 
Gegen das am 17.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2006 die bereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene Berufung eingelegt; er hat innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof verlängerten Berufungsbegründungsfrist beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 zu ändern und die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben.
14 
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme seiner Einbürgerung dar. Das angegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begründung fälschlicherweise davon aus, er habe eine rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige bzw. bewusste Täuschung erwirkt. Die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung, nämlich eine rechtswidrige Täuschungshandlung zur Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums, lägen nicht vor. Zutreffenderweise gehe die angegriffene Verfügung zwar davon aus, dass er als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart tätig geworden sei. Dieser Umstand sei der Beklagten jedoch lange vor Verfügung der Einbürgerung bekannt gewesen, da seine Bestellung zum Schatzmeister dem Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart bereits am 2.6.1999 angezeigt worden sei. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens habe die Beklagte auch von den Bedenken des Landeskriminalamts hinsichtlich seiner vermuteten Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppierungen Kenntnis erlangt. In Übereinstimmung hiermit habe das Landesamt für Verfassungsschutz auf die Anfrage der Beklagten vom 17.2.2003 hin lediglich eine Zwischennachricht erteilt, wonach seine sicherheitsmäßige Überprüfung nicht abgeschlossen sei. Sämtliche für die Einbürgerung relevanten Erkenntnisse hätten sich im Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde in der Akte der Beklagten befunden und seien dieser daher bewusst gewesen. Bereits aus diesem Grund könne nicht davon ausgegangen werden, dass er einen Irrtum erregt oder aufrechterhalten habe, welcher für die Einbürgerung kausal gewesen sei. Der Beklagten sei es verwehrt, die Rücknahmeentscheidung auf diese Umstände zu stützen, da sie die Einbürgerung in Kenntnis des konkreten und bekannten Sachverhalts verfügt habe. Unzutreffenderweise setze das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts seine Tätigkeit als Kassierer bei der islamischen Kulturgemeinschaft mit einer Unterstützung radikaler Ziele der „Hizb Allah“ gleich. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der „Hizb Allah“ tatsächlich um eine Organisation handle, welche durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichteter Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährde. Entgegen der Annahme der Beklagten gebe es die „Hizb Allah“ als solche nicht, vielmehr seien bei dieser Organisation verschiedene Flügel und Richtungen erkennbar. Die „Hizb Allah“ sei im heutigen Libanon, dem wohl demokratischsten Staat im Nahen Osten, als größte Organisation der Muslime im Parlament vertreten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie den Versuch unternommen, den Libanon in einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu verwandeln, vielmehr erkenne sie das pluralistische System des Libanon ausdrücklich an. Im Übrigen verfolge die „Hizb Allah“ nicht ausschließlich politische Ziele, sondern unterhalte im Libanon sehr viele soziale Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser. Es sei daher verfehlt, die „Hizb Allah“ auf das angebliche Ziel der Vernichtung Israels und der Verübung von Gewalttaten zu reduzieren. Jedenfalls gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die „Hizb Allah“ außerhalb des Libanon oder gar in Deutschland antidemokratische und verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Unabhängig hiervon stelle das angegriffene Urteil die ihm unterstellte Verbindung als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft zum vermeintlich gewaltbereiten Teil der „Hizb Allah“ nicht dar. Eine Verbindung zwischen dem Kulturverein und den Rednern, welche angeblich der „Hizb Allah“ nahestünden, lasse in keiner Weise erkennen, aufgrund welcher Tatsachen ihm verfassungsfeindliche Ziele unterstellt würden. Er selbst habe die Teilnahme an den vorgehaltenen Veranstaltungen des islamischen Kulturvereins nie bestritten, diese sei jedoch lediglich in seiner Funktion als Kassierer erfolgt. Er habe an diesen Veranstaltungen teilgenommen, um Mitgliedsbeiträge von den Mitgliedern des Kulturvereins zu erheben, wofür man ihn als Kassierer gewählt habe. Die gesammelten Gelder würden benötigt, um den Verein und dessen kulturelle Veranstaltungen zu finanzieren. Er selbst habe auf keiner einzigen Veranstaltung das Wort ergriffen oder eine Meinung kundgetan, aus der auf eine verfassungswidrige Haltung geschlossen werden könne. Aus seiner bloßen Anwesenheit bei den in der angegriffenen Verfügung aufgeführten Veranstaltungen lasse sich in keiner Weise schließen, dass er den Inhalt der Reden geteilt und damit selbst verfassungswidrige Zielsetzungen unterstützt habe. Lediglich hilfsweise sei zu beachten, dass er sich durch die Widerspruchsbegründung, die Klagebegründung und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts von ihm unterstellten verfassungsfeindlichen Bestrebungen distanziert habe.
15 
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie hebt hervor, die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle im Falle einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass der Kläger wahrheitswidrig eine Erklärung hinsichtlich seiner Verfassungstreue abgegeben habe. Sein Vortrag im gerichtlichen Verfahren, er habe die inhaltliche Ausrichtung und die Ziele der islamischen Kulturgemeinschaft nicht geteilt, sei als unglaubhaft und verfahrensangepasst zu bewerten. Gerade in Anbetracht seiner Funktion als Schatzmeister sei nicht nachzuvollziehen, dass er über die Ausrichtung dieser Vereinigung nicht in Kenntnis gewesen sei; dies gelte auch hinsichtlich der Ausführungen bezüglich einer Aufsplitterung der „Hizb Allah“ in verschiedene mehr oder weniger gewaltbereite Flügel.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Landeshauptstadt Stuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
23 
1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
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Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
28 
Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
30 
Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
35 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
36 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
23 
1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
27 
Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
28 
Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
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Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
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2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine neue, auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt ein Viertel, die Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Hinsichtlich der Entscheidung über die Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung wird für die Beklagte die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am ... geborener türkischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1978 im Wege des Familiennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, besitzt seit 1986 ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Im Jahr 1987 erlangte er den Hauptschulabschluss. Aus seiner am 20.06.1990 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind drei 1993, 1998 und 2008 geborene Kinder hervorgegangen.
Am 14.06.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung. Hierbei gab er u.a. die geforderte Loyalitätserklärung ab. Nachdem die Beklagte das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 85 AuslG festgestellt und insbesondere das Landesamt für Verfassungsschutz ihr unter dem 13.07.2000 mitgeteilt hatte, dass die Einbürgerung unbedenklich sei, erteilte sie dem Kläger am 15.08.2000 eine bis zum 14.08.2002 befristete Zusage der Einbürgerung für den Fall, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Am 27.09.2001 ging der Beklagten die dem Kläger am 19.09.2001 erteilte Erlaubnis der türkischen Behörden zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit zu.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Landesamt für Verfassungsschutz am 12.12.2001 mit, dass es den Einbürgerungsvorgang dem Innenministerium Baden-Württemberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt habe.
Am 18.02.2002 gab der Kläger auf Aufforderung der Beklagten erneut ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und eine entsprechende Loyalitätserklärung ab.
Unter dem 29.08.2003 teilte das Innenministerium dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass es der Einbürgerung des Klägers zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zustimme, da dieser sich in der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ - IGMG - engagiere und zumindest im Jahr 2000 dem Vorstand dieser Gemeinschaft in Mannheim angehört habe.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 15.01.2004 (Bl. 159 der Einbürgerungsakten) gab der Kläger bei einer Vorsprache auf der Einbürgerungsbehörde an, sich seit Jahren in der IGMG in Mannheim zu engagieren und sich mit deren Gedankengut zu identifizieren. Ein Austritt käme für ihn allenfalls bei einem Verbot des Vereins in Frage.
Mit Verfügung vom 15.01.2004 lehnte die Beklagte nach vorheriger Anhörung die Einbürgerung des Klägers ab, da es an der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG fehle und ein Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 2 AuslG bestehe.
Den gegen diese Verfügung am 12.02.2004 eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe, nachdem das Widerspruchsverfahren zunächst einvernehmlich geruht hatte, mit Bescheid vom 21.02.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Einbürgerung sei nach den §§ 10 ff. StAG, hilfsweise nach § 8 StAG zu bewerten. Nach § 40 c StAG seien die §§ 8 - 14 in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthielten als die Neufassung. Der Kläger erfülle die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. nicht, zudem liege der Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. vor. Er habe die IGMG durch seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied in Mannheim zu einer Zeit unterstützt, als diese noch als homogene verfassungsfeindliche Organisation zu betrachten gewesen sei. Die späteren inneren Veränderungen, die die IGMG heute im Hinblick auf ihre Verfassungsfeindlichkeit als inhomogene Organisation erscheinen ließen, seien für die Bewertung des vorliegenden Einbürgerungsbegehrens ohne Belang. Aufgrund der Unterstützung der IGMG, die nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. die Einbürgerung ausschließe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich vorbehaltlos zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne. Eine Abwendung von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen sei nicht erfolgt.
10 
Am 03.03.2011 erhob der Kläger Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe, zu deren Begründung er u.a. vortrug, er habe nie Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten. Im Jahr 2000 sei er Mitglied des Vorstandes der IGMG in Mannheim gewesen. Der Vorstand habe aus neun bis zwölf Personen bestanden. Er sei insbesondere für Hausaufgabenbetreuung verantwortlich gewesen. Schon damals sei er gegen die insbesondere von der Gründergeneration vertretene „Erbakan-Linie“ gewesen. Er sei gegen jeden Absolutheitsanspruch der islamischen Religion gewesen und für ein tolerantes Zusammenleben mit anderen Religionen eingetreten. Etwa seit 2006 habe er keinen Kontakt mehr zur IGMG. Er besuche zwar manchmal das Freitagsgebet, aber keine Mitgliederversammlungen und nehme auch sonst nicht an Aktivitäten der Organisation teil. Er befürworte den Vorrang der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats vor etwaigen islamischen Ge- oder Verboten und sehe keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen den westlichen Werten und den Werten der islamischen Religion.
11 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte aus, die Ausführungen des Klägers zum Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und zur Abwendung von etwaigen verfassungsfeindlichen Bestrebungen seien nicht überzeugend.
12 
Mit Urteil vom 07.03.2012 - 1 K 576/11 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15.01.2004 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.02.2011 verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. vorlägen und ob der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. der Einbürgerung entgegenstehe. Der Kläger habe jedenfalls einen Anspruch auf Einbürgerung aus der ihm erteilten Einbürgerungszusage. In dieser Zusage habe die Beklagte sich für den Fall, dass der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachweise, verpflichtet, ihn einzubürgern. Dabei habe sie die Bindungswirkung auf den 14.08.2002 befristet. Da der Kläger am 27.09.2001 den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen und die Bindungswirkung zu diesem Zeitpunkt noch bestanden habe, ergebe sich aus der Zusage weiterhin ein Anspruch auf Einbürgerung. Die Bindungswirkung sei weder nach § 38 Abs. 3 LVwVfG noch nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG entfallen.
13 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 08.10.2012 - 1 S 939/12 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Der Kläger könne sich aus mehreren Gründen nicht mehr auf die ihm am 15.08.2000 erteilte Einbürgerungszusicherung berufen. Zum einen sei die Bindungswirkung der Zusicherung mit Ablauf des 14.08.2002 entfallen. Zum anderen sei die Zusicherung unter dem Vorbehalt erteilt worden, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage bis zur Einbürgerung nicht ändere. Hier sei die Bindungswirkung nach § 38 Abs. 3 LVwVfG durch Änderung der Sachlage entfallen. Zwar sei der Kläger bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Zusicherung Mitglied der IGMG gewesen, doch hätten die für die Entscheidung zuständigen Behörden keine Kenntnis davon gehabt, weil der Kläger im Einbürgerungsverfahren diesbezüglich falsche Angaben gemacht habe. Die Zusage wäre nämlich nicht erteilt worden, wenn der Kläger bei Abgabe der Loyalitätserklärung seine Mitgliedschaft bzw. Funktionärstätigkeit in der IGMG angegeben hätte. Diese Vereinigung sei vom Verfassungsschutz bereits damals als extremistisch eingestuft worden, weil sie auf die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abziele. Die erst durch eine erneute Überprüfung bekannt gewordenen Tatsachen für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. bedingten somit eine Änderung der Sachlage und führten zum Wegfall der Bindungswirkung. Ebenfalls zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger innerhalb der Geltungsdauer der Zusicherung deren Bedingung erfüllt habe. Bei der von ihm vorgelegten Entscheidung der türkischen Behörden vom 19.09.2001 handele es sich nicht um eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, sondern lediglich um eine Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen und zur Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit. Diese Erlaubnisbescheinigung habe nur eine Geltungsdauer von drei Jahren gehabt und sei daher nicht mehr gültig. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung des Klägers unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit lägen nicht vor. Ein Einbürgerungsanspruch ergebe sich wegen Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. und Nichterfüllung der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG a.F. auch nicht aus der gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 10 StAG.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen,
18 
hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. März 2012 - 1 K 576/11 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine neue Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
19 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Mit Vorlage der Erlaubnis zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit habe er die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt. Die eigentliche Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit erfolge stets erst nach erfolgter Einbürgerung in einen anderen Staatsverband. Unabhängig von der Einbürgerungszusicherung habe er jedenfalls einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung, hilfsweise auf erneute Einbürgerungszusicherung, weil alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt seien. Insbesondere liege der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. nicht vor.
20 
Wegen der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
21 
Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungsakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
22 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
23 
Die Berufung ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband oder auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags. Insoweit hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen (1.). Der Kläger hat jedoch im Wege der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist (2.).
24 
1. Den Einbürgerungsantrag des Klägers hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen Antrag auf Einbürgerung neu bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25 
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei auf Einbürgerung gerichteten Verpflichtungsbegehren, soweit sich aus der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG nichts Abweichendes ergibt, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach der Übergangsregelung des § 40 c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 StAG weiter in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber günstigere Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach früherem, teils nach neuem Recht beurteilen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2008 - 13 S 1487/06 - NVwZ-RR 2008, 839; Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 29). Hinsichtlich der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) nicht geändert, so dass die Sach- und Rechtslage sich insgesamt nach dem StAG in der derzeit geltenden Fassung des Gesetzes vom 01.06.2012 (BGBl. I S. 1224) beurteilt. Dies gilt auch für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, der inhaltlich mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung übereinstimmt.
26 
Eine Anwendung der zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags am 14.06.2000 geltenden §§ 85, 86 AuslG kommt nicht in Betracht, da nach der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 40 c StAG a.F. das bis zum 31.12.2000 geltende Recht nur auf vor dem 16.03.1999 gestellte Einbürgerungsanträge Anwendung findet (Marx, in: GK-StAR, § 40 c StAG Rn. 37).
27 
b) Einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund der Einbürgerungszusicherung, die eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einbürgerungsanspruch darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22.06.2010 - 19 E 777/09 - EZAR NF 76 Nr. 6), hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil er zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der anstehenden Berufungsverhandlung den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen hat. Zwar hat er zunächst während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung nachgewiesen, dass er die Einbürgerungsvoraussetzung der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfüllt (aa). Mit Ablauf der Geltungsdauer der ihm vom türkischen Innenministerium erteilten Genehmigung ist diese Voraussetzung jedoch wieder entfallen (bb).
28 
aa) Mit der Vorlage der Genehmigung des Innenministeriums der Türkischen Republik zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vom 19.09.2001 bei der Beklagten am 27.09.2001 hat der Kläger den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit für den Fall seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nachgewiesen und damit innerhalb der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die zum damaligen Zeitpunkt einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt. Die Einbürgerungszusicherung verfolgt den Zweck, einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit, andererseits aber auch temporäre Staatenlosigkeit zu vermeiden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 - InfAuslR 1995, 116). Sie soll dem Einbürgerungsbewerber die Sicherheit vermitteln, dass er nach Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebürgert werden wird (Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 493). Unschädlich ist dabei, dass mit der Genehmigung vom 19.09.2001 die Ausbürgerung aus dem türkischen Staatsverband noch nicht vollzogen wurde. Nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht vollzieht sich der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit in einem zweistufigen Verfahren. Nach Art. 22 Abs. 2 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung (abgedr. bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschafts-recht, Stichwort Türkei S. 12) wird die Ausbürgerung durch Erteilung der Ausbürgerungsurkunde erst nach Vorlage der Einbürgerungsurkunde des ausländischen Staates vollzogen. Wollte man die Einbürgerungszusicherung dahin auslegen, dass die Einbürgerung nur für den Fall des Nachweises des Vollzugs der Ausbürgerung zugesagt wurde, wäre sie auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet und von Anfang an gegenstandslos gewesen. Dies kann nicht angenommen werden und entspräche auch nicht der ständigen Verwaltungspraxis der Einbürgerungsbehörden.
29 
bb) Zu Recht weist jedoch die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 22 Abs. 4 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nur eine Geltungsdauer von drei Jahren hatte. Dies ist vom Kläger bestätigt worden, der nach Vorsprache auf dem türkischen Generalkonsulat mitgeteilt hat, dass eine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit aufgrund der ihm im Jahr 2001 erteilten Genehmigung nicht mehr möglich sei, es vielmehr zuvor der Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung bedürfe. Damit fehlt es gegenwärtig an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, von der vorliegend auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit liegen bei dem Kläger ersichtlich nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ihm nach Erteilung einer erneuten Einbürgerungszusicherung ohne Weiteres möglich wäre, wiederum eine Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu erlangen.
30 
c) Soweit der Einbürgerungsanspruch auf § 10 StAG gestützt wird, steht ihm ebenfalls entgegen, dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist, von der - wie bereits ausgeführt - auch nicht nach § 12 StAG abgesehen werden kann.
31 
d) Auch ein Anspruch auf Einbürgerung auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs scheidet aus. Anders als im Sozialrecht, das bei der Verletzung behördlicher Auskunfts- und Hinweispflichten einen Anspruch auf Herstellung desjenigen Zustands kennt, der entstanden wäre, wenn sich der Sozialleistungsträger von vornherein rechtmäßig verhalten hätte, kann auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt generell nur im Hinblick auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes, nicht aber im Hinblick auf die Einräumung einer Rechtsstellung, die der Betroffene bislang nicht innehatte, in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Hier war der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt eingebürgert.
32 
e) Ein Einbürgerungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass der Kläger während der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung die einzige damals offene, mit der Zusicherung verknüpfte Voraussetzung erfüllt hat. Zwar folgt der Senat im Grundsatz der Rechtsprechung des früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen 13. Senats, nach der die Berufung der Einbürgerungsbehörde auf den Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn ein Einbürgerungsbewerber noch während der Geltungsdauer der ihm erteilten Einbürgerungszusicherung die einzige noch offene Einbürgerungsvoraussetzung erfüllt und die Bindungswirkung der Zusicherung während dieses Zeitraums nicht entfallen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris Rn. 56; ebenso VG Stuttgart, Urt. v. 26.10.2005 - 11 K 2083/04 - juris Rn. 83). Mit dieser Begründung kann jedoch nach Auffassung des Senats dann kein Einbürgerungsanspruch bejaht werden, wenn der Einbürgerungsbewerber im Ergebnis - wie hier - unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu keinem Zeitpunkt vorlagen und die Einbürgerungszusicherung gerade dem Zweck dient, Intervalle mehrfacher Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Die Einbürgerung wurde nur für den Fall zugesagt, dass der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Diesen Nachweis kann der Kläger nicht mehr führen. Er hat selbst vorgetragen, dass er ohne Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht mehr erreichen kann.
33 
f) Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Einbürgerung oder auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG zu, da bei der Ermessenseinbürgerung für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach den einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die nicht zu beanstanden sind, die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - juris).
34 
2. Der Kläger hat jedoch auf der Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung, so dass auf seinen Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist.
35 
a) Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag stellt - jedenfalls soweit er auf Erteilung einer neuen Einbürgerungszusicherung im Wege der Folgenbeseitigung gerichtet ist - keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO dar, weil er auf Wiederherstellung eines früheren Zustandes gerichtet ist, den der Kläger bereits innehatte. Es handelt sich vielmehr um eine Beschränkung des Klageantrags, die nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln ist. Wollte man dies anders sehen, so wäre eine Klageänderung im Übrigen als sachdienlich zuzulassen, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.08.2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>).
36 
b) Der Anspruch auf Folgenbeseitigung, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 B 13.10 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 35). Er ist hier gegeben, weil die Beklagte die Realisierung des aufgrund der Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung - die nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist (aa) und auch nicht hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können (bb) - gegebenen Einbürgerungsanspruchs objektiv wesentlich erschwert hat, indem sie den Kläger, nachdem dieser die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorgelegt und damit aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte, über den Stand und den Fortgang des Verwaltungsverfahrens im Unklaren ließ, obwohl sie aufgrund des Grundsatzes der Verfahrensklarheit und auch mit Blick auf die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass sie die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat (dd).
37 
aa) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nicht nach § 38 Abs. 3 LVwVfG entfallen ist.
38 
(1) Die entscheidungserhebliche Rechtslage hat sich nicht geändert. Bereits nach dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung geltenden § 86 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.1999 bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Dieser Ausschlussgrund wurde später ohne inhaltliche Änderungen in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG (heute: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) übernommen.
39 
(2) Die Änderung der Erkenntnislage, auf die die Beklagte sich beruft, stellt keine Änderung der Sachlage dar. Die nachträgliche Erkenntnis einer Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen gegeben hat, steht einer Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gleich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 38 Rn. 37; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 38 Rn. 99; BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 3 A 2.03 - NVwZ 2004, 1125 <1126>; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 - NVwZ 1991, 79).
40 
bb) Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Einbürgerungszusicherung nach § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG wäre ebenfalls nicht möglich gewesen.
41 
(1) Eine Rücknahme scheidet aus, weil der Kläger die Einbürgerungszusicherung nicht durch arglistige Täuschung oder durch unvollständige Angaben erwirkt hat.
42 
Zwar dürfte die Einbürgerungszusicherung rechtswidrig gewesen sein, weil der Einbürgerung - was die Beklagte damals nicht wusste - der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) entgegenstand. Die IGMG wird in der Rechtsprechung als eine Organisation angesehen, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29 m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 02.12.2009 - 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 302; NdsOVG, Urt. v. 15.09.2009 - 11 LB 487/07 - EZAR NF 41 Nr. 4; OVG Bln-Bbg, Urt. v. 10.02.2011 - OVG 5 B 6.07 - juris; BayVGH, Beschl. v. 28.03.2012 - 5 B 11.404 - juris). Aktivitäten von Funktionären oder Mitgliedern der IGMG werden in der Rechtsprechung überwiegend als einbürgerungsschädlich angesehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - a.a.O. m.w.N.). Erst für die Zeit ab 2004 hat der 13. Senat des erkennenden Gerichtshofs Reformbestrebungen innerhalb der IGMG ausgemacht, die dazu führen, dass diese nunmehr nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sein soll (a.a.O. ). Die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied im Jahr 2000, d.h. in einem Zeitraum, in dem die IGMG als eine homogene, insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bewegung anzusehen war, stellt somit eine Unterstützungshandlung im Sinn des § 86 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) dar, die von hinreichendem Gewicht sein dürfte, um den Verdacht zu rechtfertigen, dass er die IGMG unterstützt.
43 
Der Kläger hat seine Einbürgerung jedoch nicht durch arglistige Täuschung im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG, durch unvollständige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. „Erwirken“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 116 m.w.N.). Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Loyalitätserklärung bei Stellung des Einbürgerungsantrags im Juni 2000 bzw. bei Abgabe der weiteren Loyalitätserklärung im Februar 2002 wissentlich und zweckgerichtet, um seine Einbürgerung rechtswidrigerweise zu erreichen, von ihm unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat. Anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung musste der Kläger zum einen selbst bewerten, ob er diesen Grundsätzen für sich zustimmen kann oder ob er im Wege seiner Aktivitäten für die IGMG die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen und letztlich überwinden will. Zum anderen musste der Kläger einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden.
44 
Danach war für den Kläger kein Anlass gegeben, seine Aktivitäten bei Milli Görüs, die er selbst in erster Linie als religiös und sozial motivierte Betätigung für einen religiös ausgerichteten Verein ansah, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach Mitgliedschaften in derartigen Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen (ebenso zu einem vergleichbaren Fall: HessVGH, Urt. v. 18.01.2007 - 11 UE 111/06 - ESVGH 57, 139 = InfAuslR 2007, 207; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132.07 - juris). Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er sich zusammen mit Gleichgesinnten in erster Linie deshalb bei Milli Görüs engagiert, um im Rahmen eines islamischen Vereins Jugendarbeit zu leisten und Hausaufgabenbetreuung zu organisieren. Es konnte ihm nicht abverlangt werden, die Bewertung der Tätigkeit von Milli Görüs, die erst der Behörde im Rahmen der Anwendung von § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG obliegt, bereits selbst vorzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der verfassungsfeindliche Charakter der Bestrebungen von Milli Görüs damals (zum Zeitpunkt der Abgabe der Loyalitätserklärungen) so eindeutig und offensichtlich war, dass angenommen werden muss, jedes Vorstandsmitglied von örtlichen Mitgliedsvereinigungen hätte erkennen können und müssen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt. Immerhin war die Frage, ob Aktivitäten für die Vereinigung Milli Görüs die Annahme des Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, damals auch in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen worden (einerseits etwa BayVGH, Urt. v. 16.07.2003 - 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 - BayVBl. 2004, 84 -; andererseits VG Karlsruhe, Urt. v. 26.02.2003 - 4 K 2234/01 - juris -). Eine höchstrichterliche Klärung ist erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.12.2009 (- 5 C 24.08 - a.a.O.) erfolgt.
45 
(2) Ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheidet aus, weil kein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 LVwVfG vorliegt. Zudem enthält § 38 Abs. 3 LVwVfG eine Spezialregelung gegenüber § 49 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LVwVfG, die die Anwendung der genannten Widerrufstatbestände ausschließt (BVerwG, Urt. v. 25.01.1995 - 11 C 29.93 - BVerwGE 97, 323; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 38 Rn. 35, 36).
46 
cc) Die Bindungswirkung der Einbürgerungszusicherung ist nach alledem erst mit Ablauf ihrer Geltungsdauer am 14.08.2002 entfallen. Die Beklagte hätte sich jedoch gegenüber dem Kläger auch nach diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben solange nicht auf den Fristablauf berufen können, wie dieser die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt hat (siehe dazu oben 1. e).
47 
dd) Bei dieser Sachlage war die Beklagte verpflichtet, den Kläger, der aus seiner Sicht alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt hatte und der damit rechnen konnte und durfte, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde, darauf hinzuweisen, dass sie mit Blick auf die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12.12.2001 die Einbürgerungsakten ebenfalls auf dem Dienstweg dem Innenministerium vorgelegt hat und dass sie ihre Entscheidung über den Einbürgerungsantrag bis zu einer zeitlich nicht absehbaren Entscheidung des Innenministeriums zurückgestellt hat. Durch einen derartigen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, seinen Einbürgerungsanspruch zeitnah durch Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtlich geltend zu machen und so möglicherweise rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Erlaubnis zur Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit ein Verpflichtungsurteil zu erstreiten.
48 
Das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens wirkt sich auch auf die Verfahrensgestaltung aus. Unter dem Aspekt des Grundsatzes der Formen- und Verfahrensklarheit verlangt es, dass die Behörde die Verfahrensbeteiligten nicht über die Gestaltung des Verfahrensgangs im Unklaren lässt. Dies gilt in besonderem Maße gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten. Über den Stand des Verfahrens ist der Betroffene zu unterrichten (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rn. 57 f. m.w.N.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., Vor § 9 Rn. 17). Art. 19 Abs. 4 GG wirkt auf die Ausgestaltung des dem Gerichtsverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens dergestalt ein, dass es den Rechtsschutz weder vereiteln noch unzumutbar erschweren darf (BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Urt. v. 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - BVerfGE 69, 1; Schmitz, a.a.O. Rn. 63).
49 
Hier hat die Beklagte, indem sie den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger nicht über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet hat, gegen den Grundsatz der Verfahrensklarheit verstoßen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert. Der Kläger hatte von sich aus keine Veranlassung, Untätigkeitsklage mit dem Ziel zu erheben, seinen Anspruch auf Einbürgerung vor Ablauf der Geltungsdauer der Einbürgerungszusicherung gerichtlich durchzusetzen. Er konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Beklagte alsbald über seinen Einbürgerungsantrag entscheiden werde. Das Schreiben vom 07.02.2002, mit welchem der Kläger um persönliche Vorsprache zwecks Aktualisierung seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und schriftlicher Dokumentierung seiner Grundkenntnisse im deutschen Staatsrecht gebeten wurde, war nicht geeignet, sein diesbezügliches Vertrauen zu erschüttern. Auch bei der Vorsprache selbst war die Unterstützung bestimmter Organisationen wie Milli Görüs kein Thema. Vielmehr musste der Kläger die Loyalitätserklärung wiederum allein anhand der abstrakt und allgemein ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben. Seine Kenntnisse bezüglich der staatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurden als gut bewertet, so dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass auch insoweit der Einbürgerung nichts entgegenstehe. Erst durch das Anhörungsschreiben vom 06.11.2003 wurde er darüber unterrichtet, dass man beabsichtige, seinen Einbürgerungsantrag wegen seines Engagements für die IGMG abzulehnen. Der auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Kläger wurde somit über einen Zeitraum von über zwei Jahren über den Stand und den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen. Hierdurch wurde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes objektiv erheblich erschwert. Er ist daher im Wege der Folgenbeseitigung so zu stellen, wie er vor Verletzung der Verfahrenspflichten durch die Beklagte stand, d.h. ihm ist eine neue, wiederum auf zwei Jahre befristete Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51 
Die teilweise Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vor.
52 
Beschluss vom 8. Mai 2013
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., Ahn. § 164 Rn. 14) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2

Der Kläger wurde 1956 in Graz (Österreich) geboren und war bis zu seiner Einbürgerung österreichischer Staatsangehöriger. Nachdem im Juni 1995 von der Bundespolizeidirektion Graz gegen den Kläger Ermittlungen wegen des (von ihm bestrittenen) Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betruges eingeleitet worden waren, reiste er aus Österreich aus und nahm seinen Wohnsitz in München. Dort war er als selbstständiger Unternehmensberater tätig. Im Februar 1997 erließ das Landesgericht für Strafsachen in Graz einen nationalen Haftbefehl gegen den Kläger.

3

Im Februar 1998 beantragte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. In dem hierfür verwendeten, von ihm unterschriebenen Antragsformular ist in der Rubrik "Angaben über anhängige Ermittlungsverfahren" handschriftlich eingetragen "keine". Die Einbürgerungsurkunde vom 25. Januar 1999 wurde dem Kläger am 5. Februar 1999 ausgehändigt.

4

Im August 1999 erfuhr die Staatsangehörigkeitsbehörde, dass der Kläger in Österreich per Haftbefehl gesucht werde und im September 1999, dass er bereits im Juli 1995 vom Landesgericht für Strafsachen in Graz als Beschuldigter vernommen worden sei. Daraufhin nahm der Beklagte nach Anhörung des Klägers die Einbürgerung mit Bescheid vom 4. Juli 2000 rückwirkend zurück, weil der Kläger das österreichische Ermittlungsverfahren verschwiegen und dadurch die Einbürgerung erschlichen habe.

5

Klage und Berufung blieben erfolglos. Auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juni 2002 wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (vgl. Urteil vom 3. Juni 2003 - BVerwG 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216).

6

Im Folgenden überprüfte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die noch offenen Fragen und holte in Bezug auf das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht eine Rechtsauskunft des zuständigen Amtes der steiermärkischen Landesregierung ein. Dieses teilte mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 und 22. März 2005 mit, die österreichische Staatsbürgerschaft lebe bei rückwirkender Rücknahme der deutschen Staatsangehörigkeit nicht automatisch wieder auf. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung lägen beim Kläger nicht vor.

7

Daraufhin ergänzte der Beklagte mit Schreiben vom 3. Mai 2005 seine Ermessenserwägungen. Auch bei Abwägung der dem Kläger drohenden Staatenlosigkeit und des zu erwartenden Verlusts der Unionsbürgerschaft überwiege das öffentliche Interesse an der Rücknahme der erschlichenen deutschen Staatsangehörigkeit. Dabei ging der Beklagte davon aus, dass der Kläger auch als mit einer Deutschen verheirateter Staatenloser eine Aufenthaltserlaubnis und Ausweispapiere für Geschäftsreisen erhalten könne.

8

Mit Urteil vom 25. Oktober 2005 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers abermals zurück. Die Rücknahme der durch eine bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung sei rechtmäßig. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Danach könne ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die im Februar 1999 wirksam gewordene Einbürgerung des Klägers sei objektiv rechtswidrig gewesen, weil gegen den Kläger seit 1995 ein österreichisches Ermittlungsverfahren und seit 1998 ein deutsches Ermittlungsverfahren durchgeführt worden seien, die er gegenüber der Staatsangehörigkeitsbehörde nicht angezeigt habe. Im Hinblick darauf hätte die Einbürgerung nicht erfolgen dürfen, sondern ausgesetzt werden müssen. Über diese Ermittlungsverfahren habe der Kläger die Einbürgerungsbehörde auch in subjektiver Hinsicht bewusst und arglistig getäuscht. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Abwägungsergebnis halte sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen des eröffneten Rücknahmeermessens.

9

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass der Beklagte seine ursprünglichen Ermessenserwägungen unter Verletzung von § 114 Satz 2 VwGO nicht lediglich ergänzt, sondern in ihrem Wesen verändert und weitgehend ausgetauscht habe. Eine nachträgliche Ergänzung der Ermessenserwägungen sei auch wegen § 144 Abs. 6 VwGO nach Abschluss des Revisionsverfahrens nicht mehr zulässig gewesen. Für die Rücknahme der Einbürgerung fehle jedenfalls im vorliegenden Fall eine ausreichende Rechtsgrundlage. Ferner sei die Rücknahme wegen des Verlustes der Unionsbürgerschaft unverhältnismäßig und verletze Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK und Art. 17 EG (= Art. 18 AEUV). Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mache es insbesondere erforderlich, dass der Kläger vor Wirksamwerden der Rücknahmeentscheidung eine angemessene Frist erhalte, um die Staatsbürgerschaft seines österreichischen Herkunftslandes wiederzuerlangen. Die an sich erforderliche Aussetzung des deutschen staatsangehörigkeitsrechtlichen Verwaltungsverfahrens habe es nicht gegeben. Daher müsse jedenfalls das gerichtliche Verfahren bis zur Entscheidung des Amtes der steiermärkischen Landesregierung über den im September 2010 gestellten Statusfeststellungsantrag ausgesetzt werden.

10

Der Beklagte tritt der Revision und der beantragten Aussetzung des Verfahrens entgegen. Der Kläger habe in der Vergangenheit ausreichend Zeit gehabt, eine Wiedereinbürgerung oder Statusfeststellung zu beantragen. Nach geltendem österreichischem Recht habe der Kläger nur geringe Chancen auf Wiedereinbürgerung. Er sei vom Landgericht München mit Urteil vom 30. Juli 2008 wegen Betruges in 60 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden und erfülle daher nicht das Unbescholtenheitserfordernis des § 10 des Österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes. Daher sei es allenfalls denkbar, dass der Kläger nach Wirksamkeit der deutschen Rücknahmeentscheidung in Österreich aufgrund geschriebenen oder ungeschriebenen Rechts die ursprüngliche österreichische Staatsangehörigkeit wiedererlange. Hierfür sei aber eine Aussetzung des Revisionsverfahrens nicht erforderlich.

11

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. Februar 2008 - BVerwG 5 C 13.07 - (Buchholz 451.9 Art. 17 EG-Vertrag Nr. 1) das Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Die Große Kammer des Gerichtshofs hat mit Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - (NVwZ 2010, 509) über die maßgeblichen unionsrechtlichen Fragen entschieden. Den Antrag des Klägers, das Verfahren erneut bis zur Entscheidung der österreichischen Behörden über den dortigen Statusfeststellungsantrag auszusetzen, hat der Senat mit Beschluss vom 11. November 2010 mangels Vorgreiflichkeit abgelehnt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

13

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 4. Juli 2000 auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage beruht. Zwar gab es bei Erlass des angefochtenen Bescheides die speziell für den Fall einer erschlichenen Einbürgerung geschaffene Rücknahmevorschrift des § 35 StAG, deren Voraussetzungen nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls erfüllt sind, noch nicht. Sie wurde erst während des Revisionsverfahrens durch das Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 158) mit Wirkung vom 12. Februar 2009 eingeführt. Zuvor konnten die Staatsangehörigkeitsbehörden jedoch auf die allgemeinen Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder - hier: Art. 48 BayVwVfG - zurückgreifen, wenn die Einbürgerung durch bewusste Täuschung erwirkt worden war (vgl. Urteil vom 3. Juni 2003 - BVerwG 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216 <218 ff.>; BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24). Die Rücknahmevoraussetzungen nach § 35 StAG und Art. 48 BayVwVfG unterscheiden sich für den vorliegenden Fall der erschlichenen Einbürgerung nicht. Es bedarf deshalb keiner abschließenden Prüfung, ob im Revisionsverfahren schon das neue Bundesrecht (§ 35 StAG) anzuwenden ist.

14

Die Rücknahme der Einbürgerung ist auch nicht - wie der Kläger meint - aufgrund höherrangigen Rechts generell unzulässig. Der Rücknahme erschlichener Einbürgerungen steht weder das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit noch der in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Schutz vor Staatenlosigkeit entgegen (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 a.a.O. Rn. 50 f.). Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK ist entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls nicht berührt, da die Rücknahme der Einbürgerung nicht auf den Vorwurf gestützt ist, der Kläger habe eine Straftat begangen (Urteil vom 3. Juni 2003 a.a.O. <226>).

15

2. Der Verwaltungsgerichtshof ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, die in dem hier entscheidungserheblichen Kern mit jenen des § 35 StAG übereinstimmen, vorlagen.

16

a) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 18. Februar 2008 (a.a.O.) ausgeführt hat, hat der Kläger nach den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 25. Oktober 2005 über das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht und damit die Einbürgerung erschlichen. Sie war von Anfang an rechtswidrig und konnte nach dem pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des Beklagten zurückgenommen werden. Unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren nachgeschobenen umfangreichen Ermessenserwägungen ist die getroffene Ermessensentscheidung nach dem nationalen Recht auch revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

17

b) Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Klägers fest. Insbesondere ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers in Fällen, in denen das Bundesverwaltungsgericht einen Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), eine Ergänzung von Ermessenserwägungen auch noch nach einer Zurückverweisung möglich. § 114 Satz 2 VwGO erlaubt das Nachschieben von Gründen für eine Ermessensentscheidung ohne zeitliche Begrenzung während des gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welches bei einer Zurückverweisung fortgeführt wird und noch nicht beendet ist. Einer Ergänzung von Ermessenserwägungen durch die Verwaltungsbehörde nach Zurückverweisung steht auch § 144 Abs. 6 VwGO nicht entgegen. Nach § 144 Abs. 6 VwGO hat das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, zwar seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Sache aber in dem erneuten Berufungsverfahren in vollem Umfang zu überprüfen und insbesondere den entscheidungserheblichen Sachverhalt neu zu würdigen. Die Bindung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts steht insoweit unter dem Vorbehalt derselben im Berufungsverfahren erneut zu prüfenden Tatsachenlage. Sie entfällt bei einer wesentlichen Veränderung des zu beurteilenden Sachverhalts infolge neuen Vorbringens oder einer Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Umstände. § 144 Abs. 6 VwGO hindert die Beteiligten nicht an neuem Sachvortrag und lässt einer Behörde Raum, die entscheidungserhebliche Sachlage in den nach § 114 Satz 2 VwGO gezogenen Grenzen durch ergänzende Ermessenserwägungen zu ihren Gunsten zu verändern.

18

c) Die Ermessensergänzung des Beklagten vom 3. Mai 2005 war nach § 114 Satz 2 VwGO zulässig. Die mit Schriftsatz vom 3. Mai 2005 eingeführten Erwägungen zur Staatenlosigkeit, zum Verlust der Unionsbürgerschaft sowie zu den für den Kläger damit verbundenen Folgen führen - ungeachtet ihrer Bedeutung für den Kläger - die grundlegende Argumentationslinie in der angefochtenen Rücknahmeentscheidung fort und lassen deren "Identität" unberührt (vgl. Beschlüsse vom 14. Januar 1999 - BVerwG 6 B 133.98 - NJW 1999, 2912 und vom 30. April 2010 - BVerwG 9 B 42.10 - Buchholz 310 § 114 VwGO Nr. 57). Das die Rücknahme tragende Argument der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände bleibt bestehen. Die abschließende Gewichtung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen ist im Ergebnis unverändert.

19

d) Die zulässiger Weise ergänzte Ermessensentscheidung weist auch keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO auf. Der Beklagte hat bei der Abwägung der für und gegen eine Rücknahme sprechenden öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände berücksichtigt. Er hat die negativen Folgen, die der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit für den Kläger mit sich bringt, in der Ermessensergänzung vom 3. Mai 2005 berücksichtigt und vertretbar gewichtet. Auch wenn eine Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach den Erklärungen der Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht auszuschließen ist, begründet es keinen Ermessensfehler zu Lasten des Klägers, bei der Rücknahme der Einbürgerung von dem für ihn ungünstigsten Fall des Eintritts der Staatenlosigkeit und des Verlusts der Unionsbürgerschaft auszugehen. Die Hinnahme der Staatenlosigkeit ist auch - wie § 35 Abs. 4 StAG zeigt - weder generell noch - wie unten ausgeführt wird - im vorliegenden Fall wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip ermessensfehlerhaft. Für sonstige Ermessensfehler ist nichts ersichtlich (vgl. Urteil vom 3. Juni 2003 a.a.O.).

20

3. Die Rücknahme der Einbürgerung wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Hinblick auf die unionsrechtliche Stellung des Klägers.

21

a) Wird eine Einbürgerung durch Täuschung erschlichen, dann verstößt es nach der im vorliegenden Verfahren eingeholten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union grundsätzlich nicht gegen Unionsrecht - insbesondere Art. 17 EG (= Art. 18 AEUV) -, wenn ein Mitgliedstaat einem Unionsbürger die durch Einbürgerung erworbene Staatsangehörigkeit wieder entzieht, vorausgesetzt, dass die Rücknahmeentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - NVwZ 2010, 509 <512> Rn. 59). Ein Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit durch Täuschung erschlichen wurde, kann hiernach nicht nach Art. 17 EG verpflichtet sein, von der Rücknahme der Einbürgerung allein deshalb abzusehen, weil der Betroffene die Staatsangehörigkeit seines Herkunftsmitgliedstaates nicht wiedererlangt (ebd. Rn. 57).

22

Angesichts der Bedeutung, die das Primärrecht dem Unionsbürgerstatus beimisst, sind - wie der Gerichtshof der Europäischen Union weiter ausgeführt hat - bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Rücknahme die möglichen Folgen zu berücksichtigen, die diese Entscheidung für den Betroffenen und gegebenenfalls für seine Familienangehörigen in Bezug auf den Verlust der Rechte, die jeder Unionsbürger genießt, mit sich bringt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob dieser Verlust gerechtfertigt ist im Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, zur Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, und zur Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. S. 511/512 Rn. 56). Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann es unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände im Einzelfall erforderlich machen, dass dem Betroffenen vor Wirksamwerden einer derartigen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung eine angemessene Frist eingeräumt wird, damit er versuchen kann, die Staatsangehörigkeit seines Herkunftsmitgliedstaats wiederzuerlangen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. S. 512 Rn. 58); ob dies der Fall ist, hat allerdings das nationale Gericht zu beurteilen.

23

Der Gerichtshof der Europäischen Union geht dabei davon aus, dass die Mitgliedstaaten einerseits aufgrund internationaler Konventionen das Erschleichen einer Einbürgerung mit der Entziehung ihrer nationalen Staatsangehörigkeit sanktionieren können, dass aber andererseits eine solche Sanktion bei Personen, die - wie der Kläger - bereits vor der Einbürgerung die Unionsbürgerschaft besessen haben, einen überschießenden Anteil aufweist. Mit der Rücknahme geht aufgrund des Akzessorietätsprinzips in Art. 17 EG neben der erschlichenen nationalen Staatsbürgerschaft auch die nicht erschlichene Unionsbürgerschaft verloren. Dieser "überschießende Rechtsverlust" steht zwar einer Rücknahme nicht generell entgegen. Er kann aber im Einzelfall im Zusammenwirken mit den anderen genannten Umständen (z.B. geringe Schwere des Verstoßes etc.) dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

24

b) Nach diesen Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, die der Senat zugrunde legt, ist unionsrechtlich gerade nicht - wie der Kläger meint - gefordert, dass einem Betroffenen in den oben genannten Fällen stets aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine Frist zur Wiedererlangung der ursprünglichen Staatsbürgerschaft einzuräumen ist.

25

aa) Der eine Einbürgerung zurücknehmende Staat ist nicht ausnahmslos verpflichtet, das Wirksamwerden seiner Entscheidung mit den zuständigen Behörden des anderen EU-Staates von Amts wegen abzustimmen und so zu koordinieren, dass selbst ein vorübergehender Verlust der Unionsbürgerschaft nicht eintreten kann. Eine von den relevanten Umständen des Einzelfalls unabhängige Koordinierungspflicht würde die Rücknahme erschlichener Einbürgerungen erheblich erschweren und den Umstand vernachlässigen, dass der Betroffene durch sein unredliches Verhalten die wesentliche Ursache auch für den "überschießenden Rechtsverlust" gesetzt hat.

26

bb) Die Staatsangehörigkeitsbehörde hat allerdings gegenüber dem betroffenen Bürger zu prüfen, ob sie ihm unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine angemessene Frist für einen Wiedererlangungsversuch gewährt. Ob sie eine solche Frist einzuräumen hat, hängt jedoch von sämtlichen relevanten Umständen des Einzelfalls ab (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. S. 512 Rn. 58).

27

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer abschließenden Klärung aller Umstände, die hierbei zu beachten sein können. Notwendige Voraussetzung für eine Fristeinräumung ist grundsätzlich, dass der Betroffene die Wiedererlangung der früheren Staatsbürgerschaft ernsthaft anstrebt, die erforderlichen Anträge möglichst frühzeitig und gegebenenfalls auch vorsorglich stellt und diese mit Nachdruck verfolgt. Ferner hat die Einräumung einer Frist für einen Wiedererlangungsversuch nur dann einen Sinn, wenn die Rückgewinnung der früheren Staatsbürgerschaft nach dem Recht des Herkunftsstaats nicht offensichtlich aussichtslos ist. Da es jedoch nicht Aufgabe deutscher Behörden oder Gerichte ist, abschließend über fremdes Staatsangehörigkeitsrecht zu befinden, liegt eine hinreichende Erfolgsaussicht schon dann vor, wenn der Antrag nach dem Stand der ausländischen Rechtsprechung und Literatur nicht von vornherein aussichtslos erscheint oder wenn maßgebliche ausländische Behörden - wie hier die österreichische Regierung gegenüber dem Gerichtshof der Europäischen Union - erklären oder erkennen lassen, dass sie den Antrag für nicht aussichtslos halten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann sich insoweit auch daraus ergeben, dass das nationale Recht in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht auszulegen und anzuwenden ist. Das ausländische Recht kann im Einzelfall auch dann gegen die Aussetzung des Rücknahmeverfahrens sprechen, wenn der endgültige Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zweifelsfrei Voraussetzung für die Wiedererlangung der fremden Staatsbürgerschaft und auch der Durchführung eines hierauf gerichteten Verfahrens ist. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sind darüber hinaus vor allem das private Interesse an einem zeitweiligen Erhalt der Unionsbürgerschaftsrechte und das öffentliche Interesse an einer zeitnahen Verbindlichkeit der mit der Rücknahme verbundenen staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einzelfallbezogen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen ist dabei namentlich, wie frühzeitig sich der Betroffene um einen Rückerwerb seiner früheren Staatsbürgerschaft bemüht hat und ob er ihm zumutbare Möglichkeiten zur Wiedererlangung ungenutzt verstreichen ließ.

28

Nach dem innerstaatlichen Recht haben zunächst die Verwaltungsbehörden sicherzustellen, dass dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung getragen wird. Hierzu gehört nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (a.a.O. S. 512 Rn. 58) - wie ausgeführt - künftig auch die Entscheidung, ob dem Betroffenen im Falle des drohenden Verlusts einer bereits vor der erschlichenen Einbürgerung bestehenden Unionsbürgerschaft eine angemessene Frist zur Wiedererlangung der früheren Staatsbürgerschaft einzuräumen ist. Erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine solche Frist, kann im Einzelfall sinnvoll sein, diese bereits vor oder mit dem Erlass der Rücknahmeentscheidung festzusetzen.

29

cc) Da im Falle des Klägers beim Erlass der letzten Behördenentscheidung die unionsrechtlichen Anforderungen insoweit noch nicht geklärt waren, hatte ausnahmsweise erst der erkennende Senat über die Einräumung einer weiteren Frist zur Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu entscheiden.

30

Eine solche Frist ist hier nicht nachträglich einzuräumen, um die Verhältnismäßigkeit der Rücknahme herzustellen oder zu wahren. Sie könnte zwar die Folgen des Staatsangehörigkeitsentzugs im Hinblick auf den überschießenden Verlust der Unionsbürgerschaft zumindest zeitweise abmildern. Mit seinem Statusfeststellungsantrag vom 26. September 2010 strebt der Kläger - dies ist zwischen den Beteiligten nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr streitig - nunmehr auch ein Wiederaufleben der österreichischen Staatsbürgerschaft ernsthaft an. Allerdings bewerten die Beteiligten die Erfolgsaussichten dieses Begehrens unterschiedlich. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es auch nicht offenkundig, dass eine rechtskräftige deutsche Gerichtsentscheidung über die rückwirkende Rücknahme Voraussetzung für eine dem Kläger günstige Entscheidung der österreichischen Staatsbürgerschaftsbehörde ist.

31

Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist eine (weitere) Frist hier schon deswegen nicht einzuräumen, weil sich der Kläger nicht so früh wie möglich in zumutbarer Weise um die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft bemüht und einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Jedenfalls der Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2008 hätte dem Kläger im Hinblick auf die zweite Vorlagefrage Anlass geben müssen, bei den österreichischen Behörden ein Verfahren mit dem Ziel einzuleiten, dass die kraft Gesetzes mit der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erloschene österreichische Staatsangehörigkeit mit der Rücknahme der Einbürgerung wiederauflebt oder er diese sonst wiedererlangt. Spätestens jedoch nach der Erklärung der Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2009 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union war dem Kläger - auch von seinem Rechtsstandpunkt aus - ein entsprechender Antrag bei den österreichischen Behörden zumutbar und abzuverlangen. Dem Kläger stand mithin objektiv selbst dann, wenn nicht der gesamte Zeitraum der Dauer der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe berücksichtigt wird, bereits eine mehr als angemessene Frist für den Versuch zur Verfügung, die österreichische Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen. Dies gilt außerdem selbst dann, wenn erst auf den Erlass des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union am 2. März 2010 abgestellt wird. Auch danach hat der Kläger noch mehr als ein halbes Jahr verstreichen lassen, ehe er einen formell verfahrenseinleitenden Antrag bei dem zuständigen Amt der steiermärkischen Landesregierung gestellt hat.

32

Bei der gebotenen Berücksichtigung und Gewichtung sämtlicher relevanter Umstände ist bei einzelfallbezogener Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit eine (weitere) Frist auch sonst nicht geboten. Nach rund zehnjähriger Prozessdauer überwiegt das öffentliche Interesse an einer zeitnahen Verbindlichkeit und Durchsetzung der Rücknahmeentscheidung.

33

c) Die rückwirkende Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist auch im Übrigen trotz der möglichen Folgen des Staatsangehörigkeitsentzugs auf die unionsrechtliche Stellung des Klägers nicht unverhältnismäßig.

34

Bei einem negativen Ausgang des eingeleiteten Wiedererlangungsverfahrens würde der Kläger endgültig staatenlos und auch die Unionsbürgerschaft voraussichtlich auf Dauer verlieren. Dies sind rechtlich gravierende Wirkungen, die neben dem Verlust der unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechte auch den Bereich der über die Staats- bzw. Unionsbürgerschaft vermittelten politischen Teilhabe erfassen und den Kläger als selbstständigen Unternehmensberater nach seiner Entlassung aus der Haft wirtschaftlich hart treffen können.

35

Die Rücknahme hat andererseits keine nachteiligen Folgen auf seine Ehefrau oder etwaige sonstige Familienangehörige. Auch als Staatenloser genießt der Kläger nach nationalem Recht einen hinreichenden Aufenthaltsschutz. Ebenso verbleibt ihm - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - aufgrund seiner Ehe mit einer Deutschen ein relativ gesicherter Aufenthaltsstatus mit Ausreise- und Rückkehrmöglichkeiten. Dies mildert im Ergebnis die mit dem Verlust der Unionsbürgerschaft verbundenen nachteiligen Folgen, die letztlich auf dem eigenen Verhalten des Klägers beruhen.

36

Der von ihm im Einbürgerungsverfahren begangene Pflichtverstoß war entgegen der Auffassung des Klägers von erheblichem Gewicht, das er auch nicht durch Zeitablauf verloren hat. Die Obliegenheit zur Anzeige anhängiger Ermittlungs- und Strafverfahren trägt der Bedingungsfeindlichkeit der Einbürgerung Rechnung, die deswegen auf klare Entscheidungsgrundlagen angewiesen ist (s. Berlit in: GK-StAR, Stand November 2010, § 12a Rn. 78). Sie soll den Staat von der Verpflichtung zur Einbürgerung solcher Ausländer freistellen, die mit Rücksicht auf die Begehung von gewichtigen Straftaten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verdienen oder bei denen dies jedenfalls möglich erscheint (BVerfG , Beschluss vom 22. Dezember 1993 - 2 BvR 2632/93 - NJW 1994, 2016 <2016 f.>). Gesichert wird das Einbürgerungserfordernis der Unbescholtenheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG; § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 12a StAG), dem der nationale Gesetzgeber bei der Einbürgerung erhebliches Gewicht beigemessen hat. Der Kläger hat seine Wahrheitspflicht in doppelter Weise verletzt, indem er - wie bereits ausgeführt - sowohl das gegen ihn laufende österreichische als auch das deutsche Ermittlungsverfahren arglistig verschwiegen hat. Die Schwere dieses Rechtsverstoßes ist auch daran zu erkennen, dass ein solches Verhalten nunmehr nach § 42 StAG strafbar wäre. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b, Abs. 3 Europäisches Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl 2004 II S. 578; BGBl 2006 II S. 1351) ist der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder die Verschleierung einer erheblichen Tatsache, die dem Antragsteller zuzurechnen ist, der einzige Fall, in dem ein Vertragsstaat in seinem innerstaatlichen Recht den Verlust der Staatsangehörigkeit auch dann vorsehen darf, wenn der Betreffende dadurch staatenlos wird. Hierauf hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union Bezug genommen (EuGH a.a.O. Rn. 15, 52 und 54). Der Einwand schließlich, dass das österreichische Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK von der dortigen Behörde nicht zu Ende geführt werde und dass das deutsche Verfahren mittlerweile nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, vermag das Gewicht des Rechtsverstoßes im Nachhinein nicht zu relativieren. Zum Zeitpunkt der Einbürgerung im Jahr 1999 lag beim österreichischen Ermittlungsverfahren die behauptete überlange Verfahrensdauer noch nicht vor, und das deutsche Ermittlungsverfahren war noch nicht eingestellt, so dass die Einbürgerung unzweifelhaft zurückzustellen gewesen wäre. Später wurde das Ermittlungsverfahren eingeleitet, das zur Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten führte, so dass er zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig hätte eingebürgert werden können. Angesichts der Schwere des Rechtsverstoßes und der vergleichsweise kurzen Zeitspanne zwischen Einbürgerung und Rücknahme erscheint der Staatsangehörigkeitsentzug auch bei Berücksichtigung der unionsrechtlichen Folgen für den Kläger insgesamt nicht unverhältnismäßig.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die mit der Aufhebung vorangegangener Bewilligungsbescheide verbundene Rückforderung von Ausbildungsförderung.

2

Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 2001/02 Gebäude- und Infrastrukturmanagement an einer sächsischen Hochschule. Hierfür erhielt er antragsgemäß von Dezember 2001 bis August 2003 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. In den entsprechenden Anträgen hatte er jeweils verschwiegen, dass er neben den angegebenen Vermögenswerten auch Inhaber eines auf seinen Namen bei der D. Bank eingerichteten Wertpapierdepots gewesen war, das er am 8. Oktober 2001 auf seine Schwester übertragen hatte. Dieses Konto wies im Zeitpunkt des Eingangs des ersten Antrags auf Gewährung von Ausbildungsförderung am 20. Dezember 2001 ein Guthaben in Höhe von 20 598,20 € und im Zeitpunkt des Eingangs des zweiten Antrags auf Gewährung von Ausbildungsförderung am 25. Juli 2002 ein Guthaben von 21 329,88 € aus.

3

Nachdem der Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, hob er mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 seine Bewilligungsbescheide für den besagten Zeitraum auf und forderte den Kläger auf, die gewährte Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 5 639,76 € zurückzuzahlen.

4

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, bei dem Guthaben des Wertpapierdepots handele es sich nicht um sein Vermögen. Das Geld habe seiner zwischenzeitlich verstorbenen Großmutter gehört. Er habe das Wertpapierdepot für diese treuhänderisch verwaltet. Zudem habe er das Guthaben des Wertpapierdepots auf Anweisung seiner Großmutter auf seine Schwester übertragen und nicht um seine Bedürftigkeit herbeizuführen.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zu Begründung führte er aus, das Guthaben des Wertpapierdepots sei dem Vermögen des Klägers zuzurechnen. Die Übertragung dieses Depots auf seine Schwester vor der erstmaligen Antragstellung sei rechtsmissbräuchlich und damit nichtig. Bei Berücksichtigung dieses Guthabens übersteige das Gesamtvermögen des Klägers den ausbildungsförderungsrechtlichen Freibetrag derart, dass dieser seinen monatlichen Bedarf in dem in Rede stehenden Bewilligungszeitraum vollständig aus seinem anrechenbaren Vermögen habe decken können. Das Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Bewilligungsbescheide sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - nicht schutzwürdig. Daher könnten die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bei der im Rahmen des § 45 Abs. 1 SGB X vorzunehmenden Ermessensentscheidung stünden sich das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide und das öffentliche Interesse an einer möglichst effizienten Vergabe der nur beschränkt vorhandenen Förderungsmittel gegenüber. Letzteres verlange in den Fällen des Fehlens eines schutzwürdigen Vertrauens in aller Regel die Aufhebung einer rechtswidrigen Förderungsentscheidung und damit die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Beträge. Diese Entscheidung entspreche der ständigen Verwaltungsübung, an welche er, der Beklagte, auch aus Gründen der Gleichbehandlung aller Förderungsempfänger gebunden sei.

6

Die Klage des Klägers hatte vor dem Verwaltungsgericht, nicht aber vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Auf die Revision des Klägers hatte das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Denn dieses war abweichend von der ihm im Entscheidungszeitpunkt noch nicht bekannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangenen, ein (verdecktes) Treuhandverhältnis sei ausbildungsförderungsrechtlich unbeachtlich. In dem nunmehr angegriffenen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht der Berufung des Beklagten erneut stattgegeben und die Klage des Klägers abgewiesen.

7

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den vom Bundesverwaltungsgericht für die Annahme einer wirksamen Treuhandabrede im Rahmen der ausbildungsförderungsrechtlichen Vermögensregelungen aufgestellten rechtlichen Maßstab fehlerhaft angewandt. Es habe einerseits Beweisanzeichen, die für den Treuhandcharakter des Wertpapierdepots sprächen, wie etwa die strikte Separierung des Depotguthabens von seinem Vermögen, nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt. Andererseits habe es beispielsweise die fehlende Unterschrift seiner Großmutter auf der von ihm vorgelegten schriftlichen Treuhandvereinbarung zu Unrecht als ein Indiz gegen den Treuhandcharakter angesehen. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht in grober Weise gegen die Denkgesetze verstoßen, soweit es aus dem Umstand, dass der in dem Depot angelegte Geldbetrag nahezu das gesamte Vermögen seiner Großmutter darstellte, gefolgert habe, dass die Unterschrift der Großmutter auf der Treuhandvereinbarung und ein nachvollziehbarer Grund für ihren Abschluss zu erwarten gewesen wären.

8

Des Weiteren rügt der Kläger eine Verletzung des § 45 SGB X. Der Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass er sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, weil er die Bewilligungsbescheide durch arglistige Täuschung erwirkt habe. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts könne ihm lediglich vorgeworfen werden, bei der Antragstellung grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht zu haben. Dieser Irrtum des Beklagten führe zwingend zu einem Ermessensfehler. Die Prüfprogramme der beiden Ermessensvorschriften seien nicht identisch. Abgesehen davon sei das dem Beklagten im Rahmen des § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumte Ermessen in den Fällen des Fehlens eines schutzwürdigen Vertrauens nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auch nicht in Richtung auf die Rücknahme intendiert.

9

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht im Rahmen des § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130) und der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung geltenden Änderung durch Art. 4 Abs. 72 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718) - SGB X - ein sog. intendiertes Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung bejaht, wenn ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt. Es stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die Voraussetzungen für eine Rücknahme vorlagen und der Beklagte sein Rücknahmeermessen rechtsfehlerfrei betätigt hat.

11

Nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 SGB X kann der Leistungsträger einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, wenn der Begünstigte deswegen nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen durfte, weil dieser auf Angaben beruht, die er grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Soweit ein Verwaltungsakt zurückgenommen worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstatten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Bewilligungsbescheide, bei denen es sich um begünstigende Verwaltungsakte handelt, rechtswidrig waren, weil im gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung auch das Guthaben des Wertpapierdepots Vermögen des Klägers war und ihm daher im streitgegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Ausbildungsförderung zustand (1.). Der Kläger hat das Wertpapierdepot und dessen Übertragung auf seine Schwester grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht angegeben (2.), weshalb er sich nicht auf Vertrauen berufen kann und die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) zurückgenommen werden durften. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist eingehalten worden (3.). Der Beklagte hat bei der Rücknahmeentscheidung auch das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt (4.). Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass unter diesen Voraussetzungen die Rückforderung der erbrachten Leistungen, deren Höhe außer Streit steht, nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwingend ist.

12

1. Das Guthaben auf dem Wertpapierdepot ist als Vermögen des Klägers zu berücksichtigen. Es handelt sich insoweit nicht um Treugut (a). Die unentgeltliche Übertragung dieses Depots auf die Schwester des Klägers ist förderungsrechtlich unbeachtlich (b).

13

a) Das Oberverwaltungsgericht hat seiner erneuten Entscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung von Treuhandabreden im Rahmen der ausbildungsförderungsrechtlichen Vermögensregelungen ausdrücklich die vom Senat aufgestellten Rechtsgrundsätze (vgl. Urteile vom 4. September 2008 - BVerwG 5 C 12.08 - BVerwGE 132, 21 = Buchholz 436.36 § 27 BAföG Nr. 4 jeweils Rn. 13 f. und vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 2.10 - juris Rn. 12 f.) zugrunde gelegt. In rechtsfehlerfreier Anwendung dieses Maßstabs hat es den Abschluss einer Treuhandvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Großmutter verneint. Die hiergegen gerichteten Einwände der Revision greifen nicht durch.

14

Soweit die Revision rügt, das Oberverwaltungsgericht habe bei Anwendung der genannten Rechtsgrundsätze einen Rechtsfehler begangen, indem es Beweisanzeichen, die für den Treuhandcharakter des Wertpapierdepots sprächen, wie beispielsweise die strikte Separierung des Depotguthabens von dem Vermögen des Klägers und die Erteilung einer Depotvollmacht an seine Großmutter, unzutreffend bewertet habe, kritisiert sie der Sache nach dessen Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Das Gleiche gilt, soweit die Revision beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe beispielsweise die fehlende Unterschrift der Großmutter des Klägers auf der von ihm vorlegten schriftlichen Treuhandvereinbarung von Juni 1997 zu Unrecht als Indiz gegen den Treuhandcharakter angesehen. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Feststellung und Würdigung der Tatsachen ist nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht entzogen. Dementsprechend ist es dem Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich versagt, die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch eine eigene Würdigung zu korrigieren oder gar zu ersetzen. Es ist insoweit darauf beschränkt zu überprüfen, ob die tatrichterliche Würdigung auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, verletzt (vgl. Urteil vom 16. Mai 2012 - BVerwG 5 C 2.11 - BVerwGE 143, 119 Rn. 18). Das Revisionsvorbringen lässt nicht erkennen, dass die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts einem derartigen Fehler unterliegt.

15

Soweit die Revision im Zusammenhang mit der tatrichterlichen Würdigung des Umstandes, dass es sich bei dem Guthaben des Depots nahezu um das gesamte Vermögen der Großmutter des Klägers gehandelt habe, einen Verstoß gegen Denkgesetze rügt, der im Einzelfall als Verfahrensfehler zu behandeln sein kann (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 74 f.; Beschlüsse vom 2. August 2007 - BVerwG 8 B 23.07 - juris Rn. 4 und vom 26. Juni 2007 - BVerwG 4 BN 24.07 - juris Rn. 4), legt sie diesen nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dar.

16

Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur dann vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht aber schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - BVerwGE 142, 132 Rn. 32 m.w.N.). Sind bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung mehrere Folgerungen denkgesetzlich möglich, so ist es nicht nur nicht fehlerhaft, wenn das Tatsachengericht unter mehreren möglichen eine Folgerung wählt, sondern gerade auch seine ihm durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragene Aufgabe, sich unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung zu bilden (vgl. Beschluss vom 22. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 8.10 - juris Rn. 15 m.w.N.).

17

Die Revision zeigt nicht auf, dass die Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, aufgrund des besagten Umstandes hätte für die treuhänderische Bindung des Klägers ein nachvollziehbarer Grund bestehen müssen und es wäre zu erwarten gewesen, dass auch die Großmutter des Klägers die schriftliche Vereinbarung unterzeichnet hätte, aus logischen Gründen schlechterdings unhaltbar ist. Ebenso wenig ist dem Vorbringen der Revision schlüssig zu entnehmen, dass ihre Schlussfolgerung, der Kläger und seine Großmutter hätten hinsichtlich des Guthabens des Wertpapierdepots eine treuhänderische Bindung vereinbart, denkgesetzlich die einzig mögliche Folgerung aus dem besagten Umstand war.

18

b) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Übertragung des Wertpapierdepots auf die Schwester des Klägers förderungsrechtlich rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich ist und infolgedessen das Guthaben als Vermögen des Klägers zu behandeln ist.

19

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Vermögensübertragung unabhängig von ihrer bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit ausbildungsförderungsrechtlich wegen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich, wenn sie im Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck steht. Dieser Zweck besteht in der Durchsetzung des in § 1 BAföG verankerten Nachrangs der staatlichen Ausbildungsförderung. Danach wird Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nur geleistet, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Eine Vermögensübertragung steht im Widerspruch zu diesem Zweck, wenn der Auszubildende Vermögen überträgt, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen. Von einer entsprechenden Zweckbestimmung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Auszubildende sein Vermögen bzw. Teile desselben auf einen Dritten überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Dritter in diesem Sinne sind auch die Eltern oder ein Elternteil des Auszubildenden. Denn bei einer unentgeltlichen Übertragung von Vermögen steht der Wert des übertragenen Vermögens dem Auszubildenden für seinen Bedarf nicht mehr zur Verfügung. Hätte eine Anrechnung des unentgeltlich übertragenen Vermögens zu unterbleiben, würde die finanzielle Sicherung der Ausbildung in dem im Gesetz vorgesehenen Umfang nicht erreicht. Gerade weil das übertragene Vermögen nicht mehr vorhanden ist, wäre die Durchführung der Ausbildung entgegen der gesetzgeberischen Konzeption durch Gewährung staatlicher Fördermittel und nicht durch das anrechenbare Vermögen des Auszubildenden sicherzustellen. Aus diesem Grund stellt sich eine unentgeltliche Vermögenszuwendung an Dritte ausbildungsförderungsrechtlich grundsätzlich als Rechtsmissbrauch dar (vgl. Urteile vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 103.80 - Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1 S. 4 ff. und vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 2.10 - juris Rn. 12 und Beschluss vom 19. Mai 2009 - BVerwG 5 B 111.08 - juris Rn. 2). Ob die Unentgeltlichkeit der Übertragung genügt, um diese ohne Weiteres als Rechtsmissbrauch zu werten, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 3.09 - Buchholz 436.36 § 27 BAföG Nr. 6 Rn. 47). So kann die Unentgeltlichkeit als Kriterium für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit beispielsweise mit zunehmendem zeitlichem Abstand von der Antragstellung an Gewicht verlieren. Mit Rücksicht darauf ist es gerechtfertigt und gegebenenfalls im Einzelfall auch geboten, zusätzlich zur Unentgeltlichkeit auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der unentgeltlichen Übertragung von Vermögenswerten und der Beantragung von Ausbildungsförderung abzustellen. Denn ein solcher Zusammenhang spricht in gewichtiger Weise für einen Rechtsmissbrauch.

20

Das Oberverwaltungsgericht hat sich von diesen Rechtsgrundsätzen leiten lassen. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen und den Senat bindenden Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist seine rechtliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Übertragung des Wertpapierdepots auf die Schwester des Klägers wegen der Unentgeltlichkeit und des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der am 8. Oktober 2001 erfolgten Vermögensverschiebung und dem am 20. Dezember 2001 gestellten Antrag auf Ausbildungsförderung als rechtsmissbräuchlich zu werten ist.

21

2. Das angefochtene Urteil steht auch mit Bundesrecht in Einklang, soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, dass das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdig ist und die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) zurückgenommen werden durften, weil diese zwar nicht durch eine arglistige Täuschung im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X erwirkt worden sind (a), aber im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf grob fahrlässig gemachten unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhen (b).

22

a) Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Auszubildende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem für die Bewilligung von Ausbildungsförderung maßgeblich beteiligten Bediensteten des Amtes für Ausbildungsförderung einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer für ihn günstigen Entscheidung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Behörde hiernach gefragt hat oder nicht (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 2 C 23.96 - BVerwGE 102, 178 <180 f.> = Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 16 S. 11 f. m.w.N.). Das Verschweigen wahrer Tatsachen ist - in Abgrenzung zu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X - eine Täuschung, wenn das Amt für Ausbildungsförderung nach diesen Tatsachen gefragt hat. Der Frage eines maßgeblich beteiligten Bediensteten des Amtes für Ausbildungsförderung steht es gleich, wenn in einem Vordruck oder Antragsformular erkennbar eine bestimmte Frage aufgeworfen wird, welche dann wahrheitswidrig beantwortet wird.

23

Das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach von diesen rechtlichen Anforderungen ausgegangen. Gemessen daran hat es in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine arglistige Täuschung abgelehnt. Denn nach seinen bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen ist in den Antragsformularen nicht ausdrücklich nach (unentgeltlichen) Vermögensverfügungen gefragt worden, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung gestanden haben.

24

b) Das Vertrauen des Begünstigten ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht schutzwürdig, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, weil schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 a.a.O. Rn. 24 m.w.N.).

25

In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht entschieden, dass der Kläger die unentgeltliche Übertragung des Wertpapierdepots auf seine Schwester grob fahrlässig verschwiegen hat. Nach dem Sachverhalt, wie er sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt, musste es sich dem Kläger aufdrängen, dass er diese Vermögensverfügung anzugeben hatte, ohne dass danach konkret gefragt worden ist. Denn sie konnte für die Entscheidung des Amtes für Ausbildungsförderung erheblich sein. Selbst wenn der Kläger davon ausgegangen sein sollte, dass ihm dieses Vermögen wegen der Übertragung auf seine Schwester nicht (mehr) zuzurechnen war und von ihm nicht zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden musste, hätte er diese Vorgänge zumindest offenlegen müssen, um dem Beklagten eine eigenständige Prüfung und Bewertung der vorgetragenen Verwertungshindernisse zu ermöglichen. Die Nichtangabe des Wertpapierdepots war für die Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide auch kausal (vgl. zu diesem Erfordernis Urteil vom 30. Juni 2010 a.a.O. Rn. 40).

26

3. Des Weiteren ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte den Rücknahmebescheid vom 1. Oktober 2003 gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erlassen hat.

27

Die Jahresfrist beginnt, sobald die Rücknahmebehörde die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 - BVerwG 5 C 3.09 - juris Rn. 25 m.w.N.). Sie ist hier nicht schon im September 2002 durch den Hinweis des Bundesamtes für Finanzen auf die vom Kläger gestellten Freistellungsaufträge für Kapitaleinkünfte in Lauf gesetzt worden, der den Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hat, sondern erst durch die vom Kläger nach einem entsprechenden Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 31. Januar 2003 vorgelegten Unterlagen. Der Beklagte durfte auch die aus dem Datenabgleich erlangten Informationen verwerten und zum Anlass nehmen, den Kläger zu ergänzenden Angaben zu seinem Kapitalvermögen aufzufordern. Insbesondere rechtfertigt die durch Gesetz vom 2. Dezember 2004 (BGBl I S. 3127) lediglich klarstellende Einfügung des § 41 Abs. 4 BAföG nicht den Umkehrschluss, die Erkenntnisse aus einem bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Datenabgleich unterlägen einem Verwertungsverbot (vgl. Urteil vom 30. Juni 2010 a.a.O.).

28

4. Das Oberverwaltungsgericht hat schließlich im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden ist. Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist zwar seine Auffassung, die Ermessensbetätigung der Ämter für Ausbildungsförderung nach § 45 Abs. 1 SGB X sei in dem Sinne vorgezeichnet, dass sie im Regelfall nur durch eine Entscheidung für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides ausgeübt werden kann (sog. intendiertes Ermessen), wenn einer der Fälle des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt (a). Der Beklagte hat aber das ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (b).

29

a) Die auf § 45 Abs. 1 und 4 SGB X gestützte Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit steht im Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung (vgl. Urteile vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 - BVerwGE 78, 101 <105> = Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 27 S. 13 und - BVerwG 5 C 16.86 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 29 S. 26; s.a. BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 - SozR 3-1300 § 45 Nr. 5). Die Ermessensentscheidung erfordert eine sachgerechte Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände mit dem privaten Interesse des Auszubildenden an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides (vgl. Urteile vom 27. Juni 1991 - BVerwG 5 C 4.88 - BVerwGE 88, 342 <347> = Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 16 S. 20 und vom 8. Juni 1989 - BVerwG 5 C 68.86 - Buchholz 436.36 § 50 Nr. 5 S. 4; s.a. BSG, Urteil vom 11. April 2002 - B 3 P 8/01 R - juris Rn. 21). Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. Dies gilt auch, wenn eine Berufung des Auszubildenden auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausscheidet. Die für diese Fälle vom Oberverwaltungsgericht angenommene Begrenzung des Entscheidungsspielraums der Ämter für Ausbildungsförderung, lässt sich weder unmittelbar aus § 45 SGB X (aa) noch aus dem Bundesausbildungsförderungsrecht und seinen fachspezifischen Wertungen (bb) ableiten.

30

(aa) Die Auslegung der Ermessensvorschrift des § 45 Abs. 1 SGB X ergibt kein intendiertes Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung. Hiergegen sprechen neben dem Wortlaut vor allem systematische Erwägungen.

31

§ 45 Abs. 1 SGB X eröffnet Ermessen ("darf"), ohne danach zu unterscheiden, ob sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 3 SGB X auf Vertrauensschutz berufen kann oder nicht.

32

Die binnensystematische Betrachtung des § 45 SGB X bestätigt diesen Befund. So verbietet § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X für den Fall, dass der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist, die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Für den Fall, dass das Vertrauen des Begünstigten in die Bestandskraft des Verwaltungsakts gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht schutzwürdig ist, fehlt eine vergleichbare Regelung. Dies wiegt um so schwerer, als § 48 Abs. 2 VwVfG, dem § 45 Abs. 2 SGB X weitgehend entspricht, in Satz 4 ausdrücklich bestimmt, dass der Verwaltungsakt in den Fällen des fehlenden Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, weshalb § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG auch als ermessenslenkende Norm anzusehen ist (vgl. Urteile vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <57> = Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25 S. 3 und vom 23. Mai 1996 - BVerwG 3 C 13.94 - Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 S. 13).

33

In dieselbe Richtung weist der systematische Vergleich mit der Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB X, die in Satz 1 eine gebundene Aufhebungsentscheidung vorsieht und in Satz 2 ausdrücklich normiert, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt (mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse) aufgehoben werden "soll". Eine solche Differenzierung findet sich in § 45 SGB X nicht.

34

(bb) Ebenso wenig ist dem einschlägigen Fachrecht zu entnehmen (vgl. zur Zulässigkeit, ein intendiertes Ermessen kraft Fachrechts anzunehmen z.B. Urteil vom 25. September 1992 - BVerwG 8 C 68 u. 70.90 - BVerwGE 91, 82 <90 f.> = Buchholz 454.71 § 3 WoGG Nr. 6 S. 8 f.), dass das Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X in der Weise Vorrang genießt, dass die Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide vorgegeben ist.

35

Eine entsprechende fachgesetzliche Intention lässt sich entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht aus dem in § 1 BAföG normierten Grundsatz des Nachrangs der staatlichen Ausbildungsförderung folgern. Durch diesen soll sichergestellt werden, dass die begrenzten staatlichen Förderungsmittel sinnvoll eingesetzt werden und für förderungsbedürftige Auszubildende zur Verfügung stehen. Auch wenn dies die Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide und die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Ausbildungsförderung nahe legt, ist § 1 BAföG keine ermessenslenkende Bedeutung für die hier in Rede stehende Konstellation beizumessen. Denn die Vorschrift unterscheidet nicht zwischen Auszubildenden, die die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllen, und solchen, die dies nicht tun. Sie beansprucht vielmehr für beide Fallgruppen Geltung. Infolgedessen fehlt es an einer hinreichend aussagekräftigen Grundlage für die Annahme, dass dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X im Regelfall Vorrang vor dem kollidierenden Prinzip der Bestandskraft von Verwaltungsakten zukommt. Der bloße Verstoß gegen den Nachranggrundsatz sagt für sich noch nichts darüber aus, mit welcher Gewichtigkeit diese Belange in die Abwägung einzustellen sind.

36

Gegen die Annahme eines durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz intendierten Ermessens spricht in deutlicher Weise die Vorschrift des § 20 BAföG. Ihr ist eine differenzierte Regelung zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die Aufhebung rechtswidriger Bewilligungsbescheide und die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen der Ausbildungsförderung mit Wirkung für die Vergangenheit in Betracht kommt und welche Entscheidung die Ämter für Ausbildungsförderung dabei jeweils zu treffen haben.

37

Bis zum Inkrafttreten des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469) mit Wirkung zum 1. Januar 1981 enthielt § 20 BAföG eine vollständige und abschließende Regelung über die Aufhebung rechtswidriger Bewilligungsbescheide und die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen der Ausbildungsförderung. Mit dem Inkrafttreten des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wurden die früheren Aufhebungs- und Erstattungstatbestände des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BAföG gestrichen, weil die von ihnen erfassten Sachverhalte durch die §§ 45, 48 und 50 SGB X abgedeckt sind. Durch diese Streichung und den ausdrücklichen Hinweis auf die §§ 44 bis 50 SGB X in § 20 Abs. 1 Satz 1 BAföG wurde klargestellt, dass die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Erstattung der Förderungsleistungen in den von § 20 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB X nicht erfassten Fällen fortan dem Regelungsregime des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch unterstehen und somit an die dort normierten Voraussetzungen und Grundsätze gebunden sind (vgl. Urteile vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 - a.a.O. <104> bzw. S. 12 und - BVerwG 5 C 16.86 - a.a.O. S. 25). Mit Rücksicht darauf besteht ein strikter Aufhebungszwang ("ist ... aufzuheben") nur in den Fällen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 BAföG. In den Fällen des § 48 SGB X ("soll") müssen die Ämter für Ausbildungsförderung die Bewilligungsbescheide nur im Regelfall zurücknehmen und sind nur bei einer atypischen Fallgestaltung zur Ausübung von Ermessen berechtigt und verpflichtet. In den Fällen des § 45 Abs. 1 und 4 SGB X ("darf") steht die Rücknahme stets im Ermessen der Ämter für Ausbildungsförderung (vgl. Urteile vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 - BVerwGE 78, 101 <105> = Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 27 S. 13 und - BVerwG 5 C 16.86 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 29 S. 26). Diese klaren und eindeutigen gesetzlichen Vorgaben würden missachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände von vornherein und unabhängig vom Einzelfall ein Vorrang eingeräumt und ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründet würde.

38

Nichts anderes folgt aus den Urteilen des Senats vom 17. September 1987 - BVerwG 5 C 26.84 und 5 C 16.86 - (jeweils a.a.O.). Die dort getroffene Aussage,

"dass beim Vorliegen eines dieser Sachverhalte § 45 abs. 2 satz 3 nr. 1 bis 3 sgb x> die Ermessensbetätigung der Behörde im Normalfall ebenfalls zur Rückgängigmachung des Verwaltungsaktes führen wird" (vgl. a.a.O. <106> bzw. S. 13 und S. 26),

ist im Zusammenhang mit den beiden nachfolgenden Sätzen zu sehen,

"für die weiter in Betracht zu ziehenden Fälle des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X folgt das gleiche kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung daraus, dass die Behörde die Aufhebung, wenn die Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt sind, vornehmen soll und damit, wie schon ausgeführt, zur Aufhebung im Regelfall verpflichtet ist. Hier wie dort sind demnach beim Gesetzesvollzug Ergebnisse zu erwarten, die bei typischer Fallgestaltung denen bei Anwendung des § 20 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BAföG entsprechen" (vgl. a.a.O.).

Aufgrund dieses Kontextes ist die angeführte Erklärung als empirisch-prognostische Einschätzung des Senats zum Ergebnis des Gesetzesvollzugs zu verstehen. Eine weitergehende Aussage dahin, dass die Ermessensentscheidung nach § 45 Abs. 1 und 4 SGB X in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aus normativen Gründen, insbesondere des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, in Richtung Rücknahme intendiert wäre, ist ihr nicht zu entnehmen.

39

b) Die Ausübung des Rücknahmeermessens durch den Beklagten ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Maßgeblich sind insoweit die Erwägungen im Widerspruchsbescheid. Denn eine behördliche Entscheidung, deren Recht- und Zweckmäßigkeit - wie hier - durch die Widerspruchsbehörde nachgeprüft werden kann, erhält gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst durch den Widerspruchsbescheid ihre für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt (vgl. Beschluss vom 26. April 2011 - BVerwG 7 B 34.11 - BRS 77 Nr. 68 und Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - BVerwGE 136, 140 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 Rn. 24).

40

Dem Beklagten war ausweislich des Widerspruchsbescheides bewusst, dass ihm Ermessen zusteht, und er hat dieses erkennbar ausgeübt. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist der Beklagte auch nicht von der falschen Ermessensvorschrift ausgegangen, soweit er im Widerspruchsbescheid die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X (arglistige Täuschung) statt der Nr. 2 dieser Vorschrift (grobe Fahrlässigkeit) angenommen hat. Denn das Ermessen ist ihm nicht durch diese Regelung, sondern durch die Bestimmung des § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumt. Seine Ermessenserwägungen sind auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil er im Widerspruchsbescheid zu Unrecht von einer arglistigen Täuschung des Klägers ausgegangen ist. Denn ein Fehler in der rechtlichen Bewertung ist unschädlich, wenn er sich in den Ermessenserwägungen nicht niederschlägt. Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat seine Ermessensentscheidung nicht auf den Grad des klägerischen Verschuldens gestützt, sondern auf die Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide und den Schutz fiskalischer Interessen abgestellt. Bei der Ausübung des Ermessens hat sich der Beklagte gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch am Zweck der Ermächtigung orientiert. Er hat das Interesse des Klägers an der Beständigkeit der rechtswidrigen Bewilligungen mit dem öffentlichen Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgewogen. Letzteres schließt die Einbeziehung fiskalischer Interessen nicht aus (vgl. Urteile vom 19. Februar 2009 - BVerwG 8 C 4.08 - juris Rn. 46 und vom 31. August 2006 - BVerwG 7 C 16.05 - Buchholz 428 § 31 VermG Nr. 12 Rn. 25). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte von dem Gedanken hat leiten lassen, das Interesse des Klägers, die zu Unrecht erhaltenen Mittel zu behalten, habe hinter das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen und effizienten Vergabe der nur beschränkt vorhandenen Förderungsmittel zurückzutreten. Da der Kläger bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens keine für die Ermessensausübung relevanten Gesichtspunkte vorgetragen hat, konnte sich der Beklagte auch auf diese knappe allgemeine Interessenabwägung beschränken.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.